Einleitung

In den letzten 5 Jahren war ein Anstieg der polizeilich registrierten Fälle im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der kinderpornografischen Delikte zu verzeichnen, wobei insbesondere unter Einsatz des Tatmittels Internet begangene Sexualdelikte an Bedeutung gewinnen. Zudem erfuhren sehr gravierende Fälle des sexuellen MissbrauchsFootnote 1 von Kindern, die als Komplexe mit mehreren Tätern und Opfern sowie den zusätzlichen Austausch kinderpornografischer Aufnahmen der Taten hervortraten, eine hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit (Biedermann und Rüdiger 2021). Der Gesetzgeber reagierte 2021 mit einem „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2020, 2021). Eine zentrale Zielstellung des Gesetzes bestand in der Erhöhung des Mindeststrafrahmens für Sexualdelikte mit kindlichen Opfern. Die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornografischer Inhalte nach § 184b StGB wird fortan pauschal als Verbrechenstatbestand eingestuft, ebenso wie der sexuelle Missbrauch von Kindern mit Körperkontakt nach dem neu gefassten § 176 StGB. Die Gesetzesreform ist auch noch aktuell der Kritik ausgesetzt, ob sie die Entwicklung im Bereich der Sexualdelinquenz tatsächlich günstig beeinflussen kann oder ob hierfür nicht anderweitige Präventionsansätze zielführender erscheinen. So hat der Gesetzgeber ggf. in unzureichender Form die spezifischen Charakteristika und die Unterschiedlichkeit der Tatkonstellationen in diesem Deliktbereich berücksichtigt, welche im Hinblick auf die Ursachen und Präventionsmöglichkeiten von Sexualdelikten mit kindlichen Opfern zu berücksichtigen sind (Hörnle 2020; Renzikowski 2020).

Die allgemeine Präsenz des Internets in unserem gesellschaftlichen Leben hat auch vor dem Bereich der Sexualität keinen Halt gemacht. Speziell bei minderjährigen/jugendlichen Personen kann der Austausch sexueller Inhalte einen Teil eines altersadäquaten Entwicklungsprozesses hinsichtlich der eigenen Sexualität darstellen (Neutze et al. 2018). Gleichzeitig resultieren Risiken für diese jungen Menschen, Opfer von Sexualstraftaten zu werden, da sich analog zu anderen Kriminalitätsbereichen eine Verlagerung von Straftaten in das Internet beobachten lässt (Birkel et al. 2022; Rüdiger und Bayerl 2020b; Seto 2021). Aus dem Bereich klassischer analoger Missbrauchsdelikte bekannte Strategien zur Anbahnung sexueller Kontakte (als Grooming bezeichnet) werden hierbei unter Nutzung der kriminalitätsbegünstigenden Potenziale des Internets für den digitalen Raum adaptiert (Aslan 2011; Briggs et al. 2011; Rüdiger 2020; Tener et al. 2015). Beim digitalen Raum handelt es sich um einen weitestgehend grenzfreien Kommunikations- und Interaktionsraum, weshalb Grooming-Strategien an einer wesentlich höheren Zahl potenzieller Opfer angewendet werden können, als dies mit rein analogen Mechanismen denkbar wäre. Zudem wird erst durch die digitalen Mechanismen ein schneller und unkomplizierter Austausch großer Mengen kinderpornografischen Materials ermöglicht. Möglichkeiten, die eigene Identität zu verschleiern, verringern die Wahrscheinlichkeit, als Täter identifiziert zu werden, und die informelle soziale Kontrolle als Schutzfaktor gegenüber kriminellen Handlungen ist reduziert (Rettenberger und Leuschner 2020; Rüdiger und Bayerl 2020a). Hinsichtlich der polizeilich registrierten Fälle betrifft die Tatbegehung unter Nutzung des Tatmittels Internet bei kinderpornografischen Delikten bereits seit längerer Zeit die überwiegende Mehrheit der Fälle, beim sexuellen Missbrauch von Kindern belaufen sich die Anteile mittlerweile auf über 20 % (Biedermann und Rüdiger 2021; Bundeskriminalamt 15,14,c, b). Onlinebasierte Sexualdelikte müssen nicht zwangsläufig zu weiteren, körperkontaktbasierten Sexualdelikten führen, wenngleich derartige Entwicklungen bei bestimmten Teilgruppen von Tätern mit einer entsprechenden Akkumulation von Risikofaktoren durchaus vorkommen können (Gottfried et al. 2020; Schuhmann et al. 2016; Seto 2021; Seto et al. 2011).

Neben dem Anstieg internetbasierter Delikte ist in den letzten Jahren sowohl beim sexuellen Missbrauch von Kindern als auch den kinderpornografischen Delikten ein deutlicher Zuwachs des Anteils minderjähriger Tatverdächtiger zu verzeichnen (Biedermann und Rüdiger 2021). Mittlerweile stellen minderjährige Tatverdächtige mehr als 30 % der Tatverdächtigen in diesen beiden Deliktbereichen; unter Eingrenzung auf die Tatmodalitäten des § 184b StGB unter Nutzung des Tatmittels Internet stellten Minderjährige im Jahr 2021 sogar die Mehrheit der Tatverdächtigen (Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes 2022). Im Zuge der jüngsten Reform der Sexualdelikte mit kindlichen Opfern verwies u. a. der Bund Deutscher Kriminalbeamter darauf, dass sexuelle Handlungen unter annähernd Gleichaltrigen sowie der Austausch kinderpornografischer Inhalte in Chatgruppen unter Jugendlichen häufig in ein anderes Bedingungsgefüge (beispielsweise mangelndes Problembewusstsein) mit einem geringeren Unrechtsgehalt als bei Erwachsenen eingebettet sind (Fiedler 2020; Münch 2020). Auch im Hinblick auf eine drohende Überlastung der polizeilichen und justiziellen Ressourcen wurde daher eine strafrechtliche Berücksichtigung minder schwerer Fälle gefordert. Mit Verweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Strafandrohung in manchen Konstellationen des reformierten § 184b StGB und die fehlende Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO durch die pauschale Einstufung als Verbrechen wurde seitens eines Amtsrichters nunmehr eine Normenkontrollklage (2 BvL 11/22 vom 22.06.2022) eingereicht (LTO-Redaktion 2022). Dieser Argumentationslinie im Wesentlichen folgend haben auch die Landesjustizminister*innen in ihrer 93. Konferenz den Bundesjustizminister gebeten, die Herabstufung des § 184b StGB auf ein Vergehen zu prüfen, da sich die Reform in der Praxis nicht bewährt habe (Suliak 2022).

In diesem Kontext ist anzuführen, dass die Bestimmungen des reformierten § 176 StGB zwar vorsehen, dass bei der Grundform des sexuellen Missbrauchs von Kindern (mit Körperkontakt) von einer Bestrafung abgesehen werden kann, „wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus“. Die Entscheidung zum Absehen von Strafe kann allerdings erst vor Gericht erfolgen, wodurch die Belastungen des Ermittlungsverfahrens nach wie vor bestehen (Renzikowski 2020). Für den sexuellen Missbrauch ohne Körperkontakt (§ 176a StGB), die Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176b StGB) und den Austausch kinderpornografischer Inhalte nach § 184b StGB ist eine solche Sonderbehandlung für minderjährige Täter überdies nicht vorhanden. Dabei ergeben sich problematische Konstellationen mit eher zweifelhaftem bzw. geringem Unrechtsgehalt. So kann sich beispielsweise ein 14-jähriges Mädchen eines Verbrechens nach § 184b StGB strafbar machen, wenn es im Rahmen von freiwilligen Sexting-Handlungen – also dem Austausch intimer sexueller Medien und Nachrichten über digitale Kommunikationsmethoden – von ihrem 13-jährigen Freund Nacktbilder erhält. Wird in einem Gruppenchat ein kinderpornografischer Inhalt gepostet, muss die Polizei, bedingt durch das Legalitätsprinzip, ggf. selbst gegen den Anzeigenerstatter aus dieser Gruppe ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts des Besitzes von kinderpornografischen Inhalten einleiten, einschließlich etwaig gebotener strafprozessualer Maßnahmen wie Sicherstellung/Beschlagnahme des Smartphones oder gar Hausdurchsuchungen. Unberührt von etwaigen Sanktionen durch das Gericht können somit durch das Ermittlungsverfahren erhebliche Belastungen und Stigmatisierungserfahrungen resultieren, die in der Gesamtbetrachtung unverhältnismäßig erscheinen.

Zielstellung der Untersuchung

Es finden sich bereits einige Untersuchungen, die die Spezifika von minderjährigen/jugendlichen Sexualstraftätern näher betrachten und auf Unterschiede zu erwachsenen Sexualstraftätern verweisen. So werden bei jugendlichen Sexualstraftätern verstärkt temporäre entwicklungsbedingte Reifedefizite als Ursache für Sexualdelikte angesehen, und für die Einschätzung des Rückfallrisikos wurden altersspezifische Instrumente und Methoden entwickelt (Aebi und Bessler 2012; Barra et al. 2021; Bessler Nigl et al. 2021; Janka et al. 2012; Klein et al. 2015; Krause et al. 2021). Lewis (2018) zeigt die mittlerweile immense Bedeutung des Internets für die sexuelle Entwicklung junger Menschen auf und illustriert gleichzeitig, in welch unterschiedlichen Facetten sich Risiken der eigenen Viktimisierung, aber auch der Schädigung anderer Kinder ergeben. Im Vergleich zu erwachsenen Sexualstraftätern fällt der Umfang der Beforschung allerdings deutlich reduzierter aus (Aebi et al. 2021). Dies betrifft insbesondere digital begangene Sexualstraftaten und spezifische Untersuchungen des polizeilichen Fallaufkommens. Insbesondere ist unklar, welchen quantitativen Umfang die oben beschriebenen Konstellationen mit jugendlichen Tatverdächtigen tatsächlich einnehmen, für welche die jetzigen strafrechtlichen Regelungen unverhältnismäßig erscheinen.

Auf dieser Basis verfolgt die vorliegende Untersuchung das Ziel, anhand polizeilicher Daten verschiedene Tätertypen beim sexuellen Missbrauch von Kindern und bei kinderpornografischen Delikten unter Nutzung des Tatmittels Internet zu unterscheiden. Im Sinne einer multidimensionalen Typenbildung werden hierbei gleichzeitig die Straftatkategorie sowie das Alter der Tatverdächtigen und Opfer berücksichtigt, um als Ausgangspunkt für die weiterführenden Analysen einen geeigneten Merkmalskontext zu schaffen. Neben der Auftretenshäufigkeit der einzelnen Tätertypen sollen Zusammenhänge der Tätertypen zu weiteren Merkmalen der Tatbegehung analysiert werden, um das Verständnis unterschiedlicher Tathintergründe weiter zu befördern. Im Kontrast zu bisherigen Analysen der polizeilich registrierten Fälle, die gewöhnlich die Auftretenshäufigkeit einzelner Merkmale isoliert voneinander betrachten, stehen in dieser Untersuchung die Verbindungen verschiedener Merkmale und deren kontextuelles Zusammenwirken im Vordergrund. Auf dieser Grundlage sollen Schlussfolgerungen für geeignete repressive und präventive Interventionsansätze im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der kinderpornografischen Delikte unter Nutzung des Tatmittels Internet abgeleitet werden. Die Untersuchung bettet sich in ein übergeordnetes Forschungsprojekt „Digitale Sexualdelikte gegen Kinder mit dem Schwerpunkt auf minderjährige Tatverdächtige“ an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg ein, welches seitens der Sicherheitskooperation (SiKoop) der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt unterstützt wird.

Methode

Stichprobe

Die Ausgangsgrundlage der Analysen bildeten alle polizeilich registrierten Fälle, die in den Jahren 2016–2021 seitens der SiKoop-Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt zur Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik gemeldet wurden und folgende Charakteristika aufwiesen: PKS-Schlüsselnummer 131000 („Sexueller Missbrauch von Kindern“) oder 143200 („Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Schriften“) und gleichzeitige Markierung des Falls mit dem Sonderkenner „Tatmittel Internet“ (Bundeskriminalamt 2022a)Footnote 2. Zu diesen Fällen wurden fall-, tatverdächtigen- und opferbezogene Merkmale zusammengetragen, welche durch einen fallbezogenen Identifizierungsschlüssel miteinander in Beziehung gesetzt werden konnten. Die erhobenen Merkmale resultieren aus den bundesweit gültigen Richtlinien und Definitionskriterien der Polizeilichen Kriminalstatistik (Bundeskriminalamt 2022d und damit verknüpfte Dokumente). Durch einen anonymen Identifizierungsschlüssel für die einzelnen Tatverdächtigen konnten mehrfach erfasste Tatverdächtige innerhalb der beiden betrachteten Deliktgruppen identifiziert werden. Um solche Tatverdächtige bei der Bildung der Tätertypen nicht mehrfach zu gewichten, wurden die Tatverdächtigen entweder mit ihrem einzigen oder auf Basis des PKS-Berichtsdatums frühesten Fall (Indexfall) berücksichtigt. Insgesamt gingen bei den sexuellen Missbrauchsdelikten 1353 und bei den kinderpornografischen Delikten 8466 Tatverdächtige mit einem zugehörigen Indexfall in die Analysen ein.

Bildung der Tätertypen

Die erfassten Tatverdächtigen wurden nach den in Tab. 1 dargestellten Kriterien einem Tätertypus zugeordnet. Wie erwähnt sollte dadurch ein geeigneter multidimensionaler Merkmalskontext für die weiteren Analysen geschaffen werden. Für die Typenbildung wurden die Tatverdächtigen des internetbasierten sexuellen Missbrauchs von Kindern auf einer ersten Kriterienebene anhand ihres Alters in minderjährige und erwachsene Tatverdächtige unterteilt. Die minderjährigen Tatverdächtigen erfuhren anhand des Altersabstands zum Opfer eine weitere Subunterteilung, um Tatverdächtige mit Opfern innerhalb und außerhalb der erweiterten Alterspeergroup zu unterscheiden. Abgesehen von den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls besteht gerade in Konstellationen mit Opfern innerhalb der erweiterten Alterspeergroup die Möglichkeit, dass es den Taten an dem für den sexuellen Missbrauch von Kindern charakteristischen Machtmissbrauch seitens eines überlegenen Täters fehlt und sich diese als Teil jugendtypischer (wenngleich nicht automatisch unproblematischer) Entwicklungsprozesse im Bereich der Sexualität manifestieren (Hörnle 2020). Wie bereits dargelegt, erlaubt der reformierte § 176 StGB in Absatz 2 daher bei Konstellationen mit geringem Altersabstand unter bestimmten Bedingungen ein Absehen von Strafen. Darüber hinaus kommen in derartigen Konstellationen pädophile Präferenzstrukturen als etwaiger Bedingungsfaktor der Taten nicht in Betracht, da die Feststellung einer solchen Störung der Sexualpräferenz für jugendliche Personen mit geringem Altersabstand zu Sexualpartnern ungeachtet weiterer Definitionskriterien ausscheidet (American Psychiatric Association 2013). Die Grenze eines Altersabstands von maximal 3 Jahren für den Typus minderjähriger Tatverdächtiger mit einem Opfer innerhalb der erweiterten Alterspeergroup orientierte sich an den Bestimmungen des Artikels 187 des Schweizer Strafgesetzbuches, wonach sexuelle Handlungen mit Kindern nicht strafbar sind, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als 3 Jahre beträgt.

Tab. 1 Definitionen der unterschiedenen Tätertypen

Für die Typenbildung bei den Tatverdächtigen der internetbasierten kinderpornografischen Delikte war zu berücksichtigen, dass für diese Fälle i. Allg. keine opferbezogenen Angaben vorliegen, da es sich nicht um ein Delikt mit sog. Opfererfassung handelt (Bundeskriminalamt 2022a). Die Unterscheidung verschiedener Tätertypen basierte auf der ersten Kriterienebene erneut in der Abgrenzung minderjähriger und erwachsener Tatverdächtiger. Auf der zweiten Ebene wurden Tatverdächtige mit bloßem Besitz oder dem Sichverschaffen kinderpornografischer Inhalte von Tatverdächtigen unterschieden, die sich an der Herstellung, Verbreitung oder der Besitzverschaffung für andere beteiligen. Diese Unterscheidung begründet sich in einem höheren Unrechtsgehalt und Strafrahmen der Herstellungs- und Verbreitungsdelikte. Zwar wird der Austauschmarkt kinderpornografischer Inhalte auch durch den Konsum und die damit verbundene Nachfrage nach solchen Inhalten gefördert, aber in einem geringeren Maße als durch die aktive Herstellung und Verbreitung solcher Inhalte, weil die Verfügbarkeit neuer Missbrauchsdarstellungen nicht ohne letztgenannte Prozesse möglich wäre (Hörnle 2020, 2021, RN 2).

Auftretenshäufigkeit und Zusammenhänge der Tätertypen zu weiteren Merkmalen der Tatbegehung

Zur Beurteilung der quantitativen Relevanz der Tätertypen wurde deren Auftretenshäufigkeit ermittelt. Für die kontextorientierte Verortung der Typen wurde das Auftreten bestimmter Tatbegehungsmerkmale in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu den Tätertypen analysiert. Die Auswahl dieser Merkmale orientierte sich an bedeutsamen Differenzierungsdimensionen bei Sexualstraftätern in früheren Untersuchungen (Biedermann 2014; Biedermann und Dahle 2020; Biedermann und Rüdiger 2021) und war zudem an die Verfügbarkeit der Informationen in den polizeilichen Datenbanksystemen gekoppelt. Folgende Merkmale flossen in die Analysen ein, wobei die opferbezogenen Merkmale lediglich für die Deliktgruppe des sexuellen Missbrauchs betrachtet werden konnten:

  • (1) Feindifferenzierung der Straftatbezeichnung entsprechend den verfügbaren PKS-Schlüsseln (Bundeskriminalamt 2022a)

  • (2) Alter des Tatverdächtigen (unter 14, 14 bis 17 Jahre, 18 bis 29 Jahre, über 30 Jahre)

  • (3) Geschlecht des Tatverdächtigen

  • (4) Weitere Tatverdächtige beim Fall (Nein vs. Ja)

  • (5) Opferalter (unter 10, 10 bis 11 Jahre, 12 bis 13 Jahre; Minimum des Opferalters als Bewertungsgrundlage im Falle mehrerer Opfer)

  • (6) Geschlecht des Opfers (weiblich vs. männlich vs. Opfer beiderlei Geschlechts [im Falle mehrerer Opfer])

  • (7) Opfer-Tatverdächtiger-Beziehung ([soz.] verwandt = Ehe/Partnerschaft/Familie einschl. Angehörige vs. bekannt = informelle + formelle soziale Beziehungen vs. fremd = keine Beziehung vs. ungeklärt; engstes Beziehungsverhältnis als Bewertungsgrundlage im Falle mehrerer Opfer) (Bundeskriminalamt 2022e)

  • (8) Mehrere Opfer beim Fall (Nein vs. Ja)

  • (9) Weitere sexuelle Missbrauchsdelikte an Kindern oder kinderpornografische Delikte unter Nutzung des Tatmittels Internet im Betrachtungszeitraum zwischen 2016 und 2021 außerhalb des Indexfalls (Nein vs. Ja)

Zur Ermittlung statistischer Zusammenhänge zwischen den Tätertypen und den betrachteten Merkmalen wurde der Exakte Fisher-Test verwendet, unter Nutzung eines Monte-Carlo-Verfahrens mit 100.000 Wiederholungen (R Core Team 2022). Bestimmte Merkmale wurden bereits durch die Typenbildung hinsichtlich ihrer möglichen Merkmalsausprägungen eingeschränkt. Für diese Fälle wurde der Exakte Fisher-Test jeweils unter Einbezug jener Typen durchgeführt, für die die gleichen und mindestens 2 Merkmalsausprägungen frei variieren konnten.

Ergebnisse

Sexueller Missbrauch von Kindern unter Nutzung des Tatmittels Internet

Wie in Tab. 2 ersichtlich, gehören beim internetbasierten sexuellen Missbrauch von Kindern rund 60 % aller Tatverdächtigen dem Tätertypus der erwachsenen Tatverdächtigen (Typus 3) an. Rund ein Viertel der Tatverdächtigen ist den minderjährigen Tatverdächtigen mit Opfern innerhalb der erweiterten Alterspeergroup zugehörig (Typus 1). Ein kleiner Teil zwischen 10 und 15 % aller Tatverdächtigen entstammt den minderjährigen Tatverdächtigen mit Opfern außerhalb der erweiterten Alterspeergroup (Typus 2). In Bezug auf die Feindifferenzierung der Straftatbezeichnung zeigen sich zwar statistisch signifikante, allerdings dennoch eher geringe Unterschiede zwischen den Tätertypen. Es dominiert jeweils die Kategorie „Einwirkung auf Kinder“ (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 u. 4 StGB a. F.Footnote 3) mit einem Anteil von 80–90 % der Tatverdächtigen. Anteile über 3 % ergeben sich im Weiteren für die Kategorie „sexuelle Handlungen an Kindern“ (§ 176 Abs. 1 und 2 StGB a. F.), „Bestimmen des Kindes zu sexuellen Handlungen an sich“ (§ 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB a. F.) sowie „schwerer sexueller Missbrauch zur Herstellung und Verbreitung kinderpornografischer Inhalte“ (§ 176a Abs. 3 StGB a. F.), wobei diese schwere Tatbegehungsvariante, freilich auf niedrigem Grundniveau, relativ betrachtet etwas häufiger beim Tätertypus 3 anzutreffen ist.

Tab. 2 Zusammenhänge zwischen den Tätertypen des internetbasierten sexuellen Missbrauchs von Kindern und weiteren Tatbegehungsmerkmalen

Bedeutsame Unterschiede zeigen sich bei den Tatverdächtigenmerkmalen. Bei den Tatverdächtigen des Typus 1 finden sich substanzielle Anteile von ca. 10 % an weiblichen Tatverdächtigen, welche bei den anderen Tätertypen nur äußerst selten vorkommen. Darüber hinaus agiert der Typus 1 häufiger gemeinsam mit weiteren Tatverdächtigen. Im Vergleich der beiden minderjährigen Tätertypen sind die Tatverdächtigen des Typus 1 deutlich häufiger jünger als 14 Jahre. Hinsichtlich der opferbezogenen Merkmale zeichnet sich der Tätertypus 1 im Vergleich zu den anderen Tätertypen durch einen hohen Anteil von ca. 70 % an Opfern in der Nähe der Schutzaltersgrenze zwischen 12 und 13 Jahren aus. Opfer unter 10 Jahren, die bei den anderen Tätertypen substanzielle Anteile von etwas über 10 % aufweisen, kommen hingegen äußerst selten vor. Darüber hinaus resultieren bei beiden minderjährigen Tätertypen höhere Anteile von bekannten Opfern, wohingegen (sozial) verwandte Opfer mit einem Anteil von 7 % faktisch nur beim Tätertypus 3 auftreten. Keine statistisch signifikanten Unterschiede finden sich hinsichtlich des Opfergeschlechts, rund 80 % der Opfer sind jeweils weiblichen Geschlechts. Mehrere Opfer beim erfassten Fall sind insgesamt selten, beim Tätertypus 3 allerdings etwas häufiger anzutreffen. Signifikante Unterschiede zeigen sich wiederum für das Vorliegen weiterer sexueller Missbrauchsdelikte an Kindern oder kinderpornografischer Delikte unter Nutzung des Tatmittels Internet im Betrachtungszeitraum zwischen 2016 und 2021. Diese Mehrfachauffälligkeit tritt beim Tätertypus 1 mit rund 12 % am seltensten, beim Tätertypus 3 hingegen in fast 25 % der Fälle auf.

Kinderpornografische Delikte unter Nutzung des Tatmittels Internet

Bei den internetbasierten kinderpornografischen Delikten sind die Tatverdächtigen in rund 70 % der Fälle den erwachsenen und in 30 % der Fälle den minderjährigen Tätertypen zugehörig. Sowohl innerhalb der Gruppe der minderjährigen Tatverdächtigen als auch bei den erwachsenen Tatverdächtigen überwiegen die Subtypen mit Verbreitung oder Herstellung kinderpornografischer Inhalte (Typus 2 bzw. Typus 4). Dabei unterscheiden sich die diese Subtypen hinsichtlich der Feindifferenzierung der Straftatbezeichnung. Bei den erwachsenen Tatverdächtigen (Typus 4) überwiegt eindeutig die Verbreitung (an einen größeren Personenkreis) nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB, bei den minderjährigen Tatverdächtigen (Typus 2) ergibt sich hingegen ein substanzieller Anteil von ca. 25 % der Tatverdächtigen, die mit einer Besitzverschaffung kinderpornografischer Inhalte für eine andere Person registriert wurden (§ 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB).

In Bezug auf das Geschlecht der Tatverdächtigen treten v. a. beim Typus 2 erhöhte Anteile weiblicher Tatverdächtiger hervor (ein Fünftel aller Tatverdächtigen), insbesondere beim Typus 4 sind weibliche Tatverdächtige hingegen seltener. Hinsichtlich des Alters der Tatverdächtigen ergibt sich bei den minderjährigen Tatverdächtigen des Typus 2 ein deutlich höherer Anteil kindlicher Tatverdächtiger im Vergleich zu den minderjährigen Tatverdächtigen mit (ausschließlichem) Besitz kinderpornografischer Inhalte (Typus 1). Bei den erwachsenen Tatverdächtigen resultieren hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Tatverdächtigenalters; rund 70 % der Tatverdächtigen sind über 30 Jahre alt. Eine Tatbegehung im Kontext weiterer Tatverdächtiger zeigt sich v. a. beim Tätertypus 2, wo diese bei ca. jedem vierten Tatverdächtigen festzustellen ist. Bei diesem Tätertypus ist das Vorliegen weiterer sexueller Missbrauchsdelikte an Kindern oder kinderpornografischer Delikte unter Nutzung des Tatmittels Internet im Betrachtungszeitraum zwischen 2016 und 2021 hingegen sehr selten. Bei den beiden Tätertypen mit erwachsenen Tatverdächtigen offenbart sich diese Mehrfachauffälligkeit in immerhin 10 % der Fälle (Tab. 3).

Tab. 3 Zusammenhänge zwischen den Tätertypen bei kinderpornografischen Delikten und weiteren Tatbegehungsmerkmalen

Diskussion und Schlussfolgerungen

In vorliegender Untersuchung wurden auf Basis polizeilich registrierter Fälle unter Berücksichtigung der Straftatkategorie, des Alters der Tatverdächtigen sowie des Altersabstands zum Opfer verschiedene Tätertypen beim sexuellen Missbrauch von Kindern und bei kinderpornografischen Delikten unter Nutzung des Tatmittels Internet unterschieden. Diese Tätertypen wurden hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit sowie ihrer Zusammenhänge zu weiteren Merkmalen der Tatbegehung charakterisiert und verglichen. Die Analysen verweisen insgesamt auf einen bedeutenden Anteil von minderjährigen Tatverdächtigen, sowohl für den sexuellen Missbrauch von Kindern als auch die kinderpornografischen Delikte. Darüber hinaus unterscheiden sich minderjährige Tatverdächtige von erwachsenen Tatverdächtigen anhand des Kontexts weiterer Merkmale der Tatbegehung. Dieser unterschiedliche Merkmalskontext ist gekennzeichnet durch eine reduzierte Mehrfachauffälligkeit sowie Opfer, die in vielen Fällen der erweiterten Alterspeergroup der Tatverdächtigen entstammen, die sich häufig bereits an der Schutzaltersgrenze befinden und zu denen der Tatverdächtige bereits im Vorfeld ein Bekanntschaftsverhältnis hatte. Hinsichtlich der Charakteristika der Tatverdächtigen sind das vermehrte Agieren mit weiteren Tatbeteiligten sowie der erhöhte Anteil weiblicher Tatverdächtiger auffällig.

Diese Charakteristika lassen sich zumindest als Indizien werten, dass bei minderjährigen Tatverdächtigen in vielen Fällen noch keine verfestigte sexuelle Problematik vorliegt, sondern die Taten an entwicklungsbedingte Reifedefizite im Bereich der Sexualität gekoppelt sind (Aebi et al. 2021; Barra et al. 2021). Die Ergebnisse stehen im Einklang mit internationalen Studien zu internetbasiertem schädigendem Sexualverhalten von minderjährigen Personen, welche eine Wertung dieses Verhaltens im Kontext altersspezifischer Entwicklungsprozesse und einer zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft als bedeutsam hervorheben (Lewis 2018). Wenngleich für eine weiterführende Abklärung der Tathintergründe eine umfassendere Informationsbasis notwendig wäre, könnten sich in den identifizierten Fallkonstellationen mit ungefähr gleichaltrigen Tatverdächtigen und Opfern u. a. verstärkt freiwillige „Sexting“-Handlungen außerhalb der kriminellen Ausnutzung von Machtgefällen verbergen, wenn beispielsweise zwischen einer 14- und 13-jährigen Person sexuelle Inhalte und Fotos unter Einbezug von sozialen Messenger-Diensten ausgetauscht werden (Rüdiger 2020). Je nach polizeilicher Wertung kann in solchen Konstellationen auch das beteiligte Kind als tatverdächtige Person geführt werden, indem es durch Nacktbilder von sich kinderpornografische Inhalte herstellt und anderen Personen den Besitz daran verschafft. Der erhöhte Anteil der Tatvariante der Besitzverschaffung kinderpornografischer Inhalte für eine andere Person bei den minderjährigen Tatverdächtigen stützt diese Hypothese. Darüber hinaus kann eine solche Besitzverschaffung kinderpornografischer Inhalte auch in den Rahmen einer (kleineren) Chatgruppe unter befreundeten Jugendlichen/Kindern eingebettet sein, wobei ggf. kinderpornografische Inhalte ohne persönlichen Bezug zu den dargestellten Kindern als auch Inhalte aus sexuellen Interaktionen innerhalb der eigenen Peergroup getauscht werden. Insofern stehen vorliegende Analyseergebnisse prinzipiell im Einklang mit den seitens des BKA-Präsidenten und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter geschilderten Fallkonstellationen unter Beteiligung jugendlicher Tatverdächtiger (Fiedler 2020; Münch 2020), wobei entsprechende Einschätzungen seinerzeit wohl auf Eindrücken aus der Praxis und nicht auf wissenschaftlich-statistischen Analysen beruhten.

Diese empirischen Ergebnisse legen eine stärker primärpräventiv ausgerichtete Orientierung zur Verhinderung von internetbasierten Sexualdelikten mit kindlichen Opfern und minderjährigen Tatverdächtigen nahe. Schlüsselelemente sind hierbei die Vermittlung von sozialen Kompetenzen im adäquaten Umgang mit den Möglichkeiten und Risiken digitaler Medien und Netzwerke sowie eine an das Internetzeitalter angepasste Unterstützung bei der sexuellen Entwicklung, was mit dem Begriff der Medienkompetenz verbunden wird (Biedermann und Dahle 2020; Biedermann und Rüdiger 2021; Rüdiger 2019). Derartige Aspekte sollten insbesondere auch im Rahmen der Arbeit der Kultusministerkonferenz der Länder diskutiert werden und aktiver Bestandteil schulischer Konzepte im erweiterten Kontext des Sexualkundeunterrichts sein. Trotz einer stetigen Verlagerung und zeitlichen Intensivierung der Lebenswirklichkeit von Minderjährigen in den digitalen Raum findet in Deutschland bis dato keine verpflichtende Vermittlung von Medienkompetenz statt. Solche Konzepte können durch Materialien und Maßnahmen der polizeilichen Kriminalprävention flankiert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Kampagne „Sounds Wrong“, welche über die Problematik von minderjährigen Tatverdächtigen bei kinderpornografischen Inhalten aufklärt (Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes o.J.). Weitere Schritte sollten folgen, um der umfassenden Digitalisierung unserer Gesellschaft angemessen zu begegnen. Die Polizei könnte hier bei der Aufklärung über die Risiken eines digitalen Raums denselben Platz einnehmen, den sie auch bei der Vermittlung von Verkehrskompetenzen im Straßenverkehr eingenommen hat. Es bräuchte darüber hinaus eine insgesamt verstärkte gesellschaftliche Kraftanstrengung, um die Bürger*innen auf die Risiken eines digitalen Raums vorzubereiten. Hierbei sollten auch Erwachsene geschult und aufgeklärt werden, damit sie ihren Kindern selbstständig entsprechende Kompetenzen vermitteln können. Nur so kann eine hinreichende Resilienz in der sexuellen Entwicklung Minderjähriger erreicht werden. Bei dieser Aufklärung sollte auf lebenswirkliche typische Fallkonstellationen zurückgegriffen werden, welche anhand wissenschaftlicher Untersuchungen als empirisch abgesichert gelten (Biedermann und Dahle 2020).

In Bezug auf die jüngste Reform der Sexualdelikte entsteht leider der Eindruck, dass sich die politischen Entscheidungsträger zu sehr an medial präsentierten, besonders schockierenden Formen des sexuellen Missbrauchs von Kindern orientiert haben. Die empirische Heterogenität der Delikte wurde zumindest teilweise ausgeblendet und einzelne statistische Befunde nicht ausreichend in einem geeigneten Merkmalskontext gewertet. Dieser Umstand erhöht wiederum die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen, die einer effizienten Verhinderung von Sexualdelikten im Einklang mit unseren rechtsstaatlichen Prinzipien entgegenstehen (Hörnle 2020; Renzikowski 2020). Durch die mangelnde Berücksichtigung minder schwerer Fälle in den reformierten Straftatbeständen werden die begrenzten repressiven Ressourcen nicht ausreichend zielgerichtet auf tatsächlich gravierende Fallkonstellation ausgerichtet, welche beispielsweise durch andauernde sexuelle Missbrauchshandlungen zur Herstellung und zum Austausch kinderpornografischer Inhalte unter vernetzten erwachsenen Tätern gekennzeichnet sind. Im Sinne dieser Differenzierung existieren im österreichischen und schweizerischen Strafgesetzbuch hingegen weitreichende Regelungen, die einen Ausschluss der Strafbarkeit für minderjährige Tatverdächtige in bestimmten Konstellationen vorsehen (unter „Bildung der Tätertypen“, Art. 207 StGB-AT, Art. 187 StGB-CH). Darüber hinaus fehlen durch den einseitig repressiven Fokus der Politik Ressourcen für primärpräventive Ansätze zur Verhinderung der Sexualstraftaten mit kindlichen Opfern, wie diese oben skizziert wurden. In diesem Kontext ist anzuführen, dass im Bereich der Sexualdelikte sog. Ersttäter mit nichtvorhandener einschlägiger Vorgeschichte auch ungeachtet des Täteralters stets den größten Teil aller Sexualstraftäter ausmachen (u. a. Jehle et al. 2020, S. 208). Diese Taten sind über spezialpräventive täterorientiere Maßnahmen, die an einer Verhinderung zukünftiger Taten ansetzen (beispielsweise in der Form von Therapien im Strafvollzug, Maßnahmen der Führungsaufsicht zur Senkung des Rückfallrisikos nach der Haftentlassung) nicht zu verhindern, sondern erfordern eben primärpräventive Ansätze (Biedermann 2014).

Auch wenn vorliegende Untersuchung nahelegt, dass Sexualstraftaten mit kindlichen Opfern durch jugendliche Täter teilweise in einen anderen Merkmalskontext mit geringerem Unrechtsgehalt als bei erwachsenen Tätern eingebettet bzw. stärker an entwicklungsbedingte Reifedefizite gekoppelt sind, sollte berücksichtigt werden, dass sich bei jugendlichen Tatverdächtigen in bestimmten Konstellationen auch schwerwiegendere Probleme offenbaren können, die entsprechende Interventionen zur Verhinderung weiterer Sexualdelikte erfordern. Neben spezifischen Problemen im Bereich der Sexualität sind hier auch allgemein dissoziale Verhaltensbereitschaften zu berücksichtigen, welche abseits von Sexualdelikten in der Zukunft anderweitige schwere Delikte erwarten lassen (Barra et al. 2021; Driemeyer et al. 2013; Lewis 2018). Hierunter kann beispielsweise ein erpresserischer Tatmodus fallen, um zuvor durch Einsatz manipulativer Strategien erlangte Nacktbilder eines kindlichen Opfers zu veröffentlichen, sollten bestimmte Forderungen nicht erfüllt werden. Zukünftige Forschungsansätze sollten sich verstärkt mit empirisch begründeten Methoden zur Abgrenzung derartiger Fälle von jugendtypischen temporären Entwicklungsproblematiken im Bereich der Sexualität auseinandersetzen. Diesbezüglich könnte sich insbesondere der vertiefte Einbezug von Tatbegehungsmerkmalen als fruchtbar und praxistauglich erweisen, da solche Merkmale auch von den beteiligten Akteuren der Strafverfolgungsbehörden verlässlich erhoben werden können und eine wichtige Informationsquelle für das Verständnis innerer Handlungslogiken und die Ermittlung des Rückfallrisikos bieten (Biedermann und Misch in Vorbereitung; Dahle et al. 2014). Die Datenbasis der vorliegenden Untersuchung liefert diesbezüglich noch keine ausreichende Grundlage. Die hier etablierten Tätertypen könnten allerdings als erste Strukturierungsebene dienen, um weitere Informationsquellen einzubeziehen und zu analysieren.