Strafäter:innen begehen nach der Haftentlassung häufiger Straftaten als Personen ohne Hafterfahrung. Rezidive haben weitreichende individuelle, gesellschaftliche und finanzielle Folgen, weshalb Freiheitsstrafen darauf hinwirken sollen, die Täter:innen bereits während der Haft auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Bisherige quasiexperimentelle Studien legen nahe, dass dieses Ziel durch psychologische, insbesondere kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen sowie eine Adhärenz zu den Risk-Need-Responsivity(RNR)-Prinzipien realisiert werden kann. Doch wie wirksam sind psychologische Maßnahmen, wenn man ausschließlich randomisierte und kontrollierte Wirksamkeitsstudien (RCTs) betrachtet, die als „Goldstandard“ zur Beurteilung einer Maßnahme gelten? In einer kürzlich erschienenen systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse untersuchen die Autor:innen Beaudry et al. ausschließlich anhand von RCTs, inwiefern psychologische Interventionen im Gefängnissetting Auswirkungen auf die Rückfallwahrscheinlichkeit haben (Beaudry et al. 2021).

Untersucht wurden nur RCTs, bei denen die psychologische Intervention im Gefängnis durchgeführt wurde, unabhängig von Indexdelikt, Setting oder Geschlecht der Teilnehmer:innen. Die jeweiligen Interventionen reichten von Einzelintervention bis zu Interventionen von einer Dauer von einem Jahr. Ausgeschlossen wurden Studien, bei denen eine Behandlung im Maßregelvollzug oder außerhalb der Haft stattfand, oder Studien zu rein pharmakologischen Interventionen. Primäres Outcome war die Rückfallwahrscheinlichkeit, die als „odds ratio“ (OR) mit 95 %-Konfidenzintervall (95 %-KI) angegeben wurde.

Eingeschlossen wurden 29 RCTs mit 9443 Teilnehmer:innen, wobei 11,7 % weiblich waren. Es wurden 19 Studien aus den USA, mit über der Hälfte der Teilnehmer:innen, Studien aus Kanada, Japan und Europa, davon eine Studie zur Wirkung der Sozialtherapie aus Deutschland, in die Untersuchung aufgenommen. Die Studien umfassten sowohl inhaftierte Erwachsene (83 %) als auch Jugendliche unterschiedlicher Ethnizität, mit einem Alter von 31 ± 5 bzw. 17,5 ± 2 Jahren.

Bei Einbeziehung aller 29 RCTs waren psychologische Interventionen mit reduzierter Rückfälligkeit verbunden (OR = 0,72; 95 %-KI 0,56–0,92), was auf den ersten Blick für eine Überlegenheit der Interventionen gegenüber den Kontrollbedingungen sprechen würde. Die weitere Datenanalyse relativierte dies jedoch: Mittels Eggers-Statistik konnte ein Publikationsbias festgestellt werden, was sich in einer Asymmetrie im Funnel-Plot im Bereich der kleinen Studien in Richtung Interventionswirksamkeit zeigte. Nach Entzerrung der Studie mittels Imputation („Trim-and-fill“-Methode) zeigte sich nur noch eine OR = 0,86 (95 %-KI: 0,65–1,15). Eine Überlegenheit der Interventionen gegenüber den Kontrollbedingungen auf die Rückfälligkeit war damit nicht mehr signifikant feststellbar. Auch nach Ausschluss kleinerer Studien (n < 50), unter der Vorstellung, dass größere Studien robuster gegenüber Verzerrungen sind, nahm der Effekt der psychologischen Interventionen auf die Rückfälligkeit ab (OR 0,87, 95 %-KI 0,68–1,11). Die Überprüfung der Wirksamkeit in Abhängigkeit von der Interventionsart (z. B. kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung, Psychoedukation, therapeutische Gemeinschaften) zeigte, dass nur Behandlungen in therapeutischen Gemeinschaften zu einer signifikanten Reduktion von Rückfälligkeit führten (OR = 0,64; 95 %-KI = 0,46–0,91), wobei das Ergebnis auf nur 2 Studien beruhte. Die Bewertung der Studien hinsichtlich eines Risikos für verschiedene Bias (z. B. Randomisierung, Intervention, Outcome) ergab bei mehr als der Hälfte der Studien (n = 18; 60 %) ein Bias-„Bedenken“ und für ein Drittel der Studien (n = 10; 33 %) ein hohes Bias-Risiko. Nur 2 Studien zeigten ein niedriges Bias-Risiko. In Bezug auf das Outcome-Maß „Rückfälligkeit“ zeigte sich ein niedriges Bias-Risiko, da die Rückfälligkeit allgemein über offizielle Quellen erhoben wurde.

Die Autor:innen führten ebenfalls eine Metaregression durch, um mögliche Einflussfaktoren auf die Rückfälligkeit zu untersuchen. Es konnten keine Unterschiede zwischen Studien gefunden werden, die vor bzw. nach der Einführung der RNR-Prinzipien durchgeführt wurden. Studien aus den USA unterschieden sich nicht vom Rest der Welt. Die Größe der Stichprobe hatte keinen Einfluss auf das Outcome. Ebenso zeigte die Regressionsanalyse keinen Unterschied zwischen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen im Vergleich zu allen anderen Gruppen. Die Follow-up-Zeit zeigte keinen Zusammenhang mit der Rückfälligkeit. Auch eine etwaige Beeinflussung des Outcome durch Zuordnung zu einer Einzel- oder Gruppentherapie konnte nicht festgestellt werden.

Zusammenfassend zeigte die besprochene Metastudie zur Wirksamkeit psychologischer Interventionen im Gefängnissetting moderate Effekte auf die Rückfallwahrscheinlichkeit durch die verschiedenen Maßnahmen. Es ergeben sich jedoch deutliche Hinweise auf einen Publikationsbias und Verzerrungen durch kleinere Stichproben. Eine mögliche Wirksamkeit psychologischer Interventionen wird auf Basis der untersuchten RCTs daher wahrscheinlich überschätzt. Die Ergebnisse unterstützen nicht die erwarteten Effekte quasiexperimenteller kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen. Die Autor:innen erklären sich dies dadurch, dass verhaltenstherapeutische Interventionen nicht nur isoliert während des Inhaftierungszeitraums, sondern auch nach der Entlassung stattfinden. Denkbar ist auch, dass die untersuchten Interventionen nicht ausreichend wirksam in Bezug auf bekannte Belastungsfaktoren nach der Entlassung wie z. B. Wohnungs‑, Arbeitslosigkeit oder finanzielle Belastungen sind. Die untersuchten Studien mit einem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz waren im Gegensatz zu einer Behandlung in einer therapeutischen Gemeinschaft, nicht rückfallvermeidend. Bei genauer Betrachtung bestand bei den Gemeinschaftsinterventionen die Möglichkeit einer Fortsetzung der Behandlung nach dem Haftende. Es ist denkbar, dass die Kontinuität der Versorgung nach der Entlassung für die Wirksamkeit der Intervention verantwortlich ist. Das Ergebnis der Metastudie könnte auch bedeuten, dass nicht alle psychologischen Interventionen für Straftäter:innen gleichermaßen wirksam sind, sondern einen besonderen Zugang zu diesen erfordern. Wirksame Interventionen müssen sich möglicherweise stärker am Bedarf der Täter:innen und an sorgfältig erhobenen beeinflussbaren Risikofaktoren orientieren.

Die Studie zeigt auf, dass die Rückfallprävention durch psychologische Interventionen im Gefängnissetting eine schwache Datenbasis hat. Die Wirksamkeit der Maßnahmen sollte daher in Form von RCTs überprüft werden, um Interventionen mit bestmöglicher Evidenz durchführen zu können.