Exzessiv betriebene Verhaltensweisen, die den Betroffenen so entgleiten, dass die Lebensführung und das Wohlbefinden beeinträchtigt werden, bezeichnen wir in der Umgangssprache auch als Verhaltenssüchte. Es kommt dabei häufig zu einem Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen. Häufig beinhaltet dies auch illegale Handlung, durch die die Betroffenen sich selber und ihrem sozialen Umfeld schaden. Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen pathologischem Glücksspiel und delinquentem Verhalten geben.

Das Phänomen Glücksspiel

Vom Glücksspiel geht für den Menschen seit jeher ein Reiz aus; es hat eine lange Tradition von der Antike über das Mittelalter bis hin zur Neuzeit (Badisches Landesmuseum 2008). Als Glücksspiele bezeichnet man solche Spiele, in denen man auf den Ausgang eines Ereignisses wettet und dazu Geld, Wertgegenstände oder andere Gegenleistungen einsetzt. Charakteristisch ist auch, dass der Ausgang des Spiels weder vorhergesagt noch beeinflusst werden kann, sondern überwiegend vom Zufall abhängig ist (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen 2013). Würfelspiele lassen sich anhand von archäologischen Funden bis zu 5000 Jahre in verschiedenen Kulturen zurückverfolgen (Badisches Landesmuseum 2008). Heute bietet sich dem Konsumenten ein breites Spektrum an Spielangeboten von reinen Zufallsspielen (z. B. Geldspielautomaten, Roulette, Lotterien) bis hin zu Glücksspielen, bei denen neben dem Zufall auch Fähigkeit und Erfahrung des Spielers den Spielausgang beeinflussen können (z. B. Poker, Sportwetten). Für Letztere gilt, dass insbesondere bei problematischen Spielern der Einfluss der eigenen Fähigkeiten sehr häufig überschätzt wird (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen 2013). Zu berücksichtigen ist, dass sich verschiedene Spielformen klar in dem Potenzial unterscheiden, ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten zu begünstigen. Relevant sind hierbei verschiedene Charakteristika des Spielmediums wie eine hohe Verfügbarkeit, eine hohe Ereignisfrequenz, variable Einsatz- und Gewinnmöglichkeiten und häufige sog. Fast-Gewinne, wie sie z. B. bei Geldspielautomaten zu finden sind (Griffiths et al. 2009). Exzessiv betriebenes Glücksspiel ist also nicht per se, sondern nur unter bestimmten Bedingungen als problematisch bzw. pathologisch einzustufen.

Diagnostik

Stellen wir uns die Frage, wie exzessive Verhaltensweisen im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen einzuordnen sind, so ist eine rege Diskussion darüber anhaltend im Gang. Gemäß dem bisher gültigen Klassifikationssystem für Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation, der ICD-10 (WHO 1992), werden exzessive Verhaltensweisen zusammen mit Verhaltensmustern wie Kleptomanie, Pyromanie oder Trichotillomanie den Impulskontrollstörungen zugeordnet. Wegen der Unschärfe des Begriffs der Impulsivität wurde diese Gruppierung jedoch kritisiert; vielfach diskutiert wird deshalb die Zuordnung zum Bereich der Zwangsspektrumsstörungen oder der Abhängigkeitserkrankungen (Grant et al. 2010; Hand 2003, 1997; Schoofs und Heinz 2013; Mann et al. 2013). Für bestimmte Verhaltensweisen – wie pathologisches Glücksspiel – haben zahlreiche Ähnlichkeiten zu Substanzabhängigkeiten kürzlich in der Novellierung des DSM (DSM-5; American Psychiatric Association 2013) zu einer Einordnung unter die Abhängigkeitserkrankungen geführt. Im Fokus dabei standen zum einen die klaren Parallelen in den diagnostischen Kriterien für pathologisches Glücksspiel im Vergleich zu denen für substanzgebundene Erkrankungen (Grüsser und Thalemann 2006; Tab. 1). Zum anderen zeigen die Erkenntnisse der modernen Neurowissenschaften, dass im Gehirn von Betroffenen teilweise ähnliche Veränderungen im Bereich der motivationalen Verarbeitung wie bei Abhängigkeitserkrankungen vorliegen, die die Entstehung und Aufrechterhaltung des Verhaltens begleiten. Die zuständige Expertenkommission kam daher zu der Empfehlung, pathologisches Glücksspiel in die Sektion „Abhängigkeiten und verwandte Störungen“ aufzunehmen.

Tab. 1 Gegenüberstellung der diagnostischen Merkmale von pathologischem Spielen und Substanzabhängigkeit

Bezüglich des Kriterienkatalogs im DSM-5 wurden, neben kleineren sprachlichen Überarbeitungen, das Kriterium der illegalen Handlungen, um das Spielen zu finanzieren, („illegal acts“) entfernt und die Schwelle auf 4 aus 9 Kriterien angepasst. Ergänzend wurde ein Zeitkriterium von 12 Monaten eingeführt (Tab. 2).

Tab. 2 Diagnostische Kriterien des pathologischen Glücksspiels nach DSM-5 (inkl. des entfallenen Kriteriums zu „illegalen Handlungen“ aus DSM-IV-TR)

Folgt man diesen Kriterien, wie häufig lässt sich dann problematisches bzw. pathologisches Spielen in der Allgemeinbevölkerung beschreiben?

Epidemiologie und Prävalenz

In Deutschland geht man gemäß epidemiologischer Studien (Meyer et al. 2011; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2012; Buth und Stöver 2008; Sassen et al. 2011a; Bühringer et al. 2007; TNS EMNID 2011) von ca. 0,19–0,56 % Betroffenen innerhalb der erwachsenen Gesamtbevölkerung aus (Zwölfmonatsprävalenz für pathologisches Glückspiel nach DSM-IV). In absoluten Zahlen ausgedrückt sind dies ca. 103.000 bis 300.000 Personen mit pathologischem Spielverhalten. Als Problemspieler einzustufen sind weitere 0,21–0,64 %. Prävalenzschätzungen in anderen europäischen Ländern ergeben, dass 0,3–2,1 % der erwachsenen Bevölkerung in den vergangenen 12 Monaten die Kriterien für pathologisches Glücksspielen erfüllten (Meyer und Hayer 2010). Weitere 0,1–4,5 % zeigten problematisches Spielverhalten (Sassen et al. 2011a). Häufig sind Menschen mit pathologischem Glücksspiel auch von anderen psychischen Beschwerden betroffen wie komorbid auftretende substanzbezogene Störungen, affektive Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen. Die meisten Hinweise gibt es für einen Zusammenhang zwischen pathologischem Glücksspiel und substanzbezogenen Störungen (Meyer et al. 2011; Premper und Schulz 2008). Aus internationalen Studien lassen sich auch erstmals retrospektiv Hinweise dazu finden (Petry et al. 2005; Kessler et al. 2008), welchen Verlauf die komorbiden Erkrankungen nehmen können. In nur 23,5 % der Fälle entwickelte sich chronologisch zuerst das pathologische Spielen, wohingegen in 74,3 % der Fälle das pathologische Spielen zeitlich nach der komorbiden Erkrankung begann. Dies galt insbesondere bei affektiven Erkrankungen und Angststörungen. Substanzbezogene Störungen hingegen entwickelten sich meist erst nach dem Auftreten des pathologischen Spielverhaltens.

Neurobiologische Grundlagen

Wie oben erwähnt, erfolgte die Neugruppierung von pathologischem Glücksspiel im DSM-5 auch aufgrund neurobiologischer und genetischer Befunde. In der wissenschaftlichen Literatur mehren sich solche Studien, die sich auf mögliche Gemeinsamkeiten bzw. Unterscheide der zugrunde liegenden Pathomechanismen von pathologischem Glücksspiel mit stoffgebundenen Abhängigkeiten konzentrieren. Diese sind zu einem spannenden Forschungsfeld für störungsübergreifende ätiologische Konzepte abhängigen Verhaltens geworden (Mann et al. 2013). Im Fokus steht dabei die Rolle des dopaminergen, mesokortikolimbischen Belohnungssystems (Mörsen et al. 2011; Romanczuk-Seiferth und Fauth-Bühler 2014; Romanczuk-Seiferth et al. 2014). Hierbei finden Methoden wie die Magnetresonanztomographie (MRT) oder elektrophysiologische Methoden (z. B. EEG) Anwendung. Frühe Studien zu den neurobiologischen Korrelaten pathologischen Glücksspiels konzentrierten sich entsprechend der Einordnung unter den Impulskontrollstörungen im ICD v. a. auf Mechanismen der exekutiven Funktionen bzw. Impulskontrolle (z. B. de Ruiter et al. 2012; Potenza 2003). Aktuelle Untersuchungen wenden sich mit Blick auf relevante Grundlagen suchthaften Verhaltens zunehmend Phänomenen wie Verlangen und Suchtdruck (z. B. Crockford et al. 2005; van Holst et al. 2012c) und der Belohnungsverarbeitung zu (Chase und Clark 2010; Balodis et al. 2012; Clark et al. 2009; Reuter et al. 2005; Romanczuk-Seiferth et al. 2015; Zois et al. 2014). Eine umfassende Darstellung der neurobiologischen Grundlagen von Verhaltenssüchten findet sich bei (Mörsen et al. 2011; Romanczuk-Seiferth und Fauth-Bühler 2014; Romanczuk-Seiferth et al. 2014; Kiefer et al. 2013; Quester und Romanczuk-Seiferth] 2015).

Gemäß den bisherigen Erkenntnissen ist es für suchthaftes Verhalten typisch, dass infolge operanter und klassischer Konditionierung ein Übergang von bewusster Handlungssteuerung zu automatisierten und neurobiologisch modifizierten Reaktionsmustern stattfindet, sodass der initial erlebten Funktion des Verhaltens, wie etwa Entspannung, im Verlauf der Erkrankung eine immer geringere Bedeutung zukommt. Die Rolle des sog. zerebralen mesokortikolimbischen Belohnungssystems bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Abhängigkeiten besteht dabei v. a. in einer gesteigerten Aktivität bei Erwartung bzw. Erhalt einer Suchtsubstanz in dopaminergen Neuronen des Mittelhirns, die zum ventralen Striatum – als einer Kernregion des Belohnungssystems – und anderen mesolimbischen Hirnstrukturen projizieren. Es findet so eine motivationale Fokussierung des zerebralen Belohnungssystems auf suchtassoziierte Aspekte statt (Nesse und Berridge 1997), was inzwischen in verschiedenen neurobiologischen Studien auch für pathologisches Glücksspiel gezeigt werden konnte (z. B. Balodis et al. 2012; Romanczuk-Seiferth et al. 2015; Reuter et al. 2005; de Ruiter et al. 2009). Zu beachten ist, dass motivationale Veränderungen des Belohnungssystems nicht gleichbedeutend sind mit Veränderungen des subjektiven Erlebens von Verstärkung bzw. positiven Affekten durch das suchthafte Verhalten, inklusive der Beendigung negativer Zustände, was im Verlauf der Erkrankung zunehmend in den Hintergrund tritt. Bei Menschen mit pathologischem Glücksspiel konnten neurowissenschaftliche Studien eine Steigerung der Reagibilität des Gehirns Betroffener auf glücksspielrelevante Reize zeigen (Potenza et al. 2003; Crockford et al. 2005; Goudriaan et al. 2010; van Holst et al. 2012c), insbesondere in relevanten frontalen Strukturen, wie dem dorsolateral-präfrontalen und der anterior-zingulären Kortex, sowie mesolimbischen Strukturen, wie dem ventralen Striatum. Gleichzeitig berichten verschiedene Studien eine verminderte Reaktionsbereitschaft des Gehirns bei Personen mit pathologischem Glücksspiel auf übliche Verstärker, wie etwa Geld, Sexualität, Essen etc. (Balodis et al. 2012; Reuter et al. 2005; Romanczuk-Seiferth et al. 2014; de Ruiter et al. 2009), insbesondere in Strukturen wie dem ventralen Striatum, dem ventromedialen Präfrontalkortex und der Insula. Es treten dabei auch immer mehr Veränderungen von Aktivitäten in ganzen Netzwerken im Sinne funktioneller Konnektivitäten zwischen Hirnarealen in den Fokus, wie etwa innerhalb des Frontalkortex sowie zwischen Präfrontalkortex und Striatum (Koehler et al. 2013b; Tschernegg et al. 2013; van Holst et al. 2012b). Hinsichtlich möglicher hirnstruktureller Veränderungen des Gehirns bei pathologischem Glücksspiel sind die Befunde bisher wenig konsistent: Während einige Autoren keine lokalen Volumenunterschiede berichteten (Joutsa et al. 2011; van Holst et al. 2012a), fanden sich in anderen Studien gegenüber Gesunden erhöhte Volumina grauer Substanz im Präfrontalkortex sowie im ventralen Striatum (Koehler et al. 2013a) sowie eine verringerte Integrität weißer Substanz in weiten Teilen des Gehirns pathologischer Glücksspieler (Joutsa et al. 2011; Yip et al. 2013). Umfassende Längsschnittstudien fehlen bisher, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob hirnstrukturelle Auffälligkeiten mögliche Risikofaktoren für die Entstehung der Erkrankung darstellen oder sich erst im Verlauf der Erkrankung entwickeln (Kühn et al. 2011).

Delinquenz

Hinsichtlich möglicher psychosozialer Risikofaktoren lässt sich sagen, dass psychosoziale Aspekte wie junges Alter, männliches Geschlecht, Migrationshintergrund, Familienangehörige mit Glücksspielproblemen, Arbeitslosigkeit, niedriger Bildungsabschluss bzw. -status und geringes Haushaltsnettoeinkommen besonders häufig im Zusammenhang mit einer pathologischen Entwicklung des Spielverhaltens stehen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2012; Buth und Stöver 2008; Sassen et al. 2011b; Meyer et al. 2011). Pathologisches Glücksspiel wird auch teilweise erstmalig augenfällig bei Insassen von Justizvollzugsanstalten. Aber welche Evidenz gibt es zum Zusammenhang zwischen pathologischem Glücksspiel und Delinquenz? In der Novellierung des DSM wurde das Kriterium zu illegalen Handlungen als Störungskriterium gestrichen, da gemäß der Expertenkommission illegale Handlungen kein ausreichend diskriminatives Merkmal einer Glücksspielsucht darstellen. Damit ist gemeint, dass dieses Kriterium nicht zuverlässig dabei hilft, von der Erkrankung Betroffene von Nichtbetroffenen zu unterscheiden. Gleichzeitig beschreibt die Kommission einen assoziativen Zusammenhang zwischen einer Glücksspielproblematik und illegalen Handlungen. Dies entspricht der Beschreibung vieler Betroffener, dass es im Sinne eines Sekundäreffekts zu Gedanken an bzw. zur Durchführung illegaler Handlungen kommen kann, um das zum Spielen erforderliche Geld zu beschaffen. Diesen Zusammenhang zu Beginn einer problematischen Entwicklung veranschaulicht beispielhaft der nachfolgende Bericht eines 17-Jährigen aus dem Forum Glücksspielsucht (Beitrag gekürzt und marginal redigiert; Link: http://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum):

„Hey! Ich habe vor ca. 2 Jahren angefangen zu Pokern. Zuerst nur Offline mit Freunden und ohne Geld. Dann um kleine Beträge aber immer nur aus Spaß. … Als Bwin dann auch Poker anbot, habe ich zum ersten Mal online cash game gespielt, da ich vorher oft Sportwetten bei bwin abgeschlossen habe. Naja – auf jeden Fall würde ich diese Zeit als weniger dramatisch bezeichnen! Ich habe gelegentlich gespielt – wenn ich Lust hatte! Es wurde allerdings immer mehr und die Beträge größer. Ich habe gewonnen (500 €) und wieder verloren ... … Ich würde meinen Verlust auf ca. 1500 € schätzen. Das Geld hatte ich selbst verdient und gespart. Im Moment ist es am schlimmsten: ich habe Schulden. 400 € von 2 Gläubigern. Ich habe quasi KEIN Einkommen, da ich zurzeit kein Taschengeld bekomme und neben dem Abitur nur wenig Zeit für Arbeit habe. In der Schule läuft’s auch nicht besonders gut – ich lerne zu wenig und sehe wie alles den Bach runter geht. Ich habe schätzungsweise 20 Stunden pro Woche gepokert. Manchmal, meist direkt nachdem ich verliere, werde ich mir bewusst über die Sucht. In anderen Momenten (nach einer cool-down Phase) denke ich dann wieder, es ist meine einzige Chance und ich muss mich einfach zusammenreißen … Ich weiß nicht was ich tun soll. Meine Gedanken werden immer kranker – ich krieg schon die Idee das Geld illegal zu beschaffen. Nach außen hin merkt keiner, dass ich ein echtes „Problem“ habe. Ich kann eigentlich ganz gut verdecken, wenn’s mir schlecht geht – aber ich merke es natürlich trotzdem und das ist schon scheiße. Leider hat Poker eine zu wichtige Rolle in meinem Leben bekommen. 50 % meiner Gedanken gehen um Geld. …“

Der korrelative Zusammenhang zwischen Glückspielverhalten i. Allg. und delinquenten Verhaltensweisen konnte wiederholt in verschiedenen Stichproben von Jugendlichen gezeigt werden (Brunelle et al. 2012; Wanner et al. 2009; Barnes et al. 2005; Magoon 2005; Hasking et al. 2010; Barnes et al. 1999; Leppert et al. 2008; Ladouceur et al. 1999; Winters et al. 1993). Auch gilt Delinquenz als einer der wichtigsten und mehrfach replizierten Risikofaktoren für die Entwicklung von Glücksspielproblemen (Johansson et al. 2009; Shead et al. 2010).

Entsprechend wurde die Interaktion psychosozialer Risikofaktoren und früher Glücksspielaktivitäten in der Entwicklung späterer Glücksspielprobleme näher analysiert. Hier zeigte sich, dass Risikofaktoren wie schlechte Schulleistungen und elterliches Spielverhalten späteres problematisches Spielen prädizieren, während früher Beginn des Spielverhaltens und Delinquenz nur mit einem erhöhten Risiko für eine spielbezogen problematische Entwicklung einhergehen. Delinquentes Verhalten in der Jugend scheint daher eher einen allgemein delinquenten Lebensstil zu reflektieren, als spezifisch für die Entwicklung einer Glücksspielsucht zu sein. In jedem Fall unterstreichen solche Befunde, dass bei bestehenden Risikofaktoren wie männliches Geschlecht, Substanzmissbrauch, Schulprobleme, familiäre Belastung durch Glücksspiel und jugendliche Delinquenz rechtzeitige Screenings für problematische bzw. pathologisches Spielen hilfreich sein können, um Betroffene zu identifizieren und dem Hilfesystem zuzuführen (Winters et al. 2002).

Auch in Studien bei jungen Erwachsenen zeigt sich eine Häufung von delinquentem Verhalten bei gleichzeitigem Glücksspielverhalten. So berichteten etwa Cook et al. (2015) vom Zusammenhang zwischen Glücksspielproblemen, Substanzkonsum, psychischen Problemen und delinquentem Verhalten in einer Stichprobe von fast 5000 kanadischen Studenten. Problematisches Spielverhalten wiesen hiervon 2,8 % der Studenten auf, im Vergleich zum Rest der Stichprobe wiesen diese häufiger delinquentes Verhalten auf, darunter Diebstahl, Verkauf von Marihuana, Bandenkämpfe und Waffenbesitz. Auch in der Retrospektive berichten Menschen mit pathologischem Glücksspiel häufiger von einer Vorgeschichte delinquenten Verhaltens im Vergleich zu Personen ohne problematisches Spielverhalten. In Forschungsarbeiten zum Zusammenhang einer manifesten Glücksspielerkrankung und illegalen Handlungen ließ sich schließlich zeigen, dass ca. 55 % der Befragten in Selbsthilfegruppen in Westdeutschland angaben, bereits illegale Handlungen zur Geldbeschaffung ausgeführt zu haben (Meyer und Fabian 1992). Personen, die illegale Handlungen bejahten, zeigten zudem exzessiveres und problematischeres Spielverhalten, hatten mehr psychosoziale Probleme infolge des Spielens und zogen gleichzeitig mehr subjektive Befriedigung aus dem Spielen. Mögliche relevante psychosoziale Folgen, die mit dem Spielen einhergehen, sind beispielsweise Wohnungslosigkeit (Heffron et al. 1997). In einer Studie von Potenza et al. (2000) wurden an einer Hotline hilfesuchende Betroffene zu illegalen Verhaltensweisen sekundär zum Spielverhalten befragt. Solche Spieler, die illegale Handlungen aufwiesen, zeigten im Vergleich schwerere glücksspielbezogene Probleme. Sie waren im Durchschnitt jünger, zeigten ein höheres Risiko für die problematische Nutzung verschiedenster Spielformen, hatten mehr Schulden bei Bekannten, wiesen häufiger suizidale Symptome auf, nutzten Alkohol und Drogen exzessiver und erhielten häufiger psychotherapeutische Behandlung. Weiterführende Subgruppenanalysen zeigten, dass solche Personen, die im Zusammenhang mit delinquentem Verhalten infolge des Glücksspielens festgenommen bzw. inhaftiert worden waren, mit höherer Wahrscheinlichkeit auch Merkmale aufwiesen, die ähnlich auch für Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung beschrieben werden (vgl. mögliche Komorbiditäten, siehe unten). Diese waren zudem häufiger männlich, arbeitslos, alleinstehend und hatten häufiger Probleme mit Substanz- oder Drogenkonsum. Umgekehrt waren Personen mit illegalen Handlungen, die nicht zu einer Verhaftung bzw. Inhaftierung geführt hatten, häufiger weiblich, spielten häufiger nichtstrategische Spielformen (z. B. Automaten), meldeten eher Insolvenz an, lösten fällige Kredite häufiger durch neue Schulden ab und zeigten stärkere Familienprobleme im Zusammenhang mit dem Glücksspiel. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass eine unterschiedliche Verstrickung in illegale Handlungen mit typischen Merkmalen der Betroffenen sowie unterschiedlichen Schweregraden der Störung einhergeht, die auch distinkte Therapiebedürfnisse der Betroffenen begründen könnte. Während in den meisten ambulanten Therapien ein mögliches delinquentes Verhalten der Betroffenen und damit verbundene Probleme weniger im Vordergrund stehen, ist dieses Thema sehr relevant bei solchen Diensten oder Institutionen, die häufig einen Erstkontakt von Betroffenen mit dem Hilfesystem ermöglichen, wie arbeitsmedizinische oder psychosoziale Dienste in Betrieben sowie Justizvollzugsanstalten. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Störung, inklusive der psychosozialen Folgen, sind also im Rahmen der Versorgung von Betroffenen mögliche illegale Handlungen als selbst- und fremdschädigendes Verhalten zu berücksichtigen, stellen jedoch kein zentrales bzw. spezifisches Merkmal der Erkrankung dar.

Um den korrelativen Zusammenhang von Glücksspiel und Delinquenz näher zu beleuchten, erfolgten Studien zum Zusammenhang von antisozialer Persönlichkeitsstörung und Glücksspielverhalten: In einer Stichprobe von n = 306 pathologischen Glücksspielern fanden Blaszczynski und McConaghy (1994) bei 48 % der Befragten glücksspielbezogene Straftaten, bei 6 % nichtglücksspielbezogene Taten und bei 11 % beide Formen, aber nur 15 % der Teilnehmer wiesen eine antisoziale Persönlichkeitsstörung nach DSM-III-Kriterien auf. Die Autoren folgerten, dass die meisten Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspiel unabhängig von einer antisozialen Persönlichkeitsstörung verübt werden. Nachfolgend fanden auch Pietrzak und Petry (2005) in einer Stichprobe von n = 237 behandlungssuchenden Glücksspielern bei 16,5 % eine komorbide antisoziale Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV. Gemäß der Literatur ist also eine antisoziale Persönlichkeitsstörung keine ausreichende Erklärung für den Zusammenhang von delinquentem Verhalten und Glücksspielsucht (Blaszczynski und Silove 1996).

Behandlungsmöglichkeiten

Obgleich inzwischen verschiedene effektive psychotherapeutische Behandlungsformen für pathologisches Glücksspiel zur Verfügung stehen, befindet sich nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Betroffenen in therapeutischer Behandlung. Therapeutische Erstkontakte bei ambulanten Psychiatern oder Psychotherapeuten ausschließlich aufgrund einer bestehenden Glücksspielproblematik sind selten. Viele Betroffene finden den Weg ins Hilfesystem nur erschwert oder erhalten erst verspätet Hilfe bei Glücksspielproblemen, wenn sie sich z. B. aufgrund bestehender Komorbiditäten, wie affektiver Störungen, in Behandlung begeben. Verhaltenstherapeutische Interventionen zur Behandlung von pathologischem Glücksspiel zeigten sich metaanalytisch überlegen gegenüber einer Kombination von Selbsthilfe, Kompetenztraining und Familienintervention (Leibetseder et al. 2011). Besonders relevante Elemente einer Therapie sind dabei Psychoedukation, kognitive Umstrukturierung, Problemlöse- und Selbstmanagementtrainings, Trainings sozialer Fertigkeiten, Selbstsicherheitstrainings, Konfrontationstechniken und Entspannungstrainings, aber auch motivierende Gesprächsführung, Geldmanagement und Rückfallprophylaxe (Meyer und Bachmann 2011; Raylu und Oei 2002; Gooding und Tarrier 2009; Carlbring et al. 2010). Trotz insgesamt noch unzureichender Befundlage zeigten sich in einer Metaanalyse deutliche Hinweise auf die Wirksamkeit von psychotherapeutischer Behandlung von pathologischem Glücksspiel (Pallesen et al. 2005). Im Zusammenhang mit auftretenden Komorbiditäten kommen auch entsprechende ergänzende Therapiestrategien zum Einsatz, wie etwa bei stark ausgeprägter Impulsivität die Modifikation von therapeutischen Techniken aus der dialektisch behavioralen Therapie (DBT) nach Linehan (1987). Ziel ist hier das Erlernen des bewussten Umgangs mit Gefühlen, die an den Impuls zu spielen gekoppelt sind. Anknüpfend an neurobiologische Befunde zu pathologischem Glücksspiel wird zudem die Frage aufgeworfen, inwiefern therapeutische Programme Veränderungen in der Belohnungsverarbeitung im Gehirn der Betroffenen adressieren können, wie etwa durch die Stärkung der Belohnungssensibilität mithilfe z. B. des Genusstrainings.

Zusammenfassende Schlussfolgerungen

Im DSM-IV noch als Impulskontrollstörung klassifiziert, erfolgte in der Novellierung des DSM eine Zuordnung pathologischen Glücksspiels als erste Verhaltenssucht in die Sektion „Substance-Related and Addictive Disorders“ des DSM-5. Ausschlaggebend waren hierfür Parallelen zwischen Substanzabhängigkeiten und exzessivem Glücksspiel sowohl hinsichtlich der klinischen Charakteristika (wie Phänomenologie [Verstärkerwirkung der Substanz/des Verhaltens in frühen Stadien, Suchtdruck, Toleranzentwicklung, Entzug], Verlauf [chronisch bzw. rezidivierend bei erhöhter Prävalenz im frühen Lebensalter] und Komorbiditäten) als auch im Hinblick auf genetische und neurobiologische Variablen (zentrale Rolle des dopaminergen, mesokortikolimbischen Belohnungssystems). Ein erhöhtes Abhängigkeitspotenzial besitzen Spiele, wenn diese stark verfügbar sind, eine hohe Ereignisabfolge bieten, variable Einsatz- und Gewinnmöglichkeiten bestehen und häufige Fast-Gewinne implementiert sind. Entsprechend stellen Glücks- und Geldspielautomaten eine der problematischsten Spielarten dar. Gemäß epidemiologischen Studien geht man in Deutschland von bis zu 0,5 % Betroffenen innerhalb der erwachsenen Gesamtbevölkerung aus. Häufig komorbide zeigen sich Erkrankungen wie substanzbezogene Störungen, affektive Störungen, Angststörungen sowie Persönlichkeitsstörungen. Als relevante Risikofaktoren gelten junges Alter, männliches Geschlecht, Migrationshintergrund, Familienangehörige mit Glücksspielproblemen, Arbeitslosigkeit, niedriger Bildungsabschluss bzw. -status und geringes Haushaltsnettoeinkommen. Bezüglich illegaler Handlungen zeigen Studien, dass Delinquenz zwar einen korrelativen Zusammenhang zu problematischem Spielverhalten zeigt, illegale Handlungen aber kein ausreichend diskriminatives Merkmal einer Glücksspielsucht darstellen. Es zeigte sich zudem, dass Personen mit pathologischem Glücksspiel, die ebenfalls delinquentes Verhalten zeigten, ein besonderes Risikoprofil und oft höhere Schweregrade der Erkrankungen aufwiesen. Entsprechend sind psychosoziale Folgen wie Delinquenz im Sinne einer ganzheitlichen Versorgung therapeutisch zu berücksichtigen. Es stehen inzwischen effektive kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsstrategien bei pathologischem Glücksspiel zur Verfügung. Gleichermaßen ist der Ausbau der Zugangswege von Betroffenen ins Hilfesystem dringend zu verbessern, um insbesondere auch Folgeschäden für Gesellschaft und Betroffene, wie das Abgleiten in die Delinquenz zur Finanzierung des Glücksspielens, einzudämmen.