Hintergrund

Patienten mit anteroinferiorer Schulterinstabilität weisen häufig neben einer Bankart-Läsion knöcherne Glenoidranddefekte auf, welche die Stabilisierung der Schulter erheblich beeinflussen. Die resultierende Abnahme des mechanischen Dislokationswiderstands und der glenohumeralen Kontaktfläche begünstigen dabei das Auftreten rezidivierender Schulterluxationen [1, 2].

Ziel der operativen Schulterstabilisierung ist es, die Anatomie des Glenoids und Kapsel-Labrum-Komplexes zu rekonstruieren und somit die Stabilität wiederherzustellen. Bei Schulterinstabilitätspatienten mit großen Pfannenranddefekten ist eine knöcherne Rekonstruktion des Glenoiddefekts mittels eines Korakoidtransfers oder einer Beckenkammspanplastik indiziert, wobei der kritische Glenoiddefekt und dessen Messmethode weiterhin kontrovers diskutiert werden [3]. Patienten ohne Knochenverlust können hingegen mit der minimalinvasiveren weichteiligen Stabilisierung, der sog. Bankart-Operation, versorgt werden.

Ein großer Anteil der Instabilitätspatienten weist allerdings einen geringfügigen Glenoiddefekt auf, welcher zu gering für eine knöcherne Rekonstruktion ist, jedoch den klinischen Erfolg der konventionellen Weichteilstabilisierung einschränkt. Die Inzidenz der verschiedenen Glenoiddefektausmaße wurde in einer radiologischen Studie anhand 218 Schulter-CT bei Patienten mit vorderer Schulterinstabilität untersucht. Dabei zeigten 86 % der Patienten mit rezidivierender Schulterinstabilität einen knöchernen Glenoiddefekt eines vorrangig geringen oder intermediären Ausmaßes [4]. Für die Versorgung von geringfügigen Glenoiddefekten existiert derzeit kein eigenständiges Therapieregime. Wenn diese, wie bisher üblich, ausschließlich weichteilig behandelt werden, resultiert eine relativ hohe Rezidivrate von 4–6,5 % sowie unzureichende klinische Ergebnisse v. a. bei jungen und aktiven Patienten [5, 6]. Anatomische Knochenblockverfahren, wie sie für große Defekte durchgeführt werden, stellen für dieses Patientengut ein invasiveres Verfahren dar, welches aufgrund der unphysiologischen Glenoidaugmentation und der entsprechend fehlenden Belastung zu einer ausgeprägten Resorption der Knochenspäne führen kann [7, 8].

Ziel dieser Studie ist die Etablierung eines minimalinvasiven arthroskopischen Verfahrens, welches auf den bestehenden weichteiligen Stabilisierungen basiert, jedoch speziell für die adäquate Versorgung geringfügiger Pfannenranddefekte angepasst ist. Bei diesem sog. Bankart-Plus-Verfahren wird vor der klassischen Kapsel-Labrum-Refixation mit Hilfe von Fadenankern ein Allograft aus demineralisierter spongiöser Knochenmatrix zwischen dem Pfannenrand und dem Labrum eingebracht. Dadurch wird eine Zunahme des Labrumvolumens erzielt, um die Fläche und Konkavität des Glenoids sowie den physiologischen Dislokationswiderstand wiederherzustellen. Im Rahmen dieser Studie sollen die klinischen und radiologischen Ergebnisse dieser Bankart-Plus-Technik evaluiert werden.

Material und Methoden

Studiendesign und Patientenpopulation

In dieser prospektiven Studie wurden Patienten mit einer anteroinferioren Schulterinstabilität und einem kleinen bis moderaten Glenoiddefekt eingeschlossen, welcher maximal 15 % der Glenoidfläche betragen durfte. Gemäß den Einschlusskriterien wurden nur Patienten zwischen 18 und 40 Jahren aufgenommen. Begleitpathologien wie beispielsweise Läsionen der Rotatorenmanschette oder knöcherne Bankart-Läsionen mit der Möglichkeit des Bony-Bankart-Repair sowie Frakturen führten zum Ausschluss. Ferner wurden nur Patienten eingeschlossen, welche nicht voroperiert waren. Mit der Patientenrekrutierung wurde im September 2018 begonnen. Insgesamt wurden 30 Patienten (n = 4 weiblich, n = 26 männlich) eingeschlossen. Der letzte Einschluss bzw. die letzte Operation fand im Oktober 2020 statt. Ein entsprechendes Ethikvotum liegt vor (EA1/039/18).

Die Patienten werden präoperativ und 3, 6, 12 und 24 Monate postoperativ umfassend klinisch untersucht sowie verschiedene klinische Funktionsscores bestimmt. Anamnestisch werden u. a. der Zeitpunkt und Mechanismus der Erstluxation (traumatisch oder atraumatisch), Anzahl an Schulterluxationsereignissen sowie das schulterspezifische Aktivitätsmuster der Patienten erhoben. Letzteres wurde hinsichtlich der beruflichen (von 0–2) und sportlichen Aktivität (von 0–7) nochmals unterschieden, wobei hier v. a. zwischen beruflicher Tätigkeit mit Überkopftätigkeit (2), körperlicher Aktivität (1) und Arbeit ohne körperlicher Aktivität (0) unterschieden wurde. Bezüglich der sportlichen Aktivität bedeutet 7 die maximale Punktzahl mit höchster Trainingsintensität und Überkopfsportarten und in absteigender Punktzahl ein geringeres Trainings- bzw. Anspruchsniveau. Klinisch wurde zu jedem Untersuchungszeitpunkt das Bewegungsausmaß bestimmt. Zur Beurteilung der der Schulterinstabilität wurden der Apprehension- [9] und Relocation-Test [10] durchgeführt. Außerdem wurde zu den jeweiligen Nachuntersuchungen sowie präoperativ der Western Ontario Shoulder Instability Index (WOSI), der Rowe Score (RS) und der Subjective Shoulder Value (SSV) erhoben [11,12,13,14].

Die präoperative radiologische Diagnostik umfasst sowohl ein MRT als auch CT der betroffenen Schulter. Anhand der CT erfolgt die Bestimmung des Glenoiddefekts gemäß der PICO-Methode [15, 16]. 12 Monate postoperativ erhalten die Patienten eine MRT-Kontrolle zur Beurteilung der Labrum- und Glenoidkonfiguration.

Operationstechnik Bankart-Plus

Die operative Technik des arthroskopischen Bankart-Plus wurde als Technical Note bereits publiziert und wird hier nur in Kürze zusammengefasst [17]. Es handelt sich hierbei letztlich um eine Erweiterung der bewährten Kapsel-Labrum-Rekonstruktion (Bankart-Repair) mit Augmentation eines Allografts aus demineralisierter spongiöser Knochenmatrix (DCBM), welches im Rahmen dieser Studie über das Deutsche Institut für Zell- und Gewebeersatz bezogen wurde. Nach Anfrischen des vorderen Glenoidrandes und Mobilisation des Kapsel-Labrum-Komplexes wird das Allograft mithilfe von 1–2 All-suture-Ankern (FiberTak™ Suture Anchor with 1,3 mm Suture Tape™, Fa. Arthrex, Naples, FL, USA) am anteroinferioren Glenoidrand fixiert. Es erfolgt dann ein Bankart-Repair mit Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes in gewohnter Art und Weise. Im Rahmen dieser Studie wurde hierfür eine knotenlose Suture-first-Technik mit Suture Anchor, BioComposite Pushlock® (2,9 oder 3,5 mm) und PEEK Pushlock© (2,9 mm) der Fa. Arthrex (Naples, FL, USA) verwendet.

Die Studienpopulation wurde in drei Gruppen unterteilt. Bei den ersten 10 Patienten erfolgte lediglich die beschriebene Bankart-Plus-Operation (Abb. 1). Bei den zweiten 10 Patienten erfolgten vor Einbringen des Allografts eine Mikrofrakturierung am vorderen Glenoidrand bzw. Skapulahals und eine Eigenvollblutinjektion, um die Einheilung des Grafts potenziell zu unterstützen. Bei den letzten 10 Patienten wurde nach Fixierung des Grafts und des Kapsel-Labrum-Komplexes Knochenmarksaspirat (BMA) in das Allograft appliziert. Dieses wurde mit einer Jamshidi-Nadel gewonnen, welche über den Hill-Sachs-Defekt eingebracht wurde. Die Ergebnisse der drei Gruppen sollen zum Abschluss der Studie verglichen werden, um hier eventuelle Unterschiede hinsichtlich der klinischen und radiologischen Resultate nachzuweisen. Im Rahmen dieser Arbeit lassen sich hier aufgrund der noch zu geringen Nachuntersuchungsdaten v. a. in der zweiten und dritten Gruppe noch keine Aussagen zu treffen.

Abb. 1
figure 1

Bankart-Plus-Operationstechnik: a Darstellung der Bankart-Läsion und des Glenoiddefekts, b Fixierung des Allografts aus demineralisierter spongiöser Knochenmatrix (DCBM), c Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes über das Allograft an den anteroinferioren Glenoidrand

Die postoperative Behandlung erfolgte gemäß einer gewöhnlichen Weichteilstabilisierung bzw. Bankart-Operation mit einer Immobilisierung in Innenrotation für 4 Wochen sowie einer sukzessiven Freigabe der Beweglichkeit beginnend mit initial 0° Außenrotation.

Ergebnisse

In diese Studie wurden 29 Patienten (bzw. 30 Schultern) mit einem Durchschnittsalter von 28 ± 6 (Range 18–40) Jahren eingeschlossen. Die Mehrheit waren hierbei Männer (n = 25, 86 %). Die dominante Seite war in 12 Fällen (40 %) betroffen. Bei einem Patienten waren beide Seiten betroffen und wurden in einem Abstand von 15 Monaten operiert. In 13 Fällen (43 %) wurde zusätzlich zur Bankart-Plus-Operation auch eine Remplissage durchgeführt. Die Indikation hierzu wurde jeweils intraoperativ bei engaging Hill-Sachs-Läsionen gestellt. Alle Patienten hatten mehrere Luxationsereignisse der betroffenen Schulter mit im Durchschnitt 12 Luxationsereignissen (Range 3–60), wobei das Erstluxationsereignis in fast allen Fällen (n = 27, 90 %) traumatisch war. Entsprechend der Einschlusskriterien war kein Patient an der betroffenen Schulter voroperiert. 5 Patienten (17 %) hatte bereits Luxationsereignisse der kontralateralen Schulter, wovon wiederum 3 Patienten (10 %) bereits mit einer arthroskopischen Schulterstabilisierung versorgt wurden. Die Mehrzahl der Patienten (n = 19, 63 %) gab eine berufliche Tätigkeit ohne körperliche Aktivität bzw. Anspruch an die Schulter an; 4 Patienten (13 %) gaben eine berufliche Tätigkeit mit Überkopfarbeit an. Das schulterspezifische Aktivitätsmuster der Patientenkohorte lag bei durchschnittlich 3,9 (Range 0–7) Punkten. Die präoperative CT-Diagnostik zur Beurteilung des knöchernen Defekts ergab in der Patientenkohorte einen durchschnittlichen Glenoiddefekt von 7 ± 3 %.

Die klinischen Funktionsscores sind in den Abb. 2a–c dargestellt und zeigen den zeitlichen Verlauf von präoperativ zu den Nachuntersuchungszeitpunkten 3, 6, 12 und 24 Monate postoperativ. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass aktuell noch nicht alle Nachuntersuchungsdaten vorliegen und hier vorläufige Ergebnisse präsentiert werden (3 Monate n = 28, 6 Monate n = 26, 12 Monate n = 25, 24 Monate n = 17).

Abb. 2
figure 2

Longitudinaler Vergleich der klinischen Ergebnisse: a Western Ontario Shoulder Instability Index (WOSI), mean percentage (SD), b Rowe Score (RS), c Subjective Shoulder Value (SSV)

Eine Rezidivluxation konnte bislang nicht beobachtet werden. Ferner wurden keine intraoperativen oder unmittelbar postoperativen Komplikationen beobachtet. Eine Patientin berichtete über eine atraumatische Subluxation der operierten Schulter während der Schwangerschaft 24 Monate postoperativ. Eine operative Revision war hier bei subjektivem Wohlbefinden und stabiler Schulter nach dem Ende der Schwangerschaft nicht notwendig.

Die MRT-Aufnahmen 12 Monate postoperativ zeigten eine gute Integration des Labrums und Grafts am vorderen Glenoidrand mit Wiederherstellung der Konkavität. In Abb. 3 sind die MRT-Verlaufskontrollen eines Bankart-Plus-Patienten exemplarisch dargestellt.

Abb. 3
figure 3

Radiologische MRT-Verlaufskontrollen eines Bankart-Plus-Patienten: a präoperativ, b unmittelbar postoperativ, c 1 Jahr postoperativ

Diskussion

Die vorläufigen klinischen und radiologischen Ergebnisse dieser prospektiven Studie einer neuen Operationstechnik zur Behandlung von Patienten mit einer anterioren Schulterinstabilität, die einen kleinen bis moderaten Glenoiddefekt aufweisen, sind zufriedenstellend und vielversprechend. Die korrekte Behandlung von Patienten mit einer chronischen anteroinferioren Schulterinstabilität stellt noch immer eine Herausforderung dar, insbesondere in Anbetracht der kontroversen Diskussion, ab wann eine knöcherne Augmentation indiziert ist. Ziel der Bankart-Plus-Operation ist es, die Lücke zwischen der ausschließlichen Weichteilstabilisierung und knöchernen Augmentation mittels freiem Knochenblock oder Korakoidtransfer zu schließen. Diese vergleichsweise einfach umzusetzende Operationstechnik soll die Rate an persistierender Instabilität weiter reduzieren, ohne dabei die Anatomie der Schulter maßgeblich zu verändern, wie dies beim Korakoidtransfer der Fall ist bzw. potenzielle Entnahmemorbiditäten des Beckenkammtransfers vermeiden.

Bezüglich der Verwendung von demineralisierten und sterilisierten Allografts mit spongiöser Knochenmatrix ist bekannt, dass in diesen noch verschiedene Wachstumsfaktoren nachweisbar sind, die ein Einwachsen des Grafts potenziell ermöglichen [18, 19]. Außerdem konnte im Tiermodell nachgewiesen werden, dass durch die Verwendung demineralisierter Knochenmatrix das Einwachsen der Sehne am Knochen unterstützt werden kann [20, 21]. Das in dieser Studie verwendete Graft aus DCBM bietet den Vorteil, dass es sich flexibel am vorderen Glenoidrand modellieren lässt und als Augmentation der Labrumrefixation dient, mit dem Ziel, durch eine Volumenzunahme des Labrums die Fläche und Konkavität des Glenoid wiederherzustellen und den Dislokationswiderstand zu erhöhen. Diesbezüglich konnte gezeigt werden, dass die Konkavität des Glenoids einen großen Einfluss auf die Stabilität des Schultergelenks hat, jedoch in den bisherigen Messmethoden zur Bestimmung der Defektgroße nicht berücksichtigt wird [3]. Zu berücksichtigen bei der Bankart-Plus-Operation sind die höheren Kosten, die durch die Verwendung des Allografts, welche sich bislang leider nicht abbilden lassen.

Bei dem Patientenkollektiv in dieser Studie handelt es sich mehrheitlich um eine Population, bei der eine ausschließliche Weichteilstabilisierung (Bankart-Repair) mit einem erhöhten Risiko für eine Rezidivinstabilität vergesellschaftet ist. In einem aktuellen Review wurden u. a. der knöcherne Glenoiddefekt, die sportliche Aktivität, das Patientenalter und Off-track-Hill-Sachs-Läsionen als relevanten Einflussfaktoren identifiziert [22]. In dieser Studie war das Durchschnittsalter mit 28 Jahren jung und die Patienten wiesen ein hohes Maß an sportlicher Aktivität auf. Die bisherigen klinischen Ergebnisse sind für dieses Patientenkollektiv sehr zufriedenstellend, insbesondere im Hinblick darauf, dass bei ausschließlicher Weichteilstabilisierung Rezidivraten von 4–6,5 % beschrieben sind [5, 6].

Als Limitationen ist jedoch anzumerken, dass es sich hierbei noch um vorläufige Ergebnisse handelt und noch nicht von allen Patienten die 1‑ bzw. 2‑Jahres-Ergebnisse vorliegen. Insgesamt liegen zu dieser neuen Operationstechnik noch keine Langzeitergebnisse vor, welche relevant sein werden, um den langfristigen Therapieerfolg zu beurteilen. Bei dieser Studie handelt es sich um eine prospektive Kohortenstudie ohne Vergleichsgruppe. Im Rahmen der weiteren Auswertung ist jedoch auch ein Vergleich mit einer historischen Kohorte geplant, bei einem ähnlichen Patientenkollektiv, das ausschließlich eine Weichteilstabilisierung erhalten hat.

Schlussfolgerung

Die Bankart-Plus-Operation zeigt vielversprechende klinische und radiologische Ergebnisse im kurzfristigen Follow-up und ist eine praktikable Behandlungsoption für Patienten mit Schulterinstabilität, die einen kleinen bis moderaten Glenoiddefekt aufweisen.

Fazit für die Praxis

  • Für kleine knöcherne Glenoidranddefekte bei anteriorer Schulterinstabilität sind knöcherne Augmentationsverfahren potenziell nicht geeignet.

  • In Abhängigkeit des Glenoiddefekts weisen rein weichteilige Schulterstabilisierungsverfahren ein hohes Risiko für Rezidivinstabilitäten auf.

  • Die Bankart-Plus-Operation kann als potenzielle Alternative für subkritische Glenoidranddefekte bei vorderer Schulterinstabilität betrachtet werden.