Bei der konservativen Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette hat sich kürzlich eine einmalige Injektion von autologen „adipose-derived regenerative cells“ (autologe ADRCs) gegenüber der Injektion von Kortikosteroid als deutlich überlegen gezeigt. Eine Biopsie aus einer menschlichen Supraspinatussehne, die 10 Wochen vorher mit autologen ADRCs behandelt worden war, zeigte zusammengefasst erstmals einen Reparaturvorgang, der in der Literatur als „Regeneration ohne Bildung von Narbengewebe“ beschrieben ist und der bisher nur bei fetalen Sehnen beobachtet worden war.

Im Dezember 2021 erschien in der renommierten Fachzeitschrift Arthroscopy ein bemerkenswerter Artikel mit dem Titel „Public Opinion and Expectations of Stem Cell Therapies in Orthopaedics“ [35]. Mittels einer Crowdsourcing-Plattform hatten die Autoren insgesamt 931 Personen in den USA nach ihrer Einschätzung zu diesem Thema befragt. 84,5 % der Befragten waren davon überzeugt, dass bereits genügend Evidenz für die Sicherheit und Wirksamkeit von Stammzelltherapien bei Erkrankungen von Sehnen und Gelenken vorliege; 65 % der Befragten waren sich sicher, dass diese Therapien in den USA von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zugelassen seien. Besonders bemerkenswert war, dass 63,3 % der Befragten angaben, dass sie eine Stammzelltherapie auch dann in Erwägung ziehen würden, wenn ihre Ärztin/ihr Arzt sie ihnen trotz fehlenden Nachweises der Wirksamkeit empfehlen würde. Gleichzeitig befürworteten aber 88,4 % aller Befragten, dass Werbung für Stammzelltherapien nur bei Vorliegen von Evidenz für deren Wirksamkeit zugelassen sein sollte. Bei der Therapieentscheidung für Sehnenpathologien sollte dies aber kein Problem darstellen, denn > 80 % der Befragten waren davon überzeugt, dass die Behandlung von Rupturen und Teilrupturen von Sehnen mit Stammzellen zu effektiver Schmerzlinderung führe [35].

Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den aktuellen regulatorischen Gegebenheiten in den USA (und weitgehend auch in Deutschland). Vielmehr hat ein renommiertes Autorenteam ebenfalls in Arthroscopy im August 2021 noch einmal ausdrücklich vor möglichen fatalen Nebenwirkungen (septische Arthritis, Entzündungen anderer Art) von nicht zugelassenen und unsachgemäß durchgeführten „Stammzelltherapien“ gewarnt [13]; eine ähnliche Warnung wurde bereits 2017 im New England Journal of Medicine publiziert [31].

Metaanalysen klinischer Studien zur Verwendung von Stammzellen in der Orthopädie

Vor dem Hintergrund dieser öffentlichen Wahrnehmung, auch in Bezug auf die Wirksamkeit von Stammzelltherapien bei Erkrankungen und Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparats, stellt sich die Frage, ob sie dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht. Die aktuelle Literatur zeichnet ein teilweise ähnlich verzerrtes Bild der Realität. Als Beispiele seien die Behandlung von Kniegelenkarthrose und Sehnenpathologien im Bereich von Schulter und Ellenbogen mit „Stammzellen“ genannt.

Für die Behandlung der Kniegelenksarthrose mit Stammzellen wurden von Januar 2020 bis Juni 2021 insgesamt 19 Metaanalysen von klinischen Studien publiziert – mit teilweise sehr widersprüchlichen Ergebnissen [36]. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass diese Widersprüche im Wesentlichen auf drei Faktoren zurückzuführen waren: erhebliche Unterschiede bei der Auswahl der berücksichtigten Literatur, methodische Fehler bei der Erstellung von Metaanalysen und insbesondere erhebliche Missverständnisse über die Biologie von Stammzellen [36]. Eine systematische Analyse der gesamten vorliegenden Literatur zur Behandlung von Kniegelenkarthrose mit Stammzellen beispielsweise zeigte, dass trotz der Veröffentlichung von mittlerweile 183 klinischen Studien zu diesem Thema (davon 33 prospektive, randomisiert kontrollierte Studien) mit einer Gesamtzahl von 6860 untersuchten PatientInnen eine wissenschaftlich fundierte Metaanalyse zu diesem Thema bis heute nicht möglich ist [36].

Über die Behandlung von Sehnenpathologien im Bereich von Schulter und Ellenbogen mit Stammzellen wurde kürzlich ebenfalls eine Metaanalyse publiziert [8]. In Tab. 1 sind die wesentlichen Details der vier eingeschlossenen klinischen Studien zusammengefasst.

Tab. 1 Details der 4 in einer kürzlich publizierten Metaanalyse [8] erfassten klinischen Studien zur Behandlung von Sehnenpathologien im Bereich von Schulter und Ellenbogen mit Stammzellen

Man erkennt, dass diese Studien keinerlei Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Art der Studie (randomisiert kontrollierte Studie, Open-label-Dosiseskalationsstudie oder Kohortenstudie), die behandelte Indikation (Ruptur der Rotatorenmanschette, Teilruptur der Rotatorenmanschette oder Tendinopathie), die Herkunft der Stammzellen (autolog [d. h. vom Patienten selbst] oder allogen [d. h. von einer anderen Person]), das Level der Manipulation (Zellkultur oder „point of care“), das Gewebe, aus dem die Stammzellen isoliert wurden (Knochenmark oder Fettgewebe) sowie die Applikation der Stammzellen (mit oder ohne „scaffold“; Injektion oder Applikation während offener oder arthroskopischer Reparatur) aufweisen.

Problematisch erscheint insbesondere der Einschluss einer Studie von Lamas et al. [29] in diese Metaanalyse [8]. Bei der genannten Studie [29] kam bei konventioneller (offener) Reparatur von Rupturen der Rotatorenmanschette ein xenogenes „scaffold“ (OrthADAPT Boimplant; Synovis Orthopedic & Woundcare Inc., Irvine, Kalifornien, USA) zum Einsatz, das entweder mit autologen, aus dem Knochenmark isolierten und in der Zellkultur selektierten und vervielfältigten mesenchymalen Stammzellen (autologe BM-MSCs [„bone marrow-derived mesenchymal stem cells“]; Gruppe 1; n = 8) oder mit physiologischer Kochsalzlösung (Gruppe 2; n = 5) inkubiert worden war. Neben einer hohen Rate von Rerupturen im Verlauf von 12 Monaten nach der Behandlung (Gruppe 1: 5/8 = 62,5 %; Gruppe 2: 3/5 = 60 %) entwickelten sich bei drei PatientInnen in Gruppe 1 und einem Patienten in Gruppe 2 nach der Operation supraklavikuläre Zysten und subakromiale Entzündungen. Daraufhin entschlossen sich die Autoren, die Studie wegen ethischer Bedenken abzubrechen und von den ursprünglich geplanten 32 PatientInnen keine weiteren PatientInnen in die Studie einzuschließen [29]. Für die 13 in die Studie eingeschlossenen PatientInnen berichteten die Autoren aber eine statistisch signifikante (p = 0,007) Verbesserung des mittleren Constant Scores nach Applikation von autologen BM-MSCs im Vergleich zur Applikation von physiologischer Kochsalzlösung [29].

Dieses von den Autoren berichtete Ergebnis, das in die Metaanalyse von Cho et al. [8] übernommen wurde, zeigt, wie wichtig es ist, bei der Interpretation von klinischen Studien zur Behandlung von Rupturen und Teilrupturen von Sehnen mit Stammzellen neben den oben genannten Parametern (behandelte Indikation, Herkunft der Stammzellen, Gewebe, aus dem die Stammzellen isoliert wurden sowie Applikation der Stammzellen) den Status von PatientInnen mit Reruptur (bei Studien zu Rupturen) bzw. vollständiger Ruptur (bei Studien zu Teilrupturen) insbesondere in der statistischen Analyse kritisch zu bewerten.

Tatsächlich berichteten Lamas et al. [29] für alle 13 in ihre Studie eingeschlossenen PatientInnen die individuellen Constant Scores für die operierte Schulter sowohl vor der initialen Behandlung als auch 12 Monate nach der initialen Behandlung, obwohl es bei 5 von 8 mit autologen BM-MSCs behandelten und 3 von 5 mit physiologischer Kochsalzlösung behandelten PatientInnen zu einer Reruptur der Rotatorenmanschette (und somit zu einer erneuten Operation) gekommen war (Tab. 2 in [29]). Die in die Metaanalyse von Cho et al. [8] aus der Studie von Lamas et al. [29] übernommenen Daten repräsentierten somit nicht das klinische Ergebnis der initialen offenen Reparatur von Rupturen der Rotatorenmanschette mittels eines xenogenen „scaffold“ mit oder ohne Zuhilfenahme von BM-MSCs, sondern das Gesamtergebnis der Studie von Lamas et al. [29], das bei einigen der in dieser Studie behandelten PatientInnen eine Reruptur mit erneuter Operation beinhaltete. Dies sollte bei der Interpretation der von Cho et al. [8] vorgelegten Metaanalyse zur Behandlung von Sehnenpathologien im Bereich von Schulter und Ellenbogen mit Stammzellen berücksichtigt werden.

Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Stammzellen

Nun könnte man argumentieren, dass die Unterschiede innerhalb der zellbasierten Orthobiologika, zu denen Stammzellen gehören, schon nicht so groß sein können, als dass genau zwischen den einzelnen Vertretern dieser Gruppe von Gewebezubereitungen unterschieden werden müsse. Genau das Gegenteil ist aber der Fall, wie aus 2 kürzlich publizierten, randomisiert kontrollierten Studien zur Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette ersichtlich wird [9, 21]. In beiden Studien waren die Ein- und Ausschlusskriterien praktisch identisch (klinische Zeichen für das Vorliegen einer Teilruptur der Supraspinatussehne; Bestätigung im MRT; mehrwöchige konservative Behandlung ohne Erfolg). Darüber hinaus wurde in beiden Studien der Therapieerfolg mit dem American Shoulder and Elbow Surgeons Standardized Shoulder Assessment Form (ASES) Total Score über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten überprüft. Auch die mittleren ASES Total Scores der mit Stammzellen behandelten PatientInnen waren vor der Behandlung praktisch identisch ([9]: 59,0 ± 12,0 (n = 11); [21]: 58,7 ± 19,2 (n = 7); jeweils Mittelwert ± Standardabweichung); ein ASES Total Score von 100 bedeutet völlige Schmerzfreiheit und uneingeschränkte Beweglichkeit der Schulter. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Studien waren Art und Herkunft der applizierten Stammzellen. In unserer eigenen Studie [21] kamen autologe (körpereigene), nicht in der Zellkultur selektierte und vervielfältigte, nicht stimulierte autologe ADRCs zum Einsatz, die in einem echten Point-of-care-Verfahren (Technologie: Transpose RT/Matrase; InGeneron Inc., Houston, TX, USA) aus körpereigenem Fettgewebe isoliert und unmittelbar nach Isolierung (ca. 1 h nach Miniliposuktion zur Gewinnung des Fettgewebes) ohne jegliche Verwendung eines „scaffolds“ unter Ultraschallkontrolle in den Bereich der Teilruptur der Supraspinatussehne injiziert wurden.

In der anderen Studie [9] wurden stattdessen allogene (körperfremde), in der Zellkultur selektierte und vervielfältigte „adipose-derived stem cells“ (allogene ADSCs) verwendet (Technologie: Anterogen, Seoul, Korea), die zusammen mit Fibrinkleber als „scaffold“ ebenfalls unter Ultraschallkontrolle in den Bereich der Teilruptur der Supraspinatussehne injiziert wurden. Abb. 1 zeigt die Veränderung des mittleren ASES Total Scores als Funktion der Zeit nach Behandlung in den genannten Studien (Kontrolltherapie: Injektion eines Kortikosteroids in Hurd et al. [[21]; Standardtherapie in den USA]; Injektion von physiologischer Kochsalzlösung in Chun et al. [9]).

Abb. 1
figure 1

Vergleich des Erfolgs der Behandlung von Teilrupturen der Supraspinatussehne mit autologen ADRCs („adipose-derived regenerative cells“) in Hurd et al. ([21]; obere grüne Punkte; n = 11) und mit allogenen ADSCs („adipose derived stem cells“) in Chun et al. ([9]; offene untere Punkte mit grünem Rand; n = 7; der fundamentale Unterschied zwischen ADRCs und ADSCs ist im Text beschrieben). (Rote Punkte: Kontrollbehandlung [n = 5] in [21]; offene Punkte mit rotem Rand: Kontrollbehandlung [n = 8] in [9]; gezeigt sind jeweils Mittelwert ± Standardfehler des Mittelwerts)

Man erkennt, dass sich nach Injektion von autologen ADRCs ein schneller und deutlicher Behandlungserfolg einstellte (mit statistisch signifikant besseren mittleren ASES Total Scores im Vergleich zur Kontrollbehandlung bei 24 und 52 Wochen nach Therapie [21]); nach Injektion von allogenen ADSCs blieb dieser Behandlungserfolg aus [9].

Es sei darauf hingewiesen, dass die hier zitierte Studie [21] nicht als finale Evidenz für die Sicherheit und Effektivität der Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit autologen ADRCs angesehen werden kann. Dies war angesichts der verwendeten Fallzahl (11 PatientInnen mit autologen ADRCs und 5 PatientInnen mit Injektion von 80 mg Methylprednisolon behandelt) auch gar nicht die Intention dieser Studie [21]. Vielmehr war diese Studie [21] die allererste „First-in-human“-Studie ihrer Art überhaupt, wobei sie in enger Absprache mit der FDA sofort als prospektive, randomisierte, kontrollierte Studie durchgeführt wurde. Die Kontrolltherapie entsprach dabei einer Routinetherapie bei der Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette in den USA. Die Ergebnisse dieser Studie [21] werden gegenwärtig in einer groß angelegten, prospektiven, randomisierten, kontrollierten Multicenterstudie in den USA (mit dem Ziel der offiziellen Zulassung dieser Therapie in den USA durch die FDA) mit insgesamt 246 PatientInnen mit Teilrupturen der Rotatorenmanschette verifiziert [20].

Schlussfolgerungen

Um die in Abb. 1 gezeigten Daten richtig einordnen zu können, sind in Tab. 2 die wesentlichen Details aller bisher publizierten klinischen Studien zur Behandlung von Rupturen und Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Stammzellen zusammengefasst (die oben im Detail beschriebene Studie von Lamas et al. [29] wurde nicht berücksichtigt).

Tab. 2 Details aller bisher publizierten Studien zur Behandlung von Rupturen und Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Stammzellen

Insgesamt ergeben sich aus den in Abb. 1 und Tab. 2 zusammengefassten Daten und unter Berücksichtigung der aktuell erforschten zellulären Therapieansätze eine ganze Reihe wichtiger Schlussfolgerungen für die Behandlung von Rupturen und Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Stammzellen:

  • Embryonale Stammzellen und sog. induzierte pluripotente Stammzellen („iPS cells“) finden (trotz vielfältiger Beschreibung dieser Zellarten in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Publikationen) bis heute weder bei der Behandlung von Rupturen und Teilrupturen der Rotatorenmanschette noch bei irgendeiner anderen Indikation am Stütz- und Bewegungsapparat eine klinische Anwendung. Dies beruht nicht nur auf erheblichen ethischen Bedenken bei der Verwendung embryonaler Stammzellen, sondern insbesondere auf der Gefahr der Entwicklung sog. Teratome (Tumoren, die sich aus embryonalen Stammzellen entwickeln) bzw. der Gefahr der malignen Entartung von „iPS cells“ [2]. Es gibt zwar nach wie vor experimentelle Ansätze, Tenozyten aus „iPS cells“ zu züchten, um damit anschließend Sehnendefekte zu regenerieren (zuletzt in einem Defektmodell der Achillessehne von Kaninchen [33]). Vor dem Hintergrund der in Abb. 1 gezeigten klinischen Daten, der weiter unten beschriebenen Ergebnisse zur Regeneration von Sehnengewebe mit autologen ADRCs in Biopsien und Tiermodellen, sowie dem beschriebenen Risiko bei der Verwendung von „iPS cells“ erschließen sich mögliche Vorteile solcher experimentellen Ansätze für die spätere klinische Anwendung jedoch nicht.

  • Die Signifikanz der Verwendung von Stammzellen mit dem Ziel, das Ergebnis einer operativen Behandlung von Rupturen der Rotatorenmanschette zu verbessern, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur eingeschränkt beurteilt werden. Für die Verwendung von autologen BM-MSCs zu diesem Zweck liegen nur drei Fallserien ohne Kontrollgruppe vor [12, 17, 18]. Bei der Verwendung von autologen ADRCs wurde in einer Zwei-Kohorten-Studie in einem Beobachtungszeitraum von im Mittel 28,5 Monaten eine statistisch signifikant niedrigere Rate von Rerupturen nach arthroskopischer Reparatur und Applikation von autologen ADRCs (14,3 %) im Vergleich zu arthroskopischer Reparatur ohne Applikation von autologen ADRCs (28,5 %) beobachtet (p < 0,001; [25]).

  • Die Injektion von allogenen ADSCs zur Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette ist auf der Basis der in der Literatur vorliegenden Daten nicht indiziert [9]. Auf die generelle Problematik der Applikation von allogenen Stammzellen in der regenerativen Medizin wird weiter unten näher eingegangen.

  • Die Ergebnisse von Jo et al. [22, 23] zur Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Injektion von autologen, in der Zellkultur selektierten und vervielfältigten ADSCs zeigen keine Vorteile gegenüber der Injektion von autologen, nicht in der Zellkultur selektierten und vervielfältigten ADRCs (im Detail in [21] beschrieben). Andererseits wurden in der Literatur für die Verwendung von autologen ADSCs im Vergleich zur Verwendung von autologen ADRCs drei entscheidende Nachteile beschrieben:

    1. 1.

      In ADRCs sind Zellarten enthalten, die in ADSCs bedingt durch die Selektierung und Kultivierung der Zellen im Labor fehlen [32], aber erheblich zum Therapieerfolg beitragen können (im Detail in [3] diskutiert). Bei diesen Zellarten handelt es sich um Perizyten, Endothelzellen, Vorläufer von Endothelzellen, Fibroblasten und Leukozyten, aber keine Fettzellen (z. B. [16, 38]).

    2. 2.

      In einer In-vitro-Studie wurde kürzlich gezeigt, dass nicht selektierte/kultivierte ADRCs signifikant mehr trophische Faktoren („insulin-like growth factor 1“, IGF‑1, „stromal cell-derived factor-1α“, SDF-1α und „transforming growth factor-β1“, TGF-β1 sowie TGF-β3) für die Regeneration von Sehnen bereitstellen als selektierte/kultivierte ADSCs [34].

    3. 3.

      Die Lancet Commission on Stem Cells and Regenerative Medicine hat in 2018 detailliert beschrieben, dass die Kultivierung von Stammzellen im Labor auch unter optimalen Bedingungen dazu führt, dass die Zellen unterschiedlichen Arten von Stress (mechanisch, oxidativ) ausgesetzt werden, was ihre Sicherheit als medizinisches Produkt beeinträchtigen kann [10]. Bei der Verwendung von nicht selektierten/kultivierten ADRCs fallen diese Beeinträchtigungen weg.

Regeneration von Sehnengewebe mit autologen ADRCs in Biopsien und Tiermodellen

Kürzlich konnte im Labor erstmals eine Biopsie aus einer Supraspinatussehne eines Patienten analysiert werden, die 10 Wochen nach Behandlung einer traumatischen Teilruptur dieser Sehne mit autologen ADRCs gewonnen worden war [1]. Die Isolierung der autologen ADRCs aus Lipoaspirat war mit derselben Technologie erfolgt, die in ([21], vgl. Abb. 1) zum Einsatz gekommen war. Die histologische und immunhistochemische Analyse der Biopsie mit insgesamt 13 verschiedenen Antikörpern (Aggrecan, CD34, CD68, Ki-67, Laminin, MMP‑2 [Matrixmetalloproteinase], MMP‑9, Procollagen 1, Tenomodulin, Typ-I-, Typ-II-, Typ-III- und Typ-IV-Kollagen) zeigte zusammengefasst einen Reparaturvorgang, der in der Literatur als „Regeneration ohne Bildung von Narbengewebe“ beschrieben ist und der bisher nur bei fetalen Sehnen beobachtet worden war (Details in [1]).

Eine experimentelle Überprüfung der Hypothese, dass die Injektion von autologen ADRCs bei Teilrupturen von Sehnen tatsächlich zu Regeneration ohne Bildung von Narbengewebe führt, ist in klinischen Studien aus ethischen Gründen nicht möglich. Dementsprechend wurde dieser Frage in einem partiellen Defektmodell der Achillessehne von Kaninchen nachgegangen. Vier Wochen nach Induktion des partiellen Defekts, gefolgt von sofortiger Applikation von autologen ADRCs (ebenfalls mit der in [21] verwendeten Technologie isoliert), fand sich im Bereich des Defekts ein neues Gewebe, das mit der Neubildung von Sehnengewebe vereinbar war (Abb. 2a). Bei Tieren, die mit Ringer-Laktat-Lösung (RLL) behandelt worden waren, zeigte sich dagegen im Bereich des Defekts ein neues Gewebe, das am ehesten an die Bildung von Narbengewebe erinnerte (Abb. 2b). Diese Befunde erhärteten sich 12 Wochen nach Induktion des partiellen Defekts und Applikation von autologen ADRCs (Abb. 2c) bzw. RLL (Abb. 2d).

Abb. 2
figure 2

Repräsentative mikroskopische Bilder von 5 µm dicken Schnitten der Achillessehne von Kaninchen (gefärbt mit Safranin O/Fast Green) 4 Wochen (a,b) und 12 Wochen (c,d) nach Induktion eines partiellen Sehnendefekts und Applikation von autologen ADRCs („adipose-derived regenerative cells“, a,c) bzw. Ringer-Laktat-Lösung (b,d). Bilder der in Vorbereitung befindlichen medizinischen Doktorarbeit von T. W. entnommen; Studie am 1. Februar 2021 unter Protokollnummer 1473 vom Institutional Animal Care and Use Committee der Colorado State University (Fort Collins, CO, USA) genehmigt; Verlängerung der Genehmigung unter derselben Protokollnummer am 1. Februar 2022. (Sterne markieren originales Sehnengewebe, Kreuze neugebildetes Gewebe. Die gelben Pfeile markieren den Übergang zwischen originalem Sehnengewebe und neu gebildetem Gewebe. Der Balken in d entspricht 500 µm)

Besonders auffällig waren die Unterschiede beim Übergang zwischen originalem Sehnengewebe und neu gebildetem Gewebe (gelbe Pfeile in Abb. 2). Nach Applikation von autologen ADRCs zeigte sich ein fast nahtloser Übergang zwischen den Geweben, und insbesondere 12 Wochen nach Behandlung entsprach die Orientierung der Zellen im neu gebildeten Gewebe der Orientierung im originalen Sehnengewebe (Abb. 2c). Dagegen zeigten sich nach Applikation von RLL vermehrt Blutgefäße am Übergang zwischen den Geweben, und die Anordnung der Zellen im neu gebildeten Gewebe zeigte keine geordnete Orientierung und entsprach somit nicht der Orientierung der Zellen im originalen Sehnengewebe (Abb. 2d). Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Zelldichte im neu gebildeten Gewebe 12 Wochen nach Applikation von autologen ADRCs erheblich niedriger war als 12 Wochen nach Applikation von RLL. Die diesen Befunden aller Wahrscheinlichkeit nach zugrunde liegenden molekularen und zellulären Wirkmechanismen sind im Detail in Alt et al. [1] und insbesondere Alt et al. [2] beschrieben. An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass ADRCs nicht etwa „Fettstammzellen“ sind, sondern Stammzellen in den Wänden von Blutgefäßen (im Detail in [2] beschrieben). Zudem ist anzumerken, dass auch bei diesem Tiermodell keinerlei „scaffold“ etc. zur Anwendung kam.

Stellenwert autologer Stammzellen zur Behandlung von Sehnen(teil)rupturen

Tab. 3 zeigt die Klassifikation der Orthobiologika durch die FDA.

Tab. 3 Klassifikation der Orthobiologika durch die U.S. Food and Drug Administration (FDA)

Wie bereits weiter oben am Beispiel der allogenen ADSCs beschrieben (Abb. 1), beinhaltet die Eingruppierung einer Gewebezubereitung in die Klasse der Orthobiologika keineswegs einen Hinweis auf ihre Wirksamkeit bei einer bestimmten Indikation. Tatsächlich bedeutet die Eingruppierung einer Gewebezubereitung in die Klasse der Orthobiologika lediglich, dass es sich um eine aus körpereigenem oder körperfremdem Gewebe hergestellte Gewebezubereitung handelt, die prinzipiell in der Orthopädie eingesetzt werden könnte. Der Nachweis der Wirksamkeit muss in jedem Fall individuell (d. h. für jedes einzelne Orthobiologikum und jede einzelne Indikation) durch entsprechende klinische Studien sowie adäquate Tierversuche erbracht werden.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, die zellfreien Orthobiologika den Orthobiologika auf der Basis von allogenen und autologen Zellen („Stammzellen“) gegenüberzustellen (auf die anderen Orthobiologika, mit oder ohne gegenwärtig vorhandene Relevanz für die Orthopädie, wird im folgenden Text nicht eingegangen). Tatsächlich müssen die Orthobiologika auf der Basis von allogenen Zellen funktionell (d. h. in Bezug auf die Wirkmechanismen) zusammen mit den zellfreien Orthobiologika diskutiert und diese beiden Gruppen den Orthobiologika auf der Basis von autologen Zellen gegenübergestellt werden. Hintergrund ist die Tatsache, dass sich Zellen, die sich aus allogenen Stammzellen entwickeln, nicht ins Zielgewebe integrieren können. Vielmehr werden diese Zellen, sobald sie beginnen, MHC-Klasse-1-Proteine an ihrer Oberfläche zu exprimieren, vom Immunsystem des Zielorganismus als körperfremd erkannt und im Rahmen einer (Mikro‑)Transplantatabstoßungsreaktion entfernt. Bei wiederholter Applikation von allogenen Stammzellen kann es dann im Zielorganismus zu einer klinisch relevanten Transplantatabstoßungsreaktion kommen [24].

Solange es ausreicht, dass allogene Stammzellen im Zielgewebe trophische Faktoren produzieren, um die körpereigenen Regenerationskräfte (und dabei insbesondere gewebeständige Stammzellen) zu stimulieren, mag die Applikation von allogenen Stammzellen durchaus eine (wenn auch eher akademische) Berechtigung haben. Der positive Effekt bei der Behandlung der lateralen Epikondylitis in [30] mit allogenen ADSCs ist z. B. mit der Stimulation gewebeständiger, körpereigener Stammzellen durch trophische Faktoren, die von den allogenen ADSCs ausgeschüttet wurden, vereinbar. Es stellt sich aber die Frage, ob es dafür tatsächlich des Einsatzes von allogenen Stammzellen bedarf, oder ob vergleichbare (oder sogar bessere) Ergebnisse nicht auch mit anderen Therapien erzielt werden können (ausführlich in [14] diskutiert).

Bei der konservativen Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette (bzw. allgemein bei der konservativen Behandlung von Sehnenteilrupturen) ist der trophische Support durch allogene Stammzellen aber wohl nicht ausreichend (vgl. die fehlende Wirksamkeit in [9]; Abb. 1). Auch im Tierversuch konnte mit allogenen ADRCs keine Verbesserung der Sehnenregeneration gegenüber der Verwendung von RLL nachgewiesen werden (Abb. 3). Dabei spielte es keine Rolle, dass die Versuche, die den in Abb. 3 gezeigten Ergebnissen zugrunde lagen, sich neben der Verwendung von allogenen statt autologen ADRCs in zwei weiteren Punkten von den in Abb. 2 beschriebenen Versuchen unterschieden (vollständige Durchtrennung der medialen und lateralen Gastrocnemiussehne statt Induktion eines Teildefekts, sowie Applikation von allogenen ADRCs bzw. RLL erst eine Woche nach Induktion des Sehnendefekts). Sowohl 12 Wochen nach Applikation von allogenen ADRCs als auch 12 Wochen nach Applikation von RLL zeigte sich im Defektbereich ein neu gebildetes Gewebe, das am ehesten an die Bildung von Narbengewebe erinnerte (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Repräsentative mikroskopische Bilder von 5 µm dicken Schnitten der Achillessehne von Kaninchen (gefärbt mit Safranin O/Fast Green) 12 Wochen nach Induktion eines Sehnendefekts und Applikation von allogenen ADRCs („adipose-derived regenerative cells“; a) bzw. Ringer-Laktat-Lösung (b). Bilder der in Vorbereitung befindlichen medizinischen Doktorarbeit von T. W. entnommen; Studie am 3. Mai 2019 unter der Protokollnummer 19-8799A vom Institutional Animal Care and Use Committee der Colorado State University (Fort Collins, CO, USA) genehmigt. (Sterne markieren originales Sehnengewebe, Kreuze neugebildetes Gewebe. Die gelben Pfeile markieren den Übergang zwischen originalem Sehnengewebe und neu gebildetem Gewebe. Der Balken in b entspricht 500 µm. Details sind im Text erläutert)

Darüber hinaus zeigten sich 12 Wochen nach beiden Behandlungen (allogene ADRCs, RLL) vermehrt Blutgefäße am Übergang zwischen den Geweben (gelbe Pfeile in Abb. 3), und die Anordnung der Zellen im neu gebildeten Gewebe zeigte nach beiden Behandlungen keine geordnete Orientierung und entsprach somit nicht der Orientierung der Zellen im originalen Sehnengewebe. Schließlich war die Zelldichte im neu gebildeten Gewebe 12 Wochen nach Applikation von allogenen ADRCs nicht unterschiedlich zur Zelldichte im neu gebildeten Gewebe 12 Wochen nach Applikation von RLL (Abb. 3).

Die jüngsten Metaanalysen zur Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Injektionen von PRP deuten ebenfalls darauf hin, dass der trophische Support zur vollständigen Regeneration der Sehne wohl nicht ausreichend ist [15, 39]. Für die Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Exosomen und Amnionflüssigkeit liegen in der Literatur bisher keine Studien vor.

Stellenwert von autologen ADRCs

Die generelle Problematik von in der Zellkultur selektierten und vervielfältigten autologen ADSCs (im Vergleich zu nicht in der Zellkultur selektierten und vervielfältigten autologen ADRCs fehlende Zellarten, geringere Bereitstellung trophischer Faktoren und Exposition mit unterschiedlichen Arten von Stress auch unter optimalen Kulturbedingungen) wurde bereits weiter oben beschrieben. Dasselbe gilt für in der Zellkultur selektierte und vervielfältigte autologe BM-MSCs im Vergleich zu konzentriertem Knochenmarkaspirat, wie auch für autologe, aktivierte periphere Stammzellen im Blut. Auch letztere müssen (wenn denn überhaupt eine sinnvolle klinische Anwendung für diese Zellen gefunden werden kann) in der Zellkultur selektiert und vervielfältigt werden.

Beim Vergleich von autologen ADRCs mit konzentriertem Knochenmarkaspirat muss primär der erhebliche Unterschied der relativen Menge an Stammzellen in diesen Gewebezubereitungen berücksichtigt werden. Bei ADRCs sind bis zu 12 % aller Zellen Stammzellen, wohingegen im Knochenmark nur 0,001–0,1 % aller mononukleären Zellen Stammzellen sind (ausführlich in [3] beschrieben). Auch die Gewinnung der Zellen ist bei ADRCs (Miniliposuktion) für die PatientInnen üblicherweise weniger belastend als bei Knochenmarkaspiration (Details ebenfalls in [3] beschrieben).

Chondrozytentransplantate spielen bei der Behandlung von Rupturen und Teilrupturen von Sehnen keine Rolle.

Zusammenfassend ergibt sich, dass von allen hier diskutierten Orthobiologika die autologen ADRCs die erste Wahl bei der Behandlung von Rupturen und Teilrupturen von Sehnen sind.

Unterschiede bei verschiedenen Herstellungsverfahren

Grundsätzlich muss man drei verschiedene Herstellungsverfahren von ADRCs unterscheiden: mikrofragmentiertes Fettgewebe, nicht-enzymatisch isolierte ADRCs und enzymatisch isolierte ADRCs [38].

Für die Behandlung der Kniegelenksarthrose mit mikrofragmentiertem Fettgewebe und nicht-enzymatisch isolierten ADRCs liegen mittlerweile eine ganze Reihe von klinischen Studien vor [36], nicht jedoch für die Behandlung von Rupturen und Teilrupturen von Sehnen. Dies ist insbesondere auf erhebliche Sicherheitsbedenken zurückzuführen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Ergebnis dieser Verfahren Gewebefetzen und nicht etwa isolierte Zellen sind. Leider wurde bisher für keines der kommerziell verfügbaren Verfahren zur Herstellung von mikrofragmentiertem Fettgewebe und nicht-enzymatisch isolierten ADRCs unter dem Mikroskop gezeigt, was genau das Ergebnis dieser Verfahren ist. Die einzigen verfügbaren Bilder in dieser Hinsicht finden sich in Abb. 3a in einer Studie von van Dongen et al. [37]. In dieser Abbildung sind Gewebefetzen mit Durchmessern bis > 300 µm und deutlichen Einschlüssen von Fettzellen gezeigt. Die mit dem von uns verwendeten Verfahren zur enzymatischen Isolierung von ADRCs aus Lipoaspirat gewonnenen Zellen sind exemplarisch in Abb. 4 gezeigt.

Abb. 4
figure 4

Mit der Transpose RT/Matrase-Technologie (InGeneron) innerhalb von 60 min vollständig aus menschlichem Lipoaspirat isolierte ADRCs („adipose-derived regenerative cells“, Zellausstrich zur Darstellung von Zellen und Kollagen mit Azan gefärbt). Der Zellverbund ist vollständig aufgehoben; es finden sich weder Rückstände von Bindegewebe noch Fettzellen. Die in [38] mit dieser Technologie erzielte Zellausbeute von 6,25 ± 0,79 × 105 lebenden Zellen pro ml Lipoaspirat ist die höchste jemals publizierte Ausbeute von lebenden ADRCs (Details in [38]). Der Balken repräsentiert 100 µm

In Gewebefetzen sind die Stammzellen aber nicht isoliert und können deswegen evtl. auch gar nicht aktiv werden (die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen sind im Detail in [2] beschrieben). Gleiches gilt auch für enzymatische Verfahren zur Isolierung von Stammzellen, wenn dies nur durch Kollagenase, nicht aber durch Kollagenase und neutrale Protease erfolgt (im Detail in [38] beschrieben). Ein untrügliches Zeichen für die Qualität von vollständig aus dem Gewebe isolierten ADRCs ist die Möglichkeit, die bei PatientInnen final zu verwendende Gewebezubereitung ohne weitere Behandlung mittels Durchflusszytometrie analysieren zu können. Dies ist z. B. für die von uns verwendeten autologen ADRCs der Fall [16], nicht jedoch für das von van Dongen et al. [37] vorgestellte Verfahren wie auch für das in [5] beschriebene Verfahren zur enzymatischen Isolierung von ADRCs aus Lipoaspirat.

Grundsätzlich sollte man sich vor Verwendung von mikrofragmentiertem Fettgewebe oder autologen ADRCs vom Hersteller des entsprechenden Verfahrens die in Tab. 4 zusammengefassten Informationen vorlegen lassen; dies dient insbesondere zur eigenen Absicherung bei der Verwendung dieser Orthobiologika (vgl. auch [38]):

Tab. 4 Relevante Informationen zu mikrofragmentiertem Fettgewebe und ADRCs („adipose-derived regenerative cells“), die man sich als Anwenderin/Anwender zur eigenen Absicherung vor der Verwendung dieser Orthobiologika vom Hersteller des entsprechenden Verfahrens vorlegen lassen sollte

Potenzielle Risiken

Bei der Bewertung potenzieller Risiken bei der Behandlung von Sehnenrupturen (und anderen Sehnenpathologien) mit Stammzellen müssen mehrere Ebenen sowohl getrennt als auch zusammen betrachtet werden. Auf die Gefahr der möglichen Entwicklung sogenannter Teratome bei der Verwendung von embryonalen Stammzellen bzw. der möglichen malignen Entartung von „iPS cells“ wurde bereits hingewiesen; beide Zellarten werden (auch vor dem Hintergrund der bisher fehlenden klinischen Anwendung bei Tendinopathien oder Sehnenrupturen) hier nicht weiter berücksichtigt.

In einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme von Vertretern der FDA im New England Journal of Medicine [31] stand die Sicherheit von Stammzelltherapien im Vordergrund. Die Autoren wiesen ausdrücklich darauf hin, dass unerwünschte Nebenwirkungen bei dieser Therapieform wahrscheinlich häufiger auftreten als angenommen, da keine Meldepflicht besteht, wenn Stammzelltherapien außerhalb klinischer Studien durchgeführt werden [31]. Tatsächlich wurde kürzlich ebenfalls im New England Journal of Medicine eine Reihe schwerwiegender unerwünschter Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Stammzelltherapien publiziert [6, 11, 27]. Dazu gehörte (i) die Entwicklung einer glioproliferativen Läsion des Rückenmarks mit fortschreitenden Schmerzen im unteren Rückenbereich, Querschnittlähmung und Harninkontinenz nach intrathekaler Infusion mutmaßlich mesenchymaler, embryonaler und/oder fetaler neuraler Stammzellen zur Behandlung von Restdefiziten eines ischämischen Schlaganfalls [6], (ii) Sehverlust nach Injektion von autologen ADRCs in den Glaskörper des Auges zur Behandlung von altersbedingter Makuladegeneration [27] und (iii) die Entwicklung von letaler Meningoenzephalitis, Myokarditis und interstitieller Nephritis durch humanes Herpesvirus 6 nach allogener Transplantation von Stammzellen bei chronischer lymphatischer Leukämie [11]. Diese und andere Berichte über schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Stammzelltherapien unterstreichen die Notwendigkeit, kontrollierte klinische Studien durchzuführen, um festzustellen, ob diese Zelltherapien wirklich sicher und wirksam für ihre beabsichtigten Anwendungen sind.

Generell ergibt sich bei der Gewinnung von allogenen Zellen für die zu behandelnden PatientInnen selber kein Risiko. Im Gegensatz dazu muss bei autologen Zellen immer auch das Risiko berücksichtigt werden, dass mit der Gewinnung von Knochenmark bzw. Fettgewebe (üblicherweise durch Miniliposuktion) und den damit verbundenen invasiven Maßnahmen einhergeht. Für elektive Liposuktionen wird die Rate schwerwiegender unerwünschter Nebenwirkungen zwischen 0,07 und 0,7 % eingeschätzt [19, 26].

Die Kultivierung von Zellen im Labor beinhaltet grundsätzlich das Risiko einer bakteriellen bzw. viralen Kontamination; konkrete Zahlen hierzu liegen in der Literatur aber nicht vor. Auch hierbei muss zwischen der Herstellung allogener und autologer Zellsuspensionen unterschieden werden. Die Herstellung autologer Zellsuspensionen erfolgt immer individuell für einzelne PatientInnen; die Herstellung allogener Zellsuspensionen dagegen erfolgt für viele PatientInnen gleichzeitig und von daher eher im industriellen Maßstab. Die Frage, ob die potenzielle Schädigung von Zellen durch die Bedingungen in der Zellkultur selber (in [10] diskutiert) zu einem möglichen Risiko für die PatientInnen führt oder aber nur Einfluss auf die Effektivität der Therapie mit im Labor kultivierten Zellen hat (weiter oben im Detail ausgeführt), kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden.

Bei der Verwendung autologer Zellsuspensionen, die mit einem Point-of-care-Verfahren hergestellt werden, muss die Sterilität der finalen Zellsuspension sichergestellt sein. Hierzu stehen Schnelltests für den Ausschluss einer Kontamination mit grampositiven Bakterien sowie des Vorhandenseins von Endotoxin zur Verfügung, die vor Injektion der finalen Zellsuspension durchgeführt werden können (vgl. [21]). Außerdem wird seitens der FDA bei klinischen Studien zu Stammzelltherapien die Anlage von Kulturen mit 14-tägiger Bebrütung zum finalen Ausschluss bakterieller Kontaminationen gefordert (vgl. [21]).

Darüber hinaus hat die International Federation for Adipose Therapeutics and Science (IFATS) eine Untergrenze von mindestens 70 % lebender Zellen bei der Verwendung von ADRCs festgelegt [7]. Hintergrund dieser Festlegung ist, dass eine höhere Anzahl toter Zellen in der finalen Zellsuspension nicht nur negativen Einfluss auf die Effektivität von Stammzelltherapien haben kann, sondern auch zu einem höheren Risiko von Entzündungsreaktionen führen kann, ausgelöst durch Zelltrümmer (in [4] diskutiert). Die meisten der bisher publizierten Studien zur Gewinnung enzymatisch isolierter ADRCs zeigten eine mittlere relative Anzahl von lebenden Zellen von deutlich mehr als 70 % in der finalen Zellsuspension [38]. Dagegen wurde kürzlich in einer Studie zur Behandlung der Kniegelenksarthrose mit mikrofragmentiertem Fettgewebe (bzw. nicht-enzymatisch isolierter ADRCs) die mittlere relative Anzahl von lebenden Zellen in der finalen Zellsuspension mit nur 64,4 % angegeben [28], was das genannte Minimalkriterium der IFATS (mindestens 70 % lebende Zellen in der finalen Zellsuspension) nicht erfüllt. Es wird die Aufgabe zukünftiger Studien sein, herauszufinden, ob mikrofragmentiertes Fettgewebe bzw. nicht-enzymatisch isolierte ADRCs das genannte Minimalkriterium der IFATS generell nicht erfüllen können, oder ob dies nur das in [28] verwendete Verfahren betrifft.

Selbstverständlich muss bei enzymatisch isolierten ADRCs ausgeschlossen sein, dass die finale Zellsuspension noch funktionell aktive Reste der verwendeten Enzyme enthält, die ihrerseits Binde- und Stützgewebe im Zielorganismus angreifen könnten (in [4] diskutiert). Entsprechende Nachweisverfahren sind verfügbar und in der Literatur beschrieben (vgl. [38]).

In unserer eigenen Studie zur Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit Injektion von ADRCs [21] wurden alle hier diskutierten Empfehlungen zu konkreten Vorgehensweisen bei Stammzelltherapien berücksichtigt (keine Verwendung allogener Zellen; keine Kultivierung der Zellen im Labor; Gewinnung von Stammzellen aus Lipoaspirat; Verwendung eines enzymatischen Verfahrens zur Isolierung der Zellen, für das das Nicht-Vorhandensein von Kollagenase in der finalen Zellkultur labortechnisch bestätigt wurde (Abb. 15 in [38]) sowie alle beschriebenen Nachweise für die finale Zellsuspension dokumentiert (mittlere Anzahl lebender Zellen 88 %; Gesamtmenge von Endotoxin < 2,5 Äquivalenzeinheiten; negativer Schnelltest auf das Vorliegen grampositiver Bakterien; kein Nachweis von Bakterien in der 14-Tage-Kultur). In dieser Studie [21] traten über einen Zeitraum von 12 Monaten keine schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen auf, die kausal in einen Zusammenhang mit den applizierten Zellen gebracht werden konnten (eine mittlerweile abgeschlossene Follow-up-Untersuchung mit einem mittleren Untersuchungszeitraum von 40,1 Monaten bestätigte diesen Befund; C.S., C.A, E.A. et al., bisher nicht publizierte Daten; Bericht durch die FDA genehmigt). Darüber hinaus unterschied sich in unserer Studie [21] das Risikoprofil der Injektion von ADRCs statistisch nicht vom Risikoprofil der Injektion von Methylprednisolon, abgesehen davon, dass eine/r der 5 mit Kortikosteroid behandelten PatientInnen wenige Monate nach Therapie eine vollständige Ruptur der Rotatorenmanschette erlitt, was als Therapieversagen gewertet wurde.

Zusammenfassend kann die Frage nach potenziellen Risiken bei der Behandlung von Sehnenrupturen (und anderen Sehnenpathologien) mit Stammzellen immer nur für einzelne Verfahren und beim Vorliegen vollständig dokumentierter klinischer Studien (wie in [21] erfolgt) bewertet werden. Die hier zusammengestellten Kriterien können dabei als Leitfaden dienen (vgl. auch Tab. 4). Eine allgemeingültige Bewertung ist nicht möglich.

Zusammenfassung und Ausblick

Regenerative Medizin und Zelltherapie gehören noch nicht zur gängigen klinischen Praxis. Therapien auf der Grundlage von autologen ADRCs scheinen – wie in dieser Arbeit erläutert – vielversprechende Kandidaten für die Reparatur und Regeneration von Sehnen und anderer Gewebe des Stütz- und Bewegungsapparats zu sein. Eines der auffälligsten Merkmale von autologen ADRCs ist ihre Fähigkeit zur Regeneration von Sehnen ohne Bildung von Narbengewebe, ohne Notwendigkeit zur vorherigen Selektion, Kultivierung, Vervielfältigung, Modifikation und/oder Stimulation. Darüber hinaus können autologe ADRCs aus einer kleinen Menge Fettgewebe (üblicherweise 100 ml Lipoaspirat) isoliert werden, wenn die geeignete, enzymgestützte Technologie zur Isolierung echter pluripotenter Stammzellen verwendet wird (die gegenwärtig verfügbare Evidenz, dass es sich bei diesen Zellen tatsächlich um pluripotente Zellen handelt, ist ausführlich in [2] beschrieben). Die Tatsache, dass Zellen aus dem Gewebe entnommen und in einer einzigen klinischen Sitzung wieder an der-/demselben Patientin/en appliziert werden können, ohne dass teure Geräte, komplizierte Verfahren oder wiederholte Eingriffe erforderlich sind, spricht für eine einfache Integration in den klinischen Arbeitsablauf.

Wie bei jeder medizinischen Innovation muss die an diesen neuartigen Therapien interessierte wissenschaftliche und medizinische Gemeinschaft solide klinische Nachweise entwickeln, um die Sicherheit und Wirksamkeit zellbasierter Therapien zu demonstrieren. Unser Verständnis der Wirkungsmechanismen und des potenziellen Nutzens der Stammzelltherapie hat im letzten Jahrzehnt enorm zugenommen. Wir hoffen, dass jetzt genügend Daten vorliegen, um auch andere davon zu überzeugen, sich an wissenschaftlich konzipierten klinischen Studien zu beteiligen, die die notwendigen objektiven Beweise zur Sicherheit und Wirksamkeit dieser innovativen Therapien liefern. Insbesondere muskuloskelettale Indikationen mit ihrer hohen Inzidenz und hohen Prävalenz und den damit häufig verbundenen erheblichen Gesamtkosten sollten sich als attraktive Kandidaten für solche Bemühungen erweisen.

Ein wichtiger Faktor für die erfolgreiche Einführung von auf autologen ADRCs basierenden Therapien wird die proaktive Unterstützung der Aufsichtsbehörden sein, um Handlungsrahmen zu entwerfen, die zwar berechtigte Bedenken hinsichtlich der Sicherheit unbewiesener Therapien, die derzeit an einigen Orten zu finden sind, ansprechen, aber auch einen klaren Weg zur Marktzulassung und zur Marktreife aufzeigen. Einige Fortschritte in dieser Richtung sind in einer Reihe von Ländern zu beobachten. Beispielsweise hat die FDA in den USA im Jahr 2017 klare Leitlinien für die Regenerative Medizin als Zukunftstherapie herausgegeben, und eine entsprechend groß angelegte Zulassungsstudie für das in dieser Arbeit wiederholt angesprochene Verfahren zur Isolierung von autologen ADRCs ist unterwegs [20]. Andere Länder wie Japan, Australien und Österreich haben ebenfalls einen fortschrittlichen regulatorischen Rahmen geschaffen, der den PatientInnen einen schnellen Zugang zur Regenerativen Medizin ermöglicht. Leider ist die Situation in anderen Ländern der Europäischen Union (EU) noch nicht so klar. Ein komplexes Bündel von Leitlinien und Regelungen, die zu komplizierten Zuständigkeiten zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und den lokalen Behörden führen, wird letztendlich gestrafft werden müssen, um diese vielversprechenden Therapien auch für alle PatientInnen in der EU verfügbar zu machen.

Wir hoffen, dass diese Arbeit dazu beitragen wird, das Verständnis, die Entwicklung und die Akzeptanz der Regenerativen Medizin i. Allg. und insbesondere der auf autologen ADRCs basierenden Therapien zur Behandlung von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats zu fördern und zu erleichtern, einschließlich von Rupturen und Teilrupturen der Rotatorenmanschette. Nicht alle medizinischen Herausforderungen, denen wir heute in der klinischen Praxis gegenüberstehen, werden für diese Therapien zugänglich sein. Da wir jedoch immer mehr altersbedingten Krankheiten gegenüberstehen, sind wir davon überzeugt, dass Therapien auf der Basis von autologen ADRCs bei einer ständig wachsenden Anzahl von Indikationen eine grundlegende Rolle spielen werden. Dies hat das Potenzial, die Entwicklung einer ganz neuen Generation von Therapieoptionen zum Wohle der PatientInnen und der Gesundheitssysteme auszulösen.

Fazit für die Praxis

  • Bei der konservativen Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette hat sich eine einmalige Injektion von autologen „adipose-derived regenerative cells“ (autologe ADRCs) gegenüber der Injektion von Kortikosteroid als deutlich überlegen gezeigt; nach Injektion von allogenen ADSCs („adipose-derived stem cells“) blieb dieser Behandlungserfolg aus.

  • Die Eingruppierung einer Gewebezubereitung in die Klasse der Orthobiologika bedeutet, dass es sich um eine aus körpereigenem oder körperfremdem Gewebe hergestellte Gewebezubereitung handelt, die prinzipiell in der Orthopädie eingesetzt werden könnte.

  • Grundsätzlich muss man drei verschiedene Herstellungsverfahren von ADRCs unterscheiden: mikrofragmentiertes Fettgewebe, nicht-enzymatisch isolierte ADRCs und enzymatisch isolierte ADRCs.

  • Therapien auf der Grundlage von autologen ADRCs scheinen vielversprechende Kandidaten für die Reparatur und Regeneration von Sehnen und anderer Gewebe des Stütz- und Bewegungsapparats zu sein.