Trotz stetiger Verbesserungen bei der Refixationstechnik von Rotatorenmanschettenrupturen (RMR) ist die Rerupturrate nach wie vor hoch. Aus diesem Grund wird versucht, die Manschette zusätzlich mit Biologika wie z. B. Plättchenkonzentraten zu augmentieren. Neben der einfachen Gewinnung und Herstellung gibt es für diese autolog gewonnenen Konzentrate relativ tiefe regulatorische Hürden. Dass diese Konzentrate nur Minuten nach der Blutentnahme und Zentrifugation wieder appliziert werden können, ist ein weiterer Vorteil. Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, inwieweit die verschiedenen Plättchenkonzentrate die Manschettenheilung nach Refixation positiv beeinflussen.

Hintergrund

Die RMR treten häufig auf und deren Inzidenz nimmt im Alter zu [1]. Bei einer stetig wachsenden alten Population, welche zudem immer aktiver wird, wird auch in Zukunft die Menge an RMR-Rekonstruktionen weiter zunehmen. Zwar zeigen viele Studien in einer hohen Prozentzahl der Fälle ein gutes klinisches Outcome [2,3,4,5] nach Rotatorenmanschetten- (RM-)Rekonstruktion. Trotz stetiger Verbesserung der Refixationstechnik zeigt sich aber trotzdem nach wie vor eine durchschnittliche Rerupturrate von 26,6 % 24 Monate postoperativ über die gesamte RMR-Rekonstruktionspopulation, wobei massive und große Defekte (> 3 cm) 4,06-mal häufiger rerupturieren als kleine und mittlere Läsionen (0–3 cm) [6]. Auch das Patientenalter beeinflusst die Rerupturrate. Bei einer Alterszunahme von 10 Jahren steigt die Rerupturrate um den Faktor 1,67. Weitere Faktoren, die die Rerupturrate negativ beeinflussen, sind Einzelreihenrekonstruktionen, Rekonstruktionen mit modifizierter Mason-Allen-Nahttechnik sowie längere postoperative Immobilisation [6].

Wegen dieser nach wie vor hohen Rerupturrate wird heute versucht, die Manschettenheilung zusätzlich mit biologischen Mitteln zu verbessern. In diese Kategorie fällt die Augmentation mittels Plättchenkonzentraten, von welchen man sich u. a. eine Modulation der Entzündungsreaktion, verbesserte Durchblutung, erhöhte Tenozytenzahl, vermehrte Einwanderung von Stammzellen und verbesserte Analgesie und somit insgesamt einer Verbesserung und Beschleunigung der Heilung und weniger Rerupturen erhofft [7, 8]. Neben der einfachen Gewinnung und Herstellung der Plättchenkonzentrate gibt es für diese Produkte relativ tiefe regulatorische Hürden, da es sich um autolog gewonnene Konzentrate handelt, die unmittelbar nach der Blutentnahme und Zentrifugation appliziert werden können.

Während in In-vitro-Studien und Tierversuchen nach Applikation von Plättchenkonzentraten z. T. vielversprechende Ergebnisse gezeigt werden konnten mit verbesserter Heilungsrate [9,10,11], zeigen klinische RMR-Rekonstruktionsstudien nach zusätzlicher Applikation von Plättchenkonzentraten bislang kein klares einheitliches und/oder klar positives Resultat bezüglich deren Nutzen. Diese sehr variablen Resultate in klinischen Studien sind u. a. auch damit zu erklären, dass Plättchenkonzentrate kein einheitliches Produkt darstellen. 2014 zeigte eine Cochrane-Metaanalyse [12], bei der alle Plättchenkonzentratstudien vereinigt wurden, keinen Benefit bezüglich einer zusätzlichen Applikation von Plättchenkonzentraten. 2019 zeigte dann eine darauf folgende Cochrane-Metaanalyse einen Benefit von Plättchenkonzentraten, wenn appliziert nach einer RM-Rekonstruktion [13]. Solche Studien sind gefährlich, implizieren diese doch, dass potenziell jedes Plättchenkonzentrat einen Nutzen zeigt. Dies ist aber nicht der Fall, wie wir in diesem Reviewartikel zeigen möchten. Aus diesem Grund werden wir die Plättchenkonzentrate in 4 Untergruppen unterteilen.

Einteilung der Plättchenkonzentrate

Plättchenkonzentrate werden aus dem venösen Vollblut des Patienten durch Plasmapherese hergestellt, welches kurz vor oder während dem operativen Eingriff dem Patienten entnommen wird. Sie sind somit ein autologes Produkt. Dabei werden verschiedene Schemata mit einer unterschiedlichen Dauer, Anzahl der Durchgänge und Zentrifugationsgeschwindigkeiten verwendet. Bei manchen Produkten ist zusätzlich das Hinzufügen eines Antikoagulans oder eines anderen Zusatzstoffes notwendig, um die spezifischen Eigenschaften des Produkts zu erreichen. Ein mit Antikoagulantien (z. B. Citrat) versetztes Teströhrchen beinhaltet nach der Zentrifugation in der obersten Schicht leukozytenarmes Blutplasma, den Leukozytenfilm in der mittleren Schicht, auch „buffy coat“ genannt und Erythrozyten in der untersten Schicht. Das Produkt bleibt durch das Antikoagulans flüssig. Je nach Zentrifugationsprozess befinden sich die Plättchen im „buffy coat“ (hohe Zentrifugationsgeschwindigkeit) oder im Plasma (tiefe Zentrifugationsgeschwindigkeit). Im Gegensatz dazu verbinden sich in einem Teströhrchen ohne Antikoagulans einige der Blutbestandteile durch die Zentrifugation zu einer fibrinösen Masse. Das entstandene Fibrin kann dann als solides Produkt ganz anders als das flüssige Produkt verwendet werden. Zum Beispiel kann es während der Operation in den Defekt eingenäht werden.

Die verschiedenen Herstellungsmöglichkeiten bilden die Grundlage einer sinnvollen Unterteilung in Untergruppen. Die folgenden Ausführungen basieren auf der Einteilung von Dohan Ehrenfest et al. [14]. Sie unterteilen die verschiedenen Plättchenkonzentrate nach derem Anteil an Leukozyten in reine Plättchenkonzentrate (ohne Leukozyten) sowie leukozytenreiche Konzentrate (Tab. 1). Jede dieser zwei Gruppen wird zudem weiter in eine Plasma- und eine Fibrinuntergruppe unterteilt. Während die Konsistenz in den zwei Plasmagruppen (L-PRP [„leucocyte and platelet-rich plasma“] und P‑PRP [„pure platelet-rich plasma“]) eher der von Flüssigkeit entspricht, zeigen die zwei Fibringruppen (L-PRF [„leucocyte and platelet-rich fibrin“] und P‑PRF [„pure platelet-rich fibrin“]) eine stabile Fibrinstruktur von soliderer Konsistenz. Ein solches Fibrin kann bei der Operation sogar eingenäht werden.

Tab. 1 Auf dem Markt erhältliche zugelassene Plättchenkonzentrate und deren Konzentration mit Einteilung in die jeweilige Plättchenkonzentratgruppe

Das P‑PRP beschreibt die „wässrigen“ Plättchenkonzentrate mit wenig Leukozyten und plättchenreichem Plasma (Abb. 1a und 2). L‑PRP sind die „wässrigen“ Konzentrate mit hohem Leukozyten- und Plättchenanteil (Abb. 3). Produkte mit einem Fibrinanteil werden analog in das leukozytenarme plättchenreiche Fibrin (P-PRF; Abb. 4) und in das leukozytenreiche plättchenreiche Fibrin (L-PRF; Abb. 1b) unterteilt (Abb. 5).

Abb. 1
figure 1

a Bei der Zentrifugation mit hoher Zentrifugationsgeschwindigkeit entstehen bei L‑PRP („leucocyte and platelet-rich plasma“) drei Schichten: Die obere Schicht besteht aus purem Plasma, die mittlere Schicht enthält das „buffy coat“, das die Plättchen und die Leukozyten enthält. Die untere dunkelrote Schicht besteht aus Erythrozyten. b Gewinnung von „platelet-rich fibrin“ (PRF)

Abb. 2
figure 2

a Vor der arthroskopischen Applikation werden die drei P‑PRP-Gels („pure platelet-rich plasma“) mittels eines No. 1 PDS II miteinander verbunden. b Die so entstandene Kordel wird dann zwischen den Footprint und die Sehne geklemmt. (Aus [20] mit freundl. Genehmigung von AJSM)

Abb. 3
figure 3

a Mittels speziellem Applikator wird das L‑PRP (leukozytenreiches plättchenreiches Plasma) durch das Arthroskopieportal auf die Rotatorenmanschette gespritzt. b Das applizierte P‑PRP gerinnt auf der Manschette. (Aus [18], mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Abb. 4
figure 4

Nach der Herstellung der P‑PRF-Koagel („pure platelet-rich fibrin“) werden diese mittels PDS-Fäden in Sandwich-Technik zwischen Footprints und Sehne fixiert. (Aus [39] mit freundl. Genehmigung von AJSM)

Abb. 5
figure 5

Auf der Abbildung sind 4 L-PRF („leucocyte and platelet-rich fibrin“) zu sehen. Bedingt durch die relativ stabile Fibrinstruktur können diese Fibrine sogar eingenäht werden. Mit diesen L‑PRF-Koageln kann die Manschette nun augmentiert werden. (Aus [33], mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Mit dieser Einteilung erhofft man sich eine bessere Unterteilung der vielen Plättchenkonzentrate auf dem Markt und zusätzlich auch eine bessere Unterteilung für zukünftige Studien.

Zur Berechnung der jeweiligen Plättchenkonzentrationen verwendeten wir eine Plättchen-Baseline in der Kontrollgruppe von 200 × 106/ml.

Material und Methoden

Hierzu suchten wir (RB, LF und MOS) mit der PubMed-Suchfunktion klinische Studien über Plättchenkonzentratanwendung bei RMR und Partialrupturen (Suchbegriffe: Platelet-rich + cuff) im Zeitraum von 2007 bis 2020 (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Flussdiagramm zur Übersicht der analysierten Studien (RMR Rotatorenmanschettenruptur)

Folgende Ausschlusskriterien wurden auf die so 289 gefunden Studien angewandt:

  • nicht-klinische Studien,

  • Studien, bei denen keine RMR durchgeführt wurde (z. B. konservative Therapie mit Plättchenkonzentrataugmentation),

  • Studien mit nur einem Untersuchungsarm,

  • Studien mit unvollständigen Daten,

  • Mehrfachpublikationen.

In einem zweiten Schritt wurden Studien evaluiert, bei denen mittels Plättchenkonzentraten Partialrupturen und Tendinopathien der RM augmentiert wurden.

Die Unterteilung der Plättchenkonzentratprodukte vollzogen wir nach Ehrenfest et al. [14] in pures plättchenreiches Plasma (P-PRP), leukozyten- und plättchenreiches Plasma (L-PRP), pures plättchenreiches Fibrin (P-PRF) und leukozyten- und plättchenreiches Fibrin (L-PRF).

Wir schlossen 26 Studien (Level I–III) mit insgesamt 1567 Probanden ein: 5 Studien zu L‑PRP, 10 Studien zu P‑PRP, 3 Studien zu L‑PRF und 8 zu P‑PRF. Zwar wird in jeder Gruppe der gleiche Plättchenkonzentrattyp appliziert, die Studien sind jedoch inhomogen bezüglich refixierter Sehnen, Rupturgröße, Volumen und Konzentration des Plättchenkonzentrats und deren Applikationsort, was die Evaluation nicht ganz einfach macht.

Nutzen der Plättchenkonzentrate nach RM-Rekonstruktion

Nutzen von L-PRP

Hierzu analysierten wir 5 Studien: 2 prospektive RCT („randomized controlled trial“, [15, 16]), eine therapeutische Studie [17] und 2 Fall-Kontroll-Studien [18, 19] der vergangenen 9 Jahre (Tab. 2). Ob die Augmentation bei Manschettenrefixationen mittels L‑PRP einen Benefit zeigt, kann mit der bestehenden Evidenz zum heutigen Zeitpunkt nicht konklusiv beurteilt werden. In 3 Studien fanden sich verminderte Schmerzen im ersten Monat postoperativ in den jeweiligen L‑PRP-Gruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne L‑PRP-Applikation [15, 16, 19]. Zudem zeigte sich eine verbesserte Außenrotationskraft 3 Monate postoperativ in der L‑PRP-Gruppe [16]. Der geringe Benefit von verminderten Schmerzen im ersten postoperativen Monat und einer verbesserten Außenrotation 3 Monate p.o. muss kritisch gegenüber dem doch größeren Aufwand gesehen werden. Alle anderen Studien zeigen keinen klinischen Benefit nach Applikation von L‑PRP [17,18,19].

Tab. 2 Zusammenfassung der Studien, die den Nutzen von L‑PRP („leucocyte and platelet-rich plasma“) in der Behandlung von Rotatorenmanschettenläsionen untersuchen

Auch bezüglich der Rerupturrate zeigt sich nach Applikation von L‑PRP kein klarer Trend. Zwar zeigten Zhang et al. ([17]; Level-I-Studie) 12 Monate postoperativ eine Rerupturrate von nur 14 % in der L‑PRP-Gruppe im Vergleich zu 40 % in der Kontrollgruppe. Alle anderen 4 Studien (3-mal Level I und einmal Level III) fanden jedoch keine Unterschiede bezüglich der Rerupturrate [15, 16, 18].

Auch nach Poolen der Datensätze (Metaanalyse von Hurley et al. [13]) zeigte sich kein Benefit von L‑PRP (Tab. 3).

Tab. 3 Metaanalyse von Hurley et al. aus dem Jahr 2019 [13] aller Studien, bei denen der Benefit von L‑PRP („leucocyte and platelet-rich plasma“) auf die Rotatorenmanschettenheilung untersucht wurde

Nutzen von P-PRP

Die P‑PRP-Produkte sind die am meisten verbreiteten und auch durch Studien am besten dokumentierten Plättchenkonzentrate. Wir schlossen 10 Studien ein: eine prospektive Kohortenstudie [20], eine prospektive randomisierte doppelblinde Studie [21], 7 RCT [22,23,24,25,26,27,28] und eine konsekutive Serie [29] – mitunter die größte untersuchte Studie mit 120 Probanden (Tab. 4).

Tab. 4 Zusammenfassung der Studien, die den Nutzen von P‑PRP („pure platelet-rich plasma“) in der Behandlung von Rotatorenmanschettenläsionen untersuche

Auch bezüglich P‑PRP zeigt sich keine eindeutige Evidenz bezüglich dem Nutzen zur Augmentation von RMR-Refixationen, wenn man die heute verfügbaren Studien analysiert. Während sich eine verbesserte Heilungsrate und verminderte Rerupturrate in 3 Level-I-Studien fand [22, 23, 26], zeigten die restlichen 6 von 10 Studien (3 Level-I-, 2 Level-II- und 1 Level-III-Studien), die die Rerupturrate untersuchten keinen Unterschied bezüglich dieser Parameter [20, 24, 25, 27,28,29]. Auch bezüglich dem klinischen Outcome sind die Resultate der 10 Studien sehr heterogen. Nur vereinzelt zeigen sich klinisch relevante Unterschiede [30,31,32], z. B. Schmerzen einen Monat p.o. [26], Schmerzen 16 Monate p.o. [29], dem Constant-Score und Shoulder Pain and Disability Index (SPADI) 3 Monate p.o. [20]. Diesen 5 klinisch relevanten Unterschieden stehen aber in den 10 verfügbaren Studien über 54 gemessene Outcome-Parameter, die nicht relevante Unterschiede zeigten, gegenüber.

Erst nach Poolen der Daten zeigt sich sowohl eine statistisch signifikant verbesserte Sehnenheilungsrate sowie weniger Schmerzen nach 30 Tagen [13]. Im Weiteren zeigt die P‑PRP-Gruppe zwar statistisch signifikant bessere Outcome-Scores (Constant-Score und University of California at Los Angeles Score [UCLA]), aber diese Unterschiede sind klinisch nicht relevant (Werte unter dem MCID [„miminal clinical important difference“]; Abb. 7; [13]).

Abb. 7
figure 7

Metaanalyse von Hurley et al. aus dem Jahr 2019 [13] aller Studien, bei denen der Benefit von P‑PRP („pure platelet-rich plasma“) auf die Rotatorenmanschettenheilung untersucht wurde: grün Werte, bei denen für die Patienten in der Metaanalyse ein signifikanter Benefit besteht nach P‑PRP-Augmentation von Rotatorenmanschettenrekonstruktionen, rot der klinische Wert (Schmerzen 30 Tage p.o.), der über dem MCID für Schmerz von 1,4 liegt (RMR Rotatorenmanschettenruptur, P leukozytenarm, PRP plättchenreiches Plasma, VAS visuellle Analogskala auf einer Schmerzskala von 0–10, RMR Rotatorenmanschettenruptur, MCID geringster klinisch relevanter minimaler Unterschied; roter Kasten klinisch relevante Resultate [Resultat höher als minimale klinisch relevante Unterschiede: MCID VAS: 1,4]; grüner Kasten für die Patienten relevanter Benefit bei der Augmentation von RMR-Refixationen mittels P‑PRP)

Das P‑PRP ist die einzige Untergruppe, die zur Augmentation nach RM-Rekonstruktionen empfohlen werden kann, dies aber nur bedingt, denn auch hier sind die Resultate über die verfügbaren Studien sehr heterogen.

Nutzen von L-PRF

Bei den leukozytenreichen Fibrinkonzentraten untersuchten wir 3 prospektiv randomisierte Studien ([33,34,35]; Tab. 5).

Tab. 5 Zusammenfassung der Studien, die den Nutzen von L‑PRF in der Behandlung von Rotatorenmanschettenläsionen untersuchen

Zumstein et al. [33, 34] zeigten eine verbesserte Vaskularisation nach 6 Wochen in der L‑PRF-Gruppe, was einen positiven Effekt auf die Heilung haben kann. Ansonsten fand sich aber in keiner der drei Studien ein positiver Effekt nach Applikation von L‑PRF. Diese Plättchenkonzentratgruppe kann also für die Augmentation der RMR-Rekonstruktion nicht empfohlen werden.

Nutzen von P-PRF

Wir untersuchten 2 doppelblinde RCT [36, 37], 4 RCT [38,39,40,41], eine Kohortenstudie[42] und eine Fall-Kontroll-Studie ([43]; Tab. 6). Bei der Augmentation mit P‑PRF sind in der Studie von Barber et al. [43] signifikant verminderte Rerupturraten von 30 % für P‑PRF beschrieben (Kontrollgruppe 60 %). Andere fanden aber signifikant höhere Rerupturraten verglichen mit der Kontrollgruppe [38, 39]. Rodeo et al. [39] mussten ihre Studie sogar abbrechen und zeigten ein 5,8-mal höheres Risiko für eine Reruptur in der P‑PRF-Gruppe 12 Wochen postoperativ [38, 39]. Bergeson et al. [42] fanden ähnliche Resultate mit Rerupturen in der P‑PRF-Gruppe (56 %), die signifikant höher waren als in der Kontrollgruppe (38 %, p = 0,024). P‑PRF kann also zur biologischen Augmentation von RMR-Refixationen nicht empfohlen werden.

Tab. 6 Zusammenfassung der Studien, die den Nutzen von P‑PRF („pure platelet-rich fibrin“) in der Behandlung von Rotatorenmanschettenläsionen untersuchen

Nutzen der Plättchenkonzentrate für die RM-Heilung bei Partialrupturen

Mehrere Studien zeigen ein verbessertes klinisches Outcome 3 Monate nach Plättchenkonzentratinfiltrationen bei partiellen RMR [44, 45]. Shams et al. [45] verglichen die Applikation von P‑PRP mit einer Kortison-Infiltration in den Subakromialraum bei Patienten mit symptomatischer Partialruptur der RM. Im Gegensatz zu 12 Wochen p.o., wo sich signifikant bessere klinische Outcome-Scores zeigten, fanden sich 6 Monate p.o. keine Unterschiede zwischen den zwei Gruppen. Dies stellt den längerfristigen Nutzen einer P‑PRP-Infiltration bei symptomatischen Partialrupturen in Frage.

Weitere Studien, in denen die Applikation von Plättchenkonzentraten entweder mit dry needling [46], einer NaCl-Infiltration [47] oder Physiotherapie [48, 49] verglichen wurde, konnten keinen klaren Benefit der jeweiligen Plättchenkonzentrate im Vergleich zur jeweiligen Kontrolle zeigen. Carr et al. [50] applizierten L‑PRP am Ende einer arthroskopischen Akromioplastik bei Patienten, die an einer symptomatischen RM-Tendinopathie litten. Auch hier zeigte sich kein Benefit der zusätzlichen L‑PRP-Applikation.

Mit dieser limitieren Evidenz kann zum heutigen Zeitpunkt kein klares Statement bezüglich des Nutzens von Plättchenkonzentraten bei der konservativen Behandlung von Partialrupturen der RM abgegeben werden.

Diskussion

Bei der Evaluation des Nutzens von Plättchenkonzentraten ergibt sich mit der existierenden Evidenz kein klarer Benefit für die einzelnen Plättchenkonzentratuntergruppen. Einzig P‑PRP (also pures leukozytenarmes PRP) kann empfohlen werden, denn in dieser Gruppe zeigt sich in 3 Level-I-Studien eine bessere Sehnenheilung. Dieses Resultat wird durch eine Metaanalyse gestützt, bei der Hurley et al. [13] über alle eingeschlossenen P‑PRP-Studien nach Applikation von P‑PRP eine verminderte Rerupturrate zeigen konnte. Klinisch zeigten sich zwar weniger Schmerzen 30 Tage und 16 Monate p.o. sowie vereinzelt bessere Outcome-Scores. Diese Unterschiede waren aber klinisch nicht relevant, was den Nutzen von P‑PRP etwas relativiert. Auch bei der konservativen Behandlung von Partialrupturen zeigt sich ein heterogenes Resultat. Mit der limitierten Evidenz kann zum heutigen Zeitpunkt kein klares Statement bezüglich des Nutzens von Plättchenkonzentraten abgegeben werden.

Grundsätzlich wären dringend gute klinische prospektiv randomisierte Studien nötig, die insbesondere den Nutzen von P‑PRP (dem vielversprechendsten Kandidaten der vier Untergruppen) weiter untersuchen sollten.

Fazit für die Praxis

  • Mit der heutigen Evidenz zeigen sich klare Unterschiede in den Ergebnissen für die verschiedenen Zusammensetzungen von Plättchenkonzentraten. Als einziges Produkt kann P‑PRP („pure platelet-rich plasma“) zur biologischen Augmentation von Rotatorenmanschettenrupturrefixationen empfohlen werden.

  • In 3 verschiedenen Level-I-Studien zeigte sich eine signifikant tiefere Rerupturrate in den P‑PRP-Gruppen bei Rupturen > 1 cm. Aber auch in dieser Plättchenuntergruppe sind die Resultate heterogen: 6 andere Studien (3-mal Level-I-, 2‑mal Level-II- und einmal Level-III-Studien) zeigten keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Rerrupturrate.

  • In der klinischen Untersuchung stehen die verminderten Schmerzen 30 Tage und 16 Monate postoperativ den fehlenden Unterschieden bei fast allen anderen klinischen Outcome-Scores gegenüber.

  • Erst nach Poolen der Daten im Rahmen einer Metaanalyse zeigt sich sowohl eine signifikant verbesserte Sehnenheilungsrate sowie weniger Schmerzen nach 30 Tagen. Weitere Studien sind hier erforderlich, um einen klaren Benefit von P‑PRP aufzuzeigen.

  • Bei der konservativen Therapie von Manschettenpartialrupturen und Tendinopathien zeigt sich kein Benefit.