Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir freuen uns sehr, dass die aktuelle Ausgabe der Obere Extremität Ihre Aufmerksamkeit gewinnen konnte. In der Tat stellen die posttraumatischen Ellenbogenpathologien ein sehr spannendes Aufgabengebiet in der Orthopädie und Unfallchirurgie dar. Aufgrund der Vielfältigkeit der Krankheitsbilder und der komplexen Biomechanik und Anatomie des Ellenbogens verwundert es nicht, dass die posttraumatischen Pathologien häufig Objekt kontroverser Diskussionen sind. Es besteht bei den verschiedenen Pathologien keine umfassende Einigkeit bzgl. Timing und Wahl der Therapiealternativen. Dies spiegelt sich auch in der aktuell verfügbaren Literatur wider, welche insbesondere eine Lücke bei hochwertigen randomisierten Studien zum Thema aufweist.

Stets ist das erklärte Ziel der Primärversorgung von Ellenbogenpathologien, Traumafolgezustände zu vermeiden, doch ist dies leider nicht immer möglich. Auch bei gründlicher Fixierung von Brüchen des Radiuskopfes folgt nicht selten eine sekundäre Arthrose, wohlmöglich auch auf dem Boden von traumatischen Knorpelschäden. In der chronisch symptomatischen Situation bietet der prothetische Ersatz des Radiuskopfes eine Therapiemöglichkeit. Trotz zuverlässiger Ergebnisse der Radiuskopfprothetik, wie in mehreren Studien nachgewiesen werden konnte [2, 3], sind auch spezifische Komplikationen bekannt. Eine schwerwiegende Komplikation ist die Fehlimplantation der Prothese, sodass ein sog. „Overlengthening“ entsteht [4]. Hierbei wird die Prothese zu hoch aufgebaut, was unweigerlich zu einer Druckerhöhung im radialen Gelenk führt und zum kompletten Abrieb des Capitulum mit Defektbildung führt. Im Artikel von Burkhart et al. wird das Overlengthening detailliert aufgearbeitet. An klinischen Beispielen wird die Diagnostik erläutert, und der Leser bekommt Techniken angeboten, die Fehlimplantation initial zu vermeiden.

Ist eine Implantation einer Radiuskopfprothese nicht mehr möglich, da bereits eine relevante Degeneration des Capitulum vorliegt, bietet sich die Anconeusinterposition als Therapieoption an. Die Übersicht von Moro et al. befasst sich eingehend mit dieser Technik, die nicht häufig indiziert ist, aber eine sehr gute Alternative in der komplexen Situation der radiohumeralen Degeneration darstellt.

Die Stabilität des Ellenbogens beruht insbesondere ulnohumeral auf einer hohen knöchernen Konformität; eine Störung der Konformität durch eine insuffiziente Reposition kann rasch zu einer arthrotischen Degeneration des Gelenks führen. Auf der anderen Seite kann es sehr schwer oder gar unmöglich sein, einen signifikant geschädigten Kollateralbandapparat suffizient zu wiederherzustellen. Wenn dann nicht additive Techniken wie Ligamentaugmentierung oder eine externe Stabilisierung eingesetzt werden, kann eine weichteilig begründete Instabilität resultieren. Bei der insgesamt nur geringen Oberfläche der knorpeltragenden Gelenkanteile am Ellenbogen können schon kleinere Defekte zu relevanten Konsequenzen führen. Man denke hierbei an persistierende Gelenkstufen nach Osteosynthese der distalen Humerusfraktur, welche zu Subluxationen und drastischen Druckanstiegen auf der Gelenkfläche der Trochlea und des Capitulum führen können. Häufig wird hier im Verlauf eine rasch fortschreitende Degeneration des Gelenks beobachtet. Je nach Konfiguration der vorliegenden Fehlstellung, kann die Stellung und Mechanik des Gelenks durch eine Korrekturosteotomie verbessert werden. Mader et al. stellen anschaulich die Möglichkeiten zur Korrekturosteotomie am distalen Humerus und Unterarm dar. Hierbei handelt es sich um ein anspruchsvolles Gebiet, welches in den letzten Jahren durch die Einführung von dreidimensionalen Planungsprogrammen an Indikationen und an Präzision zugewinnen konnte [5]. Sollte auch mit Korrekturosteotomien eine relevante Verbesserung der knöchernen Situation zu erreichen sein, findet man im Artikel von Ellwein et al. Lösungsansätze, um die Ellenbogentotalendoprothese bei symptomatischer sekundärer Arthrose nach Frakturversorgung Erfolg versprechend einsetzen zu können.

Die häufigste posttraumatische Pathologie am Ellenbogen ist mit Sicherheit die Gelenksteife [1]. Dies ist darin begründet, dass auch die sekundäre Arthrose oder die Gelenkinstabilität in der gemeinsamen Endstrecke Gelenksteife münden können. Bei der Ellenbogensteife können je nach Ausprägungsgrad viele alltagsrelevante Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden. Das Führen von Nahrung zum Mund kann genauso unmöglich werden wie das Bedienen eines Kraftfahrzeugs. Die Fähigkeit zur selbstständigen Versorgung oder die Arbeitsfähigkeit sind dadurch gefährdet, sodass die Steife nicht nur eine häufige, sondern auch eine schwerwiegende posttraumatische Pathologie darstellt. Welche Rolle die Arthroskopie bei der Behandlung der sekundären Ellenbogensteife spielt, wird im Rahmen des vorliegenden Heftes in der englischsprachigen Originalarbeit von Leschinger et al. anhand einer retrospektiven klinischen Studie vermittelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind zuversichtlich, Ihnen mit dem vorliegenden Heft praxisrelevante und spannende Inhalte zu bieten, die Sie bei der Behandlung der Patienten mit posttraumatischen Ellenbogenpathologien erfolgreich einbringen können.

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Prof. Dr. Dominik Seybold

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PD Dr. Kilian Wegmann

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Dr. Alexander Ellwein