Bei der Behandlung degenerativer arthrotischer Erkrankungen des Schultergelenkes sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte im Gelenkersatz durch schaftlose, Hemi-, anatomische oder inverse Prothesensysteme gemacht worden. Kontrovers diskutiert wird weiterhin die adäquate Indikation für die unterschiedlichen Implantatsysteme.

Ein ganz neuer Trend in der Behandlung von Omarthrosen im Frühstadium bei jungen Patienten besteht in der Verwendung biologischer Materialien zum Schutz der glenoidalen Gelenkfläche bei gleichzeitigem Kalottenersatz. Die amerikanische Arbeitsgruppe um J.P. Warner [1] verwendete in einer aktuell publizierten Studie bei 11 Patienten Allografts aus Achillessehnen von Körperspendern und bei 2 weiteren Autografts aus der eigenen Fascia lata und aus vorderen Kapselanteilen in Kombination mit einem schaftlosen Gelenkflächenersatz oder mit anatomischen Humerusschaftprothesen. In die Studie wurden Patienten unter 45 Jahren einbezogen, bei denen noch keine ausgeprägte Gelenkspaltverschmälerung vorlag. Bei 10 der 13 Patienten musste innerhalb von 15 Monaten nach dem Eingriff eine Revision durchgeführt werden, weil die Schmerzen zu- und das Bewegungsausmaß abgenommen hatten. Bei ihnen wurde im Zweiteingriff eine Totalendoprothese implantiert. Bei allen Patienten war es außerdem zu einer Verschmälerung des Gelenkspaltes gekommen. Bei der Revision erwiesen sich die Transplantate in der Regel als vollständig aufgelöst. Von den 3 Patienten ohne Revision zeigte nur einer ein gutes subjektives und klinisches Resultat. Die Autoren folgern aus diesen Erfahrungen, dass die verwendeten Materialien zum Schutz der glenoidalen Gelenkfläche nicht geeignet seien.

Im Gegensatz dazu verwendete Wirth [2] bei 30 Patienten Allografts aus lateralen Meniskustransplantaten, die zirkulär auf das Glenoid gesteppt wurden, in Kombination mit einer konventionellen anatomischen Humeruskopfprothese. Einschlusskriterien waren Alter der Patienten unter 55 Jahren und ein Knorpelschaden an der glenoidalen Gelenkfläche. Nach durchschnittlich 3 Jahren war der klinische und subjektive Zustand aller Patienten besser als zum Zeitpunkt des Ausgangsbefundes. Simple Shoulder Test und Schmerzniveau verbesserten sich signifikant. Die Mehrzahl der Patienten war mit dem Resultat zufrieden. Einige konnten sogar wieder Sport treiben. Allerdings zeigte sich radiologisch bei allen auch eine Verschmälerung des Gelenkspaltes gegenüber präoperativ.

Ein Schwachpunkt beider Arbeiten besteht darin, dass eine systematische Klassifikation der Glenoidarthrose vor dem Indexeingriff nicht erfolgte. Insbesondere wurde das Vorhandensein einer asymmetrischen Glenoiderosion mit oder ohne Dezentrierung des Humerus nicht in die Ausschlusskriterien aufgenommen. Die diametral unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich allenfalls durch differierende Ausgangsbefunde erklären, die möglicherweise zu einer unterschiedlichen mechanischen Belastung der Transplantate geführt haben könnten. Auch unterscheiden sich die Beobachtungszeiträume und die Beurteilungskriterien der Resultate erheblich von einander. In der ersten Arbeit wird darüber hinaus nicht klar dargestellt, welche Parameter im Einzelfall zu der Revisionsentscheidung geführt haben. Hier sind systematische, vergleichende, prospektive Studien erforderlich, um den tatsächlichen Wert biologischer Transplantate abwägen zu können. Das Verfahren bietet möglicherweise langfristig eine Option vor allem für jüngere Patienten – allerdings sind gegenwärtig noch viele Fragen offen.

Ihr

Prof. Dr. Markus Loew