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Hintergrund
Hereditäre Einflüsse auf Erkrankungsrisiken lassen sich besonders gut an Zwillingen beobachten und in ihrer Größenordnung abschätzen. Die Nordic Twin Study of Cancer (NorTwinCan) ist die weltweit größte Zwillingsstudie zur Erblichkeit von Krebserkrankungen und kann auf Daten von über 350.000 individuellen Zwillingen aus bevölkerungsbezogenen Zwillingsregistern in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden zurückgreifen. Epidemiologen von der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston untersuchten an rund 80.000 eineiigen und 123.000 gleichgeschlechtlichen zweieiigen Zwillingen aus der NorTwinCan-Kohorte die Inzidenz von Krebserkrankungen insgesamt und die Inzidenz beim zweiten Zwilling, wenn der Partner bereits mit Krebs diagnostiziert war [1]. Es ging also nicht um die Frage, ob das Zwillingsein an sich ein erhöhtes Krebsrisiko birgt, so könnten manche Berichte über die Studie missverstanden werden, sondern um die erbliche Komponente bei verschiedenen Tumoren. Diese kalkulierten die Autoren für 23 Krebsformen aus dem Unterschied zwischen der Inzidenz im Gesamtkollektiv und derjenigen bei Zwillingen, deren Partner bereits erkrankt war. Die Zwillinge in dem Kollektiv wurden median 32 Jahre beobachtet - ab einem medianen Alter von etwa 30 Jahren in Finnland, Norwegen und Schweden, in Dänemark bereits ab 12 Jahren.
Ergebnisse bestätigen erbliche Belastung bei zahlreichen Krebserkrankungen
Erhöhtes Risiko beim zweiten Zwilling, wenn einer bereits an Krebs erkrankt ist
Im Studienzeitraum wurden 27.000 Krebsfälle im Kollektiv diagnostiziert, was der kumulativen Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung der skandinavischen Länder entspricht: geschätzte 25 % bis zum Alter von 80 und 32 % bis zum Alter von 100 Jahren. Bei 1383 eineiigen und 1933 zweieiigen Zwillingspaaren erkrankten in unterschiedlichem zeitlichem Abstand beide Geschwister an Krebs, davon 38 % bzw. 26 % an der gleichen Tumorart. Wenn bereits ein Zwilling vorher erkrankt war, errechnete sich das Lebenszeitrisiko des anderen auf 46 % bei eineiigen und 37 % bei zweieiigen Zwillingen — also höher als im Bevölkerungsdurchschnitt. Das „Plus“ von 14 % bzw. 5 % reflektiert das geschätzte familiäre Risiko insgesamt. Die Ergebnisse für zweieiige Zwillinge lassen sich dabei auf Nichtzwillingsgeschwister übertragen. Bezogen auf einzelne Tumorarten zeigte sich ein erblicher Faktor fast durchgängig, aber unterschiedlich stark und bei eineiigen Zwillingen immer stärker als bei zweieiigen.
Eine Assoziation war bei 20 der 23 untersuchten Tumoren vorhanden, besonders ausgeprägt bei Hodenkrebs, Melanom, Prostatakrebs und Nierenzellkarzinom. Dass zwei Drittel der Zwillingspaare an unterschiedlichen Krebsarten erkrankten, bestätigt die Beobachtung von Häufungen in sog. Krebsfamilien. Die Ergebnisse weisen somit klar auf eine erbliche Belastung bei einer beträchtlichen Zahl von Tumoren hin. Dies kann für genomweite Analyse zur Identifizierung von „Risikogenen“ und Mustern hilfreich sein. Auch eine starke hereditäre Komponente bedeutet allerdings keinesfalls, so betonen die Autoren, dass Umwelt- und Lebensstilfaktoren keine Rolle spielen oder dass präventive Maßnahmen nicht von Nutzen wären.
Literatur
Mucci LA et al (2016) Familial risk and heritability of cancer among twins in Nordic countries. JAMA 315(1):68–76
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Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Haben Zwillinge ein erhöhtes Krebsrisiko?. best practice onkologie 11, 58 (2016). https://doi.org/10.1007/s11654-016-5286-3
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