Zusammenfassung
Inhalt des Artikels der Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie (ZPS) ist die psychodramatische Betrachtung schwuler Sexualität unter dem Einfluss fortschreitender Digitalisierung. Auf Erfahrungen monodramatischer Sexualtherapie mit schwulen Männern aufbauend, erfolgt ein Diskurs über den Einfluss von Digitalisierung auf die Etablierung der Rolle des schwulen Mannes, sexuellen Rollenerwartungen unter schwulen Männern und demnach dem Ausverhandeln sexueller Rollenkonfigurationen im Rahmen homosexueller Begegnungen. Theoretische Aspekte monodramatischer Sexualtherapie zu einer Entdigitalisierung schwuler Sexualität schließen den Artikel ab.
Abstract
The article in the Journal Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie (ZPS) deals with a psychodramatic view of gay sexuality under the influence of digitalization. Building on experiences of monodramatic sex therapy with gay men, there is a discourse on the influence of digitalization on the establishment of the role of the gay man, sexual role expectations among gay men and, accordingly, the negotiation of sexual role configurations in the context of homosexual encounters. Theoretical aspects of monodramatic sex therapy for the de-digitization of gay sexuality complete the article.
Notes
Es gilt zwischen Konsum und Nutzung zu differenzieren. Konsum bezieht sich auf einkanalige Medien wie zum Beispiel Videoplattformen. Nutzung bezieht sich auf digitale Rückkanäle – die Mehrheit sexueller digitaler Optionen bieten die Möglichkeit, selbst Text, Fotos oder Videos hochzuladen und so mit anderen Nutzern aktiv, unabhängig ob Webseite oder App (z. B. Pornhub, Grindr, Twitter, Reddit, …), zu interagieren.
LGBTQ: für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer.
MSM: men who have sex with men; zu deutsch: Männer, die Sex mit Männern haben.
Bezüglich psychodramatheoretischer Aspekte zur Etablierung der Rolle des schwulen Mannes wird auf Mitter (2019) verwiesen.
„hook-up“ engl.: umgangssprachlich und szenenintern für „jemanden aufreißen, um Sex zu haben“ wie beispielsweise 9Monsters, Blued, BoyAhoy, Grindr, Hornet, Planet Romeo, Scruff (beispielhafte und unvollständige Nennung).
Chemsex beschreibt das Praktizieren von Sex und Substanzeinfluss. Der Begriff bezieht sich auf der einen Seite auf spezielle, im sexuellen Kontext verwendeten Substanzen, wie Kristallmethamphetamin, Mephedron und/oder GHB/GBL, Gammahydroxybuttersäure, und auf der anderen Seite explizit auf Männer die Sex mit Männern haben (Mitter 2019).
In Anlehnung an Hall (2013) können für derartige Phänomene auch die Begrifflichkeit der „gelegenheits-induzierten-Sexsucht“ (Hall 2013 zit. nach Hartman 2018, S. 376) oder nach Riemersma und Sytsma (2013) „moderne Sexsucht“ (Riemersma und Sytsma 2013 zit. nach Hartmann 2018, S. 376) verwendet werden.
Drag/Dragqueen ist die künstlerische und humoristische Darstellung des Aussehens und Verhaltens einer Frau durch einen Mann. Nicht zu verwechseln mit Transvestismus oder transvestitischem Fetischismus.
Ein dauerhaftes Entziehen medialer und digitaler (sexueller und körperbezogener) Rollenvorgaben schient ohne absoluter Abstinenz digitaler Medien (trotzdem und ehrlicherweise) beinahe unmöglich zu sein.
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Mitter, C. Das Wagnis schwuler sexueller Begegnungen. Psychodramatische Aspekte schwuler Sexualität unter dem Blickwinkel der Digitalisierung. Z Psychodrama Soziom 20, 267–279 (2021). https://doi.org/10.1007/s11620-021-00601-4
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DOI: https://doi.org/10.1007/s11620-021-00601-4
Schlüsselwörter
- Psychodrama
- Digitalisierung
- Homosexualität
- Monodrama
- Sexualtherapie
- Digitalisierte Sexualität
- Schwule Männer