1 Einleitung

Das Bewältigen von Leistungsanforderungen stellt eine wesentliche Herausforderung für Lernende in der Schule dar. Leistungsanforderungen können dabei als belastend empfunden werden, wenn der Eindruck besteht, dass die notwendigen Kompetenzen zur Bewältigung nicht vorhanden sind. Eine solche Wahrnehmung stellt eine Quelle schulischen Leistungsstresses dar (Bruns et al. 2021; Landwehr et al. 1983), welche mit negativen emotionalen und akademischen Folgen einhergehen kann (Bruns et al. 2021; Giota und Gustafsson 2020; Kaiser et al. 2021). In bestehender Forschung werden insbesondere wahrgenommene schulische Anforderungen als auslösende Faktoren von schulischem Stress fokussiert. Gleichzeitig werden jedoch im Rahmen von Modellen zur Erklärung von Stress- und Belastungserleben personale motivationale Disposition (z. B. die Leistungsorientierung) als weitere entscheidende Variablen benannt (z. B. Cramer et al. 2018; Lazarus und Launier 1981). In diesem Sinne benennen Zimmer-Gembeck et al. (2023) neben der hohen Arbeitsbelastung durch Schularbeiten sowie Druck durch die Eltern/Lehrkräfte, das eigene Streben nach hoher Leistung als eine zentrale bedingende Variable für akademischen Stress. Für beide Facetten – sowohl die Wahrnehmung extern gestellter Anforderungen als Druck sowie die eigenen Leistungsanforderungen – können Zusammenhänge mit schulrelevanten Variablen beschrieben werden. Diese umfassen die Schulleistung, das emotionale Erleben und insbesondere das Stress- und Angsterleben (z. B. Balogun et al. 2017; Bruns et al. 2021; Hoferichter et al. 2015; Kaiser et al. 2021). Trotz dieser Befunde besteht weiterer Forschungsbedarf in Hinblick auf die Betrachtung des Zusammenwirkens des Erlebens wahrgenommener Leistungsanforderungen sowie motivationaler Dispositionen als stress- und angstauslösende Faktoren. Dieses Desiderat soll in dem vorliegenden Beitrag aufgegriffen werden.

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund

2.1 Stress- und Angsterleben in der Schule

Jedes sechste Kind und jede*r fünfte Jugendliche bewerten das eigene schulische Stresserleben als hoch (Ziegler 2015). Ein möglicher Ansatz zur Erklärung solchen schulischen Stresserlebens kann im transaktionalen Ansatz von Lazarus (u. a. 1966, zit. n. Lazarus und Launier 1981) gesehen werden. Nach diesem wird Stress als Ergebnis eines Kräfteungleichgewichts zwischen Fähigkeiten einer Person und Anforderungen der Umwelt beschrieben (Lazarus und Launier 1981). Dabei ist für das Stresserleben die subjektive kognitive Bewertung externer Reize entscheidend. Insbesondere alltägliche Stressoren resultieren durch ihren wiederkehrenden Charakter in einem erhöhten Stresserleben (Lazarus und Launier 1981), wodurch Kinder und Jugendliche Stress besonders im Kontext von Schule erleben (Castello 2014). Schulisches Stresserleben ist wiederum assoziiert mit schulbezogenen Problemen (Seiffge-Krenke 2008) und steht in einem negativen Zusammenhang mit Schulengagement (Raufelder et al. 2014), Schulleistungen (Akgun und Ciarrochi 2003; Goldstein et al. 2015) sowie Abschlussnoten (Schraml et al. 2012). Des Weiteren zeigen sich Bezüge zu einer geringeren Motivation sowie einer gesteigerten Prüfungsangst (Goldstein et al. 2015). Weitere Zusammenhänge können zwischen schulischem Stress und psychischen Problemen (Giota und Gustafsson 2020; Moksnes et al. 2014; Undheim und Sund 2005), körperlichen Symptomen (Östberg et al. 2018; Torsheim und Wold 2001) sowie eingeschränktem Wohlbefinden (Karnan et al. 2020; Moksnes et al. 2014) beschrieben werden.

In der Schule stellt insbesondere die Leistungsangst eine mit Stress assoziierte Variable dar, welche „als die Besorgtheit und Aufgeregtheit angesichts von Leistungsanforderungen, die als selbstwertbedrohlich angesehen werden“ (Schwarzer 1983, S. 152), definiert wird. Diese Angst kann als Folge von Erwartungen verstanden werden, selbst- und fremdgesetzte Anforderungen nicht erfüllen zu können (Sieland et al. 2016). Typischerweise wird Leistungsangst mit dem gleichzeitigen Auftreten hoher Leistungsmotivation sowie dem Gefühl von Überforderung assoziiert (Bernshausen 2010). Zahlreiche Forschungsergebnisse belegen, dass Angst zu reduzierter schulischer Leistung führen kann (z. B. Balogun et al. 2017; Mazzone et al. 2007; Schwarzer 1980).

Die theoretischen Ausführungen verdeutlichen die Relevanz schulischen Stress- und Angsterlebens. In diesem Zusammenhang erscheinen insbesondere Leistungsanforderungen als alltäglich wiederkehrende Stressoren in ihrer Bedeutung für das Individuum hervorgehoben (Lazarus und Launier 1981).

2.2 Wahrgenommene Leistungsanforderungen und Leistungsdruck in der Schule

Mehr als ein Drittel aller Schüler*innen fühlen sich durch Leistungsdruck belastet (Martinek und Carmignola 2020). Im Allgemeinen werden schulische Lernsituationen unter anderem aufgrund der Selektions- und Allokationsfunktion des Schulsystems von einem hohen Anforderungscharakter geprägt (Böhm-Kasper 2004). Der schulische Anforderungscharakter bezieht sich „auf die Menge der Anforderungen insgesamt und das Tempo ihrer Vermittlung, relativiert durch das individuelle Leistungs- und Aufnahmevermögen des einzelnen Schülers“ (Böhm-Kasper 2004, S. 118). Schulische Leistungsanforderungen werden demnach in Abhängigkeit von Merkmalen der Lernenden sowie der Lernsituation subjektiv interpretiert (Böhm-Kasper und Weishaupt 2002; Kaiser et al. 2021; Landwehr et al. 1983). Dabei beschreibt Leistungsdruck das Ausmaß schulischer Belastung durch die wahrgenommene Höhe schulischer Leistungsanforderungen und wird empfunden, wenn die Qualität oder Quantität schulischer Leistungsanforderungen als hoch, die individuellen Fähigkeiten übersteigend oder als aufgezwungen erlebt werden (Böhm-Kasper 2004; Eder und Mayr 2000; Fend und Prester 2014; Kaiser et al. 2021). Eine solche Diskrepanz zwischen wahrgenommenen Leistungsanforderungen und subjektivem Leistungsvermögen kann als zentrale Belastungsdimension des Unterrichts angesehen werden (Landwehr et al. 1983), welche sich negativ auf den Lernprozess auswirken kann (Kaiser et al. 2021). Dies erscheint insbesondere für Lernende mit unterdurchschnittlichen Leistungen bedeutsam, da wahrgenommene Leistungsanforderungen hier wiederholt mit negativen Einschätzungen eigener Fähigkeiten einhergehen, wodurch sich diese Gruppe stärker überfordert fühlen kann (Böhm-Kasper 2004). Dadurch können entsprechend negative emotionale Reaktionen wie Angst, Stress oder Erschöpfung resultieren (Bruns et al. 2021). Zudem ergeben sich bereits aus der Definition des Leistungsdrucks anzunehmende Zusammenhänge mit dem Kontrollerleben der Lernenden, wenn Leistungsanforderungen als aufgezwungen erlebt werden. So kann beispielsweise das Erleben von Leistungsdruck als Facette kontrollierenden Lehrkraftverhaltens verstanden werden und sich unter Umständen negativ auf das Autonomieerleben der Schüler*innen auswirken (Kaiser et al. 2021). Es kann demnach angenommen werden, dass der schulische Leistungsdruck den Lernenden Informationen über die Kontrollierbarkeit der Lernumwelt liefert sowie dass über Leistungserwartungen geltende akademische Werte vermittelt werden, wodurch entsprechend der Kontroll-Wert-Theorie negative Emotionen resultieren können (Pekrun 2006). Zudem erscheint in Anlehnung an das Demand-Control(‑Support)-Model (Karasek 1979; Johnson und Hall 1988) insbesondere die Kombination aus Leistungsdruck und gering wahrgenommener Kontrolle ein Risiko für die Gesundheit und beispielsweise für die Entwicklung von Burnout darzustellen (Kim et al. 2021; Lee et al. 2012).

Die Relevanz von individuellen Lernvoraussetzungen und Bedürfnissen für die Bewertung externaler Leistungsanforderungen wurde bereits hervorgehoben. Landwehr et al. (1983, S. 140) benennen in diesem Zusammenhang psychische Merkmale wie „die Qualität und das Niveau der eigenen Ansprüche“ als bedeutsam für subjektive Bewertungsprozesse. Cramer et al. (2018) greifen in ihrem Rahmenkonzept zu erlebter Belastung und Beanspruchung in ähnlicher Weise personale Variablen wie Dispositionen und motivationale Orientierungen auf. Clausen (2002) beschreibt unter anderem Bedürfnisse, Einstellungen und Motive als ausschlaggebend für individuelle Wahrnehmungsprozesse. Hier erscheinen insbesondere persönliche motivationale Dispositionen Einfluss darauf zu nehmen, inwiefern wahrgenommene äußere Anforderungen als negativer Stress bewertet werden.

2.3 Persönliche motivationale Disposition und Leistungsorientierung

Motivationale Dispositionen stellen stabile, mentale Repräsentationen motivationaler Merkmale dar, die das Auftreten habitueller und aktueller Motivationsformen beeinflussen können (Schiefele und Schaffner 2020). Als ein dispositionales Merkmal können motivationale Orientierungen benannt werden, die sich jedoch nicht einheitlich definieren lassen, was den Vergleich von Befunden erschwert. Der Begriff der motivationalen Orientierungen wird dabei in Teilen als Sammelbegriff für verschiedene Komponenten der Motivation verwendet (z. B. Gebauer und McElvany 2020), andere setzen den Begriff wiederum mit Zielorientierungen von Personen gleich (z. B. Fischer et al. 2011) oder verstehen motivationale Orientierungen als Werte (z. B. Mews und Pöge 2019). Ein gemeinsamer Kern besteht jedoch darin, dass Orientierungen als Teil der Motivation in die Wertkomponente von Erwartungs-Wert-Modellen eingeordnet werden können. Wertorientierungen werden in Anlehnung an Feather (1992) als verallgemeinerte Überzeugungen verstanden, die verdeutlichen, was für ein Individuum wünschenswert ist. Durch zahlreiche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten wird argumentiert, dass Wertorientierungen nur schwer von Motiven abzugrenzen sind und eine Eins-zu-eins-Zuordnung nicht zielführend erscheint (z. B. Bilsky 2009). Beispielsweise definiert Feather (1992) Werte als Motive, die neben Bedürfnissen das menschliche Handeln beeinflussen. Indem Wertorientierungen Verhalten Richtung und Energie geben, sind sie motivational relevant (König et al. 2011). Durch die eigene Wertorientierung liegt ein Referenzrahmen dafür vor, welche Ziele gewählt und verfolgt werden, indem ihre Übereinstimmung mit den persönlichen Werten reflektiert werden (Fries et al. 2007; Hofer et al. 2010). Ziele können demnach als Ausdruck der zugrundeliegenden Wertorientierungen verstanden werden (Hofer et al. 2007).

Als eine solche zentrale Wertorientierung kann das Leistungsmotiv beschrieben werden, wobei die Person danach strebt, „hohe Leistungen zu erbringen, andere Menschen zu übertreffen und anspruchsvolle Gütemaßstäbe zu erfüllen“ (Langens 2009, S. 220), woraus leistungsorientiertes Handeln resultiert (Atkinson 1975). Durch diese Leistungsorientierung erhalten Leistungsziele für die Person nicht nur Bedeutung (Schwartz 1992), sondern es resultiert auch die Motivation, diese Ziele zu erreichen (Eccles und Wigfield 2002; Feather 1992). Demnach kann zwar ein enger Zusammenhang zwischen Leistungsorientierungen (im Sinne eines Motivs) und Leistungszielorientierungen angenommen werden, jedoch verweisen Studienbefunde darauf, dass diese Konstrukte nicht als deckungsgleich anzunehmen sind (z. B. Job et al. 2009; Glutsch et al. 2020). Vielmehr können Leistungsmotive und -werte sowie damit einhergehende Leistungsorientierungen als Determinanten der Leistungszielorientierung gesehen werden (Hofer et al. 2007; Spinath 2009). Zur weiteren Abgrenzung kann darüber hinaus angeführt werden, dass Zielorientierungen eine wissenschaftliche Rekonstruktion gewohnheitsmäßig bevorzugter Ziele darstellen, während Werte tatsächlich kognitiv repräsentiert sind (Fries et al. 2005). Zusammenfassend lässt sich die Leistungsorientierung als Streben, gut in der Schule zu sein, aufgrund einer hohen Wertzuschreibung von Schulleistungen, beschreiben. Es wird angenommen, dass entsprechende Wertorientierungen das Lernverhalten von Schüler*innen beeinflussen (Hofer et al. 2007). Die Auswirkungen verschiedener Wertorientierungen auf das affektive Erleben können zudem im Rahmen der Kontroll-Wert-Theorie zur Erklärung verschiedener Emotionen (Pekrun 2006) verortet werden. Demnach können Bedeutungszuschreibungen, wie beispielsweise dem Erreichen hoher Leistungen, Auswirkungen darauf haben, welche Emotionen erlebt werden. So kann bei gering wahrgenommener Kontrolle der Leistungssituation und hoher Wertzuschreibung Leistungsangst entstehen (Lohbeck 2023). Indem Leistungsdruck unter anderem durch das Gefühl extern auferlegter Anforderungen konzeptualisiert und als Teilfacette kontrollierender Lernumgebungen betrachtet werden kann (Kaiser et al. 2021), lassen sich hier angstverstärkende Interaktionen aus dem Leistungsdruckempfinden und den Leistungsorientierungen der Schüler*innen annehmen. Weitere empirische Ergebnisse konnten sowohl positive als auch negative Auswirkungen leistungsorientierten Verhaltens belegen. So zeigt sich einerseits ein positiver Zusammenhang mit Schulleistung (Balogun et al. 2017; Steinmayr et al. 2019), andererseits kann auch die Angst von Schüler*innen ansteigen (Balogun et al. 2017; Hoferichter et al. 2015; Kesici und Erdoğan 2010). Die Relevanz der Leistungsorientierung für das Stresserleben kann darüber hinaus im Rückgriff auf die transaktionale Stresstheorie (Lazarus und Launier 1981) verdeutlicht werden. Leistungsorientierung, als innere Anforderung, ist demnach dafür verantwortlich, in welchem Ausmaß Lernende Leistungssituationen Wert zuschreiben. So führen Lazarus und Launier (1981) an, dass Wertzuschreibungen den Schweregrad der anschließenden Stressbewertung beeinflussen können. Demnach ist das Erleben von Stress im schulischen Kontext insbesondere dann zu erwarten, wenn Kinder und Jugendliche der Leistungssituation einen entsprechenden hohen Wert zuschreiben.

3 Fragestellung und Hypothesen

Stress und Angst stellen wiederkehrende Phänomene in der Schule dar (Yasin und Dzulkifli 2011), die durch individuelle kognitive Bewertungsprozesse entstehen, wobei sowohl externale Leistungsanforderungen sowie persönliche motivationale Dispositionen einen bedeutsamen bedingenden Faktor darstellen (Clausen 2002; Cramer et al. 2018; Lazarus und Launier 1981; Sieland et al. 2016). In diesem Zusammenhang erscheinen als Leistungsdruck wahrgenommene externale Leistungsanforderungen auf der einen Seite sowie die Leistungsorientierung der Lernenden auf der anderen Seite von besonderer Relevanz. Beide Facetten gehen mit zahlreichen negativen Effekten einher, werden dabei jedoch meist isoliert voneinander betrachtet. Bis zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Studien vor, welche das skizzierte Zusammenspiel von Leistungsdruck und der eigenen Leistungsorientierung mit dem Erleben von Stress und Angst in der Schule untersuchen sowie hierbei insbesondere mögliche erklärende Mediationseffekte beider Konstrukte auf die Beziehung von Schulleistung und Stress bzw. Angst fokussieren. In diesem Sinne scheint Schulleistung ein zentraler Prädiktor für die Entwicklung von Stress und Angst zu sein, da sie als Wahrnehmungen des aktuellen Leistungsniveaus zentrale Informationen für Lernende bietet, welche Aufschluss darüber geben, ob sie Leistungssituationen voraussichtlich bewältigen können. Im Sinne einer Mediation lässt sich darüber hinaus jedoch annehmen, dass der wahrgenommene Leistungsdruck sowie die eigene Leistungsorientierung diesen Effekt in Teilen erklären können, da sie in Abhängigkeit vom Leistungsniveau die Situationseinschätzung als zusätzlich stressend und/oder angstevozierend beeinflussen können. So wird beispielsweise Leistungsangst mit gleichzeitig auftretendem Überforderungserleben und hoher Motivation assoziiert (Bernshausen 2010). Indem Druck für das Individuum einen weiteren Hinweis auf ein Missverhältnis von Fähigkeiten und der Anforderungssituation darstellen kann sowie von den Lernenden angenommen wird, eigene Wertorientierungen durch unzureichende Leistungen nicht erfüllen zu können, können hier beide Variablen Mediatoren des direkten Zusammenhangs von Leistung mit dem Stress- und Angsterleben darstellen. Ein solches Mediationsmodell wurde bislang jedoch noch nicht fokussiert. Die vorliegende Studie greift dieses Desiderat auf und zielt darauf ab, (1) individuelle Unterschiede zwischen Schüler*innen in Bezug auf die Wahrnehmung von Leistungsdruck sowie der Leistungsorientierung zu erfassen sowie (2) zu prüfen, inwiefern sich diese im Erleben von schulischem Stress und Leistungsangst abbilden. Zudem soll geprüft werden, inwieweit die Varianz der vier Konstrukte durch die Schulleistung der Lernenden erklärt wird. In diesem Zusammenhang soll folgende Fragestellung beantwortet werden:

„Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Schulleistung, dem Erleben von Leistungsdruck, der Leistungsorientierung der Lernenden sowie dem Erleben von Schulstress und Leistungsangst?“

Ausgehend von bereits beschriebenen theoretischen Befunden wird vermutet, dass (1) Schulleistungen in einem positiven Zusammenhang mit Leistungsorientierung sowie negativen Zusammenhang mit Leistungsdruck sowie Angst- und Stresserleben stehen, (2) ein positiver Zusammenhang zwischen der Leistungsorientierung und dem wahrgenommenen Leistungsdruck besteht, (3) Leistungsdruck sowie Leistungsorientierung in positivem Zusammenhang mit dem Angst- und Stresserleben stehen, (4) Leistungsorientierungen und Leistungsdruck Mediatoren der Zusammenhänge von Schulleistung mit Schulstress und Leistungsangst darstellen und (5) ein positiver Zusammenhang zwischen Schulstress und Leistungsangst besteht. Ein Überblick über das skizzierte theoretische und angenommene Modell findet sich in Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Angenommenes Strukturmodell zum Leistungsanforderungserleben mit den dazugehörigen Hypothesen (1–5)

4 Methode

4.1 Stichprobe

Zur Prüfung der aufgestellten Hypothesen wurde im Zeitraum von Dezember 2022 bis Februar 2023 eine Fragebogenerhebung in 51 Klassen an zehn weiterführenden Schulen in der Stadt und Region Hannover durchgeführt. Die Erhebung stellt den ersten Messzeitpunkt einer Längsschnittstudie dar und fand an 10 Schulen statt (3 Realschulen, 3 Gesamtschulen, 4 Gymnasien). Nach Ausschluss von neun Fragebögen, bei denen mindestens eine gesamte Fragebogenseite (min. 13 % des Fragebogens) nicht ausgefüllt war, ergibt sich eine Gesamtstichprobe von N = 583 Schüler*innen. 40 % der Stichprobe besuchten zum Zeitpunkt der Befragung eine sechste Klasse, 60 % bereits die siebte Klassenstufe, M (SD) = 11,92 (0,82) Jahre. 54 % der Befragten waren männlich, 45 % berichteten das weibliche Geschlecht.

Die Durchführung der Studie wurde durch die zuständige Landesschulbehörde genehmigt sowie durch die Ethikkommission der Leibniz Universität Hannover geprüft. In den teilnehmenden Klassen wurden die Erziehungsberechtigten schriftlich informiert und um Einverständnis gebeten. Die freiwillige Befragung der Lernenden fand im Klassenkontext während der regulären Unterrichtszeit statt und nahm ca. 25 min in Anspruch.

4.2 Erhebungsinstrumente

Die Grundlage der Erhebung stellte ein in Teilen selbst konstruierter Fragebogen dar. Zuvor erfolgte eine umfassende Recherche innerhalb der theoretischen Felder sowie im Rahmen etablierter Skalendatenbanken. Hier konnten keine Skalen identifiziert werden, deren Einsatz als vollständig passend wahrgenommen wurde. Auf Grundlage bestehender Skalen wurden daher eigene Skalen konstruiert. Vor Durchführung der hypothesenprüfenden Analysen erfolgte eine Item- und Skalenanalyse. Das vorliegende elektronische Supplement des Artikels ermöglicht detaillierte Einblicke in das Vorgehen der Skalenentwicklung, die durchgeführten Analysen sowie ggf. die entsprechenden Anpassungen der ursprünglich angenommenen Skalenstruktur.

Der Fragebogen umfasste Items zu den zentralen Zieldimensionen der Fragestellung. Die Befragten konnten hierbei übergreifend auf einer 5‑stufigen Likert-Skala vorformulierten Aussagen zustimmen („stimmt gar nicht“ bis „stimmt genau“). Die zentralen Dimensionen wurden dabei folgendermaßen operationalisiert:

4.2.1 Leistungsorientierung

Die Leistungsorientierung der Schüler*innen wurde durch sechs Items erfasst (z. B. „Es ist mir wichtig, in der Schule gute Noten und Bewertungen zu bekommen.“). Die interne Konsistenz der eingesetzten Skala kann als zufriedenstellend bewertet werden (α = 0,80; ω = 0,80). Die Überprüfung der Skala mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse ergab zudem eine angemessene Skalengüte (CFI = 0,99; RMSEA = 0,03; SRMR = 0,04; λ = 0,53–0,67).

4.2.2 Leistungsdruck

Für das Erleben external gestellter, schulischer Leistungsanforderungen wurde die Subskala Leistungsdruck mithilfe von sieben Items erfasst (z. B. „Im Unterricht verlangen unsere Lehrkräfte sehr viel von uns Schülerinnen und Schülern.“). Die interne Konsistenz der Skala ist zufriedenstellend (α = 0,77; ω = 0,77). Eine konfirmatorische Faktorenanalyse lässt zudem eine gute Passung der Skala annehmen (CFI = 0,99; RMSEA = 0,01; SRMR = 0,03; λ = 0,47–0,70).

4.2.3 Schulstress

Schulstress wurde über sechs Items operationalisiert (z. B. „Ich stehe durch die Schule unter starkem Stress.“). Die Skala erwies sich als konsistent (α = 0,89; ω = 0,89). Ergebnisse der Faktorenanalyse zeigen anzunehmende Werte (CFI = 0,99; RMSEA = 0,02; SRMR = 0,03; λ = 0,68–0,82).

4.2.4 Leistungsangst

Leistungsangst wurde auf einer Subskala mit sieben Items erhoben (z. B. „Ich traue mich oft nicht, im Unterricht Nachfragen zu stellen.“). Die interne Konsistenz der Skala ist in einem guten Bereich (α = 0,85; ω = 0,84). Die Skalengüte kann durch die Überprüfung mithilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse als ausreichend angenommen werden (CFI = 0,98; RMSEA = 0,08; SRMR = 0,06; λ = 0,60–0,76).

4.2.5 Schulleistungen

Die Schulleistungen wurden per Fremdeinschätzung von den Klassenlehrkräften auf einer Globalskala von 1=sehr schlecht bis 10=sehr gut beurteilt („Die Schulleistungen waren im vergangenen Schuljahr“).

4.3 Statistische Analysen

Vor der Datenauswertung erfolgte unter der zuvor geprüften Annahme des zufälligen Auftretens fehlender Werte („missing at random“) eine Two-Way Imputation innerhalb der Items der vier Skalen. Dieses Vorgehen orientiert sich an den Empfehlungen von Lüdtke et al. (2007) sowie Sijtsma und van der Ark (2003). Der Anteil fehlender Werte lag je nach Konstrukt bei 0–2 %. Die Imputation erfolgte mit dem Programm R (R Core Team 2020) unter Nutzung des Paketes mokken (van der Ark et al. 2022).

Im Rahmen der anschließenden Datenauswertung erfolgte die Beantwortung der Forschungsfrage und Prüfung des skizzierten Modells (s. Abb. 1) über eine Strukturgleichungsmodellierung. Die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der genesteten Datenstruktur (Schüler*innen in Klassen verschiedener Schulformen) wurde dabei zuvor durch die Berechnung von Intraklassen-Korrelationskoeffizienten (ICC) geprüft. Diese zeigten, dass ein geringer Anteil der Varianz der Items zu Leistungsorientierungen und -angst auf Klassenebene lokalisiert werden kann (Leistungsorientierung ≤ 0,10; Leistungsangst ≤ 0,10). Bei Betrachtung der Dimension des Leistungsdrucks ergaben sich Werte von ≤ 0,23 und im Bereich des Schulstresses ≤ 0,13; wodurch eine Berücksichtigung der genesteten Datenstruktur als sinnvoll angesehen werden kann. In der Folge wurden die Strukturgleichungsmodelle in Anlehnung an Oberski (2014) unter Berücksichtigung der komplexen/genesteten Datenstruktur geschätzt, wobei die Standardfehler aufgrund der Abhängigkeit der Daten korrigiert wurden und die Parameterschätzung unter Berücksichtigung der Cluster (Klassen) erfolgte. Die Strukturgleichungsmodellierung erfolgte unter Nutzung der R‑Pakete lavaan (Rosseel 2012) sowie lavaan.survey (Oberski 2014). In Anlehnung an die Argumentation von Oberski (2014) erfolgte die Schätzung des Strukturgleichungsmodells unter Nutzung des Robust-Maximum-Likelihood-Schätzers. Die Interpretation der Modellgüte der resultierenden Modelle erfolgte orientiert an den Richtwerten von Hu und Bentler (1999). Eine gute Modellpassung wird in einem Grenzbereich nahe CFI ≥ 0,95; RMSEA ≤ 0,06 und einem SRMR ≤ 0,08 angenommen. Ein CFI ≥ 0,90 wird ebenfalls als Indikator für eine akzeptable Modellpassung betrachtet (z. B. Schweizer 2010). Zur Prüfung und Bestätigung des angenommenen Mediationsmodells, wurden dessen Effekte zudem mit Gleichheitsrestriktionen getestet. Zur Einschätzung der Modellpassung wurden darüber hinaus äquivalente Modelle geprüft und inhaltlich miteinander verglichen, bei denen Prädiktoren, Mediatoren und die abhängigen Variablen getauscht wurden.

5 Ergebnisse

5.1 Deskriptive Ergebnisse

Tab. 1 stellt die Ergebnisse der deskriptiven Statistik sowie der Korrelationen zwischen den zentralen Konstrukten im Überblick dar. Die Schulleistungen der Lernenden wurden als eher positiv durch die Lehrkräfte eingeschätzt, M (SD) = 6,68 (2,04). Das Leistungsdruckempfinden der Schüler*innen erwies sich als leicht erhöht, M (SD) = 2,83 (0,71). Die Befragten berichten zudem eine hohe Leistungsorientierung, M (SD) = 4,30 (0,60). Das Stresserleben, M (SD) = 2,85 (0,96), und das Angsterleben, M (SD) = 2,85 (1,00), können in ihren Ausprägungen ähnlich wie das Leistungsdruckempfinden beschrieben werden. Bei der Betrachtung der Zusammenhänge zeigt sich, dass alle Konstrukte, bis auf Leistungsorientierungen und Schulstress, signifikant miteinander korrelieren.

Tab. 1 Deskriptive Kennwerte und Pearson-Korrelationen der Konstrukte

5.2 Hypothesenprüfung

Das resultierende Strukturgleichungsmodell zeigt eine angemessene Modellgüte, χ2(df) = 601.811 (315), p ≤ 0,001; CFI = 0,93; SRMR = 0,04; RMSEA = 0,05. Aufgrund der Varianz, die potenziell auf Klassenebene lokalisiert werden kann, erfolgte die Schätzung der Modellparameter unter Berücksichtigung der geclusterten Datenstruktur. Im Modell wurde die von den Lehrkräften eingeschätzte Schulleistung der Schüler*innen als unabhängige Variable aufgenommen. Diese hat Einfluss auf die Leistungsorientierung und das Leistungsdruckempfinden sowie direkte Effekte auf das Angst- und Stresserleben. Die Leistungsorientierung sowie das Druckempfinden stellen demnach mögliche Mediationsvariablen zwischen der Schulleistung und dem Angst- sowie Stresserleben dar (s. Abb. 2). Im Folgenden werden ausschließlich die Ergebnisse unter Berücksichtigung der komplexen Datenstruktur berichtet. Die Varianzaufklärung liegt für die Leistungsorientierung bei 4 %, für das Leistungsdruckempfinden bei 2 %, für das Erleben von Leistungsangst bei 26 % sowie für die Ausprägung des Stresserlebens bei 62 %.

Abb. 2
figure 2

Strukturgleichungsmodell zum Leistungsanforderungserleben (n. s. verweist auf p > 0,05)

In Tab. 2 findet sich ein Überblick über alle im Modell beschriebenen Pfadkoeffizienten.

Tab. 2 Pfadeffekte des Strukturmodells

Hierbei zeigt sich, dass die durch die Lehrkräfte bewertete Schulleistung sowohl im negativen Zusammenhang mit dem Erleben von Angst- (β = −0,15; SE = 0,03, p ≤ 0,01) als auch dem Stresserleben (β = −0,09; SE = 0,03; p ≤ 0,05) steht. Schlechtere Schulleistungen gehen zudem mit einem höheren Druckempfinden (β = −0,12; SE = 0,03; p ≤ 0,01) und einer geringeren Leistungsorientierung (β = 0,19; SE = 0,03; p ≤ 0,001) einher. Die Leistungsorientierung steht im negativen Zusammenhang mit dem Stressempfinden (β = −0,14; SE = 0,07; p ≤ 0,05). Der Zusammenhang zwischen Leistungsorientierung und Leistungsangst ist positiv, jedoch nicht signifikant (β = 0,05; SE = 0,05; p = 0,33). Der Zusammenhang zwischen Leistungsdruck und Angst (β = 0,46; SE = 0,08; p ≤ 0,001) sowie Stresserleben (β = 0,80; SE = 0,12; p ≤ 0,001) ist jeweils positiv. Sowohl Leistungsorientierung und Leistungsdruck (r = 0,33; p ≤ 0,001) als auch Leistungsangst und Schulstress (r = 0,61; p ≤ 0,001) kovariieren.

Neben den beschriebenen direkten Zusammenhängen stellt die Prüfung möglicher Mediationseffekte durch die Leistungsorientierung und den Leistungsdruck ein wesentliches Ziel der Analysen dar. Signifikant partielle indirekte Effekte liegen sowohl für die Vorhersage der Angst mediiert über den Leistungsdruck (β = −0,06; SE = 0,02; p ≤ 0,05) als auch für Schulstress mediiert über die Leistungsorientierung (β = −0,03; SE = 0,01; p ≤ 0,05) und den Leistungsdruck (β = −0,10; SE = 0,03; p ≤ 0,05) vor. Es zeigten sich keine partiellen indirekten Effekte der Schulleistung auf die Leistungsangst mediiert über die Leistungsorientierung. Totale indirekte Effekte können signifikant über alle Pfade zur Vorhersage des Schulstresses (β = −0,13; SE = 0,03; p ≤ 0,01) nachgewiesen werden. Zur Vorhersage der Angst zeigten sich keine totalen indirekten Effekte. Weiterhin ergaben sich auch die totalen Effekte der Mediationspfade auf Leistungsangst (β = −0,19; SE = 0,03; p ≤ 0,001) und Stress (β = −0,21; SE = 0,04; p ≤ 0,001) als signifikant.

Zur Prüfung und Bestätigung des angenommenen Mediationsmodells wurden dessen Effekte zudem mit Gleichheitsrestriktionen getestet. Dabei zeigte sich, dass sich die Variablen des Modells in ihrem Einfluss signifikant voneinander unterscheiden. Weiterhin wurden verschiedene äquivalente Modelle geprüft und miteinander verglichen, bei denen Prädiktoren, Mediatoren und die abhängigen Variablen getauscht wurden. Die getesteten äquivalenten Modelle können dem elektronischen Supplement des Beitrags entnommen werden. Es zeigen sich hier mögliche alternative kausale Erklärungsmuster. Gleichzeitig stützen sie in Teilen die theoretisch angenommene Mediation. In einem gegenläufigen Modell zeigen sich insbesondere mit Bezug auf Schulstress geringfügigere Mediationseffekte. Weitere äquivalente Modelle weisen auf Schulleistung als Mediator für den Zusammenhang zwischen Leistungsorientierungen/Leistungsdruck und Angst/Stress hin. Gleichwohl sind die beschriebenen Mediationseffekte geringfügiger als im dargestellten Referenzmodell.

6 Diskussion

In diesem Beitrag wurde der Frage nachgegangen, in welchem Zusammenhang die Schulleistung, die Leistungsorientierung und wahrgenommener Leistungsdruck zum Erleben von Leistungsangst und Schulstress von Schüler*innen stehen. In den Ergebnissen des Strukturgleichungsmodells wird deutlich, dass das Erleben von Leistungsangst und Schulstress durch sowohl Schulleistungen als auch die eigene Leistungsorientierung sowie den wahrgenommenen Leistungsdruck erklärt werden können. Schüler*innen mit besser eingeschätzten Schulleistungen sind leistungsorientierter und erleben gleichzeitig weniger Leistungsdruck, Leistungsängste und Schulstress. Das Erleben von Leistungsdruck geht erwartungsgemäß damit einher, dass Schüler*innen ängstlicher und gestresster in der Schule sind. Sowohl Leistungsorientierung und Leistungsdruck als auch Angst und Stress kovariieren. Somit entsprechen diese Ergebnisse in weiten Teilen den Annahmen des vorliegenden Beitrags. Die Annahmen zu Auswirkungen der Leistungsorientierung können jedoch nicht vollständig bestätigt werden. Es zeigen sich zwar Hinweise darauf, dass eine hohe Leistungsorientierung mit gesteigerter Leistungsangst einhergeht, was vorliegenden Studienergebnissen entspricht (Balogun et al. 2017; Hoferichter et al. 2015; Kesici und Erdoğan 2010), der Zusammenhang ist jedoch nicht signifikant. Gleichzeitig ist der Zusammenhang zwischen Leistungsorientierung und Stressempfinden negativ. In diesem Zusammenhang wurde jedoch angenommen, dass eine hohe Leistungsorientierung dazu führt, dass Lernende sich selbst unter Druck setzen und in der Konsequenz Stress empfinden. Es ist zu vermuten, dass hier eine motivierende Komponente der Leistungsorientierung überwiegt. So kann Leistungsmotivation in einem engen Zusammenhang mit schulischem Engagement stehen (Bakadorova et al. 2020), welches es ermöglicht, mit Anforderungen besser umzugehen. In ähnlicher Form kann Perfektionismus positive oder negative Auswirkungen auf die Lernenden haben (Bong et al. 2014; Madigan 2019). Die nicht signifikanten Ergebnisse des angstverstärkenden Effekts der Leistungsorientierung könnten zudem, entsprechend der Erwartungs-Wert-Theorien (z. B. Feather 1992) sowie der Kontroll-Wert-Theorie (Pekrun 2006), darauf verweisen, dass weitere Faktoren, wie die Erwartungen der Schüler*innen im Hinblick auf ihre Zielerreichung oder das Kontrollerleben in herausfordernden Leistungssituationen, Einfluss darauf haben, ob die Schüler*innen bei einer ausgeprägten Leistungsorientierung Angst erleben oder nicht.

In den dargestellten Ergebnissen stellt Leistungsdruck den stärksten statistischen Prädiktor für das Angst- und Stresserleben dar. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Druck und Stress ist als besonders stark hervorzuheben, was auf enge Bezüge beider Konstrukte hindeutet. Leistungsorientierung als personeninterne, motivationale Anforderungskomponente des*r individuellen Lernenden nimmt einen stärkeren Einfluss auf das Stresserleben als die beurteilte Schulleistung. Mit Bezug auf Leistungsangst zeigen sich stärkere Zusammenhänge zu vorausgegangenen Leistungen im Vergleich zu der eigenen Leistungsorientierung. Von besonderem Interesse waren zudem die mediierenden Effekte der Leistungsorientierung und des Leistungsdrucks. Hier zeigen sich partielle Mediationen des Zusammenhangs von Schulleistung und Leistungsangst sowie Stress. Hoher Leistungsdruck verringert den angstmindernden Einfluss der Schulleistung, dennoch bleibt der negative Zusammenhang noch immer bestehen. Teile des Gesamteffektes von Schulleistung auf Stress werden dabei über die Leistungsorientierung und den Leistungsdruck erklärt. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die durch Lehrkräfte bewertete Schulleistung in einem bedeutsamen Zusammenhang mit dem Angst- und Stresserleben steht. Die Wirkungen von Leistungsdruck und Leistungsorientierung tragen somit einen relevanten Anteil zur Erklärung des Zusammenhangs von Schulleistung und Angst- sowie Stresserleben bei. Die berechneten Intraklassenkorrelationen verweisen zudem auf mögliche Klasseneffekte. Gleichwohl die beschrieben Effekte im Strukturgleichungsmodell für die Klassenzugehörigkeit korrigiert wurden, erscheint es naheliegend, in zukünftigen Arbeiten die Lernumwelt bzw. den Klassenkontext stärker zu berücksichtigen, da diese Einfluss auf die individuelle Situationswahrnehmung von Schüler*innen nehmen (Raufelder et al. 2018). Die wahrgenommene Lernumwelt (z. B. Leistungs- und Konkurrenzdruck) kann die Persönlichkeitsentwicklung, das soziale und emotionale Erleben sowie weitere schulrelevante Variablen beeinflussen (Frenzel et al. 2007; Winkler Metzke und Steinhausen 2001). Zudem kann das emotionale Erleben der Referenzgruppe Einfluss auf das eigene Erleben nehmen (Dijkstra et al. 2008). Weiterhin konnten beispielsweise Frenzel et al. (2007) zeigen, dass die eigene Schulleistung nur angstverringernd wirkt, wenn die durchschnittliche Klassenleistung nicht berücksichtigt wird.

Dies verdeutlicht, dass die Untersuchung von Bezugsgruppeneffekten, über die Berechnung von Intraklassenkorrelationen hinaus, im Kontext der vorliegenden Studie weitere interessante Ergebnisse liefern könnte.

7 Limitationen

Aufgrund vorliegender empirischer Befunde kann angenommen werden, dass nicht nur die Schulleistung Einfluss auf das Angst- und Stresserleben nimmt. Die umgekehrte Wirkrichtung, bei der eine hohe Leistungsangst und starker Schulstress negative Auswirkungen auf die Schulleistungen haben, erscheint aufgrund bestehender Forschungsbefunde ebenfalls plausibel (z. B. Goldstein et al. 2015; Pascoe et al. 2020). Die vorliegende Studie fokussiert jedoch ausschließlich querschnittliche Daten. Kausale Schlüsse zu direktionalen Wirkmechanismen können aufgrund der vorliegenden Analysen somit nicht getroffen werden. Eine Betrachtung kausaler Effekte im Längsschnitt erscheint bedeutsam und sollte in Folgearbeiten erfolgen. Diese könnten über die tatsächlichen Wirkrichtungen sowie potenzielle Interaktionseffekte Aufschluss geben. Darüber hinaus müssen die vorliegenden Ergebnisse stets vor dem Hintergrund der auswertenden Personen betrachtet werden. Die Interpretation querschnittlicher Strukturgleichungsmodelle ist abhängig von theoretischen und methodischen Annahmen der Forschenden. Ergebnisse sollten eingeschränkt, unter Berücksichtigung möglicher alternativer Erklärungsansätze, interpretiert sowie Rückschlüsse unter Vorbehalt gezogen werden (Dumas und Edelsbrunner 2023). Die Prüfung äquivalenter Modelle stützt dieses Argument, da hier auch alternative Erklärungsmuster deutlich werden. Die theoretischen Überlegungen legen nahe, dass die untersuchten Konstrukte in reziprokem Zusammenhang zueinanderstehen können. Einen möglichen Einfluss von Stress und Angst auf die Leistungen von Schüler*innen konnten vorherige Studien bereits bestätigen (Pascoe et al. 2020). Entsprechende mögliche reziproke Mediationseffekte lassen sich hier jedoch nicht verdeutlichen. In den gegenläufigen Modellen bilden sich so andere Mediationseffekte ab. Darüber hinaus zeigen die äquivalenten Modelle keine vergleichbaren Mediationen durch die Schulleistung bzw. Angst/Stress, was als weiteres Indiz für das theoretisch dargelegte Referenzmodell gelten kann.

Das geprüfte theoretische Modell adressiert darüber hinaus nur ausgewählte Variablen. Insbesondere im Rahmen der Beschreibung der Wahrnehmung von Leistungsdruck können, neben schulbezogenen, weitere Variablen Einfluss nehmen (z. B. Druck durch das Elternhaus). Darüber hinaus wurde die Schulleistung der Schüler*innen ausschließlich über ein global formuliertes Item per Lehrkrafteinschätzung erfasst. Eine über standardisierte Leistungstests erfasste Schulleistung könnte potenziell andere Ergebnisse im Rahmen der durchgeführten Analysen liefern. Zudem wurden die Konstrukte fächerübergreifend erfasst. Domänenspezifische Unterschiede in den Ausprägungen und Zusammenhängen sind ebenfalls anzunehmen. Im Hinblick auf die eingesetzten Skalen sind zudem die Anpassungen sowie Ausschlüsse einzelner Items nach der empirischen Prüfung psychometrischer Kennwerte im Nachhinein der Erhebung und vor den hypothesenprüfenden statistischen Analysen limitierend sowie als mögliche Bedrohung der internen Validität der Studie zu benennen.

8 Implikationen und Ausblick

Zusammenfassend liefert die vorliegende Studie Hinweise darauf, dass die von Lehrkräften eingeschätzten Schulleistungen der Schüler*innen Einflüsse auf das leistungsbezogene Stress- und Angsterleben der Lernenden haben und dass diese Auswirkungen sowohl über die Leistungsorientierung der Schüler*innen als auch über die Wahrnehmung von schulischem Leistungsdruck mediiert werden. Alle drei Variablen, in Abhängigkeit von ihrer Ausprägung, können somit verstärkende oder kompensierende Faktoren im Belastungserleben darstellen, die in pädagogischen Settings berücksichtigt werden sollten. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere Schüler*innen mit geringen Schulleistungen Gefahr laufen, mehr Angst und Stress in der Schule zu erleben. Aufgrund zahlreicher Studien, die die negativen Auswirkungen dieser beiden Faktoren belegen (z. B. Balogun et al. 2017; Giota und Gustafsson 2020; Goldstein et al. 2015), erscheint es deswegen bedeutsam, diese Schüler*innengruppe im Schulalltag zu unterstützen. Dazu sollte mit den Lernenden ihr eigenes, aus ihrer Leistungsorientierung resultierendes Anspruchsniveau reflektiert werden, sodass sich die Schüler*innen zwar selbst motivieren, jedoch nicht zusätzlich unter Druck setzen. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn berücksichtigt wird, dass sich die Leistungsorientierung und die Wahrnehmung externaler Anforderungen gegenseitig bedingen. Lehrkräfte sollten zudem ihre eigenen Leistungsanforderungen, die sie im Unterricht an die Schüler*innen stellen, reflektieren. Leistungsdruck sollte möglichst reduziert werden und stattdessen, in Anlehnung an die „Person-Environment-Fit-Theory“ (z. B. Bohndick et al. 2018; Cable und DeRue 2002), passende Anforderungen zu den individuellen Lernausgangslagen gestellt werden. Dazu scheint insbesondere die Anwendung einer individuellen Bezugsnorm von Bedeutung (Hascher et al. 2019).