1 Einleitung

Seit geraumer Zeit wird dem Thema Kinder- und Jugendpartizipation sowohl im schulischen als auch außerschulischen Bereich eine hohe Relevanz beigemessen und ist Gegenstand vielfältiger empirischer Untersuchungen. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass die Bereitstellung von Partizipationsmöglichkeiten für Kinder- und Jugendliche sowie deren Umsetzung in relevantem Maße von den Bestrebungen erwachsener Akteur:innen abhängen. Nichtsdestotrotz ist ein Forschungsdesiderat festzustellen, was die Auseinandersetzung mit den Auffassungen eben jener Akteur:innen betrifft. Mit Blick auf den außerschulischen Bildungsbereich beschäftigen wir uns im vorliegenden Beitrag mit der Frage, welche Partizipationsverständnisse von Bildungsakteur:innen vertreten werden und wie diese zur Partizipation junger Menschen im Rahmen gemeinsamer Vorhaben stehen. Aus diesem Grund führten wir 18 Interviews mit Akteur:innen aus vier kommunalen Netzwerken, die aus den Bereichen (Bildungs‑)Verwaltung, Bildungsplanung und -koordination, (kulturelle) Kinder- und Jugendarbeit, Schule sowie freie Kunst- und Kulturszene stammen und sich zum Zwecke des Auf- und Ausbaus kultureller Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche zusammenschlossen.

2 Die kommunalen Bildungsnetzwerke

Die Netzwerke, denen die befragten Akteur:innen während unserer Untersuchung angehörten, weisen zwei Besonderheiten auf. Zum einen handelt es sich um Zusammenschlüsse auf kommunaler Ebene, in denen sich Akteur:innen aus unterschiedlichen (Bildungs‑)Bereichen zusammengetan haben. Zum anderen wird der Auf- und Ausbau von Angeboten angestrebt, die im Bereich der kulturellen Bildung liegen und deren Zielpublikum Kinder und Jugendliche sind.

2.1 Kulturelle Bildung

Kulturelle Bildung kann in Anlehnung an Fuchs (2009) als Sammelbegriff bezeichnet werden, der unterschiedliche Praktiken und Formate vereint (Fuchs 2009, S. 8) und vorrangig auf die Entwicklung des Subjekts zielt (vgl. Bockhorst 2018; Liebau 2018). Trotz ihres weitläufigen und offenen Charakters verweist Liebau (2018) auf „vier unterschiedliche Institutionen mit je spezifischen Zugängen und Räumen“ (S. 1229), denen er im Kontext kultureller Bildung Relevanz zuspricht. Dazu zählt er kulturelle Einrichtungen wie Theater und Museen, öffentliche Einrichtungen wie Musikschulen, Volkshochschulen oder soziokulturelle Zentren, Verbände und Vereine sowie private Einrichtungen, deren Angebote ebenfalls in Bereichen wie Tanz oder Musik liegen. Diese Beschreibung spiegelt in weiten Teilen auch den multiprofessionellen Charakter der Netzwerke wider, denen die interviewten Akteur:innen zum Zeitpunkt der Datenerhebung angehörten und die in unterschiedlichen Professionen aktiv sind. Die Netzwerke müssen im Falle unserer Untersuchung zusätzlich um Personen aus den Verwaltungsebenen der jeweiligen Kommunen sowie um Lehrer:innen und Kinder- und Jugendarbeiter:innen erweitert werden, die in ihren Berufen nicht oder nicht ausschließlich im Kontext kultureller Bildung arbeiten.

In Anlehnung an Josties et al. (2018) folgt Kulturarbeit mit Jugendlichen

„einem Verständnis von Bildung, das selbstorganisiertes ästhetisch-gestalterisches Handeln und Lernen vorwiegend in Gleichaltrigengruppen mit einem starken lebensweltlichen Bezug in den Mittelpunkt rückt“ (S. 187).

Um sicherzustellen, dass kulturelle Kinder- und Jugendarbeit den Ideen von Bildung und der Forderung nach selbstorganisiertem Handeln und Lernen entspricht, ist es demnach wichtig, Möglichkeiten zur Mitwirkung und Gestaltung anzubieten. Das bedeutet, dass eine zentrale Aufgabe darin besteht, den Kindern und Jugendlichen die Chance einzuräumen, sich aktiv zu beteiligen und Prozesse mitzugestalten.

2.2 Bildungsnetzwerke

Sowohl die Entstehung und Förderung von Bildungsnetzwerken wird teils als Folge des sogenannten PISA-Schocks gedeutet (vgl. u. a. Rauch 2013, S. 313 f.; Rürup et al. 2015, S. 156 f.; Täubig 2017, S. 167 f.)Footnote 1, als auch das gestiegene wissenschaftliche Interesse an Netzwerkstrukturen im Bildungssektor (vgl. Kolleck 2014). Als charakteristische Merkmale von Bildungsnetzwerken fasst Rauch (2013) gemeinsame Ziele, Vertrauen, freiwillige Teilnahme, den fortwährenden Austausch von Informationen, stete Koordination, Synergie- sowie gemeinsame Lerneffekte zusammen (vgl. Rauch 2013, S. 314). Mit Blick auf die vorliegende Untersuchung ist dabei besonders relevant, dass sich Netzwerke im (non-formalen) Bildungsbereich in der Regel durch kooperative, allenfalls geringfügig ausgeprägte Formen von Hierarchien auszeichnen (vgl. u. a. Emmerich und Maag Merki 2009; Kolleck und Bormann 2014; Zacharias 2008) und sich vor allem über die konkreten Gestaltungsabsichten der beteiligten Akteur:innen entwickeln (vgl. Emmerich und Maag Merki 2009, S. 7; Lima 2008, S. 8; Kolleck und Bormann 2014; Kolleck et al. 2016, S. 7). Damit sind einerseits grundlegende Voraussetzungen für die Partizipation junger Menschen innerhalb solcher Netzwerke gegeben. Andererseits wird deutlich, dass die Ermöglichung partizipativer Strukturen entscheidend von den Bestrebungen der beteiligten (erwachsenen) Akteur:innen abhängt. So erklärte bereits das Bundesjugendkuratorium (2009), in der „Entwicklung von Netzwerken öffentlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure“ (S. 29) einen von mehreren Bausteinen zum Zwecke der Implementierung partizipativer Strukturen für Kinder und Jugendliche auf kommunaler Ebene zu sehen (vgl. Bundesjugendkuratorium 2009, S. 28 f.). Ferner verweist das Bundesjugendkuratorium in ihrem Bericht darauf, dass der Fortbestand partizipativer Projekte, die außerhalb von Institutionen wie Schule oder Kinder- und Jugendhilfe stattfinden, „vom Engagement und Wohlwollen einzelner Erwachsener“ (S. 23) abhängen. Dazu heißt es an vorheriger Stelle: „Die Grenzen der Partizipation sind derzeit weniger bei den Kindern und Jugendlichen als vielmehr bei den Erwachsenen zu suchen“ (S. 10).

3 Kinder- und Jugendpartizipation

In ihrer 2009 veröffentlichten Stellungnahme weist das Bundesjugendkuratorium auf unzureichende Partizipationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in nahezu allen Lebensbereichen hin. Außerdem wurde ein grundsätzliches Forschungsdesiderat konstatiert (vgl. Bundesjugendkuratorium 2009, S. 13), an dem sich seitdem jedoch einiges getan hat. Im Folgenden legen wir den für unseren Untersuchungsgegenstand relevanten Stand der Forschung dar, bevor wir im Anschluss auf die theoretische Rahmung unseres Beitrags eingehen.

3.1 Forschungsstand

Gemessen an der Anzahl an Veröffentlichungen können als zentrale Bereiche, in denen die Partizipation von Kindern und Jugendlichen untersucht wird, die Sozialisationsinstanzen Schule, Hilfen zur Erziehung und Sozialarbeit ausgemacht werden. Eine Reihe jüngerer Studien untersucht die Beteiligung von Kindern in Kindertagesstätten (exemplarisch Ballaschk und Anders 2020; Knauer und Bartosch 2016; Hansen et al. 2011; Prengel 2016; Richter und Lehmann 2016; Weltzien et al. 2020). Zudem wird in mehreren Beiträgen zusätzlich die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Kontext Familie in den Blick genommen (exemplarisch Fatke und Schneider 2008; Moser 2010; Quellenberg 2010; Rieker 2017; Rieker et al. 2016a). Dabei sind Schwerpunkte, Erkenntnisinteressen und Vorgehensweisen der Untersuchungen sehr unterschiedlich. Beispielsweise werden Schule, Jugendhilfe, Peers oder Familie als relevante Bezugspunkte von Kindern und Jugendlichen hinsichtlich der Frage untersucht, in welchem Ausmaß dort gemachte Erfahrungen auf die grundsätzliche Beteiligungsbereitschaft, das Partizipationshandeln oder die Form der Partizipation der Kinder und Jugendlichen rückwirken (vgl. Lütgens und Schwanenflügel 2019; Schwanenflügel et al. 2019; Rieker 2017). Dabei liegt der Fokus weniger auf der Ausarbeitung eines engen Partizipationsbegriffs, als vielmehr auf der Interdependenz zwischen biographischen Erfahrungen und verschiedenen Formen der Partizipation in unterschiedlichen Kontexten.

Speziell Schule ist ein Ort, der jungen Menschen wenig Raum zur Partizipation bietet. Dafür werden unterschiedliche Gründe angeführt. Zum einen sind es die institutionellen Rahmenbedingungen, die sich durch Prinzipien wie Anpassung, Selektion und einen hierarchischen Aufbau auszeichnen, durch die der Beteiligung Grenzen gesetzt sind. Zum anderen stellte sich jedoch heraus, dass es auch die Lehrkräfte sind, durch die Möglichkeiten der Partizipation begrenzt werden (vgl. Budde 2010; Gamsjäger und Langer 2019; Helsper und Lingkost 2013).Footnote 2 Daraus kann im Umkehrschluss geschlossen werden, dass die Implementierung von Beteiligungsmöglichkeiten im Schulalltag ebenfalls von den Einstellungen, Auffassungen und dem Willen der Lehrer:innen abhängt (vgl. auch Billis 2020, S. 374). Während vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis mehrere Untersuchungen der Frage nachgehen, wie die betroffenen Schüler:innen Beteiligungsmöglichkeiten in der Schule bewerten (exemplarisch Höke 2020; Quellenberg 2010; Rieker 2017; Sauerwein 2019; Wetzelhütter et al. 2013), mangelt es an systematischen Auseinandersetzungen mit den Auffassungen und dem Partizipationsverständnis von Lehrkräften. Die einzige uns bekannte Ausnahme bildet ein Beitrag von Christof (2020), die berufsbezogene Überzeugungen angehender Lehrer:innen zur Partizipation von Schüler:innen untersucht hat. Die Auffassungen der Studierenden sind geprägt von Ambivalenzen. Die Frage, welche Formen der Mitbestimmung als kompatibel mit der eigenen Rolle und den damit verbundenen Pflichten gesehen werden, führen in der Summe zu einem pseudo-partizipativen Verständnis, deren Auswirkungen von den Studierenden nicht weiter reflektiert werden. Grund dafür ist auch eine fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema in den Lehrplänen.

Grundlegend andere Rahmenbedingungen bietet der außerschulische Bereich. Dabei wurden in der bisherigen Forschung vor allem die Kinder- und Jugendarbeit als Teilbereich der Sozialen Arbeit und die Hilfen zur Erziehung in den Blick genommen. Auch hier unterscheiden sich Beiträge, die die subjektive Sicht der Kinder und Jugendlichen auf vorhandene Beteiligungsmodelle in den Mittelpunkt stellen (exemplarisch Ahmed et al. 2022; Bröckling und Schmidt 2012; Schröder et al. 2022)Footnote 3, von jenen, die primär unterschiedliche BegründungslinienFootnote 4 und (strukturelle) Rahmenbedingungen sowie damit verbundene Herausforderungen und Spannungsfelder betrachten (exemplarisch Messmer 2018; Meyer und Rahn 2020; Pluto 2018; Sturzenhecker 2008, 2022). Und obwohl bereits anklingt, dass auch in diesem Feld von wesentlicher Bedeutung ist, welche Rolle Pädagog:innen hinsichtlich der Ermöglichung von Beteiligungsstrukturen spielen, mangelt es hier ebenfalls an empirischen Arbeiten, die sich methodisch mit dem Partizipationsverständnis erwachsener Akteur:innen auseinandersetzen. Uns ist lediglich die Studie von Pluto (2007) bekannt, in der Fachkräfte aus den Hilfen zur Erziehung nach ihrem Beteiligungsverständnis gefragt werden und darauf aufbauend in zwei Gruppen unterteilt werden: 1. Fachkräfte, die der Partizipation von Kindern und Jugendlichen positiv gegenüberstehen sowie 2. Fachkräfte, die unterschiedliche Abwehrhaltungen erkennen lassen.Footnote 5

Ferner existieren neben der gezielten Auseinandersetzung mit verschiedenen Sozialisationsinstanzen Untersuchungen, die den Blick auf Beteiligungsprojekte und -möglichkeiten in der Kommune richten. Zwar hält Peyerl (2022) fest, dass „Partizipation vor Ort ganz unterschiedlich und unter Beteiligung verschiedener Akteur*innen organisiert“ (S. 86) wird, dass aber „vor allem die Akteur*innen vor Ort […] für die Verwirklichung verantwortlich sind“ (S. 86; vgl. dazu auch Danner 2001). Dazu zählt sie Vertreter:innen der KommunalpolitikFootnote 6, leitende Verwaltungsangestellte sowie Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit, denen als Ansprechpartner:innen der Kinder und Jugendlichen eine besondere Verantwortung für die Ermöglichung partizipativer Prozesse zukommt (vgl. Peyerl 2022; auch Rieker et al. 2016b). Im weiteren Verlauf ihres Beitrags geht es jedoch vorrangig um die Frage, welche unterschiedlichen Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung auf kommunaler Ebene existieren. Damit verbleibt der Beitrag weitestgehend auf deskriptiver Ebene. Das gilt ebenso für andere Beiträge, die sich mit der Partizipation von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene auseinandersetzen (exemplarisch Fatke und Schneider 2008, S. 60 ff.; Koopmann 2011; Stange 2009; Zinser 2001). Untersuchungen über Einstellungen oder Auffassungen der Akteur:innen, denen die Aufgabe der Umsetzung von Partizipationsprozessen auf kommunaler Ebene maßgeblich zukäme, bleiben ausgespart.

Damit tritt eine Forschungslücke in der deutschsprachigen Literatur zum Vorschein, die mit Blick auf die vorliegende Untersuchung zentral ist. Es mangelt an Studien, die sich systematisch mit dem Partizipationsverständnis erwachsener Akteur:innen im Bereich der Kinder- und Jugendbildung auseinandersetzen.

3.2 Theoretische Rahmung

Das Augenemerk unserer Untersuchung liegt also auf der Frage, welche Rolle Erwachsene im Rahmen der Umsetzung von Kinder- und Jugendpartizipation vor dem Hintergrund ungleicher Machtdynamiken spielen. So wird in etlichen Untersuchungen das Spannungsfeld zwischen erforderlicher Unterstützung auf der einen Seite und Bevormundung sowie Manipulation durch erwachsene Akteur:innen auf der anderen Seite thematisiert. Als populärste Auseinandersetzung mit diesem Thema kann die Partizipationsleiter von Hart (1992) bezeichnet werden, die im Laufe der Zeit trotz ihres Stellenwerts für die Forschung wiederholt kritisiert wurde, nicht zuletzt von Hart (2008) selbst. Seine Partizipationsleiter gründet maßgeblich auf der „Ladder of Citizen Participation“ von Arnstein (1969). Dabei überträgt Hart Arnsteins Modell auf die asymmetrische Beziehung zwischen jungen Menschen und Erwachsenen. Wie Arnstein nutzt er die Leitermetapher zur Beschreibung unterschiedlicher Stufen der Beteiligung bzw. Nicht-Beteiligung (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

„Ladder of Participation“ in Anlehnung an Hart (1992)

Während Malone und Hartung (2010) den Ansatz dafür kritisieren, dass er weniger ein theoretisches Modell als ein praktisches Werkzeug darstelle (vgl. Malone und Hartung 2010, S. 35), erklärt Hart (2008) viele Jahre nach Erscheinen der Leiter selbst, dass diese primär dafür gedacht sei, Fachkräften der Kinder- und Jugendarbeit dabei zu helfen, ihr eigenes Handeln zu reflektieren (vgl. Hart 2008, S. 22 f.). In den Folgejahren sind eine Reihe weiterer Modelle entstanden, die nicht selten auf der Partizipationsleiter von Hart aufbauen oder maßgeblich Bezug darauf nehmen (exemplarisch Reddy und Ratna 2002; Shier 2001; Treseder 1997). Wong et al. (2010) setzen sich kritisch mit der Partizipationsleiter von Hart sowie dem Modell von Shier auseinander und kommen zu dem Schluss, dass diese durchaus nützlich sind als „frameworks for articulating various youth participation types“ (S. 103), aber dem aktuellen Stand der Forschung nicht (mehr) gerecht werden. Sie entwerfen eine eigene Typologie, die sie „TYPE-Pyramid“ nennen (siehe Abb. 2). Ihr Ziel ist es, den Grad der Beteiligung von Jugendlichen und Erwachsenen zu identifizieren. Zu diesem Zwecke rekurrieren sie auf Empowerment-Konzepte, die sich maßgeblich auf die Theorie des kritischen Bewusstseins nach Paulo Freire stützen. Dadurch ist es möglich, analog zu den verschiedenen Formen der Beteiligung bzw. Nicht-Beteiligung auch die damit verbundenen Auswirkungen nachzuvollziehen. Das betrifft einerseits den Grad an Selbstwirksamkeit, den die Jugendlichen dadurch erfahren, sowie die Entwicklung ihrer Fähigkeiten und die Förderung ihrer Stärken. Andererseits zeigt es gemeinsame Lernprozesse sowohl der Jugendlichen als auch der Erwachsenen an, die im Sinne der Entwicklung eines kritischen Bewusstseins dazu befähigt werden sollen, ungleiche Machtdynamiken zu reflektieren und zu überwinden. In geteilter Entscheidungsfindung und gemeinsamer Kontrolle sehen Wong et al. (2010) die ideale Zusammenarbeit. So argumentieren sie, dass beide Gruppen jeweils eigene, sich ergänzenden Fähigkeiten mitbringen.

Abb. 2
figure 2

„The TYPE pyramid“ in Anlehnung an Wong et al. (2010)

Die Typologie von Wong et al. (2010) hebt sich von den anderen Modellen insbesondere über den theoretischen Rahmen ab, der ihrem Modell zugrunde liegt und damit nicht auf einer rein deskriptiven Ebene verbleibt.

Ausgehend von der Annahme, dass die Umsetzung und Etablierung partizipativer Strukturen maßgeblich in den Händen erwachsener Akteur:innen liegt und vor dem Hintergrund der identifizierten Forschungslücke, untersuchen wir, welche Verständnisse von Kinder- und Jugendpartizipation von den Akteur:innen der untersuchten Bildungsnetzwerke vertreten werden und wie diese zur Partizipation junger Menschen im Rahmen gemeinsamer Vorhaben stehen. Zum Zwecke der Darstellung der Ergebnisse streben wir eine Typologie an. Die theoretischen Arbeiten legen nahe, dass unterschiedliche Typen zu erwarten sind, die sich über ihre Auffassung und ihre Haltung zu Kinder- und Jugendpartizipation unterscheiden.

4 Methodik

4.1 Fallbeschreibung und Stichproben

Der vorliegende Beitrag basiert auf den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung, in deren Rahmen wir zwischen September 2020 und Januar 2021 leitfadengestützte Interviews mit 18 Akteur:innen aus vier Kommunen durchführten. Die interviewten Akteur:innen gehörten zum Zeitpunkt der Erhebung allesamt kommunalen Netzwerken an, die sich mit dem Ziel zusammenschlossen, Angebote im außerschulischen Bereich der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche auf- und auszubauen. Gemäß der multiprofessionellen Zusammensetzung der Netzwerke handelt es sich bei den Gesprächspartner:innen um Personen, die sowohl beruflich als auch ehrenamtlich in den Bereichen (Bildungs‑)Verwaltung, Bildungsplanung und -koordination, (kulturelle) Kinder- und Jugendarbeit, Schule sowie freie Kunst- und Kulturszene tätig sind. Damit liegen unterschiedliche Erfahrungen vor, was die direkte (Zusammen‑)Arbeit mit Kindern und Jugendlichen betrifft.Footnote 7 Die Auswahl der zu interviewenden Personen erfolgte nach Gesprächen mit der Kooperationspartnerin unseres Begleitprojekts, der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel, sowie den Antragssteller:innen aus den Kommunen. So war garantiert, dass die Interviewpartner:innen zum Zeitpunkt der Erhebung eine aktive Rolle in den Netzwerken spielten.

4.2 Erhebung

Zur Durchführung der Interviews verwendeten wir einen teilstandardisierten Leitfaden, den wir in verschiedene Themenabschnitte untergliederten. Wir stiegen mit einer Frage zur beruflichen Tätigkeit ein, fragten nach bisherigen Erfahrungen mit dem Thema Kinder- und Jugendpartizipation, nach dem Stellenwert des Themas innerhalb der Netzwerke und kamen dann schwerpunktmäßig auf die subjektiven Auffassungen der interviewten Personen zu sprechen. Dazu zählten Fragen danach, wie sich die Akteur:innen die Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Rahmen gemeinsamer Vorhaben vorstellen könnten, wo sie Grenzen und Möglichkeiten sähen und wie sie zur Umsetzung von Partizipationsprozessen stehen. Den Leitfaden erstellten wir theoriegeleitet, auf Grundlage der Auseinandersetzung mit den im Theorieteil erwähnten Partizipationsmodellen (z. B. Hart 1992). Im Vorfeld unterzogen wir den Leitfaden einem ausführlichen Pretest. Die meisten Interviews dauerten zwischen 54 und 89 min. Wir dokumentierten die Interviews per Audioaufnahme und transkribierten sie nach den Regeln von Dresing und Pehl (2015).

4.3 Auswertung

Für die Auswertung der Interviews nutzten wir die Analysesoftware MAXQDA. Dazu folgten wir einem deduktiv-induktiven Vorgehen, wie es der inhaltlich strukturierenden Analyse nach Kuckartz (2018) entspricht. Das bedeutet, die theoriegeleitete Strukturierung des Materials durch ex ante gebildete Hauptkategorien auf Grundlage theoretischer Vorüberlegungen sowie vorhandener Literatur wurde durch Subkategorien erweitert, die in einem offenen Codierverfahren aus dem Text abgeleitet wurden (vgl. dazu Schreier 2014). Schnell et al. (2016) beschreiben dieses Vorgehen als induktiven Abgleich, der das Ziel verfolgt, „Textpassagen in die Analyse einzubeziehen, die inhaltlich relevant erscheinen, aber den deduktiv ermittelten Kategorien zunächst nicht zugeordnet werden konnten“ (S. 121). Dabei wurden auch die deduktiven Hauptkategorien während des Codiervorgangs angepasst und um zwei weitere Hauptkategorien induktiv erweitert. Die Beschreibung der Subkategorien (= das Kategoriensystem) hielten wir in einem Codebuch fest (vgl. dazu Kuckartz 2018, S. 39 f.; Mihas und Odum 2019; Tab. 1).

Tab. 1 Auszug aus dem Kategoriensystem (Codebuch)

Die Validität des Codiervorgangs wurde nach dem Prinzip der Intracoder-Reliabilität mit einem zeitlichen Abstand von sechs Monaten sichergestellt (vgl. dazu Bersch 2022, S. 111 f.; Mayring 2015, S. 124). Darauf folgte im nächsten Schritt eine Typenbildung, wie sie von Kelle und Kluge (2010) sowie Kuckartz (2018) beschrieben wird: Auf Grundlage der Strukturierung des Materials durch Haupt- und Subkategorien wurden Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Fällen ausfindig gemacht. Anschließend wurden die Fälle gruppiert. Die Haupt- und Subkategorien (= Merkmalsausprägungen) fungierten demnach als Vergleichsdimensionen; sowohl zwischen den Fällen innerhalb einer Gruppe bzw. eines Typs zum Zwecke der internen Homogenität, als auch zwischen den verschiedenen Gruppen bzw. Typen zur Sicherstellung der externen Heterogenität auf der Ebene der Typologie. Dabei gilt zu beachten, dass die gruppierten (Einzel‑)Fälle eines Typs nie identisch, sondern lediglich besonders ähnlich sind. „Im Rahmen empirischer Forschung bedeutet Typenbildung also die Gruppierung von Fällen zu ähnlichen Mustern oder Gruppen, die sich von ihrer Umgebung und anderen Mustern und Gruppen deutlich unterscheiden lassen“ (Kuckartz 2018, S. 146). Auf den Prozess der Typenbildung folgt die Charakterisierung der gebildeten Typen. Trotz Unterschieden zur Konstruktion sogenannter Idealtypen, tritt eine gewisse Ähnlichkeit auf. So werden jene Merkmale, die repräsentativ für die von uns gebildeten Typen sind, zusammenfassend dargestellt, während Abweichungen, die bei allen Fällen vorkommen, nicht dargestellt werden. Das heißt, keiner der Typen kommt tatsächlich in Reinform vor. Es handelt sich jedoch weder um eine Zusammenfassung von Einzelerscheinungen noch um eine Überzeichnung der Merkmale, wie es für die Bildung von Idealtypen charakteristisch wäre. Demnach weisen die gebildeten Typen nach wie vor einen engen Bezug zur Realität auf und alle Fälle, die wir den Typen jeweils zuordneten, zeigen eine hohe Übereinstimmung auf. Folglich entschieden wir uns gemäß dem Vorschlag von Kelle und Kluge (2010) dafür, jeweils einen Prototypen als repräsentativ für die gesamte Gruppe vorzustellen (vgl. Kelle und Kluge 2010, S. 105 ff.; auch Kuckartz 2018, S. 157 f.). Prototypen „sind reale Fälle, die die Charakteristika jedes Typus am besten ‚repräsentieren‘“ (Kelle und Kluge 2010, S. 105). Dabei werden Merkmale, die den Typus nicht repräsentieren, ausgelassen. Im Wortlaut von Kuckartz können diese somit als „repräsentative Fallinterpretationen“ (Kuckartz 1988; zitiert nach Kelle und Kluge 2010, S. 105; Kursivsetzung im Original) bezeichnet werden.

5 Ergebnisse

Insgesamt konnten wir anhand des empirischen Datenmaterials drei Typen von Akteur:innen identifizieren. Allerdings lassen sich nur neun der 18 interviewten Akteur:innen jeweils einem der drei Typen zuordnen. Die restlichen neun Personen stehen entweder zwischen zwei oder gar allen drei Typen. Bevor wir dem weiter nachgehen, nehmen wir im Folgenden eine Beschreibung der drei identifizierten Typen vor.

5.1 Typ A: Der:Die Idealist:in

Insgesamt drei Fälle lassen sich dem Typen Idealist:in zuordnen. Der:Die Idealist:in spricht sich dafür aus, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit einzuräumen, Projekte selbstbestimmt zu initiieren und zu verwalten. Im Rahmen dessen sollten Erwachsene lediglich eine unterstützende Funktion einnehmen. Der:Die Idealist:in hält es darüber hinaus für wichtig, Kindern und Jugendlichen im Kontext ihrer Beteiligung an den Netzwerken Entscheidungsfreiheiten einzuräumen und formuliert die Bereitschaft, (Entscheidungs‑)Macht abzugeben. Das hat zur Folge, dass der:die Idealist:in Kinder und Jugendliche als Partner:innen auf Augenhöhe anerkennt, denen das Recht eingeräumt werden sollte, in allen Belangen mitzuentscheiden. Deshalb sind sie auch in alle Prozesse gleichberechtigt einzubeziehen. Dabei betrachtet der:die Idealist:in die Partizipation von Kindern und Jugendlichen unter dem Aspekt eines beidseitigen Lernprozesses, von dem sowohl die beteiligten Kinder und Jugendlichen als auch die Erwachsenen profitieren. Der:Die Idealist:in spricht sich klar und deutlich für eine Partizipation junger Menschen hinsichtlich aller Belange in den Netzwerken aus.

Das Verständnis des:der Idealist:in lässt sich anhand ausgewählter Sequenzen der Interviewperson B1.1 nachvollziehen. B1.1 spricht über Erfahrungen, die er in einem anderen Kontext als dem untersuchten Netzwerk machte, zieht daraus jedoch eine grundlegende Erkenntnis, die für ihn auch mit Blick auf das Netzwerk Gültigkeit besitzt:

„Ich habe in verschiedenen Städten, in denen ich gewohnt habe, aktive Jugendparlamente gesehen, aus denen heraus unheimlich viel organisiert wurde, aus denen viel angestoßen wurde, die auch es geschafft haben, das Bild von der Stadt tatsächlich zu verändern, indem sie klar gemacht haben, wo sind die Prioritäten, was ist den Jugendlichen wichtig. […] Und selber Veranstaltungen zu organisieren, auch Werkräume zu schaffen. Das war ein ganz großer Wunsch in [Ortsangabe] damals eben. Ne Holzwerkstatt und eine Metallwerkstatt, in der die Jugendlichen tatsächlich viel arbeiten konnten. Sehr viel frei und manches unter Anleitung, wo man sich Experten von außerhalb dazu geholt hat. Aber alles organisiert von den Jugendlichen selber. Also ich weiß, dass sehr viel möglich ist, wenn es erst mal in Gang kommt.“ (Interview-Nr. 11, Zeilen 258–269)

Der letzte Satz unterstreicht, dass B1.1 ein grundsätzliches Vertrauen in die Fähigkeiten Jugendlicher hat und sie als Gestalter:innen auf kommunaler Ebene ernstnimmt. Demnach hält er auch ihre Interessen und Wünsche für legitim. Zugleich wird im letzten Satz dieses Zitats der Faktor Zeit thematisiert. B1.1 hat die Erfahrung gemacht, dass es einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigt, bis sich selbstorganisierte Strukturen etablieren. Zeit muss den Jugendlichen also eingeräumt werden.

An anderer Stelle spricht B1.1 indirekt eines der Hauptprobleme der Partizipation von Kindern und Jugendlichen an: Zwar wird ihnen von Erwachsenen häufig ein Mitsprache-, weitaus seltener jedoch ein reales Mitentscheidungsrecht eingeräumt.

„Und da eben zu sagen ‚Ich gebe den Jugendlichen eben die Möglichkeit sich aktiv zu beteiligen‘ heißt aber auch, ich muss ihnen die Möglichkeit geben Entscheidungen zu treffen und die zu berücksichtigen.“ (Interview-Nr. 11, Zeilen 369–372)

Die entscheidende Rolle, die Erwachsene hinsichtlich der Beteiligung von Jugendlichen spielen und seine Kritik daran, dass echte Beteiligung in der Praxis von Erwachsenen häufig auf pseudo-partizipative Vorgänge beschränkt und dadurch letzten Endes verhindert wird, schwingt in diesem Satz implizit mit. Auf die Frage, was B1.1 davon hielte, wenn Jugendliche gleichberechtigte Beteiligung einforderten, antwortet er:

„Unbedingt. Also ich wüsste nicht, warum sie im Rahmen von [Name des Netzwerks] nicht die gleiche Stimme haben sollten wie jeder andere Akteur auch.“ (Interview-Nr. 11, Zeilen 514 f.)

Damit entspricht das Partizipationsverständnis des:der Idealist:in dem Verständnis einer idealen Partnerschaft zwischen Erwachsenen und Jugendlichen, wie es von Wong et al. (2010) beschrieben und an die Spitze ihrer Pyramide gestellt wird. Dabei ist das Partizipationsverständnis des:der Idealist:n nicht in allen Punkten trennscharf von dem zu unterscheiden, was bei Wong et al. (2010) unter den Typus der unabhängigen Beteiligung fällt. Formen unabhängiger Beteiligung können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Das entscheidet sich entlang der unterstützenden Funktion Erwachsener. Diesbezüglich sei jedoch erneut darauf verwiesen, dass der:die Idealist:in die Bereitschaft formuliert, Unterstützung zu leisten, wenn diese durch die Jugendlichen erfragt wird.

5.2 Typ B: Der:Die Pragmatiker:in

Drei der insgesamt 18 Interviewten lassen sich dem Typen des:der Pragmatiker:in zuordnen. Als Pragmatiker:in bezeichnen wir jene Akteur:innen, die bereit sind, Kinder und Jugendliche im Rahmen ihrer Partizipation zu unterstützen. Dazu zählt etwa die Weitergabe von (Fach‑)Wissen, ohne dass dies mit Anforderungen an die Kinder und Jugendlichen verbunden wäre. Der:die Pragmatiker:in sieht sich dabei jedoch in der alleinigen Expert:innenrolle. Deshalb wird Partizipation von ihm:ihr auch als einseitiger Lernprozess für die Kinder und Jugendlichen verstanden. Der:die Pragmatiker:in ist darüber hinaus der Meinung, dass Kinder und Jugendliche nur in begrenztem Rahmen partizipieren und deshalb auch nur hinsichtlich vorgegebener Themen mitbestimmen sollten. Ferner denkt er:sie, dass junge Menschen bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um partizipieren zu dürfen. Dabei ist längst nicht immer klar, welche Voraussetzungen damit gemeint sind und ob diese nicht völlig abstrakt sind, damit es letzten Endes im Ermessen des:der Pragmatiker:in verbleibt zu entscheiden, ob diese nun erfüllt sind oder nicht. Der:Die Pragmatiker:in spricht sich durchweg für die Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Kontext gemeinsamer Vorhaben aus, jedoch nur in dem begrenzten Rahmen, der seiner:ihrer Vorstellung entspricht.

Exemplarisch für jene Akteur:innen, die wir dem Typ des:der Pragmatiker:in zugeordnet haben, steht Person B2.1. Auf die Frage, inwieweit Kinder und Jugendliche hinsichtlich ihrer Partizipation im Rahmen des Netzwerks Unterstützung bräuchten, antwortet B2.1:

„Ich glaube schon einmal auch, dass da Unterstützung wichtig ist, einmal weil sie ja noch nicht so vertraut sind mit, mit solchen ganzen Gremien und Netzwerktreffen und strategischen Entscheidungen. Es ist schon ganz gut, die haben das ja auch beim Kinder- und Jugendbeirat so, dass wir da eine Begleitung haben, also ich glaube, es muss sich ein Erwachsener oder zwei müssen sich verantwortlich fühlen, (.) den Kontakt zu halten, auch Dinge zu erklären oder vorzubereiten, (..) um einfach effektiver auch die Ressourcen der Kinder und Jugendlichen zu nutzen. Also so eine Begleitung, auch vertrauensvolle Begleitung, ich glaube auch Wissensträger sein […] Das kann man noch nicht der vollen Selbstorganisation überlassen der Kinder und Jugendlichen, das klappt ja bei vielen Erwachsenen noch nicht mal.“ (Interview-Nr. 8, Zeilen 794–813)

B2.1 erörtert, warum aus seiner Perspektive Kinder und Jugendliche bei ihrer Beteiligung am Netzwerk weiterhin auf Unterstützung und Begleitung durch Erwachsene angewiesen sind. Dabei verdeutlicht er, dass die Strukturen der Gremien und Netzwerktreffen sowie die Fähigkeit, strategische Entscheidungen zu treffen, spezifische Kenntnisse und Erfahrungen erfordern, die Kinder und Jugendliche noch nicht erworben haben. Obwohl B2.1 nicht näher darauf eingeht, was er genau mit ‚strategischen Entscheidungen‘ meint, scheint es, als meine er damit Entscheidungen, die vorwiegend für das Netzwerk von Nutzen sind. Strategische Entscheidungen setzen die grundlegende Fähigkeit voraus, mögliche Auswirkungen abschätzen zu können. Besonders wenn diese nicht unmittelbar eintreten, sondern erst mit der Zeit wirken. Diese zeitliche Komponente kann jedoch aufgrund der Lebensrealitäten von Kindern und Jugendlichen zu Inkompatibilitäten führen. Daher liegt die Beurteilung dessen, was strategisch sinnvoll ist und was nicht, im Auge der Betrachter:innen. Das wiederum lässt vermuten, dass Kinder und Jugendliche bestimmte Entscheidungen anders treffen würden als die erwachsenen Netzwerkmitglieder.

Die Ausdrucksweise von B2.1 deutet darauf hin, dass er offen dafür ist, die Bemühungen der Kinder und Jugendlichen als Lernprozesse anzuerkennen. Es sind jedoch die Erwachsenen, die die Kriterien für diese Lernprozesse festlegen und bewerten. Abschließend unterstreicht B2.1 erneut die Bedeutung von Zeit. Zeit spielt sowohl implizit eine Rolle, in Bezug darauf, wer in der Lage bzw. bereit ist, strategische Entscheidungen für das Netzwerk zu treffen. Als auch explizit, hinsichtlich des Zeitrahmens, den B2.1 den Kindern und Jugendlichen für ihre Lern- und Erfahrungsprozesse zugesteht.

In diesem Kontext betrachtet B2.1 Kinder und Jugendliche als wertvolle Ressourcen für das Netzwerk, die es im Rahmen ihrer Beteiligung bestmöglich zu nutzen gilt. Er erkennt somit ein erhebliches Potenzial in den jungen Menschen, das sich positiv auf das Netzwerk auswirken kann.

An anderer Stelle hebt B2.1 hervor, dass es seiner Meinung nach Grenzen bezüglich der Partizipation von Kindern und Jugendlichen gibt.

„Aber ich glaube auch, zum ernst nehmen gehört, glaube ich, aber auch dazu, auch Grenzen aufzuzeigen, ganz ehrlich und transparent und zu sagen ‚So, hier/ da dürft ihr nun mal nicht mitreden‘ oder ‚Hier mal ganz ehrlich, da habt ihr nur/ wisst ihr nur die Hälfte des Ganzen‘. Dann, das gehört ja auch dazu, dass, da sind auch einfach natürlich auch einfach Grenzen.“ (Interview-Nr.: 8, Zeilen 508–513),

Es gibt also (Themen‑)Bereiche, da sollte Kindern und Jugendlichen nicht einmal gestattet sein, mitzureden.

Während des Interviews werden die Erfahrungen und das Wissen Erwachsener wiederholt als Vergleichsdimensionen herangezogen.

„Genau, also die gerne Strukturen dann auch haben, aber die müssten dann auch genutzt werden, also so nach dem Motto ‚Wenn ihr gleichberechtigt sein wollt, dann müsst ihr euch auch quasi da erwachsen verhalten‘.“ (Interview-Nr. 8, Zeilen 900–903)

Die Bedeutung von sich „erwachsen verhalten“ wird in diesem Kontext nicht weiter aufgeschlüsselt, dient aber als Differenzkategorie. Diese kann durch entsprechendes Verhalten der Kinder und Jugendlichen theoretisch zwar aufgelöst werden und so sogar zu gleichberechtigter Teilhabe führen. Die Entscheidung, wann sich Kinder und Jugendliche dieses Recht verdient haben, verbleibt jedoch bei den Erwachsenen.

Damit bewegt sich das Partizipationsverständnis des:der Pragmatiker:in auf der Pyramide von Wong et al. (2010) zwischen Adult Control und Shared Control. Einerseits räumt der:die Pragmatiker:in den Kindern und Jugendlichen ein Mitbestimmungsrecht ein und bietet Unterstützung. Andererseits liegt die Entscheidung, hinsichtlich welcher Belange Kinder und Jugendliche mitbestimmen dürfen, aus seiner:ihrer Sicht bei den Erwachsenen. Dadurch werden die Kinder und Jugendlichen von bestimmten Entscheidungen de facto ausgeschlossen.

5.3 Typ C: Der:Die Skeptiker:in

Diesem Typen entsprechen ebenfalls drei der insgesamt 18 interviewten Akteur:innen. Der:die Skeptiker:in macht sich stark dafür, Kindern und Jugendlichen zuzuhören und sie nach ihrer Meinung zu fragen. Das geht seiner:ihrer Meinung nach jedoch keineswegs automatisch mit einem Mitbestimmungsrecht einher. Es geht eher darum, ein Stimmungsbild mit Blick auf geplante Angebote und Vorhaben einzuholen, deren Zielgruppe die Kinder und Jugendlichen sind. Dabei begreift der:die Skeptiker:in erwachsene Akteur:innen, die mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten, ebenfalls als legitime Stellvertreter:innen junger Menschen. Jedoch ohne, dass dies mit den Kindern und Jugendlichen abgesprochen sei und diese Akteur:innen etwa über ein Mandat der Kinder und Jugendlichen verfügen würden. Begründet wird dies mit dem Praxiswissen der Erwachsenen, wenn es um die Gestaltung der Angebote geht. Wie die anderen beiden Typen befürwortet auch der:die Skeptiker:innen die Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, dass es sich dabei um ein sehr begrenztes Verständnis von Partizipation handelt, welches gemessen am wissenschaftlichen Diskurs in weiten Teilen gar als Pseudo- bzw. Nicht-Partizipation gewertet werden muss.

Auf die Frage, wie sich B2.2 die Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Netzwerks vorstellen könnte, antwortet er:

„Mhm, ich glaube dass sie für uns so ein bisschen als Scouts fungieren können. Welche Angebote gefragt sind, wo und wann man vielleicht Angebote stattfinden lassen könnte, um alle zu erreichen oder um eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen, wo wir vielleicht/ wir Erwachsenen oftmals zu weit entfernt sind, um wirklich realistisch beurteilen zu können, ob dieses Angebot und dieses oder jenes Angebot Anklang findet. […] Und da könnte ich mir eine, eine Teilha/ also eine TeilNAHME der Kinder und Jugendlichen an diesen Sitzungen, an regelmäßigen Sitzungen sehr gut vorstellen. Dass man so sagt, was weiß ich, im Monat, alle zwei Monate findet ein [Name des Netzwerks]-Treffen statt. Vielleicht die ersten zwei Stunden, wo einfach mal, oder wo einfach mal alle mit in einen Raum kommen. Oder zuerst mal geguckt wird, wie eine Bestandsaufnahme, und dann kommen irgendwann Kinder und Jugendliche dazu, um zu sagen ‚Wir finden das scheiße und das gut‘, (.) so, das könnte ich mir sehr gut vorstellen.“ (Interview-Nr. 9, Zeilen 290–309)

Die Rolle, die Kinder und Jugendliche im Rahmen ihrer Beteiligung spielen sollten und welche Funktion sie dabei zu erfüllen hätten, wird hier unmissverständlich geäußert. Zudem geht aus diesem Zitat besonders deutlich hervor, wie sehr diese Vorstellung mit einem Nutzen für das Netzwerk und die beteiligten Akteur:innen konnotiert ist. Diesbezüglich gilt zu berücksichtigen, dass viele der erwachsenen Akteur:innen, die Teil der Netzwerke sind, darauf angewiesen sind, dass ihre Angebote von Kindern und Jugendlichen angenommen werden. Das resultiert nicht selten aus einem gewissen Legitimitätsdruck beispielsweise gegenüber Förderstellen.

Auf die Frage, welche Rolle die Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Netzwerks bisher spielte, antwortet B2.2:

„Ja ich glaube, dass bei [Name des Netzwerks] (…) ah, ich muss kurz überlegen, wie ich das sage. Also wir haben die Profis aus verschiedenen Bildungsbereichen an einen Tisch geholt. Leute, die in den Grundschulen arbeiten, Kindergarten, weiterführende Schulen, genauso wie private Kulturanbieter aus zum Beispiel mir […]. Oder Töpfern. Und alles, was mit Kultur zu tun hat. Und natürlich das Kulturbüro als übergreifende Institution der Stadt. Und dadurch, dass wir diese ganzen Leute, die jeden Tag […] mit den Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten, dadurch wissen wir halt einfach auch, wo Bedarf ist, wofür Bedarf unter Umständen ist und wie wir diesen Bedarf umsetzen können. Welche Angebote wir schaffen können, um genau diesen Bedarf bei den Kindern und Jugendlichen zu stillen.“ (Interview-Nr. 9, Zeilen 135–147)

Statt darauf zu verweisen, dass eine direkte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bis dato nicht stattgefunden hat, offenbart B2.2 ein Verständnis von Partizipation, das auch bei anderen Akteur:innen festzustellen ist. Aus seiner Sicht findet die Meinung der Kinder und Jugendlichen auch dann Eingang in die Diskussionen, wenn sie selbst nicht anwesend sind, da die Meinungen junger Menschen denen bekannt sind, die mit ihnen zusammenarbeiten. Deshalb begreift er die Nicht-Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen auch nicht automatisch als Nicht-Partizipation.

Damit bewegt sich der:die Skeptiker:in in der Typologie von Wong et al. (2010) zwischen den Typen Vessel und Symbolic und damit im Bereich der erwachsenengesteuerten Partizipation. Mit symbolischer Partizipation ist ein Verständnis von Beteiligung gemeint, welches Jugendlichen die Möglichkeit einräumt, gehört zu werden, sie aber kaum an Entscheidungen teilhaben lässt. Der Typus Vessel hingegen beschreibt eine rigorose Form der Nicht-Partizipation, die es den Jugendlichen nicht mal ermöglicht, sich zu bestimmten Themen zu äußern.

6 Diskussion

Mit der vorliegenden Untersuchung verfolgten wir das Ziel herauszufinden, welche Verständnisse von Kinder- und Jugendpartizipation von den Akteur:innen der untersuchten Bildungsnetzwerke vertreten werden und wie diese zur Partizipation junger Menschen im Rahmen gemeinsamer Vorhaben stehen. Nachdem wir die Ergebnisse im vorherigen Abschnitt darstellten, wollen wir diese nun diskutieren und in Bezug auf den Forschungsstand, den gewählten theoretischen Rahmen und das methodische Vorgehen reflektieren.

Trotz eines wahrhaften Booms des Themas Kinder- und Jugendpartizipation, bleibt eine (systematische) Umsetzung in den meisten Bereichen nach wie vor aus (vgl. Bundesjugendkuratorium 2009; National Coalition Deutschland 2019). Das gilt auch für den Bildungsbereich, wie Hopma (2015) in einem vom UNESCO International Institute for Eductional Planning herausgegebenen Beitrag feststellt:

„In practice, there are very few examples of collaborative policy and programme development in education which have involved youth. Participatory educational planning usually refers to negotiation of policies with stakeholders such as school directors, teachers, and parents“ (S. 26).

Während sich etliche Studien bezüglich dieses Phänomens primär mit den jeweiligen (institutionellen) Rahmenbedingungen auseinandersetzen, setzt unsere Untersuchung bei den beteiligten erwachsenen Akteur:innen an. Ausgehend von der Annahme, dass Erwachsene in vielen Bereichen einen maßgeblichen Einfluss auf die Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen haben, gehen wir der Frage nach, welche Partizipationsverständnisse und welche Haltungen in der Praxis vorzufinden sind. Damit liefern wir neue Impulse bezüglich der Frage, weshalb die Umsetzung von Kinder- und Jugendbeteiligung in so vielen Bereichen nach wie vor mangelhaft ist. Mit der dargestellten Methode konnten wir drei Typen identifizieren, die sich durch unterschiedliche Vorstellungen von Kinder- und Jugendpartizipation auszeichnen. Neun der insgesamt 18 interviewten Akteur:innen lassen sich aufgrund ihrer Merkmalsausprägungen jeweils einem der drei Typen zuordnen. Alle weiteren Akteur:innen lassen eine eindeutige Zuordnung nicht zu und bewegen sich entweder zwischen zwei oder sogar allen drei Typen. Zugleich war keines der Interviews frei von unbeständigen oder gar widersprüchlichen Aussagen. Diese kommen lediglich unterschiedlich stark bzw. häufig vor. Bezüglich des Umstandes, dass die Hälfte der interviewten Akteur:innen nicht nur einem Typen zugeordnet werden kann, ist zweierlei zu beachten: Treseder (1997), Shier (2001, S. 110), Reddy und Ratna (2002, S. 20) sowie Wong et al. (2010, S. 110 f.) wiesen im Rahmen der Ausarbeitung ihrer Typologien bereits darauf hin, dass sich in der Praxis ein und dieselben Personen(gruppen) je nach Kontext und Situation auf verschiedenen Partizipationsstufen bewegen bzw. dass innerhalb eines Programms oder Projekts verschiedene Stufen durchlaufen werden können. Das kann unterschiedliche Gründe haben und liegt nicht selten daran, dass die Umsetzung einer Idee in der Praxis mit Herausforderungen verbunden ist, die bestimmte Anpassungen erforderlich macht. Im Falle unserer Untersuchung ist jedoch zu berücksichtigen, dass wir bereits einen Schritt zuvor ansetzten, und die (Ideal‑)Vorstellungen der erwachsenen Akteur:innen von Kinder- und Jugendpartizipation im Hinblick auf gemeinsame Vorhaben in den Netzwerken abfragten, obwohl diese (bisher) nicht realisiert wurden. Neben recht klar artikulierten Vorstellungen von Partizipation fielen etliche Antworten widersprüchlich oder gar diffus aus und wiesen keine einheitliche Richtung auf. Das veranlasst uns zu der Annahme, dass manche der Akteur:innen ihre Position erst während des Gesprächs aushandelten oder schlicht nicht in der Lage waren, ihre Vorstellung gedanklich stringent auf die Praxis zu übertragen. Das wiederum lässt auf lückenhafte Auffassungen von Kinder- und Jugendpartizipation bzw. nicht gefestigte Positionen unter den Akteur:innen schließen.

Die Typologie von Wong et al. (2010) identifiziert unterschiedliche Typen der Jugendbeteiligung und verbindet diese mit aktuellen Forschungsergebnissen hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen das jeweils für Jugendliche (und Erwachsene) hat. Dadurch lassen sich Interaktionen zwischen Erwachsenen und Jugendlichen nicht nur beschreiben, sondern einer Bewertung unterziehen. Den theoretischen Rahmen bilden das Empowerment-Konzept und die Idee des kritischen Bewusstseins nach Paulo Freire. Damit bietet ihr Modell Möglichkeiten der weiteren Reflexion und somit relevante Anknüpfungspunkte für die Forschung. Bezüglich der Anordnung des Typs Idealist:in auf ihrer Pyramide verweisen die Autor:innen einerseits auf den Lerneffekt, der sowohl die Erwachsenen als auch die Jugendlichen einem kritischen Bewusstsein näher bringt. Andererseits legen sie dar, welche positiven Effekte eine so verstandene Form der Beteiligung sowohl für die Jugendlichen unter dem Aspekt einer gesunden Entwicklung und Befähigung hat, als auch für die Kommune, in der die Jugendlichen partizipieren (vgl. Wong et al. 2010, S. 108 f.). Für den Fall mangelnder Unterstützung durch Erwachsene – beispielsweise im Rahmen selbstorganisierter Projekte – sind negative Effekte jedoch nicht auszuschließen. „Nevertheless, the practice of organizing, planning, and controlling major decision-making can build skills and contribute to increased competence, critical awareness, and self-efficacy“ (S. 110). Es hängt also davon ab, ob Jugendlichen im Rahmen dessen Unterstützung versagt bleibt oder ob sie diese erhalten, sofern sie benötigt wird.

Der Typ Pragmatiker:in bewegt sich zwischen diesem von Wong et al. (2010) als ideal beschriebenen Typus der Pyramide und dem Bereich der erwachsenengesteuerten Partizipation. Dabei sehen die Autor:innen in erwachsenengesteuerten Formen der Partizipation die Gefahr des Missbrauchs durch Erwachsene, etwa zu Manipulationszwecken (vgl. Wong et al. 2010, S. 106). Sie halten jedoch fest: „Adult-driven participation has potential to be both beneficial and detrimental to youth development“ (S. 107). Zugleich können die negativen Folgen dieser Form der Beteiligung infolge ungleicher Machtdynamiken durchaus in Konkurrenz zu den eigentlichen Absichten der Erwachsenen geraten (vgl. Wong et al. 2010, S. 110 f.).

Schlussendlich bewegt sich der Typ Skeptiker:in auf der Pyramide zwischen symbolischer Partizipation und dem, was von Wong et al. (2010) Vessel genannt wird. Zwar können auch symbolische Formen der Partizipation trotz ihrer defizitären Auslegung mit positiven Entwicklungen einhergehen; „By voicing their perspectives, youth have the opportunity to practice critical thinking by formulating opinions about problems and solutions“ (S. 108). Die Wahrscheinlichkeit, dass stattdessen negative Gefühle bei den Jugendlichen hervorgerufen und dadurch Entwicklungspotenziale gehemmt werden, scheint jedoch deutlich höher. Im Bereich des Typus Vessel hingegen sind positive Effekte und Selbstwirksamkeitserfahrungen Jugendlicher in jedem Fall stark begrenzt (vgl. Wong et al. 2010, S. 107f.).

Methodisch entschieden wir uns für die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) und die darauf aufbauende Bildung einer Typologie. Ganz allgemein sind Typologien in der Lage, komplexe Sachverhalte übersichtlich zusammenzufassen, zu beschreiben und Ergebnisse zu generalisieren. Ferner ist es möglich, Sinnzusammenhänge zu rekonstruieren. Im Falle der vorliegenden Untersuchung hilft die Methode der Typologie außerdem dabei, das Material so zu strukturieren, dass auf nachvollziehbare Weise herausgestellt werden kann, inwiefern es interviewten Akteur:innen hinsichtlich des untersuchten Themas an Stringenz fehlt. Abweichungen einzelner Fälle sind fester Bestandteil und bestärken die Erkenntnis, dass die konzeptionelle Unbestimmtheit des Partizipationsbegriffs nicht nur ein Phänomen des wissenschaftlichen Diskurses ist, sondern sich auch in der Praxis widerspiegelt. Die Anwendung der Methode der Typenbildung ermöglichte zwar eine strukturierte Analyse und Systematisierung des umfangreichen Datenmaterials, doch geht dies zwangsläufig mit einer Reduktion von Informationen einher. Die Fokussierung auf ausgewählte Merkmale zur Identifikation unterschiedlicher Typen führt unweigerlich zur Auslassung von Aspekten im Datenmaterial, die nicht direkt mit den ausgewählten Merkmalen verbunden sind. Dadurch werden nuancierte Unterschiede und Facetten möglicherweise nicht vollständig erfasst, was dazu führen kann, dass bestimmte Erkenntnisse, die im Gesamtdatenmaterial vorhanden sind, unberücksichtigt bleiben. Des Weiteren führt die Auswahl der repräsentativen Merkmale zu Generalisierungen, die zu Lasten der Abbildung individueller Variationen innerhalb der untersuchten Gruppen gehen. Diese Limitation, bedingt durch die Natur der Typenbildung, veranlasst uns dazu, die erhobenen Daten weiter kritisch zu prüfen. Beispielsweise deuten Hinweise darauf hin, dass berufliche und persönliche Sozialisationserfahrungen das Partizipationsverständnis der interviewten Akteur:innen prägen. Dies eröffnet Raum für weitere Forschung, um festzustellen, inwieweit diese Hinweise im vorhandenen Material bestätigt werden können und welche methodische Vorgehensweise sich hierfür anbietet. Darüber hinaus sind Untersuchungen zu Partizipationsverständnissen von Erwachsenen in anderen schulischen und außerschulischen Bildungskontexten sowie die Analyse von Hindernissen für die Umsetzung von Kinder- und Jugendpartizipation in der Praxis von Bedeutung. Und schlussendlich betont der qualitative Charakter unserer Forschung die Notwendigkeit einer weiteren Überprüfung durch nachfolgende quantitative Forschungsdesigns, um die Generalisierbarkeit unserer Erkenntnisse zu stärken.

Abschließend wollen wir auf eine Sache zu sprechen kommen, auf die bereits Wong et al. (2010) hinwiesen. Nämlich dass das, was Erwachsene beabsichtigen und das, was sie wirklich bewirken, weit auseinander gehen kann. Reddy und Ratna (2002) formulieren es folgendermaßen: „adults play all these roles sometimes intentionally or unintentionally“ (S. 20). In beiden Fällen wird diese Annahme nicht weiter ausgeführt. Wir halten das jedoch für einen bedeutenden Punkt. Denn mit Ausnahme dieser Hinweise lassen sämtliche im Theorieteil erwähnten Modelle die Annahme zu, dass verschiedene Beteiligungsstufen bzw. -grade von Kindern und Jugendlichen das Resultat bewusster Entscheidungen Erwachsener seien. Unsere Untersuchung stellt jedoch heraus, dass die interviewten Akteur:innen häufig schlichtweg keine stringente Vorstellung von Partizipation haben. Fraglich bleibt also, ob automatisch von einem Bewusstsein der Akteur:innen über die eigene Haltung ausgegangen werden kann. Es ist nicht auszuschließen, dass diese schlicht aus einer Form der Unwissenheit gegenüber verschiedenen partizipativen Konzepten und Ideen resultiert. Folglich ist davon auszugehen, dass sie sich auch der Auswirkungen unterschiedlicher Partizipationsformen nicht immer bewusst sind. Das offenbart eine große Lücke unter Praktiker:innen, was das inhaltliche Verständnis geschweige denn eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema betrifft.