1 Einleitung

Die duale Berufsausbildung gilt als Kernelement der beruflichen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Baethge 2014; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006). Als Beleg hierfür wird regelmäßig auf deren großen Beitrag für die erfolgreiche Qualifikation junger Menschen für die Wirtschaft und die gelingende Integration der Heranwachsenden in die Gesellschaft verwiesen (vgl. Baethge 2010).

Allerdings finden sich in der Fachliteratur zunehmend auch kritische Stimmen, welche die Zukunftsfähigkeit der dualen Berufsausbildung in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit in Frage stellen. Diese (s. bspw. Steib 2020) halten fest, dass die duale Berufsausbildung – getrieben durch Einflussfaktoren, wie den demografischen Wandel, den zunehmenden Fachkräftemangel und das veränderte Bildungsverhalten junger Menschen (vgl. Billett et al. 2022; Deissinger 2022), – momentan durch einige gravierende Verwerfungen unter Druck gesetzt wird: Bspw. hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt so verschoben, dass heute von einem Nachfragermarkt gesprochen werden muss, auf welchem sich die potenziellen Auszubildenden ihre zukünftige Ausbildungsstelle und ihren zukünftigen Arbeitgeber (relativ) frei aussuchen können. Dies wird auch durch die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ermittelte klassische Angebots-Nachfrage-Relation (kANR) bestätigt, welche für das Berichtsjahr 2020 ca. 106,2 Angebote pro 100 Nachfrager*innen ausweist (vgl. BMBF 2021). Damit hat die kANR im Berichtsjahr 2020 den – für die Ausbildungsstellennachfrager*innen positiven, für die -anbieter*innen negativen – Höchstwert seit dem Berichtsjahr 1993 erreicht (vgl. BMBF 2021; Schier 2019; Ulrich 2015). Gleichzeitig verharrten im Berichtsjahr 2019 die Quote der ausbildenden Unternehmen unter allen Unternehmen (Ausbildungsbetriebsquote) mit ca. 19,6 % (425.781 ausbildende Unternehmen) auf niedrigem Stand sowie die Quote der aufgelösten Ausbildungsverträge unter allen Ausbildungsverträgen (Vertragslösungsquote) mit ca. 26,9 % (154.149 aufgelöste Ausbildungsverträge) auf hohem Stand (vgl. BMBF 2021).

In der Folge derartiger Verschiebungen gerät die Frage nach der immanenten Qualität der dualen Berufsausbildung immer stärker in den Mittelpunkt des (berufs-)bildungswissenschaftlichen Interesses (vgl. Esser 2016; Sauli et al. 2021; Spöttl 2008). Denn angesichts der nunmehr knappen Anzahl an Ausbildungsstellennachfrager*innen kommt es für die ausbildenden Unternehmen zur Sicherung ihres eigenen Fachkräftebedarfs verstärkt darauf an, eine ausreichende Anzahl junger Menschen für eine duale Berufsausbildung im eigenen Unternehmen zu gewinnen, bestmöglich zu qualifizieren und nach dem Abschluss der Berufsausbildung im eigenen Unternehmen zu halten (vgl. Sabbagh und Ansmann 2022; Wisshak und Hochholdinger 2018).

Frommberger (2013) führt aus, dass Bemühungen zur Verbesserung der Qualität der dualen Berufsausbildung eher auf Verständnis stoßen, wenn diese mit den Vorstellungen des an der dualen Berufsausbildung beteiligten Ausbildungspersonals konform gehen. Daher ist es zunächst erforderlich, deren subjektive Vorstellungen zu identifizieren und zu analysieren (vgl. Frommberger 2013; Sauli et al. 2021; Münk und Weiß 2009).

Hier setzt der vorliegende Beitrag an. Er fokussiert die folgende Forschungsfrage: Welche Vorstellungen haben Ausbilder*innen und Lehrer*innen von qualitativ hochwertiger dualer Berufsausbildung?

Um diese Forschungsfrage zu beantworten, gliedert sich der vorliegende Beitrag wie folgt: Im zweiten Kapitel werden zunächst der Qualitäts-Begriff sowie das auf einem nach Gliederungsebenen und Prozessschritten aufgeschlüsselten Qualitäts-Verständnis beruhende und in der Pilotstudie erweiterte Modell der Qualität der dualen Berufsausbildung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) erläutert. Im dritten Kapitel wird das methodische Vorgehen der zugrundeliegenden Studie dargestellt. Die Auswertung der Forschungsergebnisse erfolgt im vierten Kapitel. Der Beitrag schließt mit der Diskussion der Ergebnisse im fünften Kapitel.

2 Theoretischer Hintergrund

Der Begriff Qualität enthält, unabhängig davon, welches Qualitäts-Modell zugrunde gelegt wird, zunächst keine Wertung, sondern gewinnt diese erst durch die jeweilige Perspektive des Betrachters (vgl. Euler 2005; Griffin 2017; Guthrie und Waters 2022; Terhart 2002). Bereits an der Durchführung der dualen Berufsausbildung sind verschiedene Ausbildungsorte und verschiedene Personengruppen beteiligt (vgl. ZDH 2019), welche trotz eines gemeinsamen Ziels (vgl. § 2 Abs. 2 BBiG), nämlich der Beförderung des Aufbaus einer beruflichen Handlungsfähigkeit durch die Auszubildenden (vgl. § 1 Abs. 3 BBiG), verschiedene Profile, Aufgaben und Bildungswege besitzen (vgl. Sauli et al. 2021) und verschiedene Qualitäts-Verständnisse aufweisen (können) (vgl. Sabbagh und Ansmann 2022; Sauli et al. 2021; Windelband et al. 2014; Wittwer 2014).

In der „,Hamburger Erklärung’ zur Qualität in der Berufsbildung“ wurde diese als das „Verhältnis zwischen tatsächlicher und geforderter Beschaffenheit“ (Mirbach 2009, S. 94), d. h. als das Ausmaß der Differenz zwischen Ist und Soll der Beschaffenheit der beruflichen Bildung definiert (vgl. Mirbach 2009). Demnach ist es erforderlich, dass das Soll der Beschaffenheit bekannt ist, um das Ist der Beschaffenheit einordnen und bewerten zu können. Dies gilt auch für die Frage nach der Qualität einer bzw. der dualen Berufsausbildung.

Zwar wurde die Thematik der Qualität der dualen Berufsausbildung in den vergangenen Jahren (wieder) verstärkt zum Gegenstand wissenschaftlicher Studien gemacht, die sich der Ermittlung des inhärenten Ausmaßes der Qualität der bzw. einer dualen Berufsausbildung zugewandt haben (vgl. Böhn und Deutscher 2020), doch nehmen diese Studien aufgrund ihrer Annahmen, Anlagen und Methodiken vornehmlich sehr ähnliche Ausschnitte des Forschungsfeldes in den Blick:

  • Die angefertigten Studien beschränken sich mehrheitlich auf die Betrachtung eines Ausbildungsortes (s. bspw. Guthrie und Waters 2022; Krötz und Deutscher 2021), überwiegend des Ausbildungsbetriebes, und/oder einer Personengruppe (s. bspw. BIBB 2010; Sauli et al. 2021; Wisshak und Hochholdinger 2018), regelmäßig der Ausbilder*innen oder der Auszubildenden. Studien zu den Ausbildungsorten Berufsschule und Überbetriebliche Berufsbildungsstätte bzw. den Verständnissen der Lehrer*innen oder des Überbetrieblichen Bildungspersonals – insbesondere im Kontext des deutschen (Berufs‑)Bildungswesens sowie im Vergleich zu dem Ausbildungsbetrieb bzw. den Verständnissen der Ausbilder*innen – liegen jedoch kaum vor (vgl. Böhn und Deutscher 2020, 2019).

  • Obgleich das Soll und das Ist der Beschaffenheit einer dualen Berufsausbildung bekannt sein müssen, um die Qualität einer bzw. der dualen Berufsausbildung bewerten zu können (vgl. Mirbach 2009), beschränken sich die angefertigten Studien regelmäßig auf die Feststellung des Ist-Wertes (s. bspw. Krötz und Deutscher 2021; Sauli et al. 2021). Über den Soll-Wert ist jedoch kaum etwas bekannt. Auf dieser Grundlage können zwar die Beschaffenheiten zweier dualer Berufsausbildungen miteinander verglichen werden; Aussagen über die jeweiligen Qualitäten dieser dualen Berufsausbildungen sind jedoch nicht möglich.

  • Die vorhandenen Studien basieren größtenteils auf quantitativen Erhebungen (s. bspw. BIBB 2010; Griffin 2017; Krötz und Deutscher 2021; Sauli et al. 2021; Wisshak und Hochholdinger 2018). Es muss jedoch kritisch hinterfragt werden, ob deren standardisierte Form die Subjektivität der individuellen Qualitäts-Verständnisse der beteiligten Personengruppen in ausreichendem Maße berücksichtigen kann.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die vorliegenden Studien aufzeigen konnten, dass es sich bei der Qualität dualer Berufsausbildung „um ein komplexes Konstrukt handelt, dessen Verständnis und Beurteilung von zahlreichen Aspekten beeinflusst wird“ (BIBB 2010, S. 27). Allerdings besteht aufgrund der oben genannten Limitationen der vorhandenen Studien weiterer Forschungsbedarf.

Da es sich bei der Qualität dualer Berufsausbildung um ein komplexes Konstrukt handelt, besteht in der Fachliteratur Einigkeit darüber, dass diese – unabhängig von bestehenden Differenzen in ihren Begriffsverständnissen (vgl. Spöttl 2008) – nur erhoben werden kann, wenn sie „möglichst differenziert“ (BIBB 2010, S. 34) betrachtet wird. In diesem Sinne stellen bspw. Ditton (2007), Fischer et al. (2014), Frommberger (2013) sowie Nickolaus (2009) heraus, dass es für die Beurteilung der Qualität im Bildungswesen notwendig ist, diese nach Gliederungsebenen (Mikroebene: Lehr-Lern-Prozess, Mesoebene: Bildungseinrichtung, Makroebene: Rahmenbedingungen) und Prozessschritten (Input, Prozess, Output, Outcome) aufgeschlüsselt zu untersuchen.

In der Fachliteratur wird herausgestellt, dass in der Praxis der Lehr-Lern-Prozess, d. h. die Interaktion zwischen der/dem/den Lehrenden und der/dem/den Lernenden, welcher auf der untersten Ebene einer Mehrebenen-Betrachtung verortet werden muss, weitgehend von den steuernden und/oder reglementierenden Einflüssen der mittleren Ebene und der obersten Ebene entkoppelt stattfindet (vgl. Fischer et al. 2014). Folglich ist von besonderem Interesse, welches Verständnis von qualitativ hochwertiger dualer Berufsausbildung diejenigen Personen besitzen, die an den auf der Mikroebene stattfindenden Lehr-Lern-Prozessen als Lehrende teilnehmen, d. h. die Ausbilder*innen der Ausbildungsbetriebe und die Lehrer*innen der Berufsschulen (vgl. Frommberger 2013; Münk und Weiß 2009).

Ein die Mikroebene fokussierendes und alle Prozessschritte thematisierendes Modell der Qualität der dualen Berufsausbildung wurde im BIBB-Forschungsprojekt Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden in Anlehnung an die Studie der Sachverständigenkommission „Kosten und Finanzierung der beruflichen Bildung“ (1974) entwickelt und validiert (vgl. BIBB 2010) (s. Abb. 1). Dieses Modell ist für die Modellierung des Erhebungsinstrumentes zur Beantwortung der oben genannten Forschungsfrage besonders geeignet, da es sowohl den Ausbildungsort Betrieb als auch den Ausbildungsort Berufsschule berücksichtigt (vgl. BIBB 2010).

Abb. 1
figure 1

Qualitäts-Modell im BIBB-Forschungsprojekt Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden. (Quelle: Beicht et al. 2009, S. 3)

Im Modell wurden jeweils die beiden Qualitäts-Dimensionen Input und Prozess sowie Output und Outcome zusammengefasst und mit insgesamt 52 Qualitäts-Kriterien (42 Kriterien für Input und Prozess, 10 Kriterien für Output und Outcome) beschrieben (vgl. BIBB 2010).Footnote 1

Obgleich das Modell überzeugt, lassen sich jedoch zwei Kritikpunkte formulieren: Erstens wird in dem Modell der Ausbildungsort Betrieb zentriert und der Ausbildungsort Berufsschule verkürzt dargestellt. Zweitens vernachlässigt das Modell die weiteren Ausbildungsorte, wie die Überbetriebliche Berufsausbildungsstätte. Daher müssen in weiteren Studien in einem ersten Schritt die beiden Ausbildungsorte Betrieb und Berufsschule vollständig, in einem zweiten Schritt um den Ausbildungsort Überbetriebliche Berufsbildungsstätte ergänzt betrachtet werden. Dem vorliegenden Beitrag liegt eine Studie des ersten Schrittes zugrunde.

3 Methodische Vorgehensweise

Oben genannten Überlegungen zum bislang ungenügenden Erkenntnisstand zur Qualität dualer Berufsausbildung folgend, steht im vorliegenden Beitrag die qualitative Erhebung und Auswertung der Vorstellungen von qualitativ hochwertiger dualer Berufsausbildung der beiden Personengruppen Ausbilder*innen und Berufsschullehrer*innen im Vordergrund. Der qualitative Erhebungszweig wurde hier gewählt, da dieser „primär auf eine verstehend-interpretative Rekonstruktion sozialer Phänomene in ihrem jeweiligen Kontext ab(zielt), wobei es vor allem auf die Sichtweisen und Sinngebungen der Beteiligten ankommt“ (Döring und Bortz 2016a, S. 63). Hierbei steht also nicht das Erklären von Objekten, sondern das Verstehen von Subjekten, d. h. das Verstehen von in sozialen Kontexten handelnden Menschen, im Mittelpunkt (vgl. Hopf 1982; Lamnek 1995, 1989).

Dabei beruht der vorliegende Beitrag auf einer in den Jahren 2018 und 2019 durchgeführten Pilotstudie, in welcher anhand eines halbstandardisierten Erhebungsinstruments, nämlich des leitfadengestützten Experteninterviews, drei Ausbilder*innen und drei Berufsschullehrer*innen nach ihren Vorstellungen von qualitativ hochwertiger dualer Berufsausbildung befragt wurden.

Nach Bogner und Menz (2009) kann das leitfadengestützte Experteninterview dazu eingesetzt werden, um Deutungswissen und Sinnentwürfe der Expert*innen zu entdecken, welche jedoch nicht direkt, sondern nur indirekt über eine Interpretationsleistung des/der Forschenden erschlossen werden können. Als Expert*innen gelten nach Bogner und Menz (2009) sowie Meuser und Nagel (2009) in diesem Sinne alle Personen, die „über technisches, Prozess- und Deutungswissen (verfügen), das sich auf ein Handlungsfeld bezieht“ (Bogner und Menz 2009, S. 73) und über das nicht jedermann verfügt, sowie (zumindest partiell) in diesem Handlungsfeld die Möglichkeit besitzen, ihre Orientierungen und Vorstellungen durchzusetzen.

In der Pilotstudie wurden alle Expert*innen aus dem kaufmännisch-verwaltenden Bereich der dualen Berufsausbildung ausgewählt und waren u. a. in der Ausbildung zum IHK-Ausbildungsberuf Industriekauffrau/Industriekaufmann eingesetzt. Die Einschränkung auf den kaufmännisch-verwaltenden Bereich und den Ausbildungsberuf Industriekauffrau/Industriekaufmann wurde in der Pilotstudie vorgenommen, um eine größere Vergleichbarkeit über die in den einzelnen Experteninterviews erhaltenen Aussagen realisieren zu können (vgl. Gläser und Laudel 2009).

Die Grundgesamtheit der potenziellen Interviewpartner*innen setzte sich damit aus allen in der dualen Berufsausbildung zur Industriekauffrau/zum Industriekaufmann eingesetzten Ausbilder*innen und Lehrer*innen zusammen. Aus erhebungstechnischen Gründen wurde auf eine Vollerhebung verzichtet und aus der Grundgesamtheit (N) eine Fallauswahl (n) anhand eines qualitativen Stichprobenplanes getroffen (vgl. Schreier 2010), welcher die zu untersuchende Stichprobe nach den beiden auf der Grundlage der theoretischen Exploration als besonders relevant erscheinenden Merkmale: (i) Personengruppe und (ii) Berufserfahrung, untergliederte (s. Tab. 1) (vgl. Lamnek 1989; Schreier 2010). Zu jeder der sechs Merkmalskombinationen wurde eine Person gesucht und befragt (n = 6).

Tab. 1 Qualitativer Stichprobenplan

Da das BIBB-Qualitäts-Modell in seiner Originalform vordergründig den Ausbildungsort Betrieb fokussiert, war es notwendig, es in der Pilotstudie dahingehend zu erweitern, dass mit Hilfe der formulierten Qualitäts-Kriterien die Vorstellungen der Ausbilder*innen und Lehrer*innen von einer qualitativ hochwertigen dualen Berufsausbildung in den Ausbildungsorten Betrieb und Berufsschule abgefragt werden.

Auf der Grundlage des erweiterten BIBB-Qualitäts-Modells wurde als Erhebungsinstrument ein teilstandardisierter Interviewleitfaden entwickelt und eingesetzt (vgl. Beicht et al. 2009; BIBB 2010).

Der Interviewleitfaden beginnt zunächst mit einer einleitenden Passage, in welcher die interviewende Person sich, das Forschungsvorhaben und den Interviewablauf vorstellt und darauf hinweist, dass die Auswertung des Interviews anonymisiert erfolgt, um eine vertrauliche und konstruktive Atmosphäre herzustellen (vgl. Wroblewski und Leitner 2009). Block I eröffnet das eigentliche Interview mit einigen Fragen zur interviewten Person sowie zu ihrer Bildungs- und Erwerbsbiografie. Der Kern des Interviewleitfadens findet sich in den Blöcken II bis VIII, welche aus den Qualitäts-Kriterien des in der Pilotstudie erweiterten BIBB-Modells abgeleitet wurden. Dabei werden die Qualitäts-Kriterien der beiden Qualitäts-Dimensionen Input und Prozess in den Blöcken II bis VII und der beiden Qualitäts-Dimensionen Output und Outcome im Block VIII behandelt. Im Unterschied zu den Blöcken II bis V wird in den Blöcken VI (jugendspezifische Aspekte), VII (Lernortkooperation) und VIII (Ausbildungsergebnisse) nicht zwischen den beiden Ausbildungsorten unterschieden. Block IX enthält zusätzliche Fragen, um der interviewten Person Anmerkungen zu erlauben. Zudem wird hier der interviewten Person gedankt und das Interview beendet.

Der Interviewleitfaden wurde in zwei Pretest-Interviews (verwendete Pretestverfahren: Problem-Coding, Think-Aloud und Follow-up-Comprehension-Probing (vgl. Häder 2019)) mit jeweils einer Person aus den beiden Gruppen hinsichtlich seiner Verständlichkeit und Schlüssigkeit überprüft. Beide Interviews dauerten jeweils knapp eine Stunde und damit eine vertretbare Zeitspanne (vgl. Häder 2019). Es wurde festgestellt, dass Verständnisschwierigkeiten der befragten Personen lediglich bei einzelnen Begrifflichkeiten auftraten, welche daraufhin überprüft und gegebenenfalls überarbeitet wurden.

Alle Interviews wurden mit Zustimmung der interviewten Personen aufgezeichnet und anhand der Transkriptionsregeln nach Kallmeyer und Schütze (1976) sowie Kuckartz (2018) transkribiert, welche eine exakte Gesprächsrekonstruktion anstreben, aber leichte Satzbaufehler zugunsten einer besseren Verständlichkeit vernachlässigen.

Die Auswertung der Interviews erfolgte auf der Grundlage der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018), welche eine siebenschrittige Vorgehensweise vorsieht (s. Abb. 2). Über die Fragestellung und das Theoriegerüst wird die Struktur zunächst deduktiv als Haupt- und Oberkategorien an das Material herangetragen, später induktiv als Unterkategorien aus dem Material abgeleitet (vgl. Kuckartz 2018; Mayring 2010, 2002). Diese Haupt‑, Ober- und Unterkategorien werden in nachfolgenden Analyseschritten stetig überprüft und überarbeitet (vgl. Mayring 2010).

Abb. 2
figure 2

Ablauf der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse. (Quelle: Kuckartz 2018, S. 100)

In der Pilotstudie wurde die Einhaltung der Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung nach dem Kriterienkatalog (Verfahrensdokumentation, argumentative Interpretationsabsicherung, Regelgeleitetheit, Nähe zum Gegenstand, kommunikative Validierung, Triangulation) nach Mayring (2010, 2002) überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass alle Gütekriterien erfüllt wurden.

4 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

4.1 Hauptkategorie Organisation

In der Oberkategorie Organisation Allgemein wurde für den Ausbildungsbetrieb von den befragten Personen beider Gruppen und für die Berufsschule von Seiten der befragten Lehrer*innen betont, dass zentrale Ordnungsprinzipien für die duale Berufsausbildung festgelegt und eingehalten werden müssten.

„Also ich finde, die Ausbildung ist im Betrieb dann gut organisiert, wenn der Auszubildende sehr viel vom Betrieb kennenlernt (…), verschiedene Abteilungen durchläuft (…), also wenn von vornherein klar ist, (…), jeder durchläuft dann und dann die Abteilung und hat dann auch den gesamten Betrieb kennengelernt und den gesamten Ablauf, genau.“ (L3, Z. 34–42).

Für den Ausbildungsbetrieb wurde zudem von Seiten der befragten Ausbilder*innen angefügt, dass es wichtig sei, einen Ansprechpartner für die Auszubildenden zu bestimmen.

„(…), dass sie [die Auszubildenden] (…) einen Ansprechpartner haben. Weil, das ist ja für die auch neu, nach der Schule, (…) eine Ausbildung anzufangen. Und es gibt nichts Schlimmeres, als wenn du alleine gelassen wirst.“ (A2, Z. 44–47).

Ferner wurde für beide Ausbildungsorte von Seiten der befragten Ausbilder*innen angemahnt, dass die bestehenden Rechtsvorschriften einzuhalten und die Gleichbehandlung der Auszubildenden sicherzustellen seien.

Hinsichtlich der Oberkategorien Vorhandensein und Einhaltung eines betrieblichen Ausbildungsplans im Ausbildungsbetrieb bzw. einer didaktischen Jahresplanung in der Berufsschule besteht große Einigkeit über die befragten Personen beider Gruppen, dass beide Ausbildungsmittel einem am Lernenden orientierten Verständnis und einem strukturierten Aufbau folgen müssten sowie verbindlich einzuhalten, aber flexibel umzusetzen seien.

„Dass (…), was in diesem Plan [dem betrieblichen Ausbildungsplan] alles vorgesehen ist, auch in einem systematischen Ausbildungsgang sozusagen vermittelt wird, (…).“ (L1, Z. 40–41).

„(…) finde ich ganz wichtig, dass die didaktische Jahresplanung nicht so etwas Starres ist, sondern dass sie da auch hingehend verändert wird, (…), auch in die Richtung, dass, (…), der Rahmenlehrplan ja auch keine Schwerpunktsetzung dahingehend vorsieht, was für Schüler habe ich da eigentlich vor mir, aus welchen Betrieben kommen die.“ (L3, Z. 130–134).

Die befragten Personen beider Gruppen stellen für den Ausbildungsplan im Ausbildungsbetrieb heraus, dass dieser dazu dient, die Vollständigkeit der dualen Berufsausbildung zu gewährleisten. Zugleich merken sie für die didaktische Jahresplanung in der Berufsschule an, dass diese kontinuierlich überarbeitet werden müsse, um dem aktuellen Stand in den Ausbildungsbetrieben und Ausbildungsberufen zu entsprechen.

„Also bei der didaktischen Jahresplanung, (…), ist ganz wichtig, dass, (…), diese (…) auch überdacht wird und (…) immer wieder neu überdacht wird (…). Weil, wenn man jetzt bei den Industriekaufleuten zum Beispiel an dieses sehr alte Curriculum denkt, da sind Dinge, (…), die in dem Rahmenlehrplan fehlen, (…), die dann aber durch die didaktische Jahresplanung reinkommen können.“ (L3, Z. 122–130).

Zudem wird von Seiten der befragten Lehrer*innen festgehalten, dass die didaktische Jahresplanung der Kontrolle der Abarbeitung sowie der Abstimmung der Lehrkräfte dient. Ferner wird von Seiten der befragten Ausbilder*innen eingefordert, dass die didaktische Jahresplanung in den Ausbildungsbetrieben vorgestellt werden müsse.

Für beide Ausbildungsorte wird zur Oberkategorie Mitwirkung Auszubildende von den befragten Personen beider Gruppen festgehalten, dass die Verantwortung für die Durchführung und den Erfolg der dualen Berufsausbildung beim Ausbildungsbetrieb bzw. bei der Berufsschule liegen muss. Dennoch sollte die Mitsprache der Auszubildenden gefördert und mit zunehmender Dauer der Ausbildung gesteigert werden.

„Das sollte dann vielleicht so sein, dass der Ausbildungsplan (…) so gestaltet werden kann, dass wenn noch bestimmte Schwerpunkte vielleicht dem Auszubildenden fehlen (…), dass das (…) später, im Nachhinein aufgrund des Auszubildenden dann nochmal verändert werden könnte. Allerdings trotzdem unter dem Aspekt, dass erstmal verbindlich ist, dass alle Bereiche durchlaufen werden.“ (L3, Z. 86–92).

„(…) die Organisation ist ja erstmal von der Schule vorgegeben, da haben die Schüler wenig Einfluss drauf (…), vielleicht dahingehend, dass die Schüler im Unterricht, (…), auch Wünsche äußern können, auch bezüglich der Inhalte oder auch sagen können, das und das würden wir gerne vertiefen.“ (L2, Z. 80–84).

Zusätzlich seien die rechtlichen Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung zu beachten.

4.2 Hauptkategorie Materielle Bedingungen

Die befragten Personen beider Gruppen stellen zu der Oberkategorie Materielle Bedingungen Allgemein fest, dass in beiden Ausbildungsorten eine für die duale Berufsausbildung im jeweiligen Ausbildungsberuf notwendige materielle Ausstattung bereitgestellt werden muss, welche vollständig und zeitgemäß sein müsse.

„Dem Auszubildenden ist (im Ausbildungsbetrieb) alles zur Verfügung zu stellen, was er braucht.“ (A1, Z. 123).

„(…), die Ausbildung an der Berufsschule muss natürlich den modernen Erfordernissen gerecht werden und das heißt, es muss eine sehr (…) gute (…) materielle Ausstattung in der Schule vorhanden sein.“ (L1, Z. 161–164).

Im Vergleich der beiden Ausbildungsorte wird von den befragten Personen beider Gruppen insbesondere die Notwendigkeit der Vollständigkeit und der Aktualität der materiellen Ausstattung in der Berufsschule betont. Dies liegt nach deren Aussagen zum einen daran, dass die befragten Personen von der Berufsschule stärker als vom Ausbildungsbetrieb eine betriebsübergreifende Qualifikation der Auszubildenden verlangen: „(…) teilweise auch als Auffangbecken dafür, dass eben Unterschiede leider Gottes in der betrieblichen Ausbildung sind, auch zum Ausgleich dafür.“ (A3, Z. 259–260), und fußt zum anderen darin, dass speziell in der Berufsschule von den befragten Personen beider Gruppen noch ein deutlicher Nachholbedarf wahrgenommen wird.

Hinsichtlich der beiden Oberkategorien Arbeitsplatz Auszubildende und Einbindung Arbeitsplatz Auszubildende wird von den befragten Personen beider Gruppen gefordert, dass die Auszubildenden im Ausbildungsbetrieb einen Arbeitsplatz erhalten müssen, welcher den Arbeitsplätzen ausgelernter Arbeitskräfte entspricht.

„Im Grunde, (…), um auch diese Selbstständigkeit und auch dieses Ernstgenommen werden zu fördern, nicht anders als für Festangestellte. Im Grund eins zu eins, (…).“ (A3, Z. 205–208).

„Und so sollte auch der Arbeitsplatz geschaffen sein, (…), dass er auch am, direkt am, am Ort des Geschehens quasi ist.“ (L3, Z. 223–227).

Daneben wird von Seiten der befragten Lehrer*innen angesprochen, dass den Lernenden in der Berufsschule zusätzliche Lernräume mit Strom- und Internetanschlüssen bereitgestellt werden sollten, in welchen die jungen Menschen selbstständig lernen können.

Zur Oberkategorie Zusätzliche lernförderliche Materialien und Medien wurden von den befragten Personen insbesondere zum Ausbildungsbetrieb viele Möglichkeiten vorgeschlagen. Diese umfassen bspw. die Nutzung von innerbetrieblichen und digitalen Materialien und Medien, die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen sowie die Bereitstellung von Fachbüchern und -zeitschriften. Mit diesen zusätzlichen Materialien und Medien allein sei es aber nicht getan, „sondern das ist eher die Frage nach den Ausbildern, dass sie [die Auszubildenden] da Leute haben, die motiviert sind, ihnen auch etwas zu erklären.“ (L2, Z. 175–176). Hinsichtlich der Berufsschule fordern die befragten Personen beider Gruppen, dass den Lernenden zusätzliche Aufgaben zum selbstständigen Lernen bereitgestellt werden müssen.

4.3 Hauptkategorie Eignung und Verhalten Ausbildungspersonal

Bei der Betrachtung der Aussagen zur Oberkategorie Ausbildungspersonal Allgemein fällt auf, dass von den befragten Personen beider Gruppen zu dem Ausbildungspersonal beider Ausbildungsorte viele verschiedene Aspekte thematisiert werden. Für das betriebliche Ausbildungspersonal führen die befragten Personen beider Gruppen aus, dass dieses über eine fachliche, eine persönliche, eine soziale und eine pädagogische Eignung sowie eine abgeschlossene Ausbildereignung nach Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) verfügen müsse.

„Sie [die Ausbilder*innen] müssen fachlich gut sein, sollten sozial gut sein und sollten auch die Werte der Firma und die Philosophie der Firma dem Auszubildenden (…) vermitteln können, (…). Sie sollten aber auch ein Gespür haben für soziale Notstände und (…) sollten menschlich reif sein, (…), um nicht wichtige Dinge zu übersehen.“ (A1, Z. 227–231).

„Und (…), dass derjenige [die Ausbilderin/der Ausbilder] dahingehend so geschult ist, dass er (…) den Auszubildenden bedarfsgerecht unterstützen kann.“ (L3, Z. 333–335).

Von Seiten der befragten Lehrer*innen wird dieses Anspruchsprofil um eine motivationale Eignung sowie eine eigene abgeschlossene Berufsausbildung und langjährige Berufserfahrung (bestenfalls im Ausbildungsberuf) ergänzt.

„(…), wesentlich ist für mich, dass die Ausbilder Interesse an dem Auszubildenden haben, (…), sich auf ihn einlassen, um, (…), ihm auch Sachen in Ruhe (…) zu zeigen, (…).“ (L2, Z. 223–225).

Von Seiten der Ausbilder*innen werden die Beachtung von rechtlichen Vorschriften und die Teilnahme an regelmäßiger Fortbildung, aber auch die Erstattung von zeitlicher Kompensation für die Ausbildungstätigkeit gefordert.

„Und, (…), sie [die Ausbilder*innen] (…), damit das wirklich, sozusagen, einheitlich läuft, müssten (…) vielleicht ein oder zwei Stunden pro Woche von ihren anderen Tätigkeiten freigestellt werden.“ (A3, Z. 331–334).

Für das schulische Lehrpersonal stellen die befragten Personen beider Gruppen fest, dass dieses über eine fachliche und eine persönliche Eignung sowie über eine eigene langjährige Praxiserfahrung (idealerweise im Ausbildungsberuf) und ein Verständnis der Ausbildungs- und Betriebspraxis verfügen müsse. Zudem wird dieses Anforderungsprofil von Seiten der befragten Lehrer*innen um eine pädagogische Eignung und von Seiten der befragten Ausbilder*innen um eine soziale und eine motivationale Eignung erweitert.

„(…), der [die Lehrerin/der Lehrer] hat wesentlich mehr Auszubildende vor sich sitzen, als der Ausbilder, (…). (…), dahin sollte es dann gehen, dass der, (…), trotzdem ein Verständnis für jeden (…) einzelnen Auszubildenden mitbringt, und niemanden aus dem Blick verliert.“ (L3, Z. 364–368).

„Dass sie nicht den Schüler nur als Schüler sehen, sondern auch als Mensch, und dass sie einfach, (…), sich der Persönlichkeit der Schüler annehmen, (…), um ihm [der Schülerin/dem Schüler] dann Hilfestellungen zu leisten, (…).“ (A1, Z. 259–262).

Von Seiten der befragten Lehrer*innen wird zudem die Teilnahme an „permanente(r) Fortbildung und Weiterbildung“ (L1, Z. 223–224) sowie die Verfügung über eine eigene abgeschlossene Berufsausbildung (ebenfalls im Ausbildungsberuf) gefordert. Von Seiten der befragten Ausbilder*innen wird ferner gefordert, dass das schulische Lehrpersonal einen regelmäßigen Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben sucht und hält, um über die aktuellen Bedingungen und Entwicklungen in den Betrieben und Berufen informiert zu sein.

Weitgehende Übereinstimmung besteht zwischen den Vertreter*innen der beiden Personengruppen bei den beiden Oberkategorien Verhalten Ausbildungspersonal und Rollenverständnis Ausbildungspersonal über beide Ausbildungsorte. So halten die befragten Personen beider Gruppen für beide Ausbildungsorte fest, dass das Verhalten des Ausbildungs- und Lehrpersonals durch die Zielstellung der Förderung der Auszubildenden geleitet werden muss.

„Also das Verhalten der Ausbilder sollte, (…), auf jeden Fall offen sein gegenüber den Auszubildenden, also das hängt dann wirklich eng damit zusammen, also diese bedarfsgerechte Förderung des Auszubildenden.“ (L3, Z. 342–344).

Einigkeit besteht auch darin, dass das Ausbildungs- und Lehrpersonal beider Ausbildungsorte für die Auszubildenden ansprechbar sein muss. Hinsichtlich des Rollenverständnisses des Ausbildungs- und Lehrpersonals sind sich beide Personengruppen für beide Ausbildungsorte weitgehend einig, dass sich dieses zum einen als Führungskraft, aber zum anderen auch als Lernbegleiter verstehen muss.

„Eher vielleicht so ein Blick auf den Auszubildenden als Projekt. Also, gar nicht so sehr, natürlich ist man Vorgesetzter und am Ende entscheidet man auch, was dann vielleicht zu machen und zu lassen ist, (…), aber eher so, sagen wir mal so, (…), begleitendes Korrektiv.“ (A3, Z. 351–354).

„(…) dass die [die Lehrer*innen] (…) sich mal alle Vierteljahre eine halbe Stunde Zeit gönnen (…), mit dem Schüler das persönlich durchzusprechen, wo Sorgen und Nöte sind, wo (…) Wissensdefizite sind, wo Betriebe nicht vermitteln, (…), wo sie [die Auszubildenden] ausgenutzt werden (…). Und gleichzeitig sollten die dann Empfehlungen, (…), gucken, wo es hapert, dass sie den Auszubildenden empfehlen, wie er das verbessern kann, seine Defizite. Und natürlich auch Mut macht, wo es gut läuft und, ja, die andere Seite natürlich auch.“ (A1, Z. 299–309).

Auch bezüglich der Oberkategorie Kommunikations- und Interaktionsprozess besteht zwischen den Vertreter*innen der beiden Personengruppen über beide Ausbildungsorte eine grundlegende Übereinstimmung. Demnach soll dieser zwischen Ausbildungs- und Lehrpersonal und Auszubildenden durch regelmäßige Gespräche sowie ein vertrauensvolles und konstruktives Kommunikationsverhältnis geprägt sein.

„Schön wäre es, wenn man einen Rhythmus, eine bestimmte Zeit (…) festsetzt, wo die [die Ausbilder*innen und die Auszubildenden] sich aussprechen können. Wo es Zeiten gibt, in denen man sich einfach austauscht, wie die Ausbildung läuft, wie der Ausbilder, wie der Auszubildende (…), dass er sich reflektieren kann und reflektiert wird (…).“ (A1, Z. 251–254).

„Aber auch, (…) dass die Auszubildenden das Gefühl haben, wenn ich irgendeine Frage habe und da nicht weiterkomme, dann kann ich mich auch an den, (…), Lehrer, (…), wenden, jederzeit, der steht auch für mich zur Verfügung und der beschäftigt sich auch mit dem, was mich stört.“ (L3, Z. 404–408).

4.4 Hauptkategorie Inhalte, Methoden und Lernklima

In der Oberkategorie Inhalte, Methoden und Lernklima Allgemein wurde von den befragten Personen beider Gruppen zu beiden Ausbildungsorten herausgestellt, dass die Inhalte und Methoden so gewählt und gezeigt werden müssen, dass die Auszubildenden zur Berufsausübung befähigt werden. Darum müssten die Inhalte im Ausbildungsbetrieb vollumfänglich berücksichtigt und in der Berufsschule systematisch vermittelt werden.

Hinsichtlich der Oberkategorie Orientierung an Arbeits- und Geschäftsprozessen wird von den befragten Personen beider Gruppen gefordert, dass diese in beiden Ausbildungsorten „100-prozentig“ (A1, Z. 334) im Mittelpunkt stehen müssen. Für die Berufsschule präzisieren die befragten Personen beider Gruppen, dass die dortigen Lehr-Lern-Prozesse an der Praxis des Ausbildungsberufs und an der Praxis, den Anforderungen und Bedingungen der Ausbildungsbetriebe orientiert werden müssten.

„Also da muss man immer abwägen, was sinnvoll ist. Aber natürlich, (…), sollte es möglichst nah an dem sein, was im Betrieb ist.“ (L2, Z. 365–367).

„(…), da sollte auch grundsätzlich immer eine, (…), Orientierung an der Realität bestehen, (…), dass für den Schüler (…) deutlich und bewusst wird, warum beschäftige ich, beschäftigen wir uns jetzt eigentlich mit dieser Frage (…), wir haben ein Problem, das müssen wir lösen, und so können wir da rangehen.“ (L3, Z. 474–482).

Bezüglich der Oberkategorie Methodische Gestaltung wird für beide Ausbildungsorte von den befragten Personen beider Gruppen betont, dass diese das selbstständige Lernen und Arbeiten der Auszubildenden unterstützen sollte. Für den Ausbildungsbetrieb wurde zudem von den befragten Lehrer*innen angemerkt, dass die gestellten Aufgaben „mit zunehmender Länge der Ausbildung“ (L2, Z. 314–315) komplexer werden sollten, sowie von den befragten Personen beider Gruppen angemerkt, dass die gestellten Aufgaben nachbereitet werden müssen. Für die Berufsschule wurde von den befragten Ausbilder*innen gefordert, die methodische Gestaltung praxisorientiert zu entwickeln, und vorgeschlagen, diese mit den Ausbildungsbetrieben zu besprechen.

„(…) indem man vielleicht einfach noch mehr rückgreift, sozusagen, auf die praktische Arbeit, was in Büros tatsächlich los ist und auch auf die Art und Weise, welche Probleme anfallen und wie sie gelöst werden.“ (A3, Z. 580–583).

„Und vielleicht (…), dass die Lehrkraft auch einfach (…) nochmal mit einzelnen Lehrbetrieben (…), das Lernprogramm (…) durchspricht und erarbeitet, damit es praxisnah ist und nicht an den Betrieben vorbeigeht.“ (A1, Z. 445–448).

Die befragten Lehrer*innen merkten an, die methodische Gestaltung solle so durchgeführt werden, dass der Aufbau von Methoden‑, Selbst- und Sozialkompetenz, insbesondere über selbstgesteuertes und kooperatives Lernen, unterstützt würde.

„Und auch, dass das, die Methode, immer daran angelegt ist, (…), an das, was wir gerade, (…), an Problemen lösen wollen. Also, dass wir Fachkompetenz immer verbunden haben mit Methodenkompetenz, das finde ich auch ganz wichtig. Also, dass den Schülern da deutlich wird, wir wenden jetzt diese Methode an, um das Problem zu lösen, das passt aber vielleicht bei Problem X, aber bei Problem Y nicht so sehr.“ (L3, Z. 496–501).

Bezüglich der Oberkategorie Methodische Vielfalt stimmen die befragten Personen beider Gruppen für beide Ausbildungsorte überein, dass deren Möglichkeiten genutzt werden sollten, damit „die Leute [die Auszubildenden] (…) bei der Stange bleiben“ (A2, Z. 420–421), sofern die Zielerreichung und die Sinnhaftigkeit nicht in Frage stehen würden.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Aussagen der befragten Personen zur Oberkategorie Freiheitsgrade. Die befragten Personen beider Gruppen legen für beide Ausbildungsorte dar, dass für die Auszubildenden Möglichkeiten des eigenen Ausprobierens bestehen sollten, und fügen für den Ausbildungsbetrieb hinzu, dass deren Freiheitsgrade – sowie für die befragten Ausbilder*innen damit auch die Verantwortungsübernahme durch die Auszubildenden – mit zunehmender Dauer der Ausbildung ansteigen sollten.

„Das ist dann am Ende insoweit erstmal gar kein Unterschied (zwischen Mitarbeiter*innen und Auszubildenden) (…). Es ist nur die Frage des Kontrollgrads, dass der eben dann relativ am Anfang da ist und dann später abnimmt, aber ansonsten ist die Eigenverantwortlichkeit eigentlich von vornherein vorhanden.“ (A3, Z. 526–531).

„Also, da [in der Berufsschule] sollten auch Freiheitsgrade dahingehend bestehen, dass, (…), also die Schüler können sich da ausprobieren. Das ist dahingehend dann vielleicht noch offener möglich, als im Betrieb, weil (die Schülerin/der Schüler) halt (…) nicht (…) in die Prozesse des Betriebes eingebunden ist.“ (L3, Z. 504–508).

Weiterhin fordern die befragten Ausbilder*innen für den Ausbildungsbetrieb, dass es sich bei den zur eigenverantwortlichen Bearbeitung überlassenen Aufgaben um betriebliche Aufgaben handeln solle. Demnach werden die Grenzen der eigenverantwortlichen Bearbeitung von Aufgaben durch die Auszubildenden im Ausbildungsbetrieb für die befragten Ausbilder*innen durch die Anforderungen der Ausbildung, des Berufs und des Betriebs, in der Berufsschule für die befragten Ausbilder*innen durch die Anforderungen der Ausbildung und des Berufs sowie die befragten Lehrer*innen durch die Bedingungen der Schule und des Unterrichts festgelegt.

Zur Oberkategorie Lernklima wird von den befragten Personen beider Gruppen herausgestellt, dass in beiden Ausbildungsorten offene Fehlerkulturen verankert sein müssen.

„Also, das Lernklima ist auf jeden Fall wieder ein offenes, also, dass der Auszubildende das Gefühl hat, er darf auch Fehler machen, er darf sich ausprobieren. Und, (…), dadurch, (…), wird er auch nicht weniger wertgeschätzt, weil, er ist ja derjenige, der in der Ausbildung ist.“ (L3, Z. 460–463).

Zudem wird von Seiten der befragten Ausbilder*innen eingefordert, dass in beiden Ausbildungsorten Erfolge ermöglicht werden sollen, sowie von Seiten der befragten Lehrer*innen angeführt, dass in beiden Ausbildungsorten kooperatives Lernen stattfinden soll.

„Dass er [die/der Auszubildende], (…), auch Erfolge hat und dass er Spaß am Erfolg hat und dass er auch dann wieder an neue Dinge gern rangeht, dass er aktiv wird, dass er initiativ wird, dass er bereit ist, auch Leistung zu bringen, dass er bereit ist, über seine Grenzen auch hinauszugehen.“ (A1, Z. 404–407).

„(…), dass Möglichkeiten bestehen, dass man Arbeitsgruppen bildet, dass Teams gebildet werden, (…), dass das gegenseitige Helfen und Unterstützen, (…), ein wesentlicher Bestandteil wird (…).“ (L1, Z. 370–372).

Ferner wird von den befragten Personen beider Gruppen für den Ausbildungsbetrieb genannt, dass dort eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre bestehen muss.

4.5 Hauptkategorie Jugendspezifische Aspekte

Hinsichtlich der Oberkategorie Jugendspezifische Aspekte Allgemein betonen die befragten Personen beider Gruppen, dass innerhalb der Berufsausbildung das Privatleben der Auszubildenden respektiert werden muss und deren Privatinteressen, bspw. ein grundlegendes Interesse an moderner Technik, so weit wie möglich berücksichtigt werden sollen.

Zu der Oberkategorie Arbeitszeitregelungen wird von den befragten Personen beider Gruppen festgestellt, dass die Auszubildenden innerhalb der dualen Berufsausbildung nicht überfordert werden dürfen.

„Also, da [in der Berufsschule] sollte auf jeden Fall, (…), die Möglichkeit bestehen, (…), da Freizeit wahrzunehmen, (…). Das bezieht sich dann auf den Betrieb auch, also, dass Auszubildende da auch nicht, (…), zu stark schon eingebunden werden, (…), in Überstunden oder Ähnliches. (…), gerade, weil sie auch noch nicht diese Erfahrung haben.“ (L3, Z. 547–555).

Zudem wird von Seiten der befragten Ausbilder*innen angemerkt, dass verbindliche Arbeitszeitregelungen vereinbart werden müssen, sowie von Seiten der befragten Lehrer*innen angemahnt, dass die rechtlichen Vorschriften zur Arbeitszeitgestaltung eingehalten werden müssen.

Zur Oberkategorie Vergütungsregelungen wird von den befragten Personen beider Gruppen festgehalten, dass die rechtlichen Vorschriften zur Vergütung eingehalten werden müssen sowie die Vergütung lebenssichernd und wertschätzend sein müsse, aber nicht im Vordergrund stehen sollte. Dazu bemerkt ein befragter Ausbilder: „Vergütung (…) ist ein Anreiz. Aber (…) man sollte auch gucken, ob er [die/der Auszubildende] auch Spaß an der Arbeit hat, dann ist auch das Geld nicht unbedingt entscheidend.“ (A1, Z. 548–551).

Bei den drei Oberkategorien Zusatzqualifikationen, Auslandsaufenthalte und Zusatzangebote lauten die Äußerungen der befragten Personen beider Gruppen wieder sehr ähnlich. So wird bei allen drei Themenfeldern bemerkt, dass derartige Interessen auf Seiten der Auszubildenden unterstützt werden sollten, solange diese den Ausbildungserfolg nicht beeinträchtigen würden; lediglich für die Oberkategorie Zusatzangebote werden keine Bedenken hinsichtlich der Passung von diesen und dem Ausbildungserfolg geäußert. Weiterhin wird von den befragten Personen beider Gruppen zu allen drei Themenfeldern angemerkt, dass es für die Unterstützung dieser Interessen sinnvoll wäre, wenn sie auch im Interesse des Ausbildungsbetriebs lägen.

4.6 Hauptkategorie Lernortkooperation

Innerhalb der Oberkategorie Lernortkooperation Allgemein wird von den befragten Personen beider Gruppen angesprochen, dass diese für einen konstruktiven Austausch zwischen den Ausbildungsorten dienen sollte. Von Seiten der befragten Lehrer*innen wird zudem angesprochen, dass die Lernortkooperation dazu beitragen könne, die Qualität in der Ausbildung zu verbessern, die Wertschätzung zwischen den Ausbildungsorten zu erhöhen sowie mögliche Probleme, bspw. auf Seiten der Auszubildenden (Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten usw.), frühzeitig zu erkennen und zu besprechen.

„(…), dass man da auch wertschätzend miteinander umgeht, sodass beide Lernorte, (…) allein durch diesen personellen Austausch, auch das Gefühl haben, wir sind beide wichtig in dieser dualen Ausbildung und auch gleichwertig.“ (L3, Z. 613–615).

Von Seiten der befragten Ausbilder*innen wird zugleich gefordert, dass die Lernortkooperation von den Berufsschulen bzw. den Lehrer*innen initiiert werden müsste.

„Und deshalb ist die Zusammenarbeit zwischen Betrieb und Schule schon sehr wichtig und sie kann aber eigentlich nur vom Lehrer aus kommen. Sie wird nicht von dem Ausbildungsbetrieb kommen.“ (A1, Z. 681–687).

Für die Oberkategorie Neue Medien Lernortkooperation betonen die befragten Personen beider Gruppen, dass für die Kommunikation zwischen den Ausbildungsorten die Möglichkeiten digitaler Medien erschlossen werden sollten. Von Seiten der befragten Lehrer*innen wird jedoch zugleich festgestellt, dass dabei die notwendigen Erfordernisse und die bestehenden Grenzen dieser Medien beachtet werden müssen.

Bei der Oberkategorie Umfang der Lernortkooperation erklären die befragten Personen beider Gruppen, dass sowohl die gewählte Form als auch die vereinbarte Häufigkeit der Lernortkooperation für beide Ausbildungsorte sinnvoll sein müsse. Bei der von den befragten Personen als wünschenswert angenommenen Häufigkeit der Lernortkooperation gehen die Vorstellungen der befragten Personen jedoch deutlich auseinander und umfassen eine Spannweite, die von einmal im Quartal bis dreimal während der Ausbildung reicht. Ein befragter Lehrer gibt dazu an, dass diese nicht so engmaschig terminiert sein dürfe, dass sie von den betroffenen Personen „als zusätzliche Belastung“ (L3, Z. 637–642) empfunden wird.

Zur Oberkategorie Zusammenwirken von Theorie und Praxis sind sich die befragten Personen beider Gruppen einig, dass im Kontext der Lernortkooperation eine Verzahnung von Theorie und Praxis hergestellt werden und im Rahmen der Berufsausbildung erkennbar sein muss.

„(…), dass vielleicht der Aha-Effekt aus dem theoretischen Lernen dann in der Praxis noch leichter (…) rüberkommt, im Sinne von, das habe (…) ich (…) in der Theorie gelernt und das finde ich (…) in der Praxis wieder.“ (A3, Z. 769–772).

„(…), wir erleben das ja in der Berufsschule, dass sozusagen Praxismomente mit in die Berufsschule eingebracht werden und dass man dann sich den theoretischen Überbau und Unterbau oder die Rahmenbedingungen anguckt, (…).“ (L1, Z. 470–473).

4.7 Hauptkategorie Ausbildungsergebnisse

Zur Oberkategorie Ausbildungsergebnisse Allgemein wird von den befragten Personen beider Gruppen herausgestellt, dass das zentrale Ziel der dualen Berufsausbildung darin besteht, die Auszubildenden auf das Bestehen der Abschlussprüfung und der Berufsausbildung vorzubereiten. So führt ein befragter Ausbilder aus: „(…), natürlich erstmal das Bestehen der Prüfung, das ist ja sozusagen Elementarvoraussetzung, (…).“ (A3, Z. 779–780).

Hinsichtlich der beiden Oberkategorien Ausbildungsergebnisse Ausbildungsberuf und Ausbildungsergebnisse Ausbildungsbetrieb zeigt sich in den Aussagen der befragten Personen beider Gruppen, dass die Auszubildenden sowohl auf die nachfolgende Tätigkeit in ihrem Ausbildungsberuf als auch auf die anknüpfende Beschäftigung in ihrem Ausbildungsbetrieb vorbereitet werden sollen. Diese Vorbereitung umfasst nach den Vorstellungen der befragten Personen beider Gruppen explizit die Befähigung zur eigenverantwortlichen Berufsausübung.

Das Oberkriterium Lebenslanges Lernen muss sich nach den Vorstellungen der befragten Personen beider Gruppen durch zwei Aspekte auszeichnen. Demnach gilt es zum einen, die Auszubildenden von der Notwendigkeit lebenslangen Lernens zu überzeugen, zum anderen, sie zur Bewältigung ebendieser zu befähigen.

„(…), da geht es einfach darum, dass man (…), vermehrt dahinkommt, (…) dass man das Lernen gelernt hat. (…), und auch die Notwendigkeit erkannt hat, gerade jetzt im, sozusagen mit moderner Sichtweise, dass die Jobs eben nicht mehr auf ewig gelernt werden, reichen werden, (…).“ (A3, Z. 834–839).

Zu der Oberkategorie Ausbildungsergebnisse Persönlichkeit führen die befragten Personen beider Gruppen aus, dass die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen durch die duale Berufsausbildung befördert werden soll. Ein befragter Ausbilder formuliert dies wie folgt: „Dass er in seiner Person gestärkt wird, dass er vom Auszubildenden zu einer erwachsenen Person wird, die auch Meinungen vertreten kann, die auch Standpunkte vertreten kann.“ (A1, Z. 752–754). Von Seiten der befragten Ausbilder*innen werden als weitere Aspekte die Entwicklung der Selbstkompetenz, der Sozialkompetenz und die Befähigung zur Lebensplanung benannt.

Zu der Oberkategorie Ausbildungsergebnisse Gesellschaft sind zwei wichtige Erkenntnisse festzuhalten. Zum einen stellen die befragten Personen beider Gruppen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den Auszubildenden und der Gesellschaft heraus, dass die jungen Menschen über die erfolgreiche Absolvierung einer Ausbildung zu einem wichtigen Teil der Gesellschaft werden sollen. Zum anderen wird von Seiten der befragten Ausbilder*innen darauf hingewiesen, dass die jungen Menschen für die erfolgreiche Absolvierung einer Ausbildung auch eine breite Anerkennung von der Gesellschaft erfahren sollten.

5 Diskussion der Ergebnisse

Auf der Grundlage der Auswertung der Interviews lässt sich ein in weiten Teilen übereinstimmendes Qualitäts-Verständnis der befragten Personen der beiden Gruppen von einer qualitativ hochwertigen dualen Berufsausbildung im Bereich kaufmännisch-verwaltender Ausbildungsberufe ermitteln:

Zwar steht die erfolgreiche Ausbildung der Auszubildenden im Mittelpunkt der entsprechenden Überlegungen, doch darf dabei niemals das geschäftliche Interesse der Ausbildungsbetriebe vernachlässigt oder beeinträchtigt werden. Demzufolge müssen beide berechtigten Ansprüche, die der Auszubildenden auf eine erfolgreiche Ausbildung und die der Ausbildungsbetriebe auf das betriebliche Fortbestehen, im Rahmen der dualen Berufsausbildung so miteinander abgestimmt werden, dass beide erfüllt bzw. befördert werden können.

Verbindliche Regelungen, seien dies rechtliche Vorschriften, organisatorische Festlegungen des Ausbildungsbetriebs und der Berufsschule oder curriculare Vorgaben, besitzen in der dualen Berufsausbildung eine sehr hohe Bedeutung, da sie Sicherheit und Transparenz für alle Beteiligten gewährleisten. Diese Regelungen müssen einem an den Lernenden orientierten Verständnis folgen, jedoch zugleich verbindlich eingehalten und flexibel ausgelegt werden.

Die Ausstattungen des Ausbildungsbetriebs und der Berufsschule müssen vollständig und zeitgemäß sein. Die Auszubildenden müssen alle erforderlichen Maschinen, Werkzeuge und Materialen benutzen können, die für die Ausbildung erforderlich sind und auf die auch die ausgebildeten Mitarbeiter*innen zugreifen können. Daneben muss den Auszubildenden ein breites Feld an zusätzlichen lernförderlichen Materialien und Medien bereitgestellt werden.

Das Ausbildungs- und Lehrpersonal muss in vielfacher Hinsicht, insbesondere fachlicher, persönlicher, sozialer, pädagogischer und motivationaler Art, für einen Einsatz in der dualen Berufsausbildung geeignet sein. Weiterhin sind für die Ausbilder*innen eine bestandene Ausbildereignung nach AEVO und für die Lehrer*innen ein gutes Verständnis der betrieblichen und beruflichen Praxis sinnvoll. Das Ausbildungs- und Lehrpersonal muss den Auszubildenden regelmäßig als Gesprächspartner*innen, Anleitende und Unterstützende zur Verfügung stehen. Die Kommunikation zwischen Ausbildungs- und Lehrpersonal und Auszubildenden ist offen, vertrauensvoll und konstruktiv zu gestalten.

Die in den Ausbildungsorten berücksichtigten Inhalte und Methoden müssen sich an den Arbeits- und Geschäftsprozessen orientieren. Die Auszubildenden sollen zu einem selbstständigen Lernen und Arbeiten befähigt werden. Möglichkeiten zum eigenen Ausprobieren, Lernen und Arbeiten müssen vorhanden sein. Es müssen ein konstruktives Arbeits- und Lernklima und eine positive Fehlerkultur herrschen.

Die Auszubildenden dürfen im Rahmen der dualen Berufsausbildung nicht überfordert werden. Ihre Arbeitszeit und ihr Ausbildungsvergütung müssen fair und angemessen gestaltet werden. Ihnen sollen im Rahmen der Berufsausbildung Möglichkeiten für Zusatzqualifikationen, Auslandaufenthalte und Zusatzangebote eingeräumt werden, sofern diese nicht die Erreichung des Ausbildungsziels gefährden.

Zwischen den Ausbildungsorten muss im Rahmen der Lernortkooperation ein regelmäßiger und konstruktiver Austausch stattfindet, der dem Ziel der Beförderung der erfolgreichen Berufsausbildung der Auszubildenden dient. Beide Ausbildungsorte müssen Theorie und Praxis zusammenwirkend vermitteln, um das Verständnis der Auszubildenden zu befördern.

Die Auszubildenden sollen durch den erfolgreichen Abschluss ihrer dualen Berufsausbildung befähigt werden, in ihrem Ausbildungsberuf und in ihrem Ausbildungsbetrieb zu arbeiten. Sie sollen sich der Notwendigkeit lebenslangen Lernens bewusst sein und sollen dieses auch bewältigen können. Sie sollen nach dem erfolgreichen Abschluss eine gereifte Persönlichkeit und ein produktiver Teil der Gesellschaft sein.

Zu einzelnen Aspekten lassen sich jedoch auch Unterschiede in den Qualitäts-Verständnissen der befragten Personen der beiden Gruppen feststellen:

So wurde die regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen nur für die eigene Personengruppe angesprochen. Dieser Sachverhalt zeigt auf, dass die befragten Personen beider Gruppen darin übereinstimmen, dass die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen dualen Berufsausbildung für die eigene Personengruppe einer regelmäßigen Teilnahme an Fortbildungen bedarf, und weist darauf hin, dass sie entweder die Frage nach dem entsprechenden Bedarf der jeweils anderen Personengruppe an einer solchen Teilnahme nicht reflektieren oder diese nicht beurteilen wollen oder können. Auch mahnen die Ausbilder*innen an, dass sie für ihre Ausbilder*innen-Tätigkeit eine zeitliche Kompensation für ihre weiteren Tätigkeiten erhalten sollten. Hierbei ist zu beachten, dass sich die beiden Ausbildungsorte und damit die berufsmäßigen Gegebenheiten und Verpflichtungen beider Personengruppen grundlegend unterscheiden. Während die Tätigkeiten in der Berufsausbildung für die Lehrer*innen an den Berufsschulen zu ihren hauptberuflichen Aufgaben gehören, übernehmen die Ausbilder*innen in den Ausbildungsbetrieben diese mehrheitlich nebenberuflich und zusätzlich zu ihren hauptberuflichen Aufgaben. Die Aussagen der befragten Ausbilder*innen deuten an, dass im Verhältnis zwischen Ausbildungspersonal und Unternehmen verbindlich geregelt werden muss, dass die Berufsausbildung ebenfalls als hauptrangige Aufgabe angesehen wird, für die das Ausbildungspersonal im erforderlichen Zeitumfang, inklusive der für Vor- und Nachbereitung erforderlichen Zeit, von anderen Aufgaben freigestellt wird.

Insbesondere wird ferner deutlich, dass die befragten Ausbilder*innen die Initiierung der Lernortkooperation als Aufgabe der Lehrer*innen verstehen. Sie wünschen sich darüber hinaus, dass die Lehrer*innen regelmäßigen Kontakt und Austausch mit den Ausbildungsbetrieben bzw. den Ausbilder*innen herstellen sowie diesen die curricular-organisatorischen und inhaltlich-methodischen Planungen für die Berufsschule vorlegen. In diesen Aussagen offenbaren sich zwei wichtige Aspekte: Zwar wird von den befragten Ausbilder*innen der regelmäßige Kontakt und Austausch zwischen den Ausbildungsorten als wichtig erachtet, doch sollte diese Lernortkooperation keine zusätzliche (Arbeits‑)Zeit beanspruchen. Es ist zu vermuten, dass auch dieser Sachverhalt in den oben genannten Unterschieden zwischen den beiden Ausbildungsorten und den beiden Personengruppen und der den Ausbilder*innen für die Berufsausbildung fehlenden Zeit begründet ist.

Zu den oben genannten Grundzügen eines gemeinsamen Qualitäts-Verständnisses von Ausbilder*innen und Lehrer*innen ist kritisch anzumerken, dass einige der aufgeführten Aspekte nicht verordnet werden können. Dies betrifft insbesondere die zwischenmenschlichen Bereiche, wie die Kommunikation zwischen Ausbildungs- und Lehrpersonal und Auszubildenden sowie den Austausch zwischen den Ausbildungsorten, aber auch die Erreichung der Ausbildungsergebnisse.

Dennoch können die in der Pilotstudie gesammelten Erkenntnisse dazu beitragen, ein gemeinsam geteiltes Verständnis von qualitativ hochwertiger dualer Berufsausbildung im Bereich kaufmännisch-verwaltender Ausbildungsberufe zu entwickeln bzw. dieses Verständnis zu schärfen. Das hier ermittelte Qualitäts-Verständnis kann nun im nächsten Schritt im Rahmen einer quantitativen Studie überprüft werden. Letztendlich dient das ermittelte Soll der Qualität der dualen Berufsausbildung dazu, das jeweilige Ist der Qualität einer dualen Berufsausbildung bewerten und verbessern zu können. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch das Soll regelmäßig überprüft werden muss, da sich die Rahmenbedingungen der dualen Berufsausbildung, bspw. durch technischen Fortschritt, kontinuierlich verändern.

Im Hinblick auf die Aussagekraft der ermittelten Erkenntnisse ist jedoch auf einige Grenzen hinzuweisen, welche aus den Restriktionen der Pilotstudie resultieren: Erstens stand das Soll einer qualitativ hochwertigen dualen Berufsausbildung im Bereich kaufmännisch-verwaltender Ausbildungsberufe im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die befragten Personen wurden darum gebeten, nicht die tatsächliche Qualität ihrer dualen Berufsausbildungen, sondern die optimale Qualität einer dualen Berufsausbildung zu schildern. Zweitens wurden im Rahmen der Pilotstudie drei Ausbilder*innen und drei Lehrer*innen befragt. Diese Stichprobengröße ist dem qualitativen Forschungsansatz der Pilotstudie und dem umfangreichen Forschungsaufwand der Experteninterviews geschuldet. Auch wenn die zusammengetragenen Erkenntnisse einen guten Einblick in die Qualitäts-Verständnisse dieser in der dualen Berufsausbildung engagierten beiden Personengruppen bereitstellen, können diese jedoch lediglich einen Ausgangspunkt für weitere Anschlussstudien darstellen. Drittens wurde im Rahmen der Pilotstudie lediglich Ausbildungs- und Lehrpersonal der Ausbildungsbetriebe und der Berufsschulen befragt. Jedoch sind in der dualen Berufsausbildung regelmäßig auch Bildungskräfte weiterer Ausbildungsorte, wie der Überbetrieblichen Berufsbildungsstätten, involviert. In weiteren Anschlussstudien sollten daher auch diese Einrichtungen untersucht und deren Personal befragt werden. Viertens wurden im Kontext der Pilotstudie lediglich Expert*innen befragt, die in der dualen Berufsausbildung kaufmännisch-verwaltender Ausbildungsberufe im Allgemeinen und des IHK-Ausbildungsberufs Industriekauffrau/Industriekaufmann im Speziellen tätig sind. Im Rahmen der Pilotstudie wurde diese Restriktion als notwendig angesehen, um die Vergleichbarkeit der erhaltenen Aussagen der befragten Expert*innen sicherzustellen. Für weitere Anschlussstudien könnte es jedoch sehr gehaltvoll sein, Expert*innen aus anderen Ausbildungsbereichen, wie bspw. Ausbildungsberufen des Gesundheits- und Sozialsektors, des Handwerks, der Industrie usw., hinsichtlich ihrer Qualitäts-Verständnisse zu befragen und diese miteinander zu vergleichen.