1 Einleitung

Die professionelle Kompetenz von Lehrer*innen kann grundlegend in die Komponenten professionelles Wissen und affektiv-motivationale Merkmale ausdifferenziert werden (Baumert und Kunter 2006; Blömeke et al. 2010). Beiden Bereichen wird eine hohe Relevanz für die Bewältigung berufsspezifischer Herausforderungen im Lehrer*innenberuf beigemessen (vgl. Baumert und Kunter 2006; Blömeke et al. 2010). Während der Erwerb bzw. die Veränderung der jeweiligen Komponenten Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen war, wurde das Verhältnis zwischen ihnen bislang weder theoretisch noch empirisch intensiv erforscht (Kunter und Klusmann 2010; Blömeke 2011; König 2017). Infolgedessen bleibt der Zusammenhang zwischen motivationalen Merkmalen und dem Erwerb professionellen Wissens von (angehenden) Lehrer*innen eine bisher kaum beantwortete, aber äußerst relevante Fragestellung in der aktuellen Lehrer*innenforschung (König 2017; König und Rothland 2013; Kunter 2014; Zlatkin-Troitschanskaia und Preuße 2011). Schließlich geht mit der Forderung nach gut ausgebildeten und kompetenten Lehrer*innen das zentrale Anliegen einher, „die motivationalen Unterschiede zu ermitteln, die bestimmen, warum manche Lehrkräfte ihren Beruf erfolgreicher ausüben als andere“ (Kunter 2014, S. 706). Diesbezügliche Erkenntnisse sind essenziell, da sie das Verständnis für das komplexe Zusammenspiel kognitiver und nicht-kognitiver Facetten erweitern und Ansatzpunkte für die Förderung des Kompetenzerwerbs angehender Lehrer*innen liefern können.

An den aufgezeigten Forschungslücken setzt die vorliegende Studie an und stellt das Verhältnis von Karriereaspirationen und dem Erwerb pädagogischen Wissens von Lehrer*innen in den Fokus. Karriereaspirationen gelten als zentrale berufliche Ziele, die sowohl motivationale als auch volitionale Eigenschaften aufweisen (vgl. Abele 2002), und wichtiger Bestandteil der Professionalität von Lehrer*innen sind (vgl. Terhart e al. 2014). Bezugnehmend auf Charakteristika von Zielen und die Erwartungs-Wert-Theorie (expactency-value theory, EVT) kann von ihnen eine Wirkung auf Lernbereitschaft, produktives Lernverhalten und Lernleistung erwartet werden (Eccles und Wigfield 2002; Heckhausen und Heckhausen 2018). Daran anschließend lässt sich ein Zusammenhang zwischen Karriereaspirationen und dem Aufbau professionellen Wissens von (angehenden) Lehrer*innen annehmen. Eine zentrale Facette dieses professionellen Wissens stellt das pädagogische Wissen dar (general pedagogical knowledge, GPK) dar (Baumert und Kunter 2006; Bromme 1992; Kunter et al. 2011; Shulman 1987; Terhart 1991). Es handelt sich um generisches, unterrichtsrelevantes Wissen, das im Rahmen der Ausbildung erlernt werden soll, um Lehrpersonen auf ihren Beruf vorzubereiten (Terhart 2012). In methodischer Hinsicht kann professionelles Wissen und dessen Erwerb sowohl kontinuierlich als auch kriterial mithilfe von Kompetenzniveaus modelliert und analysiert werden (Klemenz und König 2019; König et al. 2018). Der kontinuumsorientierte Ansatz, welcher in der empirischen Bildungsforschung häufig Anwendung findet (vgl. Hartig und Frey 2012), ermöglicht normbezogene Testwertinterpretationen und beantwortet die Frage wie Wissenserwerb und Bedingungsfaktoren quantitativ zusammenhängen. Der kriteriumsorientierte Ansatz erlaubt hingegen qualitative Aussagen „über welche konkreten Kompetenzen eine getestete Person verfügt, welche fachlichen Anforderungen sie bewältigen kann und welche (noch) nicht“ (Harsch und Hartig 2011, S. 7 f.). Er trägt damit zur Beantwortung der in Output-orientierten Bildungssystemen wesentlichen Fragen bei, ob Kriterien, Standards oder bestimmte Kompetenzniveaus erreicht werden und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen (vgl. Hascher 2011; König und Blömeke 2020).

Vor diesem Hintergrund wird auf Basis des kontinuumsorientierten und kriteriumsorientierten Ansatzes den Fragen nachgegangen, wie sich das pädagogische Wissen über die Ausbildungszeit von (angehenden) Lehrer*innen entwickelt, welche Bedeutung unterschiedlichen Karriereaspirationen dabei zuteilwird und ob Karriereaspirationen besonders stark in Zusammenhang mit der Erreichung des höchsten Kompetenzniveaus stehen. Dieses Niveau ist durch die Anwendung komplexer kognitiver Bearbeitungsprozesse mit Bezug zu spezifischen Unterrichtsituationen charakterisiert. Es umfasst zumindest anteilig praktische Wissensbestände und kann als wesentliche Voraussetzung für die Bewältigung berufsspezifischer Anforderungen im Lehrer*innenberuf sowie die professionelle Entwicklung von Lehrkräften angesehen werden (vgl. Klemenz und König 2019).

Für die Beantwortung der aufgeworfenen Forschungsfragen wird eine Stichprobe mit 321 deutschen und österreichischen Proband*innen, die über drei Messzeitpunkte im Turnus von zwei Jahren befragt wurden, herangezogen.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Erwerb professioneller Kompetenz

Der Erwerb professioneller Kompetenz von Lehrer*innen wird in theoretischen Modellen als Ergebnis verschiedener Einflussfaktoren aufgefasst (vgl. Kaiser und König 2019; Kunter et al. 2011). Es wird angenommen, dass insbesondere das Bildungssystem und institutionelle Bedingungen, persönliche Voraussetzungen sowie die Nutzung von Lerngelegenheiten auf den Kompetenzerwerb wirken (Kaiser und König 2019; Kunter et al. 2011). Entsprechend etablierter Modelle der professionellen Kompetenz (Baumert und Kunter 2006; Blömeke et al. 2010) wird zwischen affektiv-motivationalen Merkmalen und professionellem Wissen unterschieden. Interdependenzen zwischen diesen beiden bzw. den hier betreffenden Komponenten professioneller Kompetenz (Motivation und professionelles Wissen) werden jedoch nur unzureichend konkretisiert. Mehrere theoretische Ansätze bzw. Modelle gehen von einem Effekt motivationaler Merkmale auf die Lernleistung bzw. den Aufbau professionellen Wissens aus (vgl. Eccles und Wigfield 2002; Schiefele und Schaffner 2015). Ferner werden Rückkopplungseffekte insofern angenommen, als der Wissenserwerb über Attributionen bzw. Feedback wiederum auf die Ausprägung motivationaler Merkmale wirkt (vgl. Eccles und Wigfield 2002; Heckhausen und Heckhausen 2018; Weiner 1985). Bezugnehmend auf Wissenserwerb und Lernleistung kann Zielen eine wesentliche Bedeutung zugeschrieben werden: Sie strukturieren das Verhalten von Personen, steuern es in eine bestimmte Richtung und geben „letztlich den Ausschlag für Lernen und persönliche Entwicklung“ (Heckhausen und Heckhausen 2018, S. 332). Im Rahmen der Lehrer*innenprofessionsforschung konnte bereits mehrfach gezeigt werden, dass berufliche Ziele und Zielorientierungen positive Effekte auf (objektiven) Berufserfolg (vgl. Abele 2011) und das Lernverhalten von Lehrer*innen, wie bspw. die Teilnahme an Fortbildungen, Lektüre von Fachzeitschriften und Inanspruchnahme von Lerngelegenheiten haben können (vgl. Nitsche et al. 2017).

2.1.1 Karriereaspirationen von (angehenden) Lehrer*innen

Karriereaspirationen stellen einen Teil beruflicher Ziele dar (vgl. Abele et al. 2002; Stief 2001). Sie können verstanden werden als „the degree to which (…) [individuals] aspire to leadership positions and continued education within their careers“ (Gray und O’Brien 2007, S. 318). Daran anschließend beziehen sich Karriereaspirationen (1) auf berufliche Ziele, die mit Aufstieg bzw. Führungsverantwortung verbunden sind (Watt et al. 2014; Watt und Richardson 2008). Diese Facette sollte zudem um den beabsichtigten Verbleib im Lehrer*innenberuf erweitert werden, um einer beruflichen Entwicklung gerecht zu werden, die keinen stetigen Aufstieg oder gar einen Ausstieg impliziert. Ferner beziehen sich Karriereaspirationen (2) auf das professionelle Engagement, sich im Rahmen des Lehrer*innenberufs weiterzubilden und berufsbezogene Fähigkeiten weiterzuentwickeln sowie auf die anvisierten Anstrengungen, eine wirksame Lehrperson zu sein (vgl. Watt et al. 2014; Watt und Richardson 2008). In Deutschland korrespondiert dies mit der staatlichen Festlegung, dass Lehrer*innen ihre Kompetenzen weiterentwickeln, den Beruf als ständige Lernaufgabe verstehen und Weiterbildungsangebote nutzen sollen, um wissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Lehrer*innentätigkeit einfließen zu lassen (KMK 2004/2019). Die dargestellten Facetten von Karriereaspirationen lassen sich mit dem PECDA Instrument (Professional engagement and career development aspirations; Watt und Richardson 2008) anhand von vier Skalen erfassen: Führungsaspirationen, anvisierter Verbleib im Lehrer*innenberuf, professionelle Entwicklung von Fähigkeiten und Wissen sowie anvisierte Anstrengung, in die Wirksamkeit als Lehrer*in und den Unterricht zu investieren. Die beiden ersten Skalen beziehen sich auf eher generelle Ziele im Lehrer*innenberuf und erfassen, inwiefern die Überzeugung besteht, im Beruf verbleiben sowie in Zukunft eine Führungsposition oder Schulleitung anstreben zu wollen. Die beiden anderen Skalen beziehen sich hingegen konkret auf die Kernaufgaben des Unterrichtens sowie den diesbezüglichen Erwerb von Wissen und Fähigkeiten (vgl. Watt und Richardson 2008; siehe Tab. 4).

Während motivationale Merkmale wie Berufswahlmotivation oder Selbstwirksamkeit bereits mehrfach Gegenstand der Lehrer*innenforschung waren (vgl. Terhart et al. 2014), wurden Karriereaspirationen bzw. berufliche Ziele von (angehenden) Lehrer*innen bislang wenig in den Fokus gestellt. Dies verwundert angesichts der Besonderheit der Karriere von Lehrer*innen und der daraus resultierenden Bedeutsamkeit von Karriereaspirationen im Professionalisierungsprozess. Der Lehrer*innenberuf zeigt sich zumindest in Deutschland weitgehend als „Beruf ohne Karriere“ (Rothland 2013, S. 27), da eine höhere Bezahlung stärker durch Berufsjahre als durch besondere Leistungen beeinflusst wird (vgl. Rothland 2013). Ferner ist der Alltag durch „fehlende Rückmeldungen über die Erfolge des individuellen beruflichen Tuns“ (Rothland 2013, S. 27) – insbesondere in Bezug auf langfristige Resultate – charakterisiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich in besonderem Maße die Frage, welche Faktoren Lehrer*innen für ihre Karriere motivieren bzw. welche Ausprägungen und Zusammenhänge zwischen Karriereaspirationen und weiteren Merkmalen des Professionalisierungsprozesses im Lehrer*innenberuf bestehen. Das Konzept der auf den Lehrer*innenberuf bezogenen Karriereaspirationen (Watt et al. 2014; Watt und Richardson 2008) kann diesbezüglich Auskunft geben und ist auch deshalb relevant, weil es einen motivationalen Rahmen bietet, der die gesamte Lehrer*innenkarriere von der Ausbildung über den Berufseintritt bis hin zum Ruhestand in den Blick nehmen kann. Somit geht der Ansatz zeitlich betrachtet über den der Berufswahlmotivation, der im engeren Sinne lediglich Motive und Interessen für die Wahl bzw. Aufnahme eines Studiums in den Blick nimmt (vgl. Rothland 2014), hinaus. Zudem bietet er die Möglichkeit, Karriereaspirationen zu der Entwicklung kognitiver Kompetenzen über die gesamte Berufslaufbahn in Beziehung zu setzen. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund wesentlich, dass die Entwicklung zum Experten, in welcher der Erwerb professionellen Wissens ein Kernelement darstellt, nicht mit der Lehrer*innenausbildung abgeschlossen ist (vgl. Berliner 2001, 2004).

Eine theoretische Herleitung für den Zusammenhang zwischen Karriereaspirationen und dem Aufbau professionellen Wissens bietet neben den oben dargestellten Charakteristika von Zielen die EVT nach Eccles und Wigfield (2002). Sie unterscheidet zwischen einer Erwartungs- und Wertkomponente, denen beide eine Wirkung auf Leistung unterstellt wird. Berufliche Ziele werden in der EVT als bedeutsame Faktoren betrachtet, die vermittelt über die Erwartungs- und Wertkomponente leistungsmotiviertes Verhalten wie die Aufgabenwahl, Persistenz und Bearbeitungsintensität beeinflussen (Heckhausen und Heckhausen 2018, S. 196). Bezieht man dies konkret auf Karriereaspirationen von (angehenden) Lehrer*innen, wie bspw. das Ziel, sich weiterzubilden und berufsbezogene Fähigkeiten weiterzuentwickeln (s. oben), kann angenommen werden, dass sich diese Zielsetzung in einem hohen Wert widerspiegelt, professionelles Wissen aufzubauen (vgl. Eccles und Wigfield 2002). Vermittelt über Ausdauer und Anstrengung bei der Aufgabenbearbeitung, der Lernmenge (vgl. Wild und Möller 2015) sowie der Inanspruchnahme bestimmter Lerngelegenheiten im Studium (vgl. Blömeke et al. 2012) ist eine positive Entwicklung des Wissenserwerbs zu erwarten. Der postulierte Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme von Lerngelegenheiten und dem Erwerb pädagogischen Wissens konnte in mehreren Untersuchungen für die hier untersuchte Gruppe der Lehramtsstudierenden und in den Beruf übergegangen Lehrer*innen empirisch bestätigt werden (z. B. Blömeke et al. 2012; Klemenz et al. 2019; König und Klemenz 2015).

2.2 Pädagogisches Wissen

Mit Bezug auf die Kompetenz- und Expertiseforschung im Lehrer*innenberuf kann professionelles Wissen als wichtige Voraussetzung für die Bewältigung berufsspezifischer Aufgaben angesehen werden (Baumert und Kunter 2006; Berliner 2001; Bromme 1992). Zentrale Facetten des professionellen Wissens sind Fachwissen (content knowledge, CK), fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge, PCK) und pädagogisches Wissen (general pedagogical knowledge, GPK) (vgl. Baumert und Kunter 2006; Bromme 1992; Shulman 1987). Diese mehrdimensionale Struktur des professionellen Wissens konnte an Lehrer*innen unterschiedlicher Lehramtstypen in mehreren Ländern validiert werden (König et al. 2011). Während CK und PCK fachbezogen sind, wird GPK als generische Facette betrachtet, die sich auf fachübergreifende Aufgaben bezieht.

GPK lässt sich als „knowledge, with special reference to those broad principles and strategies of classroom management and organization that appear to transcend subject matter“ (Shulman 1987, S. 8) verstehen. Wesentliche Kernaufgaben von Lehrer*innen sind laut KMK (2004/2019) die Planung, Organisation und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen sowie deren Bewertung und systemische Evaluation gezählt. Um diese zu erfüllen, ist pädagogisches Wissen erforderlich, das „Kenntnisse über das Lernen und Lehren, die sich auf die Gestaltung von Unterrichtssituationen beziehen […]“, umfasst (Voss et al. 2015, S. 194) und während der Lehrer*innenausbildung zur Vorbereitung auf den Beruf erlernt werden soll (Terhart 2012).

Das GPK lässt sich neben dieser inhaltlichen auch aus kognitionspsychologischer Perspektive konzeptualisieren. Hiermit rücken unterschiedliche mentale Repräsentationen bzw. Wissenstypen in den Fokus. Eine Unterscheidung von Wissenstypen findet sich im theoretisch-formalen und praktischen Wissen (Fenstermacher 1994). Theoretisch-formales Wissen von Lehrpersonen umfasst spezifisches professionelles Wissen, bspw. über Lehr-Lerntheorien, und wird schwerpunkartig während der universitären Lehrer*innenausbildung erworben. Praktisches Wissen kann hingegen als „the proximal guide for a good deal of a teacher’s classroom behavior“ (Berliner 2004, S. 206) verstanden werden. Es ist „erfahrungsbasiert, in spezifische Kontexte eingebettet und auf konkrete Problemstellungen bezogen“ (Baumert und Kunter 2006, S. 483) und gilt als essentiell bei der Entwicklung vom Novizen zum Experten (Berliner 2001, 2004). Es wird angenommen, dass nicht nur theoretisch-formales, sondern auch Anteile des praktischen Wissens, wie beispielsweise die Vorbereitung von Unterricht oder auch die kategoriale Wahrnehmung, propositional repräsentiert sind (Baumert und Kunter 2006).

2.2.1 Kompetenzstrukturmodell des GPK

Das in dieser Studie herangezogene Kompetenzstrukturmodell des GPK fokussiert auf den Unterricht und die oben dargestellten Anforderungen an Lehrer*innen. Darüber hinausgehende Facetten – wie bspw. schul- und bildungstheoretisches Wissen (Shulman 1987) oder historische Grundlagen von Schule (Terhart 1991) – werden nicht miteinbezogen. Ausgehend von Modellen effektiven Unterrichts und der Allgemeinen Didaktik (vgl. detailliert König und Blömeke 2009) wurden fünf Dimensionen von GPK definiert: Umgang mit Heterogenität, Strukturierung von Unterricht, Klassenführung, Motivierung und Leistungsbeurteilung. Diese inhaltlichen Dimensionen entsprechen denjenigen Anforderungen, die als Kernaufgaben von Lehrer*innen in den nationalen Bildungsstandards formuliert sind (KMK 2004/2019). In der TEDS‑M Studie (Teacher Education and Development Study in Mathematics; Blömeke et al. 2010) dienten diese fünf Dimensionen als heuristisches Modell zur Entwicklung von GPK-Testitems (vgl. König und Blömeke 2009). Das Instrument wurde mehreren Validitätsprüfungen unterzogen, die unter anderem den Nachweis von Konstruktvalidität und curricularer Validität erbringen konnten (vgl. König und Klemenz 2015; Voss et al. 2015).

2.2.2 Kompetenzniveaumodell des GPK

Kompetenzniveaumodelle beziehen sich in der Regel auf die Komponente des professionellen Wissens und stellen einen Bezug zwischen numerischen Testwerten und konkreten, fachbezogenen Kompetenzen her (Hartig und Klieme 2006; Klemenz und König 2019; Schaper 2009). Sie verlagern den Fokus von der inhaltlichen Struktur des Wissens auf kognitive Fähigkeiten, die für die Lösung berufsspezifischer Aufgaben bedeutsam sind. Im Bereich des professionellen Wissens von (angehenden) Lehrer*innen wurden Kompetenzniveaumodelle bislang nur vereinzelt bzw. ansatzweise entwickelt (z. B. Blömeke et al. 2008; König 2009).

In das vorliegende Kompetenzniveaumodell, dessen Konstruktion auf einem vielfach bewährten modellbasierten Verfahren beruht (z. B. Gorin und Embretson 2006; Hartig 2007; Hartig und Frey 2012), werden die theoretischen Konzepte der kognitiven Komplexität und der Anwendung unterrichtsbezogener Terminologie einbezogen. Sie dienen als Rationale für die Auswahl der in das Modell integrierten Aufgabenmerkmale (Klemenz und König 2019). Beide theoretischen Konzepte beziehen sich auf die in den deutschen Bildungsstandards definierten Kernaufgaben des Unterrichtens wie Reflexion, Planung und Organisation von Lehr- und Lernprozessen (KMK 2004/2019).

Das Konzept der kognitiven Komplexität (Bieri et al. 1966; Peterson und Scott 1983) beschreibt unterschiedliche Qualitäten von informationsverarbeitenden Prozessen eines Individuums. Kognitive Komplexität wird übereinstimmend „durch die Zahl der Dimensionen beschrieben, die eine Person bei der Strukturierung und Beurteilung eines Objektes oder Sachverhalts verwendet“ (von Eye 1999, S. 82). Bezugnehmend auf das GPK wird davon ausgegangen, dass ein hohes Maß an kognitiver Komplexität begünstigend wirkt, um bei unterrichtsbezogenen Anforderungen, eine mehrperspektivische Sichtweise einnehmen und vielfältige Handlungsoptionen generieren zu können (siehe detailliert Klemenz und König 2019). Diese Fähigkeiten unterstützen Lehrkräfte bei der Bewältigung von verschiedenen Anforderungen wie der Unterrichtsplanung und -gestaltung, dem Umgang mit Unterrichtsstörungen oder der Motivation von Schüler*innen (König 2013). Darüber hinaus spielt die Berücksichtigung und Bewertung verschiedener Handlungsstrategien eine wichtige Rolle in der Reflexion von Lehrkräften, die wiederum für die Entwicklung vom Novizen zum Experten unerlässlich ist (Berliner 2001).

Ferner wird das Konzept der Anwendung unterrichtsbezogener Terminologie in das Kompetenzniveaumodell aufgenommen. Grundlage ist die Annahme, dass der Zugang zum Gegenstandsbereich pädagogischen Wissens insbesondere über eine spezifische Terminologie möglich wird (König 2009). Unter Berücksichtigung der Diskussion zu pädagogischem Wissen von Lehrkräften, seiner Funktion und sprachlichen Form (Terhart 1991) wurden drei Sprachniveaus definiert: (1) Praxisnahe, unterrichtsbezogene Umgangssprache, (2) Fachsprache von Lehrer*innen und (3) eine wissenschaftsspezifische Sprache (Klemenz und König 2019; König 2009). Eine profunde Anwendung unterrichtsbezogener Terminologie auf hohem Sprachniveau wird als Indikator für ein hohes Maß an spezialisiertem GPK gedeutet. In einem solchen Fall verfügt die Person über tiefreichende Kenntnisse von zentralen theoretischen Begriffen und Konzepten im Bereich der Pädagogik und kann diese in bestimmten Situationen abrufen, was wiederum eine Anwendung in Lehr-Lernprozessen wahrscheinlich macht (Bromme 2001). Darüber hinaus wird die Fähigkeit unter Beweis gestellt, pädagogisches Wissen explizieren zu können. Insbesondere die Reflexion über das Handeln (Schön 1983) erfordert explizites Wissen, um es analysierbar und reorganisierbar zu machen (Altrichter und Posch 2007).

Auf Basis der theoretischen Konzepte wurde ein vierstufiges Kompetenzniveaumodell im GPK konstruiert (siehe Abschn. 4). Das Modell ermöglicht die kriteriale Beschreibung von Kompetenz und somit eine präzise Aussage, ob eine Person ein konkretes Kriterium erreicht bzw. welche Anforderungen sie auf einem bestimmten Niveau bewältigen kann (vgl. Hartig und Frey 2012; Rost 2004). Das höchste Kompetenzniveau wird durch komplexe kognitive Bearbeitungsprozesse bezüglich konkreter Unterrichtssituationen beschrieben. Es lässt sich in Gegensatz zu den anderen Niveaus annehmen, dass auf diesem Niveau ansatzweise auch praktisches Wissen vorhanden ist, da Unterrichtserfahrungen reflektiert und in Bezug zu (theoretisch-formalem) professionellem Wissen gesetzt werden können (König 2010). Derartiges Wissen stellt einen wesentlichen Baustein im Professionalisierungsprozess dar. Schließlich ist die Entwicklung vom Novizen zum Experten (Berliner 2004) „von systematischer und reflektierter Praxis über eine langen Zeitraum hinweg abhängig“ (Baumert und Kunter 2006, S. 506): „What is important is that the experiences of advanced beginners – cases, incidents, success, and failures – are reflected on and turned into something useful to guide their own teaching practices“ (Berliner 2004, S. 206).

2.2.3 Kompetenzniveaus und motivationale Merkmale

Mit der Relevanz professionellen Wissens für den Lehrer*innenberuf (Baumert und Kunter 2006; Bromme 1992, 2001) geht die Frage einher, welche motivationalen Faktoren mit der Erreichung hoher bzw. des höchsten Kompetenzniveaus im GPK zusammenhängen. Diesbezüglich lässt sich festhalten, dass günstige motivationale Dispositionen in einem positiven Zusammenhang mit Lernergebnissen stehen, die eine Lösung komplexer Aufgaben erfordern (vgl. Benware und Deci 1984; Blömeke et al. 2014). Theoretische Erklärungsansätze finden sich darin, dass sowohl Ziele als auch hohe Erfolgserwartungen und Wertzuschreibungen zu einem hohen leistungsbezogenen Engagement bezüglich bestimmter Aufgaben führen (vgl. Eccles und Wigfield 2002; Heckhausen und Heckhausen 2018). Ein hohes kognitives Engagement wiederum – verstanden als die Bereitschaft, große Anstrengungen im Lernen zu unternehmen und kognitive, metakognitive und volitionale Strategien anzuwenden (Fredricks et al. 2004) – begünstigt insbesondere die Lösung komplexer und schwieriger Aufgaben (Benware und Deci 1984; Blömeke et al. 2014; Blumenfeld et al. 2006). Es konnte ferner gezeigt werden, dass Lernziele im Vergleich zu Leistungszielen stärker mit der Lösung komplexer als einfacher Aufgaben einhergehen (vgl. Utman 1997). Dieser Befund ist konsistent zu der These, dass intrinsische Motivation positiv mit Tiefenstrategien im Lernen (Streblow und Schiefele 2006) sowie kreativen und flexiblen Denkprozessen bei der Aufgabenbearbeitung, die komplexes Problemlösen begünstigen (vgl. Albert 2011; Ionescu 2012), verbunden ist (vgl. Deci und Ryan 1985; Utman 1997).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass neben einer quantitativen Annahme zum Zusammenhang von Motivation und Wissen – im Sinne von je günstiger die motivationale Ausprägung desto höher der Wissenszuwachs – zudem eine qualitative Annahme möglich ist: Motivationale Merkmale stehen in einem positiven Zusammenhang mit der Lösung komplexer (Test‑)Aufgaben bzw. der Erreichung eines hohen, durch komplexe kognitive Bearbeitungsprozesse charakterisierten Kompetenzniveaus.

3 Fragestellungen

Im Folgenden wird drei Fragestellungen nachgegangen.

  1. 1.

    Erreichen (angehende) Lehrer*innen in fortgeschrittenen Ausbildungsstadien höhere Testwerte im GPK sowie höhere Kompetenzniveaus als zu Beginn der Lehrer*innenausbildung?

Da der Lehrer*innenausbildung in Deutschland und Österreich Wirksamkeit hinsichtlich der Förderung beruflich relevanter Kompetenzen unterstellt wird, sollten sich Lernzuwächse im GPK bei den (angehenden) Lehrer*innen über den Untersuchungszeitraum zeigen. Diese spiegeln sich sowohl in einem höheren quantitativen Testscore als auch der Erreichung höherer Kompetenzniveaus mit fortschreitender Ausbildungszeit wider (H1).

  1. 2.

    Besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Karriereaspirationen und dem Erwerb von GPK?

Basierend auf zielspezifischen Charakteristika lassen sich positive Korrelationen zwischen Karriereaspirationen und dem Erwerb von GPK erwarten (H2). Bedeutsame Zusammenhänge werden für die beiden Aspirationen „Professionelles Engagement, sich im Rahmen des Lehrer*innenberufs weiterzubilden und berufsbezogene Fähigkeiten weiterzuentwickeln“ und „Anvisierte Anstrengungen, eine wirksame Lehrperson zu sein“ angenommen. Sie weisen einen direkten Bezug zu dem – sowohl in der Ausbildung wie auch im Berufseinstieg relevanten – Ziel auf, professionelles Wissen zu erwerben, und sollten dementsprechend positiv mit dem Wissenserwerb verbunden sein. Für die beiden Aspirationen „Anvisierter Verbleib Lehrer*innenberuf“ und „Führungsaspirationen“ wird hingegen von kleineren Zusammenhängen ausgegangen, da sie nicht ebenso proximal mit dem Aufbau von professionellem Wissen in Relation stehen und konfundierter sein dürften. Der anvisierte Verbleib im Lehrer*innenberuf kann bspw. auch mit anderen Zielen wie beruflicher Sicherheit oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf assoziiert sein (vgl. z. B. Cramer et al. 2021). Um eine Führungsposition (an Schulen) zu erreichen, könnten dem Erwerb von Kompetenzen wie bspw. Kenntnisse im Bereich Qualitäts- und Schulentwicklung ein höherer Wert beigemessen werden als der Aufbau des für die konkrete Unterrichtstätigkeit erforderlichen GPK.

  1. 3.

    Besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Karriereaspirationen und der Erreichung des höchsten Kompetenzniveaus im GPK?

Unter Einbezug von theoretischen Erklärungsansätzen sowie Ergebnissen aus der Forschung zu Kompetenzen von Schüler*innen zum Zusammenhang von Motivation und der Erreichung hoher Kompetenzniveaus, kann angenommen werden, dass günstig ausgeprägte Karriereaspirationen von Lehrer*innen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einhergehen, das höchste Kompetenzniveau im GPK zu erzielen (H3). Für die Erreichung der unteren Niveaus werden hingegen geringere Zusammenhänge erwartet. Es wird entsprechend der Argumentation zur ersten Fragestellung von größeren Zusammenhängen bei den Skalen „Professionelle Entwicklung“ und „Anvisierte Anstrengung“ ausgegangen als bei den Skalen „Führungsaspirationen“ und „Verbleib im Lehrer*innenberuf“.

4 Methode

4.1 Stichprobe

Zur Bearbeitung der dargelegten Fragestellungen wird auf Daten der EMW-Studie (Entwicklung von berufsspezifischer Motivation und pädagogischem Wissen in der Lehrer*innenausbildung; König und Rothland 2013) zurückgegriffen, eine in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland (DE), Österreich (AT) und der Schweiz (CH) durchgeführte Längsschnittuntersuchung. Ein Ziel des Forschungsprojekts ist es, motivationale Merkmale und pädagogisches Wissen angehender Lehrkräfte zu modellieren und somit Zusammenhänge zwischen nicht-kognitiven Merkmalen und dem sich entwickelnden professionellen Wissen zu untersuchen. Es wird ein Teildatensatz der EMW-Studie verwendet, der 321 Proband*innen aus DE und AT umfasst, die zu drei Messzeitpunkten (MZP) im Herbst 2011 (1. Bachelor-Semester), 2013 (5. Bachelor-Semester) und 2015 (DE: 2./3. Master-Semester; AT: berufstätige Lehrer*innen) befragt wurden. Voraussetzung für die Aufnahme in die Panelstichprobe war mindestens die Teilnahme am ersten und dritten MZP; 262 (angehende) Lehrer*innen nahmen an allen drei MZP teil. Beim ersten MZP beträgt das Durchschnittsalter der Panelisten 21,3 Jahre (in der Gesamtstichprobe 21,71 Jahre) und der Anteil weiblicher Personen 83,8 % (in der Gesamtstichprobe 76,3 %; keine Angabe „divers“). Die Erhebung wurde bei den ersten beiden MZP mittels Papierfragebögen und beim dritten online durchgeführt. Bei diesem MZP wurden Incentives eingesetzt, um zu einer erneuten Teilnahme zu motivieren. Aufgrund einer zu geringen Anzahl von schweizerischen Proband*innen zum dritten MZP, konnten diese nicht in nachfolgende Analysen aufgenommen werden. Da Karriereaspirationen erst zum dritten MZP erfasst wurden, ist der Zusammenhang zum GPK querschnittlich zu interpretieren.

Zum ersten MZP wurden 6601 Lehramtsstudierende an 31 Hochschulen befragt, von denen zum zweiten Messzeitpunkt 1451 in einen Längsschnitt aus deutschen und österreichischen Studierenden aufgenommen werden konnten (König und Klemenz 2015). Der Drop-Out von jeweils rund 75 % zum zweiten bzw. dritten MZP ergibt sich in erster Linie dadurch, dass Teilnehmer*innen in Lehrveranstaltungen nicht mehr identifiziert bzw. anderweitig kontaktiert werden konnten. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass ein großer Anteil aus dem Studium bzw. vor Berufsbeginn (Österreich) ausscheidet (vgl. Neugebauer et al. 2019) und aufgrund dessen nicht mehr angetroffen werden konnte. Es handelt sich um eine Gelegenheitsstichprobe, die mithilfe von Kooperationspartner*innen der jeweiligen Hochschulen erreicht wurde. Die Stichprobe deckt zwar die Heterogenität der Lehrer*innenbildung in den beteiligten Ländern ab, jedoch kann sie nicht als repräsentativ bezeichnet werden. Zum dritten MZP waren die deutschen Studierenden im Masterstudium und hatten das Praxissemester absolviert, während die österreichischen Teilnehmer*innen bereits in den Lehrer*innenberuf eingestiegen waren. Tab. 1 enthält die Fallzahlen der Untersuchungsstichprobe getrennt nach Land und Ausbildungsgang sowie im Vergleich zur geschätzten Population (siehe detailliert König et al. 2013). Es zeigt sich, dass insbesondere der Anteil Sonderpädagogischer Lehrämter in Deutschland deutlich überrepräsentiert ist.

Tab. 1 Verteilung der Proband*innen des hier verwendeten Teildatensatzes der EMW-Studie nach Lehramtstypen der KMK (2009; österreichische Bezeichnung in Klammern) und Land sowie der Anteil der Lehramtstypen in der geschätzten Population

Aufgrund einer möglichen Stichprobenverzerrung, die bei der Selektion der Panel-Stichprobe auftreten könnte, wurden zwei Drop-Out-Analysen durchgeführt. Basierend auf der Stichprobe des ersten bzw. zweiten MZP wurde die Teilnahme am dritten MZP mittels binär logistischer Regressionsanalyse vorhergesagt. Es wurden die Variablen Alter, Geschlecht, der elterliche Berufsstaus (Highest International Socio-Economic Index of Occupational Status (HISEI), Ganzeboom et al. 1992), die Leistungsvariablen Schulabschlussnote und Testwerte im GPK sowie elf Skalen zur Berufswahlmotivation aus dem FIT-Choice-Instrument (Watt und Richardson 2007), vier Skalen der Lern‑/Leistungsmotivation des SELLMO-ST (Spinath et al. 2002) und zwei Skalen der Allgemeinen Leistungsmotivation aus der Achievement Motives Scale (Gjesme und Nygard 1970) einbezogen. Signifikante nennenswerte Effekte (Average marginal effects (AME) > 0,01) weisen die Abschlussnote (AME = −0,02), das Land (AME = 0,04) sowie die FIT-Choice Skalen „Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ (AME = 0,02), „Zukunft der Kinder/Jugendlichen mitgestalten“ (AME = −0,01) und „Eigene Lehr-Lernerfahrungen“ (AME = −0,01) zum ersten MZP und das pädagogische Wissen (AME = 0,01) sowie die FIT-Choice Skala „Intrinsische Berufswahlmotivation“ (AME = −0,03) und „Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ (AME = 0,04) zum zweiten MZP auf. Die Ergebnisse der Drop-Out-Analysen deuten aufgrund der vereinzelten geringen bis moderaten Effektgrößen demnach nicht auf eine stärkere Verzerrung der Panel-Stichprobe hin.

4.2 Erfassung des GPK

Für die Testung des GPK wurde das TEDS‑M Testinstrument mit einer Anzahl von 48 Testitems angewendet (Klemenz und König 2019; König und Blömeke 2009). Mit der Software ConQuest (Wu et al. 1997) wurden die GPK-Testdaten in einem mehrfach bewährten Verfahren eindimensionalen Rasch-Skalierungen unterzogen (Details siehe Klemenz und König 2019; König 2012; König und Klemenz 2015). Zunächst (1) wurden die drei MZP separat skaliert, um Hinweise zur Messinvarianz zu erhalten. Die Skalierungen weisen akzeptable Reliabilitäten auf (EAP/PV Reliabilität: t1 = 0,72, t2 = 0,69, t3 = 0,76; WLE Reliabilität: t1 = 0,66, t2 = 0,68, t3 = 0,74). Die signifikanten und hohen bis sehr hohen Korrelationen der Itemschwierigkeiten zwischen den drei MZP (t1/t2: r = 0,73, p < 0,001; t1/t3: r = 0,67, p < 0,001; t2/t3: r = 0,96, p < 0,001) deuten auf eine ausreichende Stichprobenunabhängigkeit hin, womit eine Skalierung im Ansatz virtueller Fälle (konkurrente Skalierung) als zulässig angesehen werden kann (vgl. Bond und Fox 2007). Anschließend (2) wurde eine Skalierung mit allen Proband*innen der drei MZP im Ansatz virtueller Fälle geschätzt, um dem Problem eingeschränkter Varianz, wie es bei getrennten Skalierung je MZP häufig vorliegt, zu begegnen (Bond und Fox 2007; Rost 2004). Die Reliabilität der Skalierung weist gute Werte auf (EAP/PV Reliabilität: 0,85, WLE Reliabilität: 0,82). In einem nächsten Schritt (3) wurde eine weitere Skalierung über alle drei MZP durchgeführt, in der jedoch die Item-Schwierigkeitswerte fixiert und lediglich die Personenparameter frei geschätzt wurden. Hierbei wurde auf die Item-Schwierigkeiten aus einer vorherigen Skalierung zur Kompetenzniveaumodellierung zurückgegriffen (vgl. Klemenz und König 2019). Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Schwellenwerte des Kompetenzniveaumodells aus der vorherigen auf die hier durchgeführte Analyse anzuwenden und vergleichbar zu machen. Die Reliabilität der Skalierung weist ebenfalls gute Werte auf (EAP/PV Reliabilität: 0,84, WLE Reliabilität: 0,82). Die Korrelation zwischen den Item-Schwierigkeiten der frei geschätzten (2) und der fixierten Skalierung (3) weist sehr hohe, signifikante Werte auf (r = 0,98, p < 0,001), womit eine Anwendung der importierten Item-Parameter als durchführbar betrachtet wird.

4.2.1 Modellierung von Kompetenzniveaus

Zur Modellierung der Kompetenzniveaus wurde ein etabliertes Verfahren zur Vorhersage von Aufgabenschwierigkeiten anhand von Aufgabenmerkmalen angewendet (z. B. Gorin und Embretson 2006; Hartig 2007; Hartig und Frey 2012). Der Ansatz gliedert sich in drei Stufen.

(1) Zunächst werden Aufgabenmerkmale aus den oben dargestellten theoretischen Ansätzen abgeleitet und jedes Item einer bestimmten Stufe des jeweiligen Aufgabenmerkmals zugeordnet. Basierend auf dem Konzept der kognitiven Komplexität wurde das Aufgabenmerkmal Komplexität kognitiver Bearbeitungsprozesse abgeleitet (vgl. detailliert Klemenz und König 2019). Aufgaben, für deren Lösung nur ein Wissenselement erforderlich ist, wurden einem niedrigen, Aufgaben, die mehrere, miteinander verbundene Wissenselemente erfordern, einem hohen Niveau zugeordnet. Die Anzahl der für die Lösung erforderlichen Wissenselemente ist durch das Kodierungsschema der Aufgaben definiert, das in dem umfassenden Codebook festgelegt ist (König und Blömeke 2010). So wurde beispielsweise die Aufgabe in Abb. 1 einem hohen Komplexitätsniveau zugeordnet, da für deren Lösung mehrere miteinander verknüpfte Wissenselemente benötigt werden. Wenn eine Testperson eine komplexe Aufgabe löst, wird dies als Indikator für eine höhere kognitive Verarbeitungsleistung der Person gewertet.

Abb. 1
figure 1

Testaufgabe zur Erfassung von Wissen zur Strukturierung von Unterricht (König und Blömeke 2009)

Basierend auf dem Konzept der Anwendung berufsspezifischer Terminologie wurde das Aufgabenmerkmal terminologische Anforderungen abgeleitet. Für die Umsetzung des Merkmals wurden die Testaufgaben hinsichtlich ihrer unterrichtsbezogenen Termini analysiert. Es wurden 86 Begriffe identifiziert, die anschließend von acht in der Lehrer*innenausbildung tätigen Expert*innen den drei sprachlichen Niveaus zugeordnet wurden (König 2009). Die acht unabhängigen Ratings zeigen eine sehr gute Übereinstimmung (ICCunjustiert (2, 8) = 0,95). Auf Grundlage der Durchschnittswerte aller acht Bewertungen wurden 18 Items dem umgangssprachlichen (z. B. „Gruppenarbeit“), 24 Items dem fachsprachlichen (z. B. „kognitives Lernziel“) und 6 Items dem wissenschaftlichen (z. B. „operante Konditionierung“) Sprachniveau zugeordnet. Die Testaufgabe in Abb. 1 wurde auf Basis der Ratings dem umgangssprachlichen Niveau zugeordnet. Tab. 2 zeigt die Verteilung der Testitems nach ihrer Merkmalskombination. In der durchgeführten Zuordnung von Merkmalen zu Items ist die Kombination hohe kognitive Komplexität und wissenschaftliches Sprachniveau nicht aufgetreten.

Tab. 2 Verteilung der einbezogenen Testitems nach schwierigkeitsbestimmenden Aufgabenmerkmalen (Klemenz und König 2019)

(2) In einem zweiten Schritt werden die aus der IRT-Skalierung resultierenden Item-Schwierigkeiten durch die Aufgabenmerkmale mittels multipler Regressionsanalyse vorhergesagt. Der Bestimmtheitsmaßstab (R2) gibt „an idea of how well the item statistics can be predicted by the item attributes“ (Sinharay et al. 2011, S. 65). Mit 43 % (R2adjusted = 0,43) lässt sich ein großer Teil der Varianz zwischen den Item-Schwierigkeiten durch das zugrunde liegende kognitive Modell erklären (Klemenz und König 2019).

(3) Schließlich werden, basierend auf den Ergebnissen der Regressionsanalyse, die Schwellenwerte der Kompetenzniveaus anhand eines additiven Ansatzes bestimmt (vgl. Hartig 2007; Klemenz und König 2019). Tab. 3 zeigt die auf Basis des methodischen Vorgehens modellierten Kompetenzniveaus im GPK.

Tab. 3 Schwellenwert und Kurzbeschreibung der Kompetenzniveaus (Autoren 2019a)

4.3 Erfassung der Karriereaspirationen

Die Erfassung der Karriereaspirationen erfolgt über das PECDA Instrument (Watt et al. 2014; Watt und Richardson 2008), welches zum dritten MZP eingesetzt wurde. Die originalen, in englischsprachiger Form vorliegenden Items wurden in Absprache mit den Urheber*innen im Rahmen der EMW-Studie einer kontrollierten Übersetzung mit Gegenübersetzung durch eine fachlich qualifizierte Muttersprachlerin unterzogen. Das Instrument besteht aus insgesamt 17 Items, die sich auf vier Skalen verteilen (siehe Tab. 4). Sie erfassen als Likert-Skalen die jeweilige Zustimmung mit einem sieben-stufigen Antwortformat von 1 (überhaupt nicht) bis 7 (äußerst). Die einzelnen Dimensionen weisen gute bis sehr gute Werte hinsichtlich ihrer internen Konsistenz auf.

Tab. 4 Skalen und Beispiel-Items zur Messung von Karriereaspirationen (PECDA Testinstrument; Watt und Richardson 2008) bei (angehenden) Lehrkräften, Itemanzahl und Reliabilität der Skalen (Cronbachs Alpha), n = 321

5 Ergebnisse

5.1 Befunde zu Wissenserwerb und Karriereaspirationen

Hinsichtlich der ersten Hypothese (H1) zeigen die in Tab. 5 dargestellten Mittelwerte, dass über die drei MZP ein bedeutsamer und signifikanter Zuwachs an GPK zu verzeichnen ist (F (2, 960) = 318,84, p < 0,001, η2 = 0,66). Dieser beträgt vom ersten zum zweiten MZP mehr als eine Standardabweichung. Vom zweiten zum dritten MZP ist der Zuwachs mit etwa einem Drittel einer Standardabweichung geringer, aber ebenfalls praktisch bedeutsam.

Tab. 5 Deskriptive Kennwerte (Mittelwert (M; WLE-Score transformiert auf einen M von 50 und einer SD von 10), Standardabweichung (SD)), Minimal und maximal erzielter Score für das GPK, gegliedert nach MZP, n = 321

Abb. 2 visualisiert die Verteilung der (angehenden) Lehrer*innen auf die Kompetenzniveaus getrennt nach MZP. Auch hier zeigt sich mit Bezug zur ersten Hypothese (H1), dass weiter fortgeschrittene Studierende bzw. zum dritten MZP in den Beruf eingestiegene Lehrer*innen, signifikant häufiger höhere Kompetenzniveaus erreichen als zu Beginn des Studiums (χ2 = 437,68; df = 6; p < 0,01).

Abb. 2
figure 2

Prozentuale Häufigkeitsverteilung der Testpersonen je Kompetenzniveau nach MZP mit Konfidenzintervallen (95 %)

Hinsichtlich der PECDA Skalen zeigt sich, dass Proband*innen des höchsten Kompetenzniveaus mit Ausnahme der Skala „Führungsaspirationen“ höhere Ausprägungen in ihren Karriereaspirationen aufweisen als Proband*innen auf den niedrigeren Niveaus (siehe Tab. 6). Anhand Tab. 7 wird deutlich, dass die Skala „Anvisierte Anstrengung“ mit den Skalen „Anvisierter Verbleib“ und „Professionelle Entwicklung“ relativ hoch korreliert ist.

Tab. 6 Deskriptive Kennwerte für die Skalen zur Erfassung von Karriereaspirationen (gegliedert nach Kompetenzniveau und gesamt), n = 321
Tab. 7 Korrelationen der PECDA-Skalen, n = 321

5.2 Befunde zum Zusammenhang von Karriereaspirationen und Erwerb von GPK

Zur Untersuchung des Zusammenhangs von Karriereaspirationen und Wissenserwerb im GPK (H2) wurden identisch spezifizierte multiple lineare Regressionsanalysen je PECDA Skala mit SPSS durchgeführt (siehe Tab. 8). Hierbei wird der Zusammenhang der jeweiligen PECDA Skala und dem GPK zum dritten MZP geprüft. Um die Zusammenhänge der unabhängigen Studienvariablen zu prüfen, wurden neben den Variablen Alter, Land, Geschlecht, Schulabschlussnote und Lehramtstyp die Eingangswerte im Wissen (MZP 1) sowie das zwei Jahre zuvor gezeigte Wissen (MZP 2) kontrolliert. Demnach handelt es sich um querschnittliche Analysen, in denen das pädagogische Wissen zum dritten Messzeitpunkt um das Wissen zum ersten und zweiten Messzeitpunkt bereinigt wird – somit lässt sich den Modellen entnehmen, ob der Zusammenhang zwischen den hier interessierenden Karriereaspirationen und pädagogischem Wissen auch dann noch bestehen bleibt, wenn gleichzeitig der Zusammenhang mit vorherigen, bereits erworbenen Wissensbeständen kontrolliert wird. Der verwendete Teildatensatz von 321 Proband*innen enthält 91,71 % vollständige Werte. Vor den Analysen wurde der Datensatz unter Annahme von missing at random (mar) einer multiplen Imputation (Manly und Wells 2015) mit 10 Datensätzen unterzogen, um die fehlenden Werte zu ersetzen. In das Modell flossen alle Variablen ein, die auch in den Regressionsmodellen enthalten sind, da sie für die Vorhersage der fehlenden Werte als relevant betrachteten wurden. In den nachfolgenden Analysen wurden die 10 imputierten Datensätze verwendet.

Tab. 8 Befunde aus linearen Regressionsanalysen zum Einfluss der PECDA Skalen auf den Erwerb von GPK; Standardisierte Beta Koeffizienten; Separate Modelle je PECDA-Skala, n = 321

Die linearen Regressionsmodelle verdeutlichen, dass die beiden Skalen „Anvisierte Anstrengung“ (β = 0,15, p < 0,05) und „Professionelle Entwicklung“ (β = 0,23, p < 0,001) den Annahmen (H2) entsprechend signifikante, positive Koeffizienten aufweisen und Varianz im Wissenserwerb erklären können. Die beiden anderen PECDA Skalen „Anvisierter Verbleib“ und „Führungsaspirationen“ werden hingegen nicht signifikant (siehe Tab. 8).Footnote 1

Um die zweite Fragestellung zu beantworten, wurden binär logistische Regressionsmodelle berechnet. Aufgrund der geringen Fallzahl der Proband*innen unterhalb des ersten Kompetenzniveaus zum dritten MZP und damit verbundenen instabilen Schätzungen können die Analysen nur für die Erreichung des zweiten und dritten Kompetenzniveaus vorgenommen werden. Die Modellspezifikation der logistischen Regressionen wurde entsprechend der Modelle der linearen Regressionsanalysen vorgenommen. Um einen Vergleich der Regressionskoeffizienten zwischen den Modellen zu ermöglichen, wurden average marginal effects (AMEs) mit der Software R berechnet, die im Vergleich zu unstandardisierten Koeffizienten oder odds-ratios als geeigneter bewertet (Best und Wolf 2012) und als Effektgrößen interpretiert werden. Die p-Werte der AMEs wurden einer Bonferroni-Holm-Korrektur unterzogen, um einer Alphafehler-Kumulierung entgegenzuwirken.

Aus Tab. 9 ist ersichtlich, dass bei der Erreichung des zweiten Kompetenzniveaus ausschließlich die Skala „Professionelle Entwicklung“ einen signifikanten Zusammenhang aufweist (AME = 0,06, p ≤ 0,05). Dieser Wert lässt sich folgendermaßen interpretieren: Bei Anstieg der Skala „Professionelle Entwicklung“ um eine Einheit steigt die Wahrscheinlichkeit, das zweite Kompetenzniveau zu erreichen, um 6 Prozentpunkte an.

Tab. 9 Befunde aus binär logistischen Regressionsanalysen zum Einfluss der PECDA Skalen auf die Erreichung von Kompetenzniveau II; AMEs (average marginal effects), Separate Modelle je PECDA-Skala, n = 321

Die Ergebnisse hinsichtlich der Erreichung des dritten Kompetenzniveaus zeigen, dass die Skalen „Anvisierte Anstrengung“ (AME = 0,11, p ≤ 0,05) und „Professionelle Entwicklung“ (AME = 0,09, p ≤ 0,05) wie erwartet (H3) einen signifikanten und vergleichsweise großen Zusammenhang haben (siehe Tab. 10). Die Skala „Professionelle Entwicklung“ weist für die Erreichung des dritten Niveaus einen größeren Zusammenhang auf als für die Erreichung des zweiten Niveaus.

Tab. 10 Befunde aus binär logistischen Regressionsanalysen zum Einfluss der PECDA Skalen auf die Erreichung von Kompetenzniveau III; AMEs (average marginal effects), Separate Modelle je PECDA-Skala, n = 321

6 Zusammenfassung und Diskussion

Ziel des vorliegenden Beitrags war die Untersuchung des Zusammenhangs von Karriereaspirationen und dem Erwerb pädagogischen Wissens angehender bzw. bereits berufstätiger Lehrer*innen. Bezugnehmend auf die erste Fragestellung wurde zunächst untersucht, ob die Teilnehmer*innen über drei Messzeitpunkte einen Wissenserwerb verzeichnen, also höhere Testwerte im GPK sowie höhere Kompetenzniveaus erreichen (H1) – dies zeigte sich erwartungskonform sowohl hinsichtlich des kontinuierlichen Testscores als auch bezüglich der Erreichung höherer Kompetenzniveaus im fortgeschrittenen Ausbildungsstadium. Die Ergebnisse lassen sich als Beleg für eine Wirksamkeit der Lehramtsausbildung im Sinne eines Zuwachses im professionellen Wissen von (angehenden) Lehrer*innen interpretieren. Ferner weisen die Befunde darauf hin, dass das Kompetenzniveaumodell verschiedene Ausbildungsstadien erwartungskonform abbilden kann und unterstützen die curriculare Validität des Modells.

Im Fokus der zweiten Fragestellung stand die Analyse, ob ein positiver Zusammenhang zwischen Karriereaspirationen und dem Erwerb von GPK besteht. Anhand linearer Regressionsanalysen konnte gezeigt werden, dass die PECDA Skalen „Professionelle Entwicklung“ und „Anvisierte Anstrengung“ unseren Annahmen entsprechend (H2) positiv mit dem Erwerb von GPK zusammenhängen. Entgegen unserer Annahme von zumindest geringen Zusammenhängen zum GPK weisen die beiden Skalen „Führungsaspirationen“ und „Anvisierter Verbleib“ jedoch – ebenso wie bei der zweiten Fragestellung – keine signifikanten Korrelationen auf. Diese Ergebnisse können als wichtiger Beitrag zu der bislang noch wenig bearbeiteten Frage nach dem Zusammenhang zwischen nicht-kognitiven und kognitiven Merkmalen von (angehenden) Lehrer*innen betrachtet werden (König 2017; König und Rothland 2012, 2013; Nitsche et al. 2017). Es lässt sich insbesondere ein zentrales Resultat festhalten: Unter der Annahme, dass dem GPK eine grundlegende Bedeutung für die Bewältigung berufsspezifischer Anforderungen zu Teil wird (Baumert und Kunter 2006; Berliner 2001; Bromme 1992) und hierfür auch mittlerweile empirische Evidenzen vorliegen (z. B. König et al. 2021; Voss et al. 2014), besteht für Lehrer*innen, die bereit sind, große Anstrengungen in ihre Tätigkeit als Lehrer*in und ihre professionelle Entwicklung zu investieren, eine höhere Wahrscheinlichkeit, ihre Kernaufgaben zu erfüllen. Auf Führungsaspirationen und den anvisierten Verbleib im Lehrer*innenberuf lässt sich dies nicht zwangsläufig übertragen.

Im Rahmen der dritten Forschungsfrage wurde untersucht, ob Karriereaspirationen insbesondere mit der Erreichung des höchsten Kompetenzniveaus in Zusammenhang stehen (H3). An dieser Stelle wird der Mehrwert von ergänzenden Analysen auf Basis des Kompetenzniveaumodells deutlich. Zunächst wurde gezeigt, dass rund 17 % (DE) bzw. 8 % (AT) der (angehenden) Lehrer*innen das höchste Niveau erreichen. Diese Personen sind besser in der Lage, eine mehrperspektivische Sichtweise auf Unterricht einzunehmen und vielfältige Handlungsoptionen zu kreieren (Klemenz und König 2019). Es lässt sich zudem annehmen, dass Anteile praktischen Wissens, das als wesentlich für die professionelle Reflexion und Erlangung des Expertenstatus (Berliner 2001, 2004) gilt, vorhanden sind (siehe Abschn. 2.2.2). Diese kriteriale Beschreibung unterschiedlicher Qualitäten von Wissen bzw. dessen Analyse wird erst durch das vorliegende Kompetenzniveaumodell möglich.

Ferner wurde in der Gegenüberstellung zu einem kontinuierlichen Testwert deutlich, dass die Stärke des Zusammenhangs zwischen den PECDA Skalen „Professionelle Entwicklung“ bzw. „Anvisierte Anstrengung“ und dem Wissenserwerb nicht bei jedem Kompetenzniveau gleich groß ist, sondern variiert und sich besonders stark auf dem höchsten Niveau abzeichnet. (Angehende) Lehrpersonen auf diesem Kompetenzniveau weisen demnach günstigere motivationale Merkmale auf. Die Ergebnisse lassen die Interpretation zu, dass, wie im Theorieteil aufgezeigt, motivationale Merkmale positiv mit der Bewältigung komplexer Aufgaben zusammenhängen (vgl. Blumenfeld et al. 2006; Blömeke et al. 2014). Ferner ist davon auszugehen, dass zwischen motivationalen Merkmalen und dem Erwerb von GPK Interdependenzen bestehen (vgl. Eccles und Wigfield 2002; Heckhausen und Heckhausen 2018) und sie sich gegenseitig positiv (wie auch negativ) beeinflussen; ähnlich einem Selbstbekräftigungssystem (vgl. Brunstein und Heckhausen 2018).

Aus den Befunden lässt sich die praktische Implikation ableiten, dass Kompetenzniveaus bzw. unterschiedliche Qualitäten von Wissen deutlich stärker in den Blick der Lehrer*innenbildung genommen werden sollten. Obwohl Kompetenzniveaumodelle in der der Schulforschung bzw. Schulleistungsstudien seit Jahren ein etabliertes Verfahren darstellen, auf dessen Basis grundlegende Entscheidungen getroffen werden können (vgl. Reiss et al. 2016), spielen Sie in der Lehrer*innenprofessionsforschung nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle. Es stellt sich sodann die praxisrelevante Frage, wie sich in der Lehrer*innenbildung die Erreichung hoher Kompetenzniveaus im Wissen ebenso wie günstige motivationale Merkmale fördern lassen – auch um (angehende) Lehrer*innen im besten Fall in einen sich selbst verstärkenden Prozess zu bringen (Lauermann et al. 2020). Hierbei kann einerseits an der Förderung des Wissenserwerbs mittels formaler (praxisorientierter) Lerngelegenheiten angesetzt werden (vgl. Klemenz et al. 2019). Ferner bestünde die Option, Lehrer*innen Rückmeldung über ihre motivationalen Charakteristika zu geben, über Zusammenhänge zum Wissenserwerb zu informieren und sie unter Umständen sogar positiv zu beeinflussen. Die Untersuchung der Veränderbarkeit motivationaler Merkmale stellt jedoch eines der wesentlichen Forschungsdesiderate in der Lehrer*innenbildung dar (Kunter 2014). In diesem wenig beforschten Feld weisen erste Ergebnisse beispielsweise zur Förderung der Lernzielorientierung von Lehrer*innen durch Trainings darauf hin, dass es sich eher um stabile, wenig beeinflussbare Größen handelt (vgl. Benning et al. 2019). Ob diese Befunde repliziert und auf Karriereaspirationen übertragen werden können, ist zu klären.

Es wird offensichtlich, dass, auch um praxisrelevante Implikationen fundiert ableiten zu können, die Fragen der Kausalrichtung bzw. Interdependenzen sowie der Stärke der jeweiligen Wirkungsrichtungen in folgenden (bestenfalls längsschnittlichen) Studien genauer beleuchtet werden sollten. Die vorliegende Studie kann diese nicht abschließend beantworten, da das GPK zwar längsschnittlich erhoben, die Analysen zum Zusammenhang mit Karriereaspirationen aber querschnittlicher Art sind. Karriereaspirationen wurden erst zum dritten MZP erhoben, da bei den ersten beiden Messzeitpunkten Konstrukte, deren Erhebung insbesondere zu Beginn der Ausbildung – wie bspw. die Berufswahlmotivation – notwendig erschein, im Fokus standen. Diese Aspekte sind mit dem Kritikpunkt an der vorliegenden Studie verbunden, detaillierter zu klären, wie Karriereaspirationen mit der Inanspruchnahme von Lerngelegenheiten und dem Wissenserwerb von (angehenden) Lehrer*innen zusammenhängen. Eine weitere Limitierung der Studie betrifft die Stichprobe, weshalb die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden sollten. Insbesondere die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ist eingeschränkt, da es sich um eine anfallende Stichprobe handelt und vor allem sonderpädagogische Lehrämter überrepräsentiert sind. Durch den Drop-Out ist die Größe der Stichprobe deutlich verringert, weshalb sie bei einer Unterteilung in mehrere Gruppen nach Kompetenzniveau teilweise nur geringe Fallgrößen aufweist. Der Zusammenhang von Karriereaspirationen und die Erreichung des ersten Niveaus bleibt dadurch eine unbeantwortete Frage. Darüber hinaus zeigt die Drop-Out Analyse, dass eine geringe Stichprobenverzerrung festzustellen ist, die eine leichte Tendenz zur Teilnahme bei stärker motivierten Proband*innen erkennen lässt.

Abschließend lässt sich jedoch festhalten, dass die vorliegenden Ergebnisse wichtige Erkenntnisse zu dem noch wenig untersuchten Zusammenhang von Karriereaspirationen und pädagogischem Wissen von Lehrer*innen liefern. Die angeführten Kritikpunkte und offenen Fragen sollten als Anstoß verstanden werden, den Gegenstand vermehrt in den Fokus zu rücken. Der Mehrwert des kriteriumsorientierten Ansatzes (Klemenz und König 2019; Klemenz et al. 2019) unterstreicht die Forderung, in Zukunft weitere derartige Modelle auch in der Lehrer*innenforschung zu konstruieren (Bach 2013; Schaper 2009), sie in Ergänzung zum kontinuumsorientierten Ansatz einzusetzen und damit die Messung, Modellierung und Analyse von Kompetenzen weiterzuentwickeln.