1 Einleitung

Peergestütztes Lernen hat positive Effekte auf den Wissenserwerb (Hattie 2009; Kyndt et al. 2013; Rohrbeck et al. 2003), das soziale Lernen und die Peerbeziehungen (Ginsburg-Block et al. 2006, Tolmie et al. 2010). Allerdings verweisen starke Streuungen der Effektstärken auf mögliche Moderatoren der Wirksamkeit peergestützten Lernens (Kyndt et al. 2013). Darunter fallen instruktionale Gestaltungsmerkmale wie beispielsweise die Verteilung von Informationen und Wissenszugängen unter den Lernpartner:innen (Deiglmayr und Schalk 2015), die Expertise der Lernpartner:innen (Buchs und Butera 2009), die Strukturierung des gemeinsamen Arbeitsprozesses (Supanc et al. 2017), die Art der Aufgabenstellung (Kirschner et al. 2011) und die Unterstützung durch die Lehrperson (Hijzen et al. 2007). Ebenso nehmen Studien die Kooperation und Kommunikation der Lernenden als Prozessvariable in den Blick und untersuchen verschiedene kommunikative Handlungen als Merkmale eines lernwirksamen Dialoges und einer gelingenden gemeinsamen Wissenskonstruktion (Barron 2000; Webb 2009). Dazu zählen z. B. die Bildung und der Austausch von Argumenten (Nussbaum 2008), verständnisorientierte Fragen und Erklärungen (King 1999; Webb 1989) sowie die Bezugnahme auf die Ideen der Lernpartner:innen, die sogenannte Transaktivität (Jurkowski und Hänze 2015). In der transaktiven Kommunikation zeigt sich das genuine Potenzial peergestützten Lernens, da die Bezugnahme auf die Beiträge der Lernpartner:innen und die Verknüpfung unterschiedlicher Ideen nur in einer kooperativen Lernsituation möglich sind (Hänze und Jurkowski 2022).

Untersuchungen von Prozessvariablen, die die Wirkung peergestützten Lernens erklären können, basieren auf der zuverlässigen und genauen Messung des Arbeits- und Lernprozesses. Hierzu wird als Standard die Codierung und Häufigkeitszählung verschiedener Formen von Lernaktivitäten herangezogen, die auf der Transkription von Audio- oder Videomaterial basieren oder in computergestützten Lernumgebungen anhand der Kommunikationsprotokolle erfolgen (Chi 2009; Weinberger und Fischer 2006). Einerseits wird diese Erhebungsmethode in der Schul- und Unterrichtsforschung als reliabel und valide erachtet, andererseits ist sie mit einem relativ hohen Zeitaufwand verbunden (Lotz et al. 2013). Der Codierung als niedrig-inferentem Messverfahren werden ökonomischere hoch-inferente Beobachtungsverfahren gegenübergestellt, bei denen anhand von verhaltensnah definierten Indikatoren eine Gesamteinschätzung in Bezug auf ein Merkmal erfolgt (Lotz et al. 2013). Erprobte, hoch-inferente Verfahren, wie sie beispielsweise zur Messung des Lehrerhandelns und der Unterrichtsqualität eingesetzt werden (vgl. Pianta und Hamre 2009), liegen für die Forschung zum peergestützten Lernen unserem Kenntnisstand nach nicht vor. Die Selbsteinschätzung des kooperativen Arbeits- und Lernprozesses stellt ein weiteres ökonomischeres Verfahren dar, das jedoch für die Messung kommunikativer Handlungen relativ selten eingesetzt wird (Jurkowski und Hänze 2012).

In der vorliegenden Studie wird die Fragestellung adressiert, wie transaktive Kommunikation als Merkmal einer lernförderlichen gemeinsamen Wissenskonstruktion gemessen werden kann. Dazu werden ein hoch-inferentes Beobachtungsverfahren, die niedrig-inferente Codierung transkribierter Audioaufnahmen und die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation im Hinblick auf ihre Reliabilität und Validität untersucht.

1.1 Transaktive Kommunikation und peergestütztes Lernen

In ihrem ICAP-Modell (ICAP steht für „interactive, constructive, active, passive“) systematisieren Chi und Wylie (2014) Lernaktivitäten anhand der beiden Dimensionen kognitive Prozesse und beobachtbare Lernhandlungen. Die Autorinnen gehen davon aus, dass die Qualität der Lernergebnisse im Sinne eines Verständnisses der Inhalte von passiven Lernaktivitäten zu interaktiven Lernaktivitäten zunimmt, so dass das Modell zur Erklärung der Wirksamkeit von Lernumgebungen herangezogen werden kann. Auch Prozessvariablen peergestützten Lernens können in das Modell eingeordnet werden. Zum Verständnis der Bedeutung transaktiver Kommunikation ist insbesondere die Unterscheidung zwischen konstruktiven und interaktiven Lernaktivitäten relevant. Konstruktive Lernaktivitäten bedeuten auf der Ebene der kognitiven Prozesse, dass Lernende beispielsweise neue Wissenselemente in bereits vorhandene Wissensstrukturen integrieren, falsche Vorstellungen korrigieren oder ihr Wissen neu strukturieren. Dies lässt sich in Lernhandlungen wie dem Fragenstellen, Vergleichen und Kontrastieren, Herleiten von Hypothesen, Erklären oder Begründen beobachten. Dadurch entwickeln die Lernenden ein Verständnis der Lerninhalte, das über die im Material gegebenen Informationen hinausgeht. Konstruktive Lernaktivitäten werden als Merkmale der Kommunikation beim peergestützten Lernen seit mehreren Jahrzehnten intensiv untersucht (für einen Überblick siehe Fischer 2002; Webb 2010), jedoch sind sie nicht an die Anwesenheit von Lernpartner:innen gekoppelt. Vielmehr können sie auch individuell ohne Kommunikation mit anderen Lernenden auftreten. Dies ist beispielsweise bei Selbsterklärungen (Bisra et al. 2018) und der Formulierung von Fragen an sich selbst der Fall (King 1992).

Interaktive Lernaktivitäten dagegen basieren auf der Kommunikation zwischen den Lernenden (Chi und Wylie 2014). In der Kommunikation mit Lernpartner:innen erhalten sie zusätzliche Informationen und lernen weitere Ideen, Sichtweisen und Schlussfolgerungen kennen, die sie auf der Ebene der kognitiven Prozesse mit ihren eigenen Gedanken zu den Lerninhalten verknüpfen können. Auf der Ebene der beobachtbaren Lernhandlungen formulieren die Lernenden inhaltlich substanzielle Beiträge und nehmen dabei Bezug auf die Beiträge ihrer Lernpartner:innen. Die Lernenden ko-konstruieren über die gegebenen Lernmaterialien hinausgehendes Wissen, in dem die unterschiedlichen Ideen der Lernenden integriert sind und das jede:r Lernende internalisieren kann (Vuopala et al. 2019). Die Möglichkeit zur Bezugnahme auf die Beiträge der Lernpartner:innen stellt das besondere Potenzial peergestützten Lernens dar (Hänze und Jurkowski 2022), das in der transaktiven Kommunikation aufgegriffen und ausdifferenziert wird.

Transaktivität bedeutet, dass Lernende in ihren sprachlichen Beiträgen zu den Lerninhalten auf den Beiträgen ihrer Lernpartner:innen aufbauen und sie weiterentwickeln (Berkowitz et al. 2008; Berkowitz und Gibbs 1983). In der Literatur werden verschiedene Formen der transaktiven Kommunikation beschrieben, deren Gemeinsamkeit die inhaltliche Bezugnahme auf die Lernpartner:innen ist. Hierzu zählen Nachfragen an die Lernpartner:innen nach genaueren Beschreibungen sowie eher kritische Fragen nach Begründungen ihrer Ideen (Kruger und Tomasello 1986), Paraphrasierungen der Ideen der Lernpartner:innen (Berkowitz und Gibbs 1983) und Erweiterungen um zusätzliche Aspekte oder genauere Ausführungen (Azmitia und Montgomery 1993; Berkowitz und Gibbs 1983; Kruger und Tomasello 1986). Darüber hinaus gehören zu den Formen transaktiver Kommunikation das vergleichende Gegenüberstellen eigener Ideen mit denen der Lernpartner:innen (Berkowitz und Gibbs 1983) sowie das Zusammenführen unterschiedlicher Ideen (Azmitia und Montgomery 1993; Berkowitz und Gibbs 1983). Beispiele für die einzelnen Formen transaktiver Kommunikation finden sich in Sawatzki et al. (2022). Über die verschiedenen Formen transaktiver Kommunikation verbinden die Lernpartner:innen ihre unterschiedlichen Informationen, Ideen oder Sichtweisen zu einer gemeinsamen Lösung der Aufgabenstellung (Littleton und Mercer 2013). Somit ist die transaktive Kommunikation ein wesentliches Merkmal der gemeinsamen Wissenskonstruktion (Jurkowski und Hänze 2015; Schuitema et al. 2011; Webb 2010).

1.2 Empirische Ergebnisse zur transaktiven Kommunikation

Studien aus unterschiedlichen Domänen und mit verschiedenen Altersgruppen zeigen positive Zusammenhänge zwischen der Intensität der transaktiven Kommunikation von Lernenden und ihrem Lernerfolg beim peergestützten Lernen. Beispielsweise ergaben sich in Studien mit Kindern und Jugendlichen positive Korrelationen zwischen der Häufigkeit ihrer transaktiven Äußerungen während der Diskussion moralischer Dilemmata und ihrer moralischen Entwicklung (Berkowitz und Gibbs 1983; Kruger 1992, 1993) sowie ihrer Fähigkeit zur Perspektivenkoordination (Mischo 2005). Darüber hinaus zeigten sich in Untersuchungen positive Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit transaktiver Äußerungen und dem Lernerfolg von Schüler:innen beim naturwissenschaftlichen Problemlösen (Azmitia und Montgomery 1993), dem Wissenserwerb von Schüler:innen im Unterrichtsfach Biologie (Russell 2005) sowie dem Wissenserwerb von Studierenden im Bereich der Pädagogischen Psychologie (Jurkowski und Hänze 2010, 2015). Speziell die transaktiven Kommunikationsformen des Hinterfragens und Gegenüberstellens erwiesen sich als zentrale Aspekte eines kritischen argumentativen Dialoges zwischen Studierenden über wissenschaftsbezogene Informationen (Thiebach et al. 2016). Auch die Qualität des Gruppenproduktes steht in positivem Zusammenhang mit der Intensität der transaktiven Kommunikation der Lernpartner:innen, wie eine Studie von MacDonald et al. (2000) für die Komposition eines Musikstückes in Lerntandems zeigen konnte. Für die Entwicklung von Teams ergab sich in einer Untersuchung, dass eine stärkere transaktive Kommunikation mit einem intensiveren Austausch über die Expertise der Gruppenmitglieder, mit intensiveren Aushandlungsprozessen sowie einer stärkeren Verständigung über eine geteilte Wissensbasis einhergeht (Zoethout et al. 2017).

Wie eine Untersuchung von Jurkowski und Hänze (2015) ergab, wird der individuelle Lernerfolg nicht nur von der transaktiven Kommunikation des:r Lernenden selbst, sondern auch von der transaktiven Kommunikation der Lernpartner:innen beeinflusst. Die Studie von Mette und Hänze (2021) zur Bedeutung der transaktiven Kommunikation für die interprofessionelle Zusammenarbeit zeigt jedoch, dass Gruppenmitglieder nicht unbedingt im selben Ausmaß von der Transaktivität profitieren. So ergab sich zwar ein positiver Zusammenhang zwischen der transaktiven Kommunikation der Physiotherapieauszubildenden und dem Wissenserwerb der Medizinstudierenden, umgekehrt war dies jedoch nicht der Fall. Dieses Ergebnis verweist auf Faktoren wie beispielsweise die Gruppenzusammensetzung, die Aufgabenstellung oder die individuellen Kommunikationsfertigkeiten, die die transaktive Kommunikation und ihre Effekte beim peergestützten Lernen beeinflussen können (Hänze und Jurkowski 2022). Entsprechend zeigte sich in Studien, dass der Wissenserwerb von Lernenden durch Aufgabenstellungen gestärkt wird, die einen transaktiven Dialog zwischen den Lernpartner:innen stimulieren (Wagner et al. 2018), sowie durch auf Transaktivität bezogene Kooperationsskripte, die den gemeinsamen Arbeits- und Lernprozess anleiten (Jurkowski und Hänze 2010).

Eine weitere Untersuchung ergab, dass Lernende in stärkerem Ausmaß transaktiv kommunizieren, wenn sie eine freundschaftliche Beziehung zueinander haben (Azmitia und Montgomery 1993). Dieses Ergebnis legt nahe, dass Transaktivität von der Qualität der Beziehung der Lernpartner:innen beeinflusst wird. Darüber hinaus wird das Ausmaß der transaktiven Kommunikation von den sozial-emotionalen Fähigkeiten der Lernenden wie beispielsweise der Perspektivenübernahmefähigkeit, der Fähigkeit zum Zuhören und dem prosozialen Verhalten beeinflusst (Jurkowski und Hänze 2010). Der Zusammenhang zwischen sozial-emotionalen Fähigkeiten und transaktiver Kommunikation kann mit den Annahmen von Macagno und Rapanta (2020) erklärt werden. Die Autor:innen gehen davon aus, dass Lernende sich in die Sichtweise ihrer Lernpartner:innen hineinversetzen und diese verstehen müssen, um auf die Ideen der Lernpartner:innen Bezug nehmen zu können. Vermutlich wirken hierbei sowohl eine positive Beziehung als auch sozial-emotionale Fähigkeiten der Lernenden unterstützend. Transaktive Kommunikation kann somit als Schnittstelle zwischen sozialen und kognitiven Prozessen beim Wissenserwerb betrachtet werden (Hänze und Jurkowski 2022).

1.3 Messung transaktiver Kommunikation

Während der Zusammenhang zwischen transaktiver Kommunikation und Wissenserwerb beim peergestützten Lernen gut belegt ist, sind die Bedingungen für transaktive Kommunikation im Sinne beispielsweise individueller Lernvoraussetzungen, Gruppendynamiken oder Merkmalen der Aufgabenstellung noch weitgehend ungeklärt (Hänze und Jurkowski 2022). Daher ist die Frage nach der Messung transaktiver Kommunikation von hoher Relevanz für weitere Forschungsarbeiten. In bisherigen Studien wurden vor allem Kategoriensysteme eingesetzt (Azmitia und Montgomery 1993; Berkowitz und Gibbs 1983; Jurkowski und Hänze 2015; Kruger und Tomasello 1986), seltener auch Selbsteinschätzungen transaktiver Kommunikation (Jurkowski und Hänze 2012; Mette und Hänze 2021). Bei den Kategoriensystemen wird das transkribierte Audio- oder Videomaterial zum peergestützten Lernen anhand theoretisch abgeleiteter und genau definierter Codes im Hinblick auf die Häufigkeit transaktiver Kommunikationsformen ausgewertet (für einen allgemeinen Überblick zu Kategoriensystemen siehe Döring und Bortz 2016). Durch die genauen Definitionen soll möglichst wenig Interpretationsspielraum entstehen und eine hohe Reliabilität und Validität erzielt werden (Krippendorff und Bock 2009). In der Forschungsliteratur finden sich zahlreiche Codiersysteme mit teilweise etwas unterschiedlichen Beschreibungen der transaktiven Kommunikationsformen, für die allerdings keine explizite Reliabilitäts- und Validitätsprüfung vorliegt. Zudem werden in einigen Studien einzelne Formen transaktiver Kommunikation erfasst (vgl. Azmitia und Montgomery 1993), während in anderen Untersuchungen Transaktivität auf der allgemeineren Ebene der inhaltlichen Bezugnahme erhoben wird (vgl. Jurkowski und Hänze 2015). Somit stellt sich auch die Frage nach der faktoriellen Validität und damit der Abstraktionsebene, auf der transaktive Kommunikation erfasst werden sollte.

Der niedrig-inferenten Codierung kann die hoch-inferente Einschätzung anhand eines Beobachtungsverfahrens gegenübergestellt werden. Eine hoch-inferente Einschätzung erfolgt zumeist im Anschluss an die relevante Situation, wobei die Beobachter:innen ein Gesamturteil über die Zeit hinweg und über mehrere verhaltensnah definierte Indikatoren treffen müssen und damit ein höherer Interpretationsspielraum gegeben ist (für einen allgemeinen Überblick zur hoch-inferenten Beobachtung siehe Döring und Bortz 2016). Gerade dieser Interpretationsspielraum könnte eine höhere Aussagekraft der hoch-inferenten Einschätzung im Vergleich zur niedrig-inferenten Codierung mit sich bringen (Clausen 2002; Lotz et al. 2013). Neben der zusätzlich höheren Ökonomie könnte ein hoch-inferentes Beobachtungsverfahren speziell für die Transaktivität von Vorteil sein, da Beobachter:innen im Erkennen von Transaktivität durch die Informationen zum nonverbalen Verhalten der Lernenden unterstützt werden, welche bei der Codierung von Transkripten auf der Grundlage von Audiodaten zu einem großen Teil verloren gehen. Damit könnte vermutlich der soziale Aspekt transaktiver Kommunikation stärker berücksichtigt werden. Zwar kann dieser auch bei der Codierung von Transkripten auf Basis von Videodaten einbezogen werden, jedoch bringen Videodaten den Nachteil mit sich, dass bei einer statischen Kameraperspektive möglicherweise das Lernmaterial nicht deutlich erkennbar ist und damit die gemeinsame Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Lernmaterial nicht genau dokumentiert und eingeschätzt werden kann. Andererseits könnte ein Nachteil eines hoch-inferenten Beobachtungsverfahrens darin bestehen, dass Beobachter:innen zu viele Informationen in der Situation selbst aufnehmen und verarbeiten müssen, was die Güte der Messung einschränken könnte.

Die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation als klassisches Messverfahren ist ebenfalls ökonomisch und könnte einerseits aufgrund der den Befragten potenziell zu Verfügung stehenden Informationen über die gesamte Zusammenarbeit eine hohe Aussagekraft haben. Andererseits sind möglicherweise die Tendenz zu sozial erwünschten Antworten und die kognitive Belastung der Lernenden bei der Selbsteinschätzung von Nachteil. Darüber hinaus liegt auch für die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation bislang kein Verfahren vor, dessen Reliabilität und Validität überprüft wurde.

Die Vielzahl der in der Forschung verwendeten Codiersysteme transaktiver Kommunikation, das mögliche Potenzial eines hoch-inferenten Beobachtungsverfahrens oder einer Selbsteinschätzung, die fehlende Überprüfung psychometrischer Gütekriterien der Verfahren sowie die Forschungsdesiderate zur Transaktivität legen nahe, die Messung transaktiver Kommunikation selbst zum Gegenstand der Forschung zu machen und verschiedene Messverfahren im Hinblick auf ihre Qualität zu untersuchen.

1.4 Forschungsfrage

Ein Beobachtungsverfahren mit einer hoch-inferenten Einschätzung, ein Codiersystem mit einer niedrig-inferenten Erfassung und ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung verschiedener Formen der transaktiven Kommunikation wurden im Hinblick auf ihre psychometrischen Gütekriterien untersucht und vergleichend gegenübergestellt. Für jedes Messverfahren wurde eine Reliabilitätsprüfung vorgenommen (interne Konsistenz sowie für das Beobachtungsverfahren die Beobachterübereinstimmung und für das Codiersystem die Interraterreliabilität). Darüber hinaus wurden verschiedene Validitätsaspekte analysiert. Für jedes Messverfahren wurde zunächst die faktorielle Validität in Bezug auf die einzelnen Formen transaktiver Kommunikation getestet. Weiterhin wurde die konvergente Validität der drei Messverfahren überprüft. Erwartet wurden positive Zusammenhänge zwischen den über die drei Messverfahren erhobenen Werten transaktiver Kommunikation (Hypothese 1). Außerdem wurde die kriteriale Validität anhand der Zusammenhänge mit dem Wissenserwerb und mit der Sympathie zum Lernpartner/zur Lernpartnerin als Indikator für die Beziehungsqualität überprüft. Erwartet wurden positive Zusammenhänge zwischen der über die verschiedenen Messverfahren erhobenen transaktiven Kommunikation und dem Wissenserwerb (Hypothese 2) sowie der Sympathie zum Lernpartner/zur Lernpartnerin (Hypothese 3).

2 Methode

Die Erprobung der drei Messverfahren fand im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes statt. In dem Projekt wurde ein 2,5 Schultage dauernder fachübergreifender Unterricht mit peergestütztem Lernen zum Thema Nachhaltige Ressourcennutzung durchgeführt.

2.1 Stichprobe und Design

Die Gesamtstichprobe besteht aus N = 516 Schüler:innen (260 Mädchen, 248 Jungen, 8 ohne Angabe; MAlter = 14,43, SDAlter = 0,64) der neunten Klassenstufe aus 23 Schulklassen an vier Gesamtschulen. In dieser Stichprobe wurde die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation erhoben. Für eine Unterstichprobe von n = 246 Schüler:innen (127 Mädchen, 116 Jungen, 3 ohne Angabe; MAlter = 14,41, SDAlter = 0,63) fand die Codierung transkribierter Audioaufnahmen statt. Für n = 92 dieser Schüler:innen liegen zusätzlich hoch-inferente Einschätzungen transaktiver Kommunikation anhand des Beobachtungsverfahrens vor (50 Mädchen, 41 Jungen, 1 ohne Angabe; MAlter = 14,41, SDAlter = 0,63).

Die Messungen transaktiver Kommunikation wurden zu zwei Messzeitpunkten (Beginn und Ende der 2,5 Schultage) in unterschiedlichen Lernsituationen mit Partnerarbeiten durchgeführt. Beobachtungsverfahren, Codierung und Fragebogen erfassen sechs Formen transaktiver Kommunikation: Absichern (Paraphrasieren), Nachfragen, Erweitern, Hinterfragen (kritisches Fragen), Gegenüberstellen, Zusammenführen. Zu beiden Messzeitpunkten wurden außerdem der Wissenserwerb in Bezug auf den jeweiligen Inhalt der Partnerarbeit und die Sympathie zum Lernpartner/zur Lernpartnerin erfasst.

Im Rahmen des Projektes wurden während des fachübergreifenden Unterrichts mit peergestütztem Lernen auf Klassenebene zwei unterschiedliche Bedingungen realisiert: in der Experimentalgruppe wurden Instruktionen und Übungen zur transaktiven Kommunikation durchgeführt, in der Kontrollgruppe fanden Instruktionen und Übungen zu rhetorischen Fertigkeiten statt. Die Codierung und die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation wurden in der Experimental- und in der Kontrollgruppe erhoben, während die hoch-inferente Einschätzung lediglich für Schüler:innen der Experimentalgruppe vorliegt. Für die Überprüfung von Reliabilität und faktorieller Validität wurden sämtliche vorhandenen Daten einbezogen (Bedingungen und Messzeitpunkte). Die sich daraus ergebende stärkere Streuung der Werte erhöht die Aussagekraft der Ergebnisse. In die korrelativen Analysen zur Testung der Hypothesen wurden die ausschließlich aus der Experimentalgruppe stammenden Daten der Unterstichprobe von n = 92 Schüler:innen aus beiden Messzeitpunkten einbezogen. Eine mögliche Abhängigkeit der Zusammenhänge von den Messzeitpunkten wurde statistisch überprüft.

2.2 Durchführung

Die Partnerarbeiten waren als Partnerpuzzle gestaltet (vgl. Huber 2004) und bestanden aus den Phasen Einzelarbeit an einem Expertenthema (15 min), wechselseitige Instruktion über die Expertenthemen (15 min) und Vertiefung anhand einer Problemlöseaufgabe (30 min). Für die Aufgabenbearbeitung in der Vertiefungsphase war die Verknüpfung des Wissens aus beiden Expertenthemen erforderlich, so dass transaktive Kommunikation stimuliert wurde. Die Messung transaktiver Kommunikation bezog sich daher auf diese Vertiefungsphase. Thema in der Lernsituation zum ersten Messzeitpunkt waren klimatische, wirtschaftliche und politische Einflüsse auf die Lebensmittelversorgung von Kleinbauern in Afrika. Thema in der Lernsituation zum zweiten Messzeitpunkt war die Nutzung von Ressourcen in vertikalen Farmen. Die Problemlöseaufgaben waren nach der Mystery-Methode aufgebaut, bei der die Schüler:innen vor dem Hintergrund einer Geschichte und einer sich daraus ergebenden problemorientierten Leitfrage mit Hilfe von Informationskärtchen Kausalzusammenhänge zum Themenfeld erkennen und eine Lösung erarbeiten sollen (vgl. Freitag-Hild und Strobel 2019; Schuler 2018). Die Kärtchen enthalten relativ knappe fachliche Informationen in schriftlicher oder graphischer Form, wobei die Informationen auf unterschiedlichen Kärtchen sich ergänzen oder widersprüchlich sein können. Das Lernmaterial war angelehnt an eine Unterrichtsreihe von Hennig (2016).

Die Schüler:innen erhielten einen Codenamen und wurden zum ersten Messzeitpunkt Dyaden zugelost, die an nummerierten Gruppentischen arbeiteten. Die Zusammensetzung der Lerntandems blieb zum zweiten Messzeitpunkt bestehen. Die verbale Kommunikation der Schüler:innen während der Vertiefungsphase wurde mit Audiogeräten, die auf den Tischen der Lerntandems lagen, aufgenommen. Aus der Gruppe der Schüler:innen mit einem vollständigen Datensatz wurden per Zufall Personen ausgewählt, deren Audiodaten transkribiert und codiert wurden. Die Stichprobe für die beobachteten Schüler:innen wurde durch die Gruppentische festgelegt, indem in allen Klassen günstig im Raum stehende und weiter voneinander entfernte Tische ausgewählt wurden.

2.3 Erhebungsinstrumente

Beobachtung transaktiver Kommunikation

Grundlage für die Entwicklung der Beobachtungsitems waren Kategoriensysteme zur Codierung transaktiver Kommunikation (Azmitia und Montgomery 1993; Berkowitz und Gibbs 1983; Jurkowski und Hänze 2015; Kruger 1992) und ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung von Transaktivität (Jurkowski und Hänze 2012). Für jede Form transaktiver Kommunikation wurden ein bis zwei Items entwickelt, die aus einer Beschreibung der transaktiven Kommunikationsform und ihrer Funktion für die gemeinsame Wissenskonstruktion und den Wissenserwerb bestehen. Insgesamt wurden acht Items mit einem dreistufigen Antwortformat formuliert (siehe Supplementary Material A). Der Beobachtungsbogen enthält neben den Items ein Feld für Notizen während der Beobachtungsphase, die eine Hilfestellung für die anschließende hoch-inferente Einschätzung bieten sollen. Darüber hinaus kann angegeben werden, dass in der Beobachtungsphase nicht die Möglichkeit bestand, transaktive Kommunikation zu beobachten, z. B. weil die Schüler:innen die Aufgabenbearbeitung bereits beendet hatten oder zu leise gesprochen haben. Die Entwicklung des Beobachtungsbogens umfasste auch die Erprobung des Verfahrens anhand von Unterrichtsvideos, so dass die Formulierung und Beschreibung sowie das Antwortformat der Items durch eine erste Anwendung überarbeitet werden konnten.

Das Beobachtungsverfahren wurde während der Vertiefungsphase von vier geschulten und in den fachübergreifenden Unterricht eingebundenen wissenschaftlichen Assistentinnen durchgeführt. Die Schulung der Beobachterinnen beinhaltete eine Erklärung der transaktiven Kommunikationsformen, die Besprechung von Beispielen transaktiver Kommunikation, die Einführung in den Beobachtungsbogen und die Anwendung des Verfahrens mit anschließender gemeinsamer Reflexion der individuellen Einschätzungen anhand von drei videografierten Gruppengesprächen aus einer anderen Untersuchung sowie vier Lerntandems in einer Schulklasse, in der auch das Lernmaterial der vorliegenden Studie erprobt wurde.

In jeder Klasse der Stichprobe wurden zwei Beobachterinnen eingesetzt, wobei die Beobachterinnenkonstellation zwischen den Klassen so variiert wurde, dass alle sechs Kombinationsmöglichkeiten der vier Beobachterinnen realisiert wurden. Innerhalb der Klassen wurden die Schüler:innen jeweils eines Lerntandems von beiden Beobachterinnen individuell eingeschätzt. Jede Beobachterin schätzte die Schüler:innen zweier weiterer Lerntandems ein. Somit konnte in jeder Klasse die hoch-inferente Einschätzung für 10 Schüler:innen vorgenommen werdenFootnote 1. Die Beobachterinnen wechselten nach Zeitintervallen von 70 bis 80 s zwischen den Dyaden, so dass sich die insgesamt ungefähr zehnminütige Beobachtung jedes Lerntandems auf die gesamte Vertiefungsphase verteilte. Während der Beobachtung machten die wissenschaftlichen Assistentinnen auf dem Beobachtungsbogen Notizen und hielten erste Einschätzungen fest. Im Anschluss an die 30-minütige Vertiefungsphase nahmen die Beobachterinnen ihre hoch-inferente Einschätzung der transaktiven Kommunikationsformen vor.

Codierung transaktiver Kommunikation

Hierzu wurde in Anlehnung an die Codiersysteme von Jurkowski und Hänze (2015), Azmitia und Montgomery (1993) sowie Kruger (1992) ein Kategoriensystem entwickelt, welches anhand von einzelnen Codes für jeden Lernenden/jede Lernende die verschiedenen Formen transaktiver Kommunikation abbildet (siehe Supplementary Material B). Zudem gab es einen Code für inhaltsrelevante, aber nicht-transaktive Äußerungen und eine Restkategorie.

Die Codierung wurde von zwei geschulten wissenschaftlichen Assistentinnen vorgenommen, denen auch die Segmentierung des Textkorpus oblag. Die Schulung umfasste die Vorstellung des Lernmaterials der beiden Partnerarbeiten, eine Erklärung der transaktiven Kommunikationsformen mit Beispielen sowie die gemeinsame Codierung von Transkriptauszügen. Zur weitergehenden Übung bearbeiteten die wissenschaftlichen Assistentinnen Transkripte aus der vorliegenden Studie gemeinsam und individuell mit einer anschließenden gemeinsamen Reflexion der Codierung. Diese Transkripte gingen nicht in die Auswertung ein. Für 33 % der Transkripte wurde eine Codierung durch beide Assistentinnen vorgenommen. Das Minimum aller codierten und aufsummierten Transaktivitätsformen lag bei 0 Äußerungen, das Maximum bei 78 (M = 28,01, SD = 16,31). Die Werte wurden für die weiteren Analysen z‑transformiert.

Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation

Angelehnt an die von Jurkowski (2011) für Schüler:innen sowie die von Jurkowski und Hänze (2012) für Studierende entwickelten Fragen wurden für jede transaktive Kommunikationsform ein bis zwei Items, insgesamt 10 Items, mit einem fünfstufigen Antwortformat (1 = trifft gar nicht zu, 5 = trifft voll und ganz zu) formuliert (siehe Supplementary Material C). Die Schüler:innen beantworteten die Fragen im Anschluss an die Vertiefungsphase.

Wissenserwerb

Nach der wechselseitigen Instruktion im Partnerpuzzle wurde anhand von offenen Fragen das grundlegende Verständnis der beiden Expertenthemen erfasst und damit das Vorwissen für die darauffolgende Vertiefungsphase getestet. Die Schüler:innen konnten bis zu 3 Punkte erreichen. Eine geschulte wissenschaftliche Assistentin korrigierte die Schülerantworten anhand eines Korrekturschlüssels (Mt1 = 1,82, SDt1 = 0,60; Mt2 = 1,11, SDt2 = 1,08). Für 38 % der Schüler:innen wurden die Antworten von einer weiteren geschulten wissenschaftlichen Assistentin korrigiert (ICCt1 = 0,64, ICCt2 = 0,65).

Im Anschluss an die Vertiefungsphase des Partnerpuzzles wurde ein Wissenstest mit einer offenen Frage durchgeführt. Die Aufgabe forderte die Schüler:innen auf, ihr im Partnerpuzzle erarbeitetes Wissen auf eine weiterführende Problemstellung anzuwenden. Für die Antworten der Schüler:innen wurde ein Korrekturschlüssel mit einer Punktevergabe von 0 bis 6 Punkten entwickelt und anhand dessen die Aufgabe von einer geschulten wissenschaftlichen Assistentin korrigiert (Mt1 = 2,14, SDt1 = 1,28; Mt2 = 2,28, SDt2 = 1,51). Zur Berechnung der Interraterreliabilität wurden erneut 38 % der Wissenstests von einer weiteren geschulten wissenschaftlichen Assistentin korrigiert (ICCt1 = 0,63, ICCt2 = 0,76).

Im Rahmen des Projektes füllten die Schüler:innen einen Fragebogen aus, in dem sie auch Angaben zu ihren letzten Zeugnisnoten in den Fächern Deutsch, Mathematik, Erdkunde und Naturwissenschaften machten. Diese Unterrichtsfächer sind inhaltlich relevant für die Themen der beiden Partnerarbeiten. Der Durchschnitt dieser Zeugnisnoten (Cronbachs α = 0,71) steht zu beiden Messzeitpunkten sowohl in Zusammenhang mit der Leistung im Vorwissenstest (t1: r = 0,28, p < 0,001, t2: r = 0,27, p < 0,001), als auch mit der Leistung im Wissenstest (t1: r = 0,31, p < 0,001; t2: r = 0,30, p < 0,001). Diese Resultate weisen auf die Aussagekraft der entwickelten Tests hin.

Sympathie

Vor Beginn des Partnerpuzzles gaben die Schüler:innen zu beiden Messzeitpunkten anhand eines Items mit einem fünfstufigen Antwortformat an, wie sympathisch ihnen ihr Lernpartner/ihre Lernpartnerin ist (1 = sehr unsympathisch, 5 = sehr sympathisch; Mt1 = 3,95, SDt1 = 1,10; Mt2 = 4,06, SDt2 = 1,14).

2.4 Statistische Analysen

Alle Analysen wurden mithilfe von R (Version 3.6.3; R Core Team 2021) und den Paketen „psych“ (Revelle 2020), „lme4“ (Bates et al. 2015), „rel“ (LoMartire 2020), „lavaan“ (Rosseel 2012) sowie „stats“ (R Core Team 2021) durchgeführt. Zur Berechnung der Beobachterübereinstimmung der hoch-inferenten Einschätzung wurde die Intra-Class-Correlation (ICC) berechnet (Feng 2015). Die Interraterreliabilität der codierten transaktiven Kommunikation wurde über Krippendorfs cualpha für nominale und ordinale nicht-vorsegmentierte Daten bestimmt (Krippendorf et al. 2016).

Bei der Analyse der faktoriellen Validität wurde die Codierung transaktiver Kommunikation als „Gold-Standard“ auf ihre Struktur hin überprüft. Dabei wurden zunächst alle Werte per Zufall zwei gleichgroßen Teilstichproben zugelost, um möglichen Einflüssen des Messzeitpunktes auf die Faktorenstruktur entgegenzuwirken. Mit der einen Teilstichprobe (n = 246) wurde eine explorative Faktorenanalyse, mit der anderen Teilstichprobe (n = 246) eine konfirmatorische Faktorenanalyse zur Kreuzvalidierung des explorativ erstellten Modells durchgeführt. Das damit gefundene Modell wurde sodann durch konfirmatorische Faktorenanalysen auf die hoch-inferente Beobachtung und die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation übertragen. Schließlich wurde für alle drei Messverfahren die interne Konsistenz der finalen Struktur berechnet.

Zur Bestimmung der konvergenten Validität wurden Korrelationsanalysen der drei Maße transaktiver Kommunikation durchgeführt. Die kriteriale Validität wurde über Korrelationsanalysen der drei Maße transaktiver Kommunikation mit dem Wissenserwerb und der Sympathie überprüft. Bei den Analysen zum Wissenserwerb wurde das Vorwissen auspartialisiert. In Voranalysen wurde anhand linear-gemischter Modelle der Einfluss des Messzeitpunktes auf die Zusammenhänge geprüft.

3 Ergebnisse

3.1 Voranalysen

Die Zusammenhänge zwischen den drei Maßen transaktiver Kommunikation sowie zwischen den Maßen transaktiver Kommunikation und dem Wissenserwerb und der Sympathie zum Lernpartner/zur Lernpartnerin wurden nicht durch den Messzeitpunkt moderiert (siehe Supplementary Material D). Somit konnten die beiden Messzeitpunkte zusammengefasst und gemeinsam in die Korrelationsberechnungen aufgenommen werden.

3.2 Deskriptive Statistiken, Beobachterübereinstimmung und Interraterreliabilität

Tab. 1 zeigt die deskriptiven Statistiken und die Beobachterübereinstimmungen für die mit dem Beobachtungsverfahren hoch-inferent eingeschätzte transaktive Kommunikation sowie die Interraterreliabilitäten für die codierte transaktive Kommunikation. Aufgrund des geringen Auftretens der transaktiven Form „Zusammenführen“ sowohl in der hoch-inferenten Beobachtung als auch in der Codierung wurde diese Form von den folgenden Analysen ausgeschlossen.

Tab. 1 Mittelwerte, Standardabweichungen und Beobachterübereinstimmungen bzw. Interraterreliabilitäten der beobachteten und der codierten Formen transaktiver Kommunikation sowie Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse zur Codierung

Die Beobachterübereinstimmung der hoch-inferenten Einschätzung lag für die einzelnen Formen transaktiver Kommunikation zwischen ICC = 0,59 und 0,92 und ist nach Koo und Li (2016) als moderat bis exzellent einzuschätzen. Die Interraterreliabilität der codierten transaktiven Kommunikation lag für die einzelnen Formen im Bereich von 0,23 bis 0,50 und ist damit gemäß Krippendorf et al. (2016) als mittel bis gut einzustufen.

3.3 Ergebnisse zur faktoriellen Validität und zur internen Konsistenz

Die explorative Faktorenanalyse der codierten transaktiven Kommunikation ergab im Scree-Test und der Parallelanalyse eine einfaktorielle Struktur, die insgesamt 50 % der Gesamtvarianz erklärte. Alle Formen transaktiver Kommunikation luden auf einem Faktor (> 0,67; siehe Tab. 1). Die konfirmatorische Faktorenanalyse mit einer 1‑Faktor-Lösung ergab zufriedenstellende Fit-Indizes (RMSEA = 0,06, SRMR = 0,03, CFI = 0,99). Die interne Konsistenz dieser 1‑Faktor-Lösung lag bei Cronbachs α = 0,82.

Die konfirmatorische Faktorenanalyse für die hoch-inferente Beobachtung ergab zufriedenstellende Fit-Indizes (RMSEA = 0,08; SRMR = 0,04; CFI = 0,97). Die interne Konsistenz lag bei Cronbachs α = 0,72. In der Selbsteinschätzung wurden die einzelnen Formen transaktiver Kommunikation mit insgesamt 10 Items erfasst. Eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit einer 1‑Faktor-Lösung ergab eine nicht zufriedenstellende Modellpassung (RMSEA = 0,17; SRMR = 0,07; CFI = 0,81). Anschließend wurden weitere mögliche Modelle überprüft. Den besten Modell-Fit ergab ein Modell mit einem Generalfaktor und 5 Subfaktoren (Absichern; Nachfragen; Erweitern; Hinterfragen; Gegenüberstellen) bei akzeptablen Fit-Indizes (RMSEA = 0,09; SRMR = 0,04; CFI = 0,96). Die interne Konsistenz dieser 1‑Faktor-Lösung lag bei Cronbachs α = 0,91. Zusammenfassend zeigte sich für alle drei Messinstrumente eine einfaktorielle Struktur der verschiedenen Formen transaktiver Kommunikation.

3.4 Ergebnisse zur konvergenten und kriterialen Validität

Aufgrund der faktorenanalytischen Ergebnisse wurden für die Korrelationsanalysen die Unterformen der Transaktivität gemittelt. Für die hoch-inferent gemessene transaktive Kommunikation und die codierte transaktive Kommunikation zeigte sich ein mittelstarker Zusammenhang (siehe Tab. 2). Dagegen korrelierten diese beiden Maße transaktiver Kommunikation nicht mit der Selbsteinschätzung. Für die hoch-inferent eingeschätzte transaktive Kommunikation ergaben sich mittelstarke Zusammenhänge mit dem Wissenserwerb und der Sympathie. Die codierte transaktive Kommunikation korrelierte weder mit dem Wissenserwerb noch mit der Sympathie zum Lernpartner/zur Lernpartnerin. Für die selbsteingeschätzte transaktive Kommunikation ergab sich keine Korrelation mit dem Wissenserwerb, jedoch ein mittelstarker Zusammenhang mit der Sympathie.

Tab. 2 Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen aller drei Maße transaktiver Kommunikation sowie der Außenkriterien

4 Diskussion

In der vorliegenden Studie wurden drei methodisch unterschiedliche Verfahren zur Messung der transaktiven Kommunikation beim peergestützten Lernen im Hinblick auf Aspekte der Reliabilität und Validität überprüft. Bei den drei Messverfahren handelt es sich um eine hoch-inferente Beobachtung, eine niedrig-inferente Codierung und eine Selbsteinschätzung der transaktiven Kommunikation. Dabei stellt das im Rahmen der Untersuchung entwickelte hoch-inferente Beobachtungsverfahren einen innovativen Ansatz für die Forschung zu Prozessvariablen peergestützten Lernens dar. Im Folgenden wird die Güte der Messungen diskutiert und eine vergleichende Betrachtung vorgenommen.

Sowohl für die Beobachtung als auch für die Codierung der einzelnen Formen transaktiver Kommunikation ergaben sich moderate bis sehr gute Beobachter‑/Interraterübereinstimmungen. Dies lässt den Schluss zu, dass die wissenschaftlichen Assistentinnen durch die Schulung ein gemeinsames Verständnis zur Transaktivität und deren Messung entwickeln konnten. Bei beiden Messverfahren fällt auf, dass sich für die transaktive Kommunikationsform des Absicherns im Vergleich zu den anderen Formen transaktiver Kommunikation eine geringere Übereinstimmung zeigte. Dies kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass Lernende das Absichern als Aussage sowie auch als Frage formulieren können. Eine Frageformulierung überschneidet sich sprachlich mit dem Nachfragen und dem Hinterfragen, was zu Unsicherheiten bei den wissenschaftlichen Assistentinnen geführt haben kann. Zudem deutet sich sowohl bei der Beobachtung als auch bei der Codierung ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Beobachter‑/Interraterübereinstimmung und der Häufigkeit der jeweiligen transaktiven Form an. Dies kann vermutlich dadurch erklärt werden, dass die Übereinstimmungsmaße bei einer geringen Auftretenshäufigkeit sensitiv dafür sind, wenn die Beobachterinnen bzw. Beurteilerinnen ein solch seltenes Ereignis nicht bemerken.

Für alle drei Erhebungsinstrumente zeigte sich eine einfaktorielle Struktur der verschiedenen Formen transaktiver Kommunikation. Einschränkend ist hierbei zu erwähnen, dass das Zusammenführen als transaktive Kommunikationsform aufgrund seines sehr geringen Auftretens aus der Datenanalyse ausgeschlossen wurde. Die faktorenanalytischen Ergebnisse sowie auch die akzeptablen bis exzellenten internen Konsistenzen entsprechen den theoretischen Annahmen zur Transaktivität, wonach sich diese in sprachlichen Äußerungen mit einer unterschiedlichen Funktion für die gemeinsame Wissenskonstruktion zeigt, deren Gemeinsamkeit in der Bezugnahme auf die Ideen der Lernpartner:innen liegt (Azmitia und Montgomery 1993; Berkowitz und Gibbs 1983; Kruger und Tomasello 1986). Es stellt sich die Frage, in welchen Fällen ungeachtet dieser Befunde die Messung einzelner Formen transaktiver Kommunikation notwendig erscheint. Dies trifft insbesondere auf Fragestellungen zu, die die Fertigkeiten der Lernenden in den Blick nehmen. Beispielsweise zeigen Untersuchungen zum Argumentieren, dass Lernende die Ideen ihrer Lernpartner:innen eher selten hinterfragen (Kuhn et al. 2008), jedoch durch eine die Unterschiede zwischen ihren Sichtweisen fokussierende Aufgabenstellung dazu angeleitet werden können (Thiebach et al. 2016). Um solche Ansätze für eine gezielte Stärkung der transaktiven Kommunikation zu entwickeln und zu evaluieren, beispielsweise auch durch Trainingsansätze (Jurkowski und Hänze 2015), erscheint eine Messung der einzelnen Formen transaktiver Kommunikation besser geeignet als ein Gesamtmaß. Bei Forschungsfragen dagegen, die die transaktive Kommunikation als Prozessvariable für die Wirksamkeit einer peergestützten Lernumgebung einbeziehen und eher allgemein die Wirkweise der Lernumgebung zu erklären beabsichtigen, kann ein Gesamtmaß transaktiver Kommunikation ausreichend sein. Im Vergleich zur Erhebung einzelner transaktiver Kommunikationsformen bietet ein Gesamtmaß darüber hinaus nicht nur eine ökonomischere Messung, sondern weist vermutlich auch eine höhere Beobachter‑/Interraterübereinstimmung auf.

Zwischen der hoch-inferent gemessenen transaktiven Kommunikation und der codierten transaktiven Kommunikation ergab sich eine mittelstarke Korrelation, jedoch zeigte lediglich die mit dem Beobachtungsverfahren gemessene transaktive Kommunikation einen bedeutsamen positiven Zusammenhang mit dem Wissenserwerb. Eine Erklärung hierfür lässt sich aus dem Verständnis von Transaktivität als Schnittstelle zwischen sozialen und kognitiven Prozessen beim Wissenserwerb ableiten (Hänze und Jurkowski 2022). Die Bezugnahme auf die Ideen der Lernpartner:innen basiert auch auf den sozial-emotionalen Fähigkeiten der Lernenden (Jurkowski und Hänze 2010) und speziell auf ihrer Fähigkeit, sich in die Lernpartner:innen hineinzuversetzen (Macagno und Rapanta 2020). Dieser soziale Aspekt der transaktiven Kommunikation ist vermutlich über das nonverbale und paraverbale Verhalten, wie z. B. die Mimik, Gestik und Intonation, zugänglich. Während bei transkribierten Audioaufnahmen diese Informationen weitgehend verloren gehen, können sie bei einer hoch-inferenten Beobachtung das Erkennen von Transaktivität unterstützen. Diese Interpretation wird bestärkt durch das Ergebnis, dass die hoch-inferent gemessene transaktive Kommunikation, nicht jedoch die codierte transaktive Kommunikation, mit der von den Schüler:innen berichteten Sympathie zum Lernpartner/zur Lernpartnerin zusammenhängt.

Dennoch überrascht es, dass die codierte transaktive Kommunikation keinen bedeutenden Zusammenhang mit dem Wissenserwerb aufweist. Würden lediglich Informationen zum Sozialverhalten der Lernenden fehlen, sollte sich trotzdem ein signifikanter Zusammenhang mit dem Wissenserwerb zeigen, wie er auch durch zahlreiche Studien belegt wurde (Azmitia und Montgomery 1993; Berkowitz und Gibbs 1983; Jurkowski und Hänze 2015; Kruger 1992, 1993; Mischo 2005; Russell 2005). Eine mögliche Erklärung ist die Aufgabenstellung in der vorliegenden Untersuchung. Die Schüler:innen arbeiteten an einem Mystery mit Hilfe zahlreicher Informationskärtchen, auf die sie in ihren Äußerungen Bezug nehmen konnten. So konnten sie auch Bezug nehmen auf Informationskärtchen, die vom Lernpartner/der Lernpartnerin sprachlich stark vereinfacht in die Kommunikation eingebracht wurden. Die Bezugnahme wiederum konnte auch primär durch Zeigen auf eine Karte des Lernpartners/der Lernpartnerin erfolgen. Zwar war den wissenschaftlichen Assistentinnen dieses Material beim Codieren zugänglich und sie hatten im Rahmen der Schulung die Aufgaben selbst bearbeitet, jedoch kann das konkrete Arbeitsverhalten der Schüler:innen in der Situation als wichtige Kontextinformation gefehlt haben, um eine transkribierte Äußerung im Hinblick auf die Transaktivität einordnen zu können. Inwiefern Videomaterial die Auseinandersetzung der Schüler:innen mit dem Lernmaterial genauer wiedergeben kann und sich damit bedeutendere Zusammenhänge zwischen der codierten transaktiven Kommunikation und dem Wissenserwerb ergeben, bleibt ebenso eine Fragestellung für weiterführende Forschung wie die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Aufgabenstellungen und Lernmaterialien.

Für die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation ergaben sich weder bedeutsame Zusammenhänge mit den anderen Maßen transaktiver Kommunikation noch mit dem Wissenserwerb. Jedoch zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der selbstberichteten transaktiven Kommunikation und den Angaben zur Sympathie zum Lernpartner/zur Lernpartnerin. Dies lässt vermuten, dass den Schüler:innen metakognitive Fähigkeiten zur reflektierten Selbstwahrnehmung ihrer transaktiven Kommunikation gefehlt haben und sie sich eher von anderen Erfahrungen während des peergestützten Lernens haben leiten lassen. In einer Studie von Jurkowski und Hänze (2012), in der Studierende ein Transaktivitätstraining erhielten und im Prä-Test wie im Post-Test ihre transaktive Kommunikation selbst einschätzten, zeigte sich ein Anstieg in der transaktiven Kommunikation. In dieser Untersuchung war die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation somit sensitiv für Veränderungen, wobei ungeklärt ist, wie valide diese Einschätzung ausfiel. Außerdem handelte es sich bei der Stichprobe um Lehramtsstudierende, die im Rahmen ihrer Seminare Erfahrungen und Kenntnisse über peergestütztes Lernen erworben hatten. Somit bleibt es eine weitere offene Forschungsfrage, inwiefern sich die Güte der Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation durch intensivere Erfahrungen der Befragten mit peergestütztem Lernen und transaktiver Kommunikation verbessert. Zudem könnte ein Think-Aloud bei einzelnen Schüler:innen Erkenntnisse darüber liefern, wie die Lernenden die Fragen verstehen und welche Erfahrungen sie für ihre Einschätzung zugrunde legen.

4.1 Limitationen und weiterführende Fragestellungen

Die Forschung zu Prozessvariablen verweist auf zahlreiche Merkmale der Kooperation und Kommunikation, die die Wirkung peergestützten Lernens erklären können. Hierzu zählen beispielsweise verständnisorientierte Fragen und Erklärungen (King 1999; Webb 1989). Diese Kommunikationsmerkmale sind zwar dem Modell von Chi und Wylie (2014) folgend den konstruktiven Lernaktivitäten zuzuordnen und damit nicht spezifisch für peergestütztes Lernen (Hänze und Jurkowski 2022), jedoch können konstruktive Lernaktivitäten durch die Gegenwart von anderen Lernenden stimuliert werden und damit ebenfalls die Effektivität peergestützten Lernens erklären. Die in der vorliegenden Studie verwendeten Instrumente zur Messung der Kommunikation bezogen sich ausschließlich auf die transaktive Kommunikation als interaktive Lernaktivität. Daher konnte nicht untersucht werden, inwiefern sich die transaktive Kommunikation in ihrer Messung von anderen Prozessvariablen abgrenzen lässt. In weiterführenden Untersuchungen kann eine Ergänzung beispielsweise des hoch-inferenten Beobachtungsverfahrens um verständnisorientierte Fragen und Erklärungen (King 1999; Webb 1989) oder auch die Koordination des kooperativen Arbeits- und Lernprozesses (Vuopala et al. 2019) Erkenntnisse darüber liefern, inwiefern Beobachter:innen die transaktive Kommunikation trennscharf hoch-inferent einschätzen können. Das Modell von Weinberger und Fischer (2006) für die Codierung computergestützter Zusammenarbeit zeigt zudem Möglichkeiten auf, wie die Qualität von Argumenten und eines argumentativen Austauschs zwischen den Lernenden als zusätzliche Kommunikationsmerkmale aufgenommen werden können.

Eine weitere Einschränkung der vorliegenden Ergebnisse liegt im Kontext der Datenerhebung begründet. Wie die deskriptiven Statistiken zeigen, war es in der Stichprobe der Schüler:innen anhand der gewählten Themen und Aufgabenstellungen möglich, transaktive Kommunikation zu stimulieren. Die Resultate zeigen jedoch auch, dass die transaktive Kommunikation in der Beobachtung und der Codierung eher gering ausgeprägt war. Das Zusammenführen als eine Form transaktiver Kommunikation konnte nicht in bedeutsamer Häufigkeit gemessen werden. Dies kann beispielsweise auf eher gering ausgeprägte Fertigkeiten der Schüler:innen zur transaktiven Kommunikation (Jurkowski und Hänze 2015) oder ein niedriges Potenzial der Aufgabenstellung zur Stimulierung von Transaktivität (Wagner et al. 2018) zurückgeführt werden. Weiterführende Studien sollten daher die Güte der Messung transaktiver Kommunikation anhand der verschiedenen Erhebungsmethoden in anderen Lernendengruppen und mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen überprüfen. In diesem Zusammenhang steht auch die Einschränkung der vorliegenden Resultate durch die vergleichsweise geringe Anzahl an Schüler:innen in der Teilstichprobe, für die eine hoch-inferente Einschätzung transaktiver Kommunikation vorlag. Zwar fand diese Erhebung zu zwei Messzeitpunkten statt, so dass insgesamt 184 Werte in die Analysen eingingen, jedoch kann eine umfangreichere Stichprobe in zukünftigen Untersuchungen die Aussagekraft erhöhen.

4.2 Implikationen für die Unterrichtspraxis

Studien zeigen, dass peergestützte Lernformen wie beispielsweise das kooperative Lernen im Vergleich zu anderen Unterrichtsmethoden in der Unterrichtspraxis eher selten eingesetzt werden (Abramczyk und Jurkowski 2020; Buchs et al. 2017; Völlinger et al. 2018). Gleichwohl berichten Lehrer:innen über ein gut ausgeprägtes Wissen zum kooperativen Lernen, setzen kooperative Unterrichtsmethoden den Qualitätskriterien entsprechend um und erachten diese auch als effektiv im Hinblick auf das fachliche und soziale Lernen der Schüler:innen. Als wesentliche Gründe für die geringe Einsatzhäufigkeit nennen die Lehrer:innen, dass die Vorbereitung kooperativer Unterrichtsmethoden sehr zeitintensiv sei und es den Schüler:innen an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten mangele, so dass kooperatives Lernen mit häufigeren Unterrichtsstörungen einhergehe. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme zahlreicher Autor:innen, dass Lernende auf die Zusammenarbeit vorbereitet werden sollten (z. B. Buchs et al. 2016; Jurkowski und Hänze 2015; Webb 2009).

Speziell für die transaktive Kommunikation liegt bereits ein Trainingsansatz vor, in dem die Erarbeitung fachlicher Lerninhalte mit Übungen zur Transaktivität kombiniert wird (Jurkowski und Hänze 2015; Sawatzki et al. 2022). Allerdings erscheint es für einen gezielten Einsatz eines solchen Trainingsprogrammes notwendig, dass Lehrer:innen den Unterstützungsbedarf in der Schülergruppe kennen. Hierzu sind Lehrer:innen gefordert, die Kommunikation der Schüler:innen während des kooperativen Arbeits- und Lernprozesses zu beobachten, bedeutsame Ereignisse zu identifizieren und zu erklären und entsprechende Maßnahmen abzuleiten (Hirstein et al. 2017; Kaendler et al. 2016; Wiedmann et al. 2019). Das in der vorliegenden Studie erprobte hoch-inferente Beobachtungsverfahren kann Lehrer:innen in diesem Wahrnehmungs- und Analyseprozess unterstützen. Indem die Lehrer:innen einzelne Formen transaktiver Kommunikation hoch-inferent einschätzen, können sie erschließen, welche Übungen transaktiver Kommunikation in der Schülergruppe notwendig sind. Zu beachten ist jedoch, dass ein solcher Einsatz des Beobachtungsverfahrens zusätzliche Ressourcen bindet, nicht nur während des Unterrichts sondern auch, ähnlich der Schulung der wissenschaftlichen Assistentinnen, mit Blick auf die Vorbereitung der Lehrer:innen. Für den Einsatz des hoch-inferenten Beobachtungsverfahrens in der Unterrichtspraxis sollten in weiterführenden Studien der Umgang von Lehrer:innen mit dem Beobachtungsverfahren sowie die psychometrischen Qualitäten des Verfahrens in diesem Kontext untersucht werden.

4.3 Fazit

Im Vergleich der Erhebungsmethoden erwies sich der entwickelte Beobachtungsbogen mit der hoch-inferenten Einschätzung der transaktiven Kommunikation als reliables und valides sowie gleichzeitig ökonomisches Erhebungsinstrument. Die Codierung der transaktiven Kommunikation auf der Grundlage von transkribierten Audioaufnahmen stellt nicht nur ein vergleichsweise ressourcenintensives Verfahren dar, sondern ist möglicherweise auch aufgrund der fehlenden Informationen zum Sozial- und Arbeitsverhalten der Lernenden weniger valide. Die Selbsteinschätzung transaktiver Kommunikation ist vor allem aufgrund der notwendigen metakognitiven Fähigkeiten zur reflektierten Selbstwahrnehmung kritisch zu betrachten. Die mit der vorliegenden Studie belegte Güte des hoch-inferenten Beobachtungsverfahrens sollte durch weiterführende Untersuchungen in anderen Kontexten überprüft werden.