1 Einleitung

Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine Privatschule besuchen, hat sich von 4,8 % im Jahr 1992 auf 9,2 % im Jahr 2018 fast verdoppelt (Statistisches Bundesamt 2019). Der Besuch einer Privatschule ist jedoch stark sozial selektiv. Insbesondere Familien mit hohem Einkommen schicken ihre Kinder auf Privatschulen. So zeigen etwa Görlitz et al. (2018), dass 2015 in Westdeutschland gut 12 % der Kinder aus den einkommensstärksten Haushalten eine Privatschule besuchten, während der Anteil bei den einkommensschwächsten Familien nur 7 % betrug. In Ostdeutschland ist die Diskrepanz noch größer.

Ob es sich bei diesen Unterschieden im Privatschulbesuch nach elterlichem Einkommen um einen kausalen Effekt handelt, bleibt jedoch unklar. Im Sinne einer kontrafaktischen Definition (Rubin 1974) können wir von einem kausalen Einkommenseffekt sprechen, wenn eine Familie, die ihr Kind nicht auf eine Privatschule geschickt hat, ihr Kind auf eine Privatschule geschickt hätte, wenn die Familie ein höheres Einkommen gehabt hätte. Ein solcher kausaler Einkommenseffekt würde im Widerspruch zum sogenannten Sonderungsverbot stehen, welches es Privatschulen verbietet, Schulgelder zu erheben, die so hoch sind, dass sie Familien mit geringem Einkommen benachteiligen würden (Wrase und Helbig 2016). Da es unmöglich ist, die beiden kontrafaktischen Zustände aus der genannten Definition zu beobachten, wird in der Regel die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs von Kindern aus einkommensschwachen und einkommensstarken Haushalten verglichen. Dabei tritt jedoch das Problem auf, dass sich diese Haushalte nicht nur in Bezug auf ihr Einkommen, sondern auch bezüglich unbeobachteter Merkmale wie Bildungsaspirationen und Distinktionspräferenzen von Eltern unterscheiden. Diese unbeobachtete Heterogenität führt zu einer verzerrten Schätzung des Einkommenseffekts. Eine angemessenere Methode könnte der Vergleich von Geschwistern sein, die im gleichen Haushalt, aber möglicherweise unter unterschiedlichen Einkommensbedingungen aufwachsen. Während der Vergleich zwischen zwei Kindern aus unterschiedlichen Haushalten durch unbeobachtete Heterogenität verzerrt wird, können Geschwistervergleiche nicht durch (zeitkonstante) Unterschiede zwischen Haushalten verzerrt sein (Sjölander et al. 2012).

Wie wir aus bisheriger Forschung zu anderen Geschwisterunterschieden bereits wissen, haben Veränderungen innerhalb von Haushalten wiederum heterogene Effekte in Abhängigkeit von Eigenschaften des Haushaltes (Grätz 2015). Daher lässt sich erwarten, dass auch eine Einkommensveränderung nicht in allen Haushalten zu Geschwisterunterschieden im Privatschulbesuch führt. So sollte selbst eine starke Einkommenserhöhung nicht zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs führen, wenn bereits das Ausgangsniveau vor der Einkommenserhöhung so hoch war, dass Gebühren für einen Privatschulbesuch nur einen marginalen Anteil des Haushaltseinkommens darstellen.

Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch wurden in bisherigen quantitativen Studien weitestgehend ignoriert. Fälschlicherweise könnte man dies so interpretieren, dass Familien entweder (alle) ihre Kinder auf öffentliche Schulen oder (alle) ihre Kinder auf Privatschulen schicken, wobei einkommensstarke Familien häufiger der zweiten Gruppe angehören. Dementgegen wissen wir aus qualitativen Studien, dass es durchaus Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch gibt, unter anderem weil Eltern versuchen, auf die individuellen Bedürfnisse, Stärken und Schwächen ihrer Kinder einzugehen (Mayer 2019). Eine Quantifizierung von Geschwisterunterschieden könnte von großer Bedeutung für die Diskussion um die elterlichen Motivationen für die Wahl einer Privatschule sein. Wenn tatsächlich in den meisten Haushalten entweder alle oder keines der Kinder auf private Schulen gehen, könnte dies darauf hindeuten, dass die Wahl einer Privatschule in der Regel durch die Abgrenzung von anderen sozialen Gruppen oder durch die allgemeine Erwartung von (Lern‑)Vorteilen motiviert ist. Gleichzeitig würden in diesem Fall individuelle Bedürfnisse von Kindern oder zeitveränderliche Faktoren als weniger relevant erscheinen.

Bisher haben wir von Privatschulen im Allgemeinen gesprochen und damit die große Heterogenität von Privatschulen außen vorgelassen. Kausale Einkommenseffekte auf den Privatschulbesuch hängen jedoch in erster Linie von den individuell unterschiedlichen Regelungen der Schulen hinsichtlich von Gebühren und Aufnahmekriterien ab. So erheben manche Privatschulen in kirchlicher und gemeinnütziger Trägerschaft gar keine Schulgebühren, während einige internationale Schulen hohe Gebühren erheben. Infolgedessen deuten einige Studien an, dass der Besuch von kirchlichen Privatschulen weniger stark vom elterlichen Einkommen abhängt als der Besuch von Privatschulen anderer Träger (Helbig et al. 2017; Jungbauer-Gans et al. 2012).

In dieser Arbeit versuchen wir daher die folgenden vier Fragestellungen zu beantworten:

  1. 1.

    Wie häufig kommen Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch vor und inwiefern hängen diese Geschwisterunterschiede vom Einkommen des Haushalts ab?

  2. 2.

    Werden Kinder eher auf Privatschulen geschickt als ihre Geschwister, wenn sie in einer Phase aufwachsen, in der der Haushalt ein höheres Einkommen hat?

  3. 3.

    Wirken sich Einkommensveränderungen in Haushalten mit hohem permanentem Einkommen anders aus als in Haushalten mit niedrigem permanentem Einkommen?

  4. 4.

    Variiert der Einkommenseffekt zwischen den unterschiedlichen Trägern privater Schulen?

Zur Beantwortung dieser Fragen stellen wir zunächst die institutionellen Regelungen zum Privatschulbesuch und theoretische Überlegungen zu Einkommenseffekten und Geschwisterunterschieden dar, bevor wir die Fragen empirisch anhand der Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) untersuchen.

2 Forschungslage und theoretischer Rahmen

2.1 Regelungen zum Privatschulbesuch

Das Recht, private Schulen als sogenannte Ersatzschulen zu gründen, ist im Grundgesetz verankert (Art. 7, Abs. 4 GG). Ersatzschulen müssen jedoch einige Auflagen erfüllen. Sie sind genehmigungspflichtig, unterstehen den Schulgesetzen des jeweiligen Bundeslandes und müssen mindestens das Niveau der öffentlichen Schulen im Hinblick auf Bildungsziele, Qualifikation der Lehrenden und Ausstattung erreichen. Für Eltern ist faktisch eine Wahlfreiheit zwischen öffentlichen und privaten Schulen gegeben.Footnote 1

Ersatzschulen sind abzugrenzen von den sogenannten Ergänzungsschulen, die in den meisten Bundesländern keine staatliche Förderung erhalten (Koinzer und Gruehn 2013, S. 27) und meist berufsbildend ausgerichtet sind (Nikolai und Koinzer 2017, S. 86). Anhand ihrer Träger lassen sich Ersatzschulen grob in drei Kategorien fassen: Kirchlich, gemeinnützig und gewerblich. Diese sind in der Regel mit einer bestimmten Ausrichtung oder Motivlage assoziiert (Helbig et al. 2017, S. 362). Kirchliche Träger bieten Familien einen Schulalltag, der stärker durch religiöse und weltanschauliche Aspekte geprägt ist als öffentliche Schulen und häufig mit einer besonderen Leistungs- oder Förderorientierung einhergeht (Kraul 2017, S. 36 ff.). Daneben gibt es (meist von Vereinen) gemeinnützig getragene Privatschulen, die alternative pädagogische Konzepte zu öffentlichen Schulen anbieten und die Persönlichkeitsentwicklung in den Mittelpunkt stellen (u. a. freie Waldorf- und Montessorischulen). Drittens gibt es von gewerblichen Trägern angebotene Privatschulen, die häufig international oder bilingual ausgerichtet sind und eine höhere Ausbildungsqualität im Vergleich zu öffentlichen Schulen versprechen.

Zugelassene Ersatzschulen erhalten eine staatliche Förderung durch die Bundesländer, deren Höhe sich an der Schülerzahl orientiert (Nikolai und Koinzer 2017, S. 87), aber durchgängig unter dem Pro-Kopf-Satz öffentlicher Schulen liegt (Koinzer und Gruehn 2013, S. 27). Alle weiteren Kosten müssen die Privatschulen selbst tragen, weshalb die meisten monatliche Schulgelder erheben. Die Höhe und konkrete Ausgestaltung der Schulgelder können Privatschulen individuell bestimmen. Das Grundgesetz schränkt jedoch die freie Gestaltung des Schulgelds durch das sogenannte Sonderungsverbot ein:

Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn […] eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. (Artikel 7, Absatz 4 GG)

Im internationalen Vergleich stellt das Sonderungsverbot eine Besonderheit dar (Nikolai et al. 2019). Um das Sonderungsverbot einzuhalten, sind die Schulgelder meist nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt, wobei sich die Regelungen je nach Schule und Träger unterscheiden. Viele Privatschulen, die einkommensabhängige Beiträge erheben, legen Höchstbeträge fest, während andere den Beitrag individuell mit den Eltern vereinbaren. In manchen Fällen werden Beiträge für einkommensschwache Familien vollständig erlassen. Allerdings haben die Bundesländer kaum wirksame Kontrollmechanismen über die Einhaltung des Sonderungsverbots etabliert (Wrase und Helbig 2016) und es wird kontrovers diskutiert, ob die Staffelungen ausreichend sind um dem Sonderungsverbot zu entsprechen (Brosius-Gersdorf 2017; Wrase und Helbig 2016). Über die Einkommensstaffelungen hinaus bieten viele Privatschulen auch Geschwisterrabatte an.

2.2 Forschungsstand zu finanziellen Ressourcen und Privatschulwahl

Der internationale Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen finanziellen Ressourcen der Eltern und dem Privatschulbesuch ist überschaubar. Analysen mit Daten aus den USA (Betts und Fairlie 2001; Epple et al. 2004; Goldring und Phillips 2008; Lankford und Wyckoff 2001; Murnane und Reardon 2018), Australien (Gørgens et al. 2020), Großbritannien (Anders et al. 2020), der Schweiz (Suter 2013) und Spanien (Escardíbul und Villarroya 2009) ergaben durchweg positive Zusammenhänge der Privatschulneigung mit dem Familieneinkommen oder -vermögen. Im europäischen Vergleich scheint insbesondere in den Ländern ein starker Zusammenhang zwischen finanziellen Ressourcen der Eltern und dem Privatschulbesuch zu bestehen, in denen die Privatschulen unabhängig vom Staat existieren. Deutschland sticht heraus, denn obwohl die deutschen Ersatzschulen abhängig und überwiegend staatlich finanziert sind, fanden Avram und Dronkers (2012) hier einen signifikanten, positiven Zusammenhang zwischen Vermögen und Privatschulneigung.

Studien mit Daten aus Deutschland zeigen durchweg, dass Kinder von Eltern mit höheren finanziellen Ressourcen an privaten Schulen überrepräsentiert sind (Görlitz et al. 2018; Habeck et al. 2017; Helbig et al. 2017; Kraul 2017; Wrase et al. 2017). Unter Kontrolle des Bildungsstands und des sozioökonomischen Status der Eltern zeigen sich in der Regel jedoch nur schwache Assoziationen zwischen der elterlichen Einkommenssituation und der Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs (Jungbauer-Gans et al. 2012; Lohmann et al. 2009). Allerdings legen weitere Untersuchungen nahe, dass die Abhängigkeit des Privatschulbesuchs vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern seit Anfang des Jahrtausends insbesondere in Ostdeutschland deutlich zugenommen hat (Görlitz et al. 2018; Lohmann et al. 2009). Außerdem scheinen insbesondere Kinder aus Familien am unteren Ende der Einkommensverteilung an Privatschulen unterrepräsentiert zu sein (Helbig et al. 2017).

Eine mögliche Heterogenität dieses Zusammenhangs in Abhängigkeit vom Schulträger wurde bislang kaum untersucht. Die Schülerschaft von kirchlichen Privatschulen scheint im Vergleich zu sonstigen, nicht-öffentlichen Privatschulen etwas weniger stark nach dem elterlichen Einkommen selektiert zu sein (Helbig et al. 2017; Jungbauer-Gans et al. 2012). Außerdem konnten Helbig et al. (2017) zeigen, dass Waldorfschulen mehr Kinder mit Lehrmittelbefreiung (als Indikator für sehr niedriges Haushaltseinkommen) aufgenommen hatten als sonstige nicht-kirchliche Privatschulen. Jedoch waren die Differenzen im Falle der Studie von Helbig et al. nicht statistisch signifikant und basierten ausschließlich auf Daten aus Berlin. In der Literatur wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Gruppe nicht-kirchlicher Privatschulen in Deutschland stark heterogen ist. Neben alternativpädagogischen Schulen mit eher moderaten Schulgebühren schließt sie auch solche Schulen mit ein, bei denen die Sonderung nach dem elterlichen Einkommen vermutlich besonders stark ist. Besonders einige internationale oder bilinguale Schulen stehen im Verdacht, nicht nur von ihrer Ausrichtung her besonders wohlhabende Familien anzusprechen, sondern zum Teil auch deutlich überdurchschnittliche (indirekte) Schulgelder zu erheben (Helbig et al. 2017, S. 362). Aus diesem Grund blieb die Frage, ob die für alle Privatschulen berichteten Einkommensunterschiede auf Schulen bestimmter Träger zurückzuführen sind, bislang unbeantwortet.

2.3 Einkommen und Privatschulbesuch – Kausaler Effekt oder unbeobachtete Heterogenität?

Ob das überdurchschnittliche Haushaltseinkommen von Kindern, die eine Privatschule besuchen, als Hinweis auf einen kausalen Effekt und damit eine Verletzung des Sonderungsverbots interpretiert werden kann, wird in den meisten Studien kaum diskutiert. Das Hauptproblem zur Identifizierung des kausalen Effekts von Einkommen auf die Wahrscheinlichkeit des Privatschulbesuchs ist, dass es weitere Faktoren gibt, die sowohl das Einkommen des Haushaltes als auch die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs beeinflussen.

Argumente für Kausaleffekt

Wenn Privatschulen für alle Schüler das gleiche Schulgeld erheben würden, sollten einkommensstarke Familien eher an einem Privatschulbesuch ihrer Kinder interessiert sein, da sie durch die Wahl der Privatschule geringere Opportunitätskosten hätten. Sie müssten demnach weniger schmerzhafte Einschnitte durch Verzicht auf den Erwerb anderer Güter und Dienstleistungen in Kauf nehmen als einkommensschwache Familien (vgl. Suter 2013, S. 45). Wenn Schulgebühren hingegen nach dem Einkommen der Familien gestaffelt sind, wie vom Sonderungsverbot indirekt vorgeschrieben (Wrase und Helbig 2016), fallen die relativen Kosten für Schulgebühren für alle Familien ähnlich aus und es sollten keine Nachfrageunterschiede aufgrund des verfügbaren Einkommens entstehen. Aufgrund der mangelnden staatlichen Kontrolle ist jedoch fraglich, ob Schulgebühren über alle Privatschulen hinweg tatsächlich ausreichend gestaffelt sind (Wrase und Helbig 2016; Wrase et al. 2017). Darüber hinaus besteht auch die Frage, ob die Möglichkeiten der Rabattierung hinreichend transparent sind, um von allen Eltern bei der Schulwahl berücksichtigt zu werden.

Des Weiteren haben auch die Privatschulen einen Anreiz dazu, eher Kinder aus einkommensstarken Familien aufzunehmen, da diese höhere Beiträge zahlen, eher kostenpflichtige Zusatzleistungen in Anspruch nehmen, den Förderverein unterstützen und sich insgesamt tendenziell stärker für die Schulgemeinschaft engagieren (Helbig et al. 2017, S. 363 f.). Grundsätzlich können Privatschulen ihr Auswahlverfahren frei gestalten, solange sie das Sonderungsverbot und allgemeine Gleichbehandlungsgrundsätze achten. Da die Auswahlkriterien jedoch oft intransparent sind und verbreitete Auswahlkriterien wie „individuelle Passung“ zwischen Schule und Kind viel Interpretationsspielraum bieten, könnten Privatschulen Auswahlverfahren und die hohe Nachfrage nutzen, um hauptsächlich Kinder einkommensstarker Familien aufzunehmen (Helbig et al. 2017; Kraul 2017).

Die Stärke kausaler Einkommenseffekte auf den Privatschulbesuch hängt also maßgeblich von den individuellen Gebühren- und Zulassungsordnungen der Schulen ab. Aus der bisherigen Forschung geht hervor, dass insbesondere einige gewerbliche Privatschulen hohe Schulgebühren erheben und diese kaum staffeln (Wrase et al. 2017, S. 1595 f.). Zusätzlich haben gewerbliche Privatschulen auch eher einen Anreiz, nach Einkommen zu diskriminieren, da ideelle Motive weniger stark im Mittelpunkt stehen und gleichzeitig die Finanzlage in der Regel schlechter ist als bei kirchlichen Schulen (Helbig et al. 2017).

Argumente für unbeobachtete Heterogenität

Auf der anderen Seite spricht einiges dafür, dass ein kausaler Einkommenseffekt, wenn überhaupt, nur für einen kleinen Teil der Einkommensungleichheit zwischen öffentlichen und privaten Schulen verantwortlich sein sollte. So zeigt eine Studie von Helbig et al. (2017), dass deutliche Einkommensunterschiede in der Schülerschaft von Privatschulen auch dann bestehen, wenn nur Privatschulen betrachtet werden, die gar keine Schulgelder erheben. Offenbar sind Privatschulen für Eltern aus höheren Schichten attraktiver als für Eltern aus niedrigeren Schichten, und zwar unabhängig von der finanziellen Situation.

Ein zentrales Erklärungsmodell dafür baut auf Bourdieus Habituskonzept auf (Bourdieu und Passeron 1977). Demnach spielt für viele Eltern die Distinktion gegenüber anderen gesellschaftlichen Schichten eine Rolle bei der Entscheidung über einen Privatschulbesuch (Kraul 2017; Mayer 2017; Schwarz et al. 2017). Sowohl Eltern aus der oberen wie auch aus der unteren Mittelschicht grenzen sich durch die Wahl einer privaten Schule nach „unten“ ab und meiden öffentliche Schulen mit hohem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund oder niedrigem sozioökonomischen Status. Die bekannte Schichtselektion der Privatschulen wäre somit nicht nur eine Folge, sondern auch ein Grund für ihre Attraktivität aus der Perspektive privilegierter Schichten. Darüber hinaus kommen viele Privatschulen den individualisierten Lebens- und Erziehungsstilen insbesondere urbaner Mittelschichtfamilien entgegen (Koinzer und Mayer 2015).

Des Weiteren könnte man erwarten, dass einkommensstarke Eltern im Durchschnitt höhere Bildungsaspirationen für ihre Kinder haben, unter anderem um einen relativen Statusverlust zu vermeiden (Breen und Goldthorpe 1997), und diese auf Privatschulen als eher realisierbar einschätzen. Insbesondere seit dem „PISA-Schock“ im Jahr 2001 werden Privatschulen von vielen Eltern als leistungsfähiger im Vergleich zu öffentlichen Schulen wahrgenommen (Koinzer und Mayer 2015). Privatschulen mit ihren speziellen Konzepten und Bildungsangeboten könnten außerdem dem Bedürfnis höherer Schichten nach Möglichkeiten der Aufrechterhaltung von Wettbewerbsvorteilen im Zusammenhang mit der Bildungsexpansion und der gestiegenen Abiturquote entgegenkommen (Kohrs 2016; Lohmann 2011: S. 9 f.). Der Erwerb spezieller kognitiver (z. B. Fremdsprachenkenntnisse) oder non-kognitiver Fähigkeiten (z. B. teamorientierte Arbeitsweise), den viele Privatschulen zu ihrem Markenkern erheben, könnte deshalb für höhere Schichten besonders attraktiv erscheinen.

Faktoren wie Distinktionspräferenzen und Bildungsaspirationen sind in der Regel unbeobachtet oder kaum beobachtbar (Lankford und Wyckoff 2001). Da diese unbeobachtete Heterogenität zwischen Haushalten nicht einfach statistisch kontrolliert werden kann, müssen hierfür andere Identifikationsstrategien verwendet werden. Eine Möglichkeit dafür ist es, Geschwister zu vergleichen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in denselben Haushalten aufwachsen. Treffen Eltern für diese Kinder unterschiedliche Entscheidungen, können letztere nur durch Eigenschaften erklärt werden, die sich entweder über die Zeit oder zwischen den Kindern verändern bzw. unterscheiden. Mit der Ausnahme einer Studie in Indien (Sahoo 2017) wurde diese Strategie zur Analyse von sozialer Ungleichheit im Privatschulbesuch bisher noch nicht angewendet.

2.4 Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch und was wir aus ihnen lernen können

Der bisherige empirische Forschungsstand hat mögliche Unterschiede innerhalb von Familien bei der Privatschulwahl fast vollständig ignoriert. Dies trifft sowohl auf die deutsche (Görlitz et al. 2018; Jungbauer-Gans et al. 2012; Lohmann et al. 2009) als auch auf die internationale Literatur zu (Anders et al. 2020; Gørgens et al. 2020; Murnane und Reardon 2018). Es ist daher bislang völlig unerforscht, ob die Entscheidung für oder gegen eine Privatschule in allen Familien einheitlich für alle Kinder getroffen wird.

Viele Determinanten der Privatschulwahl beziehen sich auf Eigenschaften des Haushalts oder der Eltern und sind deshalb für Geschwisterkinder tatsächlich meist sehr ähnlich. Dazu zählen die Entfernung zur nächsten Privatschule (Suter 2013), elterliche Distinktionspräferenzen (Kraul 2017; Mayer 2017; Schwarz et al. 2017) und biografische Erfahrungen der Eltern mit Schule (Hansen 2017, S. 5; Mayer 2019, S. 399). Ebenso werden die finanziellen Ressourcen oft als verhältnismäßig zeitkonstante Eigenschaft des Haushaltes interpretiert (vgl. Conley et al. 2007, S. 1093), die die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs für alle Geschwister im gleichen Maße ermöglicht bzw. verhindert.

Darüber hinaus spricht auch für eine einheitliche Schulwahl, dass durch die Entscheidung beim ersten Kind eine Pfadabhängigkeit entstehen kann (Dustan 2018): Machen ältere Geschwister positive Erfahrungen an einer öffentlichen oder privaten Schule, kann dies für Eltern eine Motivation sein, auch die jüngeren Geschwister dort einzuschulen, entweder aus Fairnessgründen oder um Entscheidungsunsicherheit zu reduzieren (Mayer 2019, S. 400). Zusätzlich erhöhen die speziellen Regelungen einiger Privatschulen wie Geschwisterrabatte oder die positive Berücksichtigung älterer, bereits angemeldeter Geschwisterkinder bei der Aufnahme die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere oder alle Geschwister an derselben Privatschule angemeldet werden.

Auf der Gegenseite gibt es einige Gründe, warum Geschwister nicht einheitlich private oder öffentliche Schulen besuchen sollten. Als besonders wichtig für die Entscheidung pro Privatschule wird von vielen Eltern die individuelle Passung des Kindes mit der spezifischen Schule betont. Dies kann auf Seiten der Schule beispielsweise ein AG-Angebot oder ein großes Angebot spezieller Möglichkeiten innerhalb des Regelunterrichts sein, das den Freizeitinteressen der Kinder entgegenkommt. Besonders relevant für die Wahl zwischen privaten und öffentlichen Schulen könnten auch spezielle Begabungen oder Problemlagen des Kindes sein. Eltern erwarten möglicherweise, dass eine private Schule durch ein spezifisches Konzept oder durch eine bessere Betreuungssituation im Gegensatz zu öffentlichen Schulen eher in der Lage sind, auf diese besonderen Anforderungen einzugehen (Mayer 2019, S. 403 f.). Unterscheiden sich diese elterlichen Einschätzungen der kindlichen Bedürfnisse zwischen den Geschwistern, kann dies dazu führen, dass die Investition in eine private Schule nicht für alle Geschwister als nötig erachtet wird.

Spiegelbildlich zum bereits diskutierten Argument der Pfadabhängigkeit könnten schlechte Erfahrungen des älteren Geschwisterkinds in einer öffentlichen oder privaten Schule bei Eltern eine abweichende Entscheidung bei den jüngeren Geschwistern nach sich ziehen (Mayer 2019, S. 400). Darüber hinaus könnten Geschwisterunterschiede entstehen, wenn Geschwister nicht unter ähnlichen Bedingungen aufwachsen, beispielsweise in Folge eines Umzuges oder einer Trennung der Eltern.

Effekt von Einkommensveränderungen

Ebenso können Geschwisterkinder in Folge von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Jobwechseln ihrer Eltern in unterschiedlichen Einkommenssituationen aufwachsen. Ein verringertes Einkommen wird die Wahrscheinlichkeit der Wahl eines Privatschulbesuchs senken, da die Opportunitätskosten einer solchen Entscheidung erhöht werden. Es erscheint plausibel, dass unter den möglicherweise notwendig werdenden Einsparungen der Familie die Einsparung von Schulgebühren durch die Wahl einer öffentlichen Schule verhältnismäßig leicht realisiert werden könnte. Erhöht sich das Haushaltseinkommen hingegen über die Zeit, könnten Eltern, die beim ersten Kind vor allem aufgrund der Schulgebühren von der Wahl einer Privatschule abgesehen hatten, für das nächste Kind doch eine solche Schule auswählen.

Eine Erhöhung oder ein Wegfall des Einkommens könnte sich jedoch abhängig vom permanenten Einkommen, dem über einen längeren Zeitraum durchschnittlich verfügbaren Einkommen, unterschiedlich auswirken: Besonders für Familien mit zunächst mittlerem Einkommen sollte eine Veränderung des verfügbaren Einkommens eher zu einer Ungleichbehandlung der Geschwister führen. Familien mit niedrigem permanentem Einkommen sollten genau wie Familien mit sehr hohem permanentem Einkommen kaum durch eine Einkommensveränderung beeinflusst werden, wenn man davon ausgeht, dass die Schulgebühren für Privatschulen nicht proportional mit dem Einkommen ansteigen. Für einkommensschwache Familien sollte auch eine kleine Einkommenssteigerung nicht genug sein, um eine zusätzliche, vermeidbare finanzielle Belastung durch einen Privatschulbesuch einzugehen, während einkommensstarke Familien durch ihr hohes Basisniveau auch nach Einkommenseinbußen nicht von der Privatschulanmeldung abgehalten werden sollten.

Erwartungen

Aufgrund des Mangels an bisheriger Forschung zu Geschwisterunterschieden im Privatschulbesuch lassen sich anstelle konkreter Hypothesen nur vorläufige Erwartungen an die Ergebnisse der Analysen ableiten.

Wir erwarten erstens, dass in einkommensstarken Haushalten häufiger alle Kinder auf eine Privatschule gehen als in einkommensschwachen Haushalten. Ebenso sollten in einkommensstarken Haushalten häufiger mindestens einige Kinder auf eine Privatschule gehen. Hinsichtlich der Häufigkeit von Geschwisterunterschieden allgemein müssen wir aufgrund fehlender bisheriger Forschung explorativ vorgehen.

Zweitens erwarten wir, dass Kinder eine höhere Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs haben sollten, wenn sie in einem Zeitraum aufwachsen, in welchem dem Haushalt ein höheres Einkommen zur Verfügung steht als es bei ihren Geschwistern im selben Alter der Fall war. Der Effekt von Einkommensveränderungen innerhalb von Haushalten sollte jedoch geringer sein als der Effekt von Einkommensunterschieden zwischen Haushalten.

In Bezug auf die dritte Fragestellung erwarten wir, dass der Effekt von Einkommensänderungen insbesondere die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs von Kindern in Haushalten mit mittlerem permanentem Einkommen beeinflusst.

Hinsichtlich unterschiedlicher Schulträger erwarten wir die schwächsten Einkommenseffekte für kirchliche Privatschulen und die stärksten Einkommenseffekte für gewerbliche Privatschulen.

3 Methoden

3.1 Daten

Für die Analyse verwenden wir die Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP; Version 34). Das SOEP ist eine repräsentative Panelbefragung von deutschen Haushalten, die seit 1984 stattfindet (Goebel et al. 2019). Alle Haushaltsbewohner über 16 Jahren in den teilnehmenden Haushalten werden jährlich, neben vielen weiteren Aspekten, zu Erwerbstätigkeit, Einkommen und demographischen Merkmalen befragt. Des Weiteren werden vom Haushaltsvorstand auch einige Informationen zu unter 16-jährigen Haushaltsmitgliedern erhoben. Für unsere Analyse haben die Daten somit eine Mehrebenenstruktur mit drei Ebenen: die einzelnen Beobachtungen (Personenjahre; t) sind in den Kindern (i) genestet und diese wiederum in Haushalten (h).

Für unsere Analyse kommen zunächst alle Personenjahre in Frage, in denen das Kind eine allgemeinbildende Schule (sowie FörderschulenFootnote 2) besucht, über deren Träger wir Informationen haben, die nach 1990 beobachtet wurden und höchstens 17 Jahre alt waren (40.861 Personenjahre). Nach Ausschluss von fehlenden Werten in Einkommen und Kontrollvariablen bleiben davon noch 38.053 Personenjahre. Für die Analyse von Geschwisterunterschieden müssen wir jedoch unser Sample auf jene Personenjahre begrenzen, für die es vergleichbare, andere Kinder im gleichen Haushalt gibt.Footnote 3 Dabei vergleichen wir Geschwisterkinder, die im gleichen oder ähnlichen Alter (ein Jahr älter oder jünger), aber an unterschiedlichen Zeitpunkten beobachtet wurden (z. B.: der Schulträger des im Jahr 2000 geborenen Kindes A wird 2007 beobachtet und mit dem Schulträger des 2010 geborenen Geschwisterkindes B in 2017 verglichen). Dabei verlieren wir Kinder, die in unterschiedlichen Haushalten beobachtet werden (275 Personenjahre), Kinder, für die Informationen über Geschwister fehlen oder die keine Geschwister haben (9200 Personenjahre) und Kinder, für die im SOEP keine Geschwister in einem gleichen oder ähnlichen Alter, aber in einem anderen Jahr beobachtet wurden (9742 Personenjahre). Somit bleiben für die Analyse der Geschwisterunterschiede noch 18.962 Personenjahre (genestet in 11.210 Kindern und 4609 Haushalten).

3.2 Variablen

Privatschulbesuch

Im SOEP wird zwischen vier unterschiedlichen Trägern unterschieden: öffentliche Schulen, privat-kirchliche Schulen, privat-gemeinnützige Schulen (einschließlich freier Alternativschulen) und privat-gewerbliche Schulen. Das entsprechende Item wurde über die Eltern und nur in den Jahren 1987, 1995, 1997, 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015 und 2017 erhoben. Für unsere Analyse unterscheiden wir zunächst nur zwischen öffentlichen und privaten Schulen insgesamt. In einem nächsten Schritt unterscheiden wir zwischen den unterschiedlichen Trägern.

Haushaltseinkommen

Die interessierende unabhängige Variable in unserer Analyse ist das monatliche Nettohaushaltseinkommen. Dieses beinhaltet Arbeitslohn, Renten, Kapitalerträge sowie staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld und Kindergeld. Um die Preisveränderungen in dem analysierten Zeitraum einzubeziehen, korrigieren wir das Haushaltseinkommen anhand des Verbraucherpreisindexes. Das Basisjahr dafür ist 2011. Danach logarithmieren wir das Verbrauchspreis-korrigierte Haushaltseinkommen, um den Einfluss der schiefen Verteilung und extremer Werte zu verringern.Footnote 4

Kontrollvariablen

Um dem kausalen Effekt von Einkommen auf die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs möglichst nahezukommen, müssen wir alle Faktoren kontrollieren, die sowohl das Haushaltseinkommen als auch die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs beeinflussen könnten. Wir kontrollieren daher für die Komposition des Haushaltes (Paar und Kinder, Alleinerziehende, andere Kompositionen), Anzahl der Haushaltsmitglieder unter 14 Jahren, Anzahl der Haushaltsmitglieder über 14 Jahren, ob sich der Haushalt in Ost- oder Westdeutschland befindet und ob sich der Haushalt in einem städtischen oder einem ländlichen Gebiet befindet. Zusätzlich kontrollieren wir für den höchsten Bildungsabschluss des Haushaltsvorstandes und seines oder ihres Partners (ISCED-97), das durchschnittliche Geburtsjahr des Haushaltsvorstandes und seines oder ihres Partners, den Familienstand des Haushaltvorstandes (Verheiratet und zusammenlebend, verheiratet und getrennt lebend, ledig, geschieden oder verwitwet), Migrationshintergrund des Haushaltvorstandes, Geschlecht des Haushaltvorstandes, Alter des Kindes, Beobachtungsjahr, Schulform und Stellung in der Geschwisterreihung.

3.3 Analysemethode

Um zu analysieren, in welchen Haushalten Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch vorkommen, aggregieren wir zunächst alle Variablen auf Haushaltsebene (\(\overline{X_{h}}\) stellt den Vektor aus aggregiertem Einkommen und Kontrollvariablen dar) und analysieren nur die 4609 Haushalte. Für Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch (\(\overline{Y_{h}}\)) unterscheiden wir drei Kategorien (K):

  1. 1.

    Haushalte, in denen kein Kind jemals auf eine Privatschule gegangen ist („Keines“; k1),

  2. 2.

    Haushalte, in denen alle Kinder mindestens einmal auf eine Privatschule gegangen sind („Alle“, k2), und

  3. 3.

    Haushalte, in denen manche Kinder auf eine Privatschule gegangen sind, während andere Kinder nie auf eine Privatschule gegangen sind („Manche“, k3).

In welche dieser Kategorien ein Haushalt fällt, wird dann in einer multinomialen logistischen Regression analysiert:

$$\Pr \left(\overline{Y_{h}}=k_{1} \overline{X_{h}}\right)=\frac{e^{\overline{X_{h}}{"z _{k\mathbf{1}}}}}{\sum _{k1}^{k3}e^{\overline{X_{h}}{"z _{k}}}},$$

wobei βk ein Vektor der entsprechenden Steigungskoeffizienten der Prädiktoren \(\overline{X_{h}}\) für die Kategorie k ist. Um auch nicht-lineare Zusammenhänge aufdecken zu können, beziehen wir hier auch das quadrierte Einkommen als Prädiktor ein.

In einem zweiten Schritt untersuchen wir, inwiefern diese Geschwisterunterschiede durch Veränderungen im Haushaltseinkommen zustande kommen. Da hier die Daten nicht aggregiert werden, muss die genestete Struktur (Personenjahre t in Kindern i in Haushalten h) der Beobachtungen in die Analyse einbezogen werden. Wir verwenden daher eine logistische Regression mit Random-Intercepts (im Folgenden RI-Modell). Hierbei wird der Zusammenhang zwischen Kindern, die mehrmals beobachtet wurden und Geschwistern innerhalb eines Haushaltes durch den Einbezug von zusätzlichen Fehlertermen berücksichtigt. Daher gibt es einen Fehlerterm auf der Haushaltsebene (μh), einen Fehlerterm auf der Kinderebene (ϑhi) und einen Fehlerterm für die einzelnen Beobachtungen (εhit). Das RI-Modell zur Erklärung des Privatschulbesuchs einer einzelnen Beobachtung (Yhit) durch Prädiktoren auf den verschiedenen Ebenen kann damit folgendermaßen geschrieben werden:

$$\log \left(\frac{\Pr \left(Y_{\mathrm{hit}}=1\right| X_{\mathbf{hit}})}{1-\Pr \left(Y_{\mathrm{hit}}=1\right| X_{\mathbf{hit}})}\right)=\alpha +X_{\mathbf{hit}}\boldsymbol{"z }+\mu _{h}+\vartheta _{hi}+\varepsilon _{\mathrm{hit}}$$

α ist hier die Konstante über alle Beobachtungen, Xhit ein Vektor aus Haushaltseinkommen und Kontrollvariablen und β ein Vektor der entsprechenden Steigungskoeffizienten.

In die Schätzung des Einkommenseffektes im RI-Modell gehen sowohl Einkommensunterschiede zwischen Haushalten als auch Einkommensveränderungen innerhalb von Haushalten ein. Der Steigungskoeffizient stellt somit eine schwer interpretierbare Mischung aus beidem dar. Daher verwenden wir in einem weiteren Schritt ein sogenanntes between-within Modell (BW-Modell; Neuhaus und Kalbfleisch 1998). Im Gegensatz zum RI-Modell wird im BW-Modell explizit zwischen Unterschieden zwischen Haushalten und Unterschieden innerhalb von Haushalten unterschieden:

$$\log \left(\frac{\Pr \left(Y_{\mathrm{hit}}=1\right| X_{\mathbf{hit}})}{1-\Pr \left(Y_{\mathrm{hit}}=1\right| X_{\mathbf{hit}})}\right)=\alpha +\overline{X_{h}}\boldsymbol{\delta }+\left(X_{\mathbf{hit}}-\overline{X_{h}}\right)\boldsymbol{\theta }+\mu _{h}+\vartheta _{hi}+\varepsilon _{\mathrm{hit}}$$

Hierbei wird der Privatschulbesuch jeder einzelnen Beobachtung einerseits durch die aggregierten beziehungsweise durchschnittlichen Charakteristiken des Haushaltes erklärt (\(\overline{X_{h}}\)) und andererseits über die Abweichungen von diesen durchschnittlichen Charakteristiken \(\left(X_{\mathbf{hit}}-\overline{X_{h}}\right)\). Somit erhält man für jeden Prädiktor im BW-Modell sowohl eine Schätzung für Unterschiede zwischen Haushalten (δ; „between-Effekt“) als auch für Effekte von Veränderungen innerhalb von Haushalten (θ; „within-Effekt“). Im Gegensatz zu β und δ kann θ nicht durch unbeobachtete (zeitkonstante) Unterschiede zwischen Haushalten verzerrt sein, da diese für die Kinder eines Haushaltes gleich sind. Unter der Annahme, dass alle unbeobachteten Störfaktoren im beobachteten Zeitraum zeitkonstant sind, kann der within-Effekt von Einkommen im BW-Modell als kausaler Effekt interpretiert werden (Sjölander et al. 2012).

In einem letzten Schritt fügen wir die Interaktion zwischen permanentem Haushaltseinkommen und Abweichungen von diesem Durchschnitt ein, um zu testen, ob alle Haushalte gleich auf Einkommensveränderungen reagieren. Auch hier beziehen wir wieder das quadrierte permanente Einkommen mit ein.

In jedem Schritt analysieren wir zuerst, ob Kinder eine öffentliche oder eine private Schule besuchen und danach vergleichen wir die unterschiedlichen Schulträger mit öffentlichen Schulen.Footnote 5 Aufgrund der geringen Anzahl an Kindern, die gemeinnützige oder gewerbliche Privatschulen besuchen, müssen diese Ergebnisse jedoch sehr vorsichtig interpretiert werden.

Um die Regressionskoeffizienten leichter interpretieren zu können, präsentieren wir sie als marginale Effekte am Mittelwert (MEM) bzw. vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten am Mittelwert. In unserem Fall kann MEM als Veränderung der Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs interpretiert werden, wenn sich das Einkommen minimal erhöht, während alle anderen Variablen auf ihrem Mittelwert konstant gehalten werden.

4 Ergebnisse

4.1 Deskriptive Statistiken

Tab. 1 zeigt die Verteilung der Variablen im Analyse-Sample und den Anteil der Varianz der Variablen, die auf die Haushaltsebene entfallen. In 7,7 % der analysierten Personenjahre besucht das Kind eine Privatschule. Etwa zwei Drittel davon entfallen auf Privatschulen mit kirchlichem Träger und jeweils ein Sechstel auf Privatschulen mit gemeinnützigem oder gewerblichem Träger. Das durchschnittliche inflationsbereinigte Nettoeinkommen dieser Haushalte betrug etwa 3450 € pro Monat. Die Einkommensverteilung ist rechtsschief und das Medianeinkommen betrug etwa 3070 €. Die betrachteten Kinder sind zwischen 1979 und 2011 geboren, im Durchschnitt 1998.Footnote 6

Tab. 1 Verteilung der Variablen und Varianz auf Haushaltsebene

Für die Analyse von Geschwisterunterschieden ist neben der Verteilung der Variablen insbesondere relevant, ob die Variablen innerhalb eines Haushalts variieren. Dies wird in Tab. 1 über den ICC-Koeffizienten dargestellt (Intra-class Correlation). Dieser zeigt den Anteil der Varianz einer Variablen an, die allein durch die Zugehörigkeit zum Haushalt erklärt werden kann. Etwa 88 % der Varianz im Privatschulbesuch entfällt auf Unterschiede zwischen Haushalten. Dies kann durch den hohen Anteil von Haushalten erklärt werden, in denen kein Kind jemals auf eine Privatschule geht. Somit ist auch der Anteil der Varianz, der auf die Haushaltsebene entfällt, deutlich größer als für Geschwisterunterschiede bezüglich des Besuchs eines Gymnasiums oder von Kompetenzen (vgl. Baier 2019; Grätz 2018). Bezüglich des Besuchs von kirchlichen Privatschulen sind sich Geschwisterkinder ähnlicher (ICC = 0,87) als für den Besuch von gemeinnützigen (ICC = 0,80) und gewerblichen Privatschulen (ICC = 0,76). Des Weiteren sehen wir, dass vier Fünftel der Varianz im Einkommen zwischen Haushalten vorkommt. Viele andere Charakteristiken des Haushalts wie die Bildung der Eltern oder der Wohnort verändern sich im beobachteten Zeitraum fast gar nicht, wodurch fast die komplette Varianz auf Unterschiede zwischen Haushalten entfällt.Footnote 7

4.2 Geschwisterunterschiede und der Zusammenhang mit permanentem Einkommen

Unsere erste Fragestellung bezog sich auf die Häufigkeit von Geschwisterunterschieden im Privatschulbesuch und deren Zusammenhang mit dem permanenten Einkommen des Haushaltes. Wie Tab. 2 zeigt, kommt es deutlich häufiger vor, dass nur manche Geschwister auf eine Privatschule gehen, als dass alle Geschwister auf eine Privatschule gehen. In 85,3 % der Haushalte geht kein Kind auf eine Privatschule, in 9,9 % mindestens ein Kind, während seine Geschwister auf öffentliche Schulen gehen, und nur in 4,8 % der Haushalte gehen alle Geschwister auf eine Privatschule. Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die unterschiedlichen Schulträger getrennt betrachtet. Bezüglich des Besuchs von gewerblichen Privatschulen kommt es sogar fast 3,5-mal so häufig vor, dass diese nur von manchen statt allen Geschwisterkindern besucht werden.

Tab. 2 Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch

Sowohl die Wahrscheinlichkeit, dass manche Kinder auf eine Privatschule gehen, als auch die Wahrscheinlichkeit, dass alle Kinder eine Privatschule besuchen, steigt mit dem permanenten Einkommen des Haushaltes an (siehe Abb. 1a). Der Anteil von Haushalten, in denen alle Kinder eine Privatschule besuchen, steigt annähernd linear mit steigendem Einkommen. In nur etwa 2,2 % der Haushalte mit einem Einkommen von 1700 € (10. Einkommensperzentil; p10 in der Abb. 1) besuchen alle Kinder des Haushaltes eine Privatschule, während es in Haushalten mit einem Einkommen von 5300 € (90. Perzentil; p90) etwa 5,3 % sind. Der Anteil von Haushalten, in denen nur manche Kinder eine Privatschule besuchen, steigt hingegen zunächst recht stark mit steigendem Haushaltseinkommen. So besuchen nur in 6,3 % der Haushalte am 10. Einkommensperzentil manche Kinder eine Privatschule, während es bereits 9,2 % der Haushalte mit Medianeinkommen (p50) sind. Mit noch höherem Einkommen steigt der Anteil von Haushalten, in denen manche Kinder auf eine Privatschule gehen, hingegen langsamer an. In etwa 11,3 % der Haushalte am 90. Einkommensperzentil besuchen manche Kinder eine Privatschule.

Abb. 1
figure 1

Vorhergesagte Wahrscheinlichkeit der Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch nach Einkommen auf der Haushaltsebene. a Privatschulen insgesamt. b Privat-kirchliche Schulen. c Privat-gemeinnützige Schulen. d Privat-gewerbliche Schulen. (Quelle: SOEP Version 34, eigene Berechnungen. Vorhergesagte Wahrscheinlichkeit bei Konstanthaltung aller Kontrollvariablen an ihrem Mittelwert mit 95 %-Konfidenzintervall. Die gestrichelten vertikalen Linien stellen das 10. Einkommensperzentil (p10), das Medianeinkommen (p50) und das 90. Einkommensperzentil (p90) dar. Aufgrund der geringen Fallzahl mussten Haushalte, in denen manche Kinder und Haushalte, in denen alle Kinder eine privat-gemeinnützige oder eine privat-gewerbliche Schule besuchen, zu einer Kategorie zusammengefasst werden)

Für den Besuch von kirchlichen Privatschulen, die den Großteil aller Privatschulbesuche ausmachen, zeigt sich ein sehr ähnliches Ergebnis wie für den Privatschulbesuch insgesamt, nur auf einem niedrigeren Niveau (siehe Abb. 1b). Im Vergleich zum Besuch von Privatschulen insgesamt, ist der Anstieg der Wahrscheinlichkeit ab einem mittleren Einkommen sogar noch flacher. Da es kaum Haushalte gibt, in denen alle Geschwisterkinder eine gemeinnützige oder gewerbliche Privatschule besuchen (siehe Tab. 2), ist eine Dreiteilung in Keiner, Manche und Alle für die multivariate Analyse nicht möglich. Für gemeinnützige und gewerbliche Privatschulen fassen wir daher Manche und Alle in eine Kategorie zusammen. Dabei zeigt sich, dass auch in Haushalten mit hohem Einkommen Kinder kaum häufiger gemeinnützige Privatschulen besuchen (siehe Abb. 1c). Im Gegensatz zeigt sich für gewerbliche Privatschulen ein fast linearer Anstieg mit steigendem Haushaltseinkommen (siehe Abb. 1d). Während nur in 1,1 % der Haushalte am 10. Einkommensperzentil manche oder alle Kinder eine gewerbliche Privatschule besuchen, sind es in Haushalten am 90. Einkommensperzentil 4,2 %.

4.3 Effekt von Einkommensveränderungen

Bisher haben wir nur Haushalte als Analyseeinheit betrachtet und damit Unterschiede innerhalb von Haushalten ausgeblendet. Die Ergebnisse des RI-Modells und des BW-Modells sind in Tab. 3 dargestellt.

Tab. 3 Einkommenseffekte auf die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs in verschiedenen Modellspezifikationen und für unterschiedliche Privatschulträger

Im RI-Modell zeigt sich zunächst wie erwartet, dass Kinder, die in einkommensstärkeren Haushalten aufwachsen, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine Privatschule zu besuchen (siehe Zeile „Privat (insgesamt) vs. öffentliche Schule“): Ein Kind, das in einem Haushalt mit 10 % höherem Einkommen lebt als andere Kinder, hat eine um 0,24 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit eine Privatschule zu besuchen (unter Konstanthaltung aller Kontrollvariablen an ihrem Mittelwert). Kinder in Haushalten am 10. Einkommensperzentil haben daher nur eine vorhegesagte Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs von 4,8 %, während 7,6 % der Kinder in Haushalten am 90. Einkommensperzentil eine Privatschule besuchen. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant (p < 0,001). Bei dem Einkommenseffekt im RI-Modell handelt es sich um eine Mischung aus Unterschieden zwischen Haushalten (potenziell durch unbeobachtete Heterogenität zwischen den Haushalten verzerrt) und Unterschieden innerhalb von Haushalten. Diese können erst im BW-Modell differenziert werden.

Im BW-Modell finden wir gemäß unserer Erwartung einen kleinen positiven Kausaleffekt von Einkommensveränderungen innerhalb von Haushalten (within-Effekt): Bei Kindern, die zu einem Zeitpunkt im Haushalt wohnen, zu dem der Haushalt ein um 10 % höheres Einkommen hat als bei seinen Geschwistern im gleichen Alter, ist die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs um 0,15 Prozentpunkte erhöht. Dieser Effekt ist jedoch nur marginal statistisch signifikant (p = 0,051).Footnote 8 Wichtig für die Interpretation und insbesondere die Präzision dieses Effektes ist, dass er nur auf jenen zehn Prozent Personenjahren basiert, die sich bezüglich des Privatschulbesuchs von ihren Geschwistern unterscheiden.

Im Vergleich zum within-Effekt fällt der Effekt von Einkommensunterschieden zwischen Haushalten (between-Effekt) deutlich größer aus: Ein Kind, das in einem Haushalt mit 10 % höherem Einkommen lebt als ein Kind in einem anderen Haushalt, hat eine um 0,33 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit eine Privatschule zu besuchen (p < 0,001).

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Träger zeigen sich die stärksten Einkommenseffekte für den Besuch von gewerblichen Privatschulen, während das Einkommen kaum einen Effekt auf den Besuch von gemeinnützigen Privatschulen hat. Kinder in Haushalten mit einem um 10 % höheren Einkommen als Kinder in anderen Haushalten haben eine um 0,16 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, eine gewerbliche Privatschule anstatt einer öffentlichen Schule zu besuchen (p < 0,001; between-Effekt). Kinder, die zu einem Zeitpunkt aufwachsen, zu dem der Haushalt ein um 10 % höheres Einkommen hat als bei seinen Geschwistern, haben eine um 0,05 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, eine gewerbliche Privatschule zu besuchen (within-Effekt). Dieser Effekt ist jedoch nicht statistisch signifikant (p = 0,216). Für den Vergleich zwischen kirchlich-privaten und öffentlichen Schulen zeigt sich ein etwas kleinerer MEM zwischen Haushalten und ein ähnlich großer MEM von Einkommensveränderungen innerhalb von Haushalten als für den Vergleich zwischen gewerblich-privaten und öffentlichen Schulen. Allerdings sind diese Effekte relativ betrachtet bedeutsamer für den Besuch gewerblicher Privatschulen, da insgesamt deutlich weniger Kinder diese besuchen.Footnote 9

Der in Tab. 3 dargestellte Effekt von Einkommensveränderungen ist jedoch nur der durchschnittliche Effekt von Einkommensveränderungen und bezieht somit nicht ein, dass der Effekt von Einkommensveränderungen davon abhängen könnte, von welchem permanenten Einkommen abgewichen wird. Wenn nun zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage die Interaktion zwischen Einkommensveränderungen und permanentem Einkommen einbezogen wird (siehe Abb. 2), zeigt sich die Heterogenität des Effekts von Einkommensveränderung innerhalb von Haushalten.

Abb. 2
figure 2

Effekt von Einkommensveränderungen auf die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs (MEM) in Abhängigkeit vom permanenten Einkommen. a Privatschulen insgesamt. b Privat-kirchliche Schulen. c Privat-gemeinnützige Schulen. d Privat-gewerbliche Schulen. (Quelle: SOEP Version 34, eigene Berechnungen. MEM: Marginaler Effekt unter Konstanthaltung aller Kontrollvariablen am Mittelwert mit 95 %-Konfidenzintervall. Die gestrichelten vertikalen Linien stellen das 10. Einkommensperzentil (p10), das Medianeinkommen (p50) und das 90. Einkommensperzentil (p90) dar)

Ein relevanter Effekt von Einkommensveränderungen auf die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs findet sich nur in Haushalten, deren permanentes Haushaltseinkommen über dem Medianeinkommen liegt (siehe Abb. 2a). So erhöht eine Einkommenserhöhung um 10 % im Vergleich zum permanenten Einkommen des Haushalts die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs um mehr als 0,40 Prozentpunkte (p < 0,05), wenn diese Veränderung bei einem hohen permanenten Einkommen von über 5000 € stattfindet. Einkommensveränderungen von einem permanenten Einkommen unterhalb des Medians scheinen hingegen keinen substanziellen Effekt zu haben. Der Effekt einer Einkommensveränderung ist hier eindeutig nicht signifikant und bei sehr geringem permanentem Einkommen sogar negativ. Dieser Befund widerspricht unserer theoretischen Erwartung eines stärkeren Effekts für Haushalte mit einem mittleren permanenten Einkommen deutlich. Ebenso deutet sich an, dass Einkommensveränderungen nur bei sehr hohem permanentem Einkommen zu einer leicht höheren Wahrscheinlichkeit des Besuchs einer privat-kirchlichen anstatt einer öffentlichen Schule führen (siehe Abb. 2b). Für privat-gewerbliche Schulen sehen wir ähnliche Effekte von Einkommensveränderungen für Haushalte mit mittlerem und hohem permanentem Einkommen (siehe Abb. 2d). Für privat-gemeinnützige Schulen sind keine Effekte zu beobachten (siehe Abb. 2c).

5 Diskussion

In diesem Beitrag untersuchen wir erstmals Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch, die aus zweierlei Gründen höchst relevant sind. Einerseits lassen sich aus Geschwisterunterschieden Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Motivation für einen Privatschulbesuch ableiten. Andererseits sind Geschwisterunterschiede im Privatschulbesuch nicht durch unbeobachtete Heterogenität zwischen Haushalten verzerrt und ermöglichen somit eine Schätzung des kausalen Einkommenseffekts, welcher im Widerspruch zum Sonderungsverbot stehen würde.

In den meisten Haushalten ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass nur manche Geschwisterkinder eine Privatschule besuchen. So kommt es etwa doppelt so häufig vor, dass nur manche Kinder auf eine Privatschule gehen, als dass alle Kinder eines Haushaltes eine Privatschule besuchen. Für die Diskussion um Motive der Privatschulwahl ist dieser Befund von großer Bedeutung: Nur ein verhältnismäßig kleiner Anteil von Familien schickt offenbar grundsätzlich alle ihre Kinder auf Privatschulen, entweder um sich von anderen Familien abzugrenzen oder um (Bildungs‑)Vorteile zu erlangen. Für die meisten Familien hingegen scheinen solche Motive, die in der bisherigen Literatur häufig im Zentrum standen, höchstens in Wechselwirkung mit den individuellen Merkmalen des Kindes und zeitveränderlichen Eigenschaften des Haushaltes die Entscheidung für eine Privatschule zu beeinflussen.

Sowohl der Anteil an Haushalten, in denen nur manche Kinder auf Privatschulen gehen, als auch der Anteil, in denen alle Kinder auf Privatschulen gehen, ist in Haushalten mit hohem Einkommen höher. Dabei sind insbesondere Kinder aus einkommensschwachen Haushalten deutlich unterrepräsentiert, während Unterschiede zwischen Haushalte mit mittlerem und hohem Einkommen geringer ausfallen. Nur für den Besuch von privat-gewerblichen Schulen zeigen sich ebenso große Unterschiede zwischen Haushalten mit mittlerem und hohem Einkommen. Insbesondere der einkommensabhängige Anstieg des Anteils von Haushalten mit manchen Kindern auf einer Privatschule deutet darauf hin, dass die häufig beobachteten Unterschiede im Privatschulbesuch nach Haushaltseinkommen zumindest zum Teil dadurch verursacht werden, dass es sich nicht alle Haushalte leisten können, auf die individuellen Eigenschaften und Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen. Wenn der Einkommenseffekt ausschließlich auf zeitkonstante Eigenschaften der Eltern wie z. B. Distinktionspräferenzen zurückgehen würde, sollte nur der Anteil der Haushalte mit allen Kindern auf einer Privatschule mit dem Einkommen ansteigen.

Des Weiteren implizieren unsere Ergebnisse, dass das Haushaltseinkommen einen kausalen – wenn auch kleinen – Effekt auf die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs hat. Dies bedeutet wiederum, dass das Sonderungsverbot teilweise missachtet wird, da einige Kinder durch ein zu geringes Haushaltseinkommen von einem Privatschulbesuch abgehalten werden. Der Effekt von Einkommensveränderungen innerhalb von Haushalten ist etwa halb so groß wie der in der Literatur üblicherweise geschätzte Einkommenseffekt zwischen Haushalten. Der Effekt von Einkommensveränderungen innerhalb von Haushalten ist zwar nur marginal statistisch signifikant (p = 0,051), jedoch ist davon auszugehen, dass Effekte innerhalb von Haushalten eine Untergrenze für den kausalen Effekt zwischen Haushalten darstellen (Björklund und Jäntti 2012). Dafür sprechen insbesondere zwei Argumente. Erstens wurden bei der Erstellung der Abweichung vom Haushaltsmittelwert nicht nur unbeobachtete Störfaktoren entfernt, sondern auch das permanente Einkommen der Familien. Nur etwa ein Fünftel der Varianz im Einkommen entsteht innerhalb von Haushalten. Zweitens könnte man erwarten, dass Eltern durch Pfadabhängigkeit oder aus Fairness anstreben, auch ihr zweites oder weiteres Kind auf eine Privatschule zu schicken, auch wenn sich ihr Einkommen im Vergleich zum ersten Kind verringert hat.

Einkommenseffekte zeigen sich nicht im gleichen Maße für Privatschulen unterschiedlicher Träger. Die stärksten Einkommenseffekte zeigen sich für den Besuch privat-gewerblicher Schulen. Für privat-gemeinnützige Schulen zeigen sich keine Einkommenseffekte und für privat-kirchliche Schulen sehr kleine. Für robustere Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Schulträgern wäre jedoch eine Analyse von Daten mit deutlich höherer Fallzahl notwendig.

Zusätzlich zeigen unsere Ergebnisse, dass Einkommensveränderungen insbesondere für Familien mit hohem permanentem Einkommen zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs führen. Eine mögliche Erklärung für dieses unerwartete Ergebnis könnte das Model der Frame-Selektion (Kroneberg 2005) liefern: Für viele einkommensschwache Familien ist der Besuch einer öffentlichen Schule möglicherweise eine vollkommen unhinterfragte Routine, weshalb auch Einkommensveränderungen nicht dazu führen, dass die relativen Kosten und Nutzen eines Privatschulbesuchs neu evaluiert werden. Im Gegensatz dazu ziehen einkommensstarke Familien einen Privatschulbesuch ihrer Kinder grundsätzlich in Betracht und passen die Entscheidung für oder gegen einen Privatschulbesuch eher an die aktuelle Einkommenssituation an. Des Weiteren könnte auch die nicht vollkommen proportionale Einkommensstaffelung bei den Privatschulgebühren dazu führen, dass einkommensstarke Familien eher auf Einkommensveränderungen reagieren. Sehr einkommensstarke Familien zahlen möglicherweise bereits vor der Einkommenserhöhung den Höchstsatz, während für Familien mit geringerem Einkommen Einkommenssteigerungen auch mit einer Erhöhung der Privatschulgebühr einhergehen. Ein ähnliches Ergebnis finden Anders et al. (2020) für Großbritannien, wo allerdings auch die Schulgelder deutlich höher sind.

Bei der Interpretation der Ergebnisse in unserer Studie müssen jedoch einige Limitationen beachtet werden. Erstens können wir keine Aussagen darüber machen, ob Geschwisterkinder die gleiche Einzelschule besuchen. Wir wissen beispielsweise nicht, ob alle Geschwisterkinder die gleiche Privatschule oder unterschiedliche Privatschulen besuchen. Zweitens können die gefundenen Effekte von Einkommensveränderungen zwischen Geschwistern nur unter der Annahme, dass es keine unbeobachteten zeitveränderlichen konfundierenden Faktoren gibt, die sowohl das Haushaltseinkommen als auch die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs beeinflussen, als kausale Effekte interpretiert werden. Da wir für wichtige zeitveränderliche Faktoren kontrollieren, erscheint uns diese Annahme plausibel, sie kann allerdings nicht empirisch getestet werden. Drittens konnten die Analysen der Heterogenität der deutschen Privatschullandschaft nur teilweise gerecht werden. Auch innerhalb der Trägertypen, nach denen im SOEP unterschieden wird, bestehen teils große Unterschiede hinsichtlich der Gebühren- und Aufnahmeordnungen.

Des Weiteren hat unser Beitrag einige Fragen aufgeworfen. Während unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Unterschiede innerhalb von Haushalten teilweise durch die finanziellen Ressourcen verursacht werden, die den Haushalten an unterschiedlichen Zeitpunkten zur Verfügung stehen, bleibt ein Großteil der Geschwisterunterschiede unerklärt. Die plausibelste Erklärung für die Unterschiede ist, dass diese durch unterschiedliche Begabungen, Talente und Problemlagen der Kinder zustande kommen (Mayer 2019). Diese scheinen sich für Eltern jedoch eher berücksichtigen zu lassen, wenn sie ein hohes Einkommen zur Verfügung haben. Eine offene Frage für die Zukunft bleibt hier insbesondere, ob Eltern eher Kinder auf Privatschulen schicken, die Probleme auf öffentlichen Schulen hätten, um somit deren Nachteile abzufangen oder ob sie hingegen versuchen, eher Kinder mit stark ausgeprägten Talenten noch weiter zu fördern. Mit den Daten des SOEP lassen sich diese Fragen jedoch momentan noch nicht beantworten, weil erst in den jüngeren Befragungen mehr Eigenschaften der Kinder erfragt worden sind.

Unsere Ergebnisse werfen auch ein neues Licht auf die in Privatschulen verbreitete Praxis der Geschwisterrabatte. Wie unsere Ergebnisse zeigen, kommt es in einkommensstarken Haushalten häufiger vor, dass mindestens ein Geschwisterkind eine Privatschule besucht. Für die (meist einkommensstarken) Haushalte, in denen bereits ein Kind eine Privatschule besucht, geben Geschwisterrabatte einen weiteren ökonomischen Anreiz dazu auch jüngere Geschwister auf der Privatschule anzumelden. Dies könnte einerseits zu einer weiteren Verstärkung der sozialen Ungleichheit im Privatschulbesuch führen. Andererseits könnten diese ökonomischen Anreize auch Überlegungen zur individuellen Passung zwischen Kind und Schule überlagern. Diese Hypothesen sprechen allgemein gegen eine Vergabe von Geschwisterrabatten. Allerdings ist weitere Forschung notwendig, um diese Hypothesen auch empirisch zu testen.