Heinrich Heine hat die Grundüberzeugung des deutschen Bildungsbürgertums auf die knappe Formulierung gebracht: „Geld ist rund und rollt weg – aber Bildung bleibt.“ Dieses Zitat aus Heines „Reisebildern“, in dem Materielles und Kommerzielles gegenüber dem Ideellen und Kulturellen herabgestuft wird, stößt auch heute noch auf große Resonanz. Dies wird u. a. durch die Tatsache belegt, dass es 2012 durch Personal und Studierende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit dem Ehrentitel „mein liebstes Heine-Zitat“ gekürt wurde.Footnote 1 Die Sentenz bringt das geradezu klassische Schisma zwischen Geld und Geist auf einen kurzen Nenner. Ein Schisma, das wohl als entscheidendes Erbe, manche meinen auch als Erblast der deutschen Kulturgeschichte anzusehen ist. Die Vernachlässigung, ja Abwertung alles Praktischen und Ökonomischen zugunsten einer Betonung der zweckfreien Selbsttätigkeit des Geistigen und der individuellen Bildung des autonomen Individuums lässt sich auch in der deutschen idealistischen Philosophie wiederfinden, während etwa die großen angelsächsischen Philosophen wie John Locke oder David Hume als Empiriker oder William James und John Dewey als Pragmatisten dem Greifbaren und Nützlichen weit weniger abgeneigt waren. Der tendenziell weltabgewandten Innerlichkeit als spezifischer Besonderheit des deutschen Geisteslebens hatte einst der Siegener Literaturwissenschaftler Georg Bollenbeck (1994) eine umfassende geistesgeschichtliche Studie gewidmet. Dieses Deutungsmuster, das zentral auf das Begriffspaar „Bildung“ und „Kultur“ abstellt, gewinne in Deutschland gerade in dem Moment großen Einfluss in bürgerlichen Kreisen, in dem die Aufklärungsphilosophie den Ansprüchen der Vernunft nicht mehr genügte und die Ideale der Französischen Revolution uneingelöst blieben. Im Neuhumanismus erhielt es seine typisch deutsche Ausprägung: Das Faktum politischer Machtlosigkeit wird vom aufstrebenden Bürgertum zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Überhöhung des Bildungsgedankens kompensiert. Es ist zu vermuten, dass die Geringschätzung und Ausklammerung vieler Aspekte des Ökonomischen in der erziehungswissenschaftlichen Bildungsforschung bis heute unter diesen Vorzeichen zu interpretieren sind. Eine vertiefte Thematisierung von Fragen der Bildungsfinanzierung, des Bildungsmarketings, des Bildungscontrollings, der Bildungsrenditen und generell der Bildungsökonomie lässt sich jedenfalls in der deutschen Erziehungswissenschaft nicht nachweisen. Die Kategorien des Ökonomischen fungieren vielmehr oft pauschal als Feindbild, um liebgewonnene Ideologien und traditionelle Besitzstände zu wahren (vgl. z. B. Liesner 2008; Höhne 2015). In kurzschlüssigen Argumentationsfiguren wird dabei wirtschaftliche Vernunft gerne mit bloßer Outputorientierung gleichgesetzt und jeder Verweis auf Kosten und Nutzen als Neoliberalismus denunziert.

Dieser Beitrag will versuchen, anhand einiger Schlaglichter grundlegende Positionen zu charakterisieren und exemplarisch Wissen aus der Grenzregion zwischen Wirtschaft und Pädagogik zu systematisieren. Ich wähle dafür:

  • Bourdieus Konzept des kulturellen Kapitels als beispielhaftes Theoriekonstrukt;

  • das Fehlen bildungshistorischer Rekonstruktionen zu Finanzierungsaspekten als Beispiel für einen insgesamt wenig ausdifferenzierten Forschungsstand;

  • einige Basisdaten zum deutschen Bildungsbudget nebst Hinweisen auf kontroverse statistische Erfassungsmethoden;

  • den Reformimpuls „Schulautonomie“ mit dem Teilaspekt „Finanzautonomie“ als beispielhafte jüngere Entwicklung sowohl der Theorie wie der Praxis.

Die folgenden Abschnitte wollen somit einige für konkrete Bildungsthemen relevante Befunde und Begriffe, Konzepte und Kontroversen an der Schnittstelle von Pädagogik und Ökonomie vorstellen. Beispielhaft werden dabei vor allem Aspekte der Bildungsfinanzierung thematisiert. Dabei werden zugunsten einer eher auf gegenwärtige Problemlagen fokussierten Darstellung die philosophischen und kulturgeschichtlichen Dimensionen und Kontroversen weitgehend ausgeklammert, die eine grundsätzliche Befassung mit Leitbegriffen wie Wert und Preis, Geld und Geist, Warenform und Denkform, Gebrauchswert und Tauschwert etc. mit sich bringen würde. Auch werden schwerpunktmäßig Daten, Erklärungsansätze und Kontroversen aus dem deutschsprachigen Raum (D-A-CH) aufgegriffen. Denn trotz aller Konvergenzen der politischen Institutionen und Harmonisierungsbemühungen der internationalen Statistiken bleiben doch gerade in den Bildungssystemen äußerst relevante nationale Traditionen weiterhin wirksam. Die teilweise fundamentalen Unterschiede – Stichworte wären z. B. zentral vs. dezentral, streaming vs. setting oder die Rolle staatlicher, privater oder kirchlicher Träger, ebenso wie unterschiedliche wohlfahrtsstaatliche Modelle – allein schon innerhalb der Europäischen Union, erfordern gerade für praxisrelevante Fragen der Bildungsfinanzierung die Berücksichtigung der jeweiligen Kontextbedingungen (vgl. exemplarisch Sackmann 2010; Schleicher 34,35,a, b). Zugunsten einer wenigstens in exemplarischen Feldern angedeuteten Tiefenschärfe wird die Ausdifferenzierung bildungsökonomischer Fragestellungen ebenfalls weitgehend ausgeblendet, wie sie sich etwa in den Debatten im Verein für Socialpolitik nachvollziehen lässt (vgl. Sadowski 2015) und für den internationalen Raum im „Handbook of the Economics of Education“ (Hanushek et al. 2016) wiederfindet.

1 Ein exemplarisches Theoriekonstrukt: Pierre Bourdieu über Bildung und Kapital

Wer einen sozialwissenschaftlichen Ansatz sucht, der die Sphären der Ökonomie und der Kultur sowie der Pädagogik umfasst und ihre Interdependenzen beschreibt, der stößt unvermeidlich auf Pierre Bourdieus soziokulturelle Analysen. Bourdieu verbindet in seinem Werk in einem komplexen theoretischen Zugriff, der gleichwohl empirisch gesättigt erscheint, Wirtschaft, Sozialisation und Ästhetik. Und gerade auch zur Rolle, die Bildung und Erziehung dabei zukommen, hat er immer wieder pointiert Stellung bezogen. Man kann den Einfluss, der vor allem von Bourdieus Hauptwerk „Die feinen Unterschiede“ (frz. Original 1979, dt.: 1982) auf die verschiedensten sozialwissenschaftlichen Disziplinen auch jenseits der Soziologie ausging, kaum überschätzen – und zwar weit über die französische und deutschsprachige kontinentaleuropäische Diskussion hinaus (vgl. Weininger und Lareau 2018).

Sein Ansatz eignet sich in gleich mehrfacher Hinsicht als Verbindungs-Theorem. Er verbindet nicht nur Ökonomie und Soziologie, nicht nur qualitative und quantitative Forschungsmethoden, sondern vor allem auch die scheinbar rein subjektiv gewählten ästhetischen Präferenzen des einzelnen Individuums mit der objektiv bestimmbaren Position in einem recht traditionellen Modell der Klassengesellschaft. Jenseits von Strukturalismus und Existentialismus, Theoriekonzepten also, in denen das Individuelle entweder negiert oder überbetont wurde, bietet Bourdieu mit seinem Habituskonzept ein Scharniertheorem, in dem kulturelle Vorlieben, bevorzugte Freizeitbeschäftigungen und der Stil der Wohnungseinrichtung als Ausdruck und Bekräftigung der jeweiligen Klassenlage dechiffriert werden. Mit seinem Ansatz, die Vermittlung von objektiven Lebenslagen und subjektiven Einstellungen und Lebensstilen neu zu thematisieren, hat Bourdieu nicht nur die sozialwissenschaftliche Theoriediskussion über Jahrzehnte beschäftigt, sondern auch zahlreiche Forschungsprogramme inspiriert – am nachhaltigsten vielleicht in der Lebensstilforschung und in den Konzepten der „Erlebnis-Milieus“ (Schulze) bzw. „Sinus-Milieus“ (Sinus-Integral).

In seinem Buch „Die feinen Unterschiede“ geht Bourdieu davon aus, dass alle Handlungen, auch die scheinbar interesselosen und zweckfreien, letztlich auf die Maximierung materiellen und symbolischen Gewinns gerichtet sind. Diese Hypothese führt Bourdieu zu der Überzeugung, dass unterschiedliche Lebensstile und Geschmacksurteile sozialer Gruppen nicht nur ein plurales buntes Bild der Massengesellschaft erzeugen, sondern in letzter Konsequenz Instrumente im Konkurrenzkampf gegensätzlicher Gruppen um Macht und Einfluss sind. Eine zweidimensionale Vorstellung des sozialen Raumes führt Bourdieu dazu, die soziale Position von Subjekten in der Sozialstruktur aus dem verfügbaren ökonomischen Kapital, das im Wesentlichen das produktive und unproduktive Geldvermögen beinhaltet und dem verfügbaren kulturellen Kapital abzuleiten, für das er im Zuge seiner empirischen Analyse u. a. die Menge und Qualität erworbener Bildungstitel als Indikator verwendet. In den so abgesteckten Raum sozialer Positionen werden die Daten seiner empirischen Lebensstil-Untersuchung eingetragen. Bourdieu versucht damit, kulturelle Vorlieben, Sportarten, Bildungsbedürfnisse, Lesegewohnheiten, Speise- und Wohnvorlieben den sozialen Positionen systematisch zuzuordnen. In der näheren und gerade für die Bildungsforschung interessanten Beschreibung der Ausprägungen kulturellen Kapitals unterscheidet Bourdieu drei Dimensionen: Neben das durch Schul- und Hochschulbesuch sowie durch Bildungsabschlüsse relativ gut operationalisierbare institutionalisierte kulturelle Kapitel tritt das inkorporierte kulturelle Kapital. Letzteres hängt eng mit dem Habituskonzept zusammen, insofern hier die teilweise unbewussten und unbewusst übernommenen Bewertungsmaßstäbe und ästhetischen Kategorien angesprochen sind, die ein Individuum im Zuge seiner Sozialisation in einer bestimmten Familie, in einem bestimmten sozialen Umfeld und eben auch in einem bestimmten Bildungsmilieu erwirbt. Da gerade im Begriff des inkorporierten Kulturkapitals die Durchdringung bzw. der Austausch von materiellen und ideellen Komponenten von Bildungsprozessen deutlich werden, lohnt es sich, hier eine Erläuterung von Bourdieu selbst zu zitieren:

Die meisten Eigenschaften des kulturellen Kapitals lassen sich aus der Tatsache herleiten, daß es grundsätzlich körpergebunden ist und Verinnerlichung (incorporation) voraussetzt. Die Akkumulation von Kultur in korporiertem Zustand – also in der Form, die man auf französisch „culture“, auf deutsch „Bildung“, auf englisch „cultivation“ nennt – setzt einen Verinnerlichungsprozeß voraus, der in dem Maße, wie er Unterrichts- und Lernzeit erfordert, Zeit kostet. Die Zeit muß vom Investor persönlich investiert werden: Genau wie wenn man sich eine sichtbare Muskulatur oder eine gebräunte Haut zulegt, so läßt sich auch die Inkorporation von Bildungskapital nicht durch eine fremde Person vollziehen. Das Delegationsprinzip ist hier ausgeschlossen.

Wer am Erwerb von Bildung arbeitet, arbeitet an sich selbst, er „bildet sich“. Das setzt voraus, daß man „mit seiner Person bezahlt“, wie man im Französischen sagt. […] Inkorporiertes Kapital ist ein Besitztum, das zu einem festen Bestandteil der „Person“, zum Habitus geworden ist; aus „Haben“ ist „Sein“ geworden. Inkorporiertes und damit verinnerlichtes Kapital kann deshalb (im Unterschied zu Geld, Besitz- oder sogar Adelstiteln) nicht durch Schenkung, Vererbung, Kauf oder Tausch kurzfristig weitergegeben werden. (Bourdieu 1997, S. 56)

Als dritte Facette unterscheidet Bourdieu schließlich das objektivierte kulturelle Kapital, also diejenigen Gegenstände, in denen sich bestimmte kulturelle Vorlieben gleichsam materialisieren: Original-Kunstwerke oder ein Posterdruck an der Wohnzimmerwand, ein Klavier oder ein TV-Bildschirm, ein Bücherregal oder eine kleine Hausbibliothek etc. In Derartigem zeigt sich nicht nur, was man sich leisten kann oder nicht, sondern es materialisiert sich auch ein bestimmtes ästhetisches Urteilsvermögen – von dem Bourdieu immer annimmt, dass es gesellschaftlich determiniert ist.

Vor dem Hintergrund seiner Analysen werden die Konturen einer Drei-Klassen-Gesellschaft sichtbar: Die herrschenden gesellschaftlichen Gruppen versuchen durch „Distinktion“ dem eigenen Lebensstil die Aura der Höherwertigkeit und der Legitimität zu verleihen, während sich die mittleren Gruppen des Kleinbürgertums in ihren Geschmacksurteilen an den ökonomisch oder kulturell überlegenen Gruppen orientieren. Bourdieu charakterisiert dieses häufig sehr beflissene Nacheifern mit dem Begriff der „Prätention“. Der Arbeiterschaft wiederum kommt ein eigener Lebensstil zu, der dem Diktat der Notwendigkeit unterworfen ist; als erstrebenswert gilt hier, von allem genug bzw. sogar eine nicht alltägliche Fülle zur Verfügung zu haben: Das gilt für Muskeln (Bodybuilding), Bräune (Sonnenstudio) oder die Portionsgröße von Gerichten bei Feierlichkeiten oder im Restaurant.

Für Bourdieu ist der Erwerb von Bildungstiteln prinzipiell ein Weg zum sozialen Aufstieg. Allerdings stand er sowohl der Institution Schule als auch den anderen expandierenden Bildungseinrichtungen äußerst skeptisch gegenüber, wie er schon in einer frühen berühmten Schrift erläuterte, die in Deutschland unter dem sprechenden Titel „Die Illusion der Chancengleichheit“ (frz. Original: 1964; dt.: 1971) erschien und ein wenig euphorisches, aber vielleicht realistisches Bild der begrenzten Möglichkeiten des Bildungssystems zeichnete, vorhandene gesellschaftliche Ungleichheiten aufzubrechen bzw. zu unterlaufen. Bourdieu und sein Ko-Autor Passeron formulieren hier gewissermaßen ein Bildungsparadox: Immer mehr höhere Abschlüsse führen zur Entwertung eben dieser höheren Abschlüsse.

Der Vollständigkeit halber sei auch das soziale Kapitel, also die sozialen Beziehungen, genannt, über die ein Individuum oder besser: seine Herkunftsfamilie verfügen, und die für die gesellschaftliche und berufliche Positionierung eine wichtige Rolle spielen können. Gelegentlich spricht Bourdieu auch vom symbolischen Kapital, das dann gleichsam die Summe aus ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital bildet und die Gesamtheit der gesellschaftlichen Macht und Anerkennung umfasst, über die eine Person verfügtFootnote 2.

Auf den Anregungsreichtum der Entdeckung der ästhetischen und Lebensstil-bezogenen Dimensionen sozialer Ungleichheiten auch für die Bildungsforschung wurde schon hingewiesen. Ein zweiter hervorzuhebender Aspekt, der die bleibende Bedeutung dieses 2002 verstorbenen Soziologen unterstreicht, ist sein Nachweis, dass trotz Schul- und Hochschulbesuch kulturelle Prägungen durch die familiäre und milieugeprägte Herkunft relevant bleiben – und sich gelegentlich sogar stärker durchsetzen als alle äußerlich bleibenden Attribute des Bildungsaufstiegs. Schließlich sollte drittens nicht übersehen werden, dass Bourdieus Ansatz im Kern einer nur leicht modifizierten marxistischen Klassenideologie folgt, für die Perspektiven des gesellschaftlichen Ausgleichs immer nur eine beruhigende und verschleiernde Funktion haben können: letztlich bleibt der antagonistische Gegensatz von Bourgeoisie und Proletariat bestehen, der nur durch eine sozialistische Revolution wirklich aufgelöst werden kann. Über die vielen bunten Beschreibungen der sozialen Realität, die illustrativen Fotos und die lebensnahen Porträts („eine „sehr klassische“ Lehrkraft“, „eine Bäckersfrau, „die nicht aus dem Rahmen fällt““, „ein nicht einzuordnender Professor“ usw.), die man bei Bourdieu findet, sollte man diese letztliche dichotome Schlichtheit (es gibt eine Zeit vor und eine nach der Revolution) nicht vergessen.

2 Bildungsfinanzierung: Forschungsstand, Positionen und Desiderate

Generell lässt sich konstatieren, dass Fragen der konkreten Bildungsfinanzierung offenbar nur dann eine gewisse Beachtung im sozialwissenschaftlichen Forschungsbetrieb finden, wenn bildungspolitische Reizthemen, wie etwa der Streit um die Studiengebühren, unübersehbar Finanzierungsaspekte in den Vordergrund rücken.Footnote 3 Für die historische Dimension, also für die Frage, wie eigentlich in früheren Jahrhunderten, wie vormoderne Gesellschaftsordnungen die Produktion von Wissen und die Weitervermittlung von Kenntnissen hinsichtlich der Ressourcenallokation geregelt hatten, fehlen systematische Untersuchungen bis heute. Dass hier durchaus spannende Forschungsfelder noch der Erschließung harren, zeigt etwa die Lektüre der wohl inspiriertesten Abhandlung zur Universitätsgeschichte, die von Inge und Walter Jens (1977, Neuauflage 2004) über „500 Jahre Tübinger Gelehrtenrepublik“ vorgelegt wurde. Im Kapitel „Die Zunft und ihr Betrieb“ werden dort auch Aspekte der Entlohnung der Professoren, die u. a. in Naturalien aus dem universitätseigenen Landwirtschaftsbetrieb bzw. durch Steuerprivilegien erfolgte, berichtet.

Dreihundertfünfzig Jahre lang mußten die akademischen Bürger weniger Steuern zahlen als ihre universitätsfernen Nachbarn, brauchten keinen Frondienst zu leisten und ihren Wein, sofern er dem Eigenverbrauch diente, nicht zu verzollen, waren vom Marktzwang befreit. […] Schließlich hatten sie […] das Recht, Ochsen und Kühe lebend zu kaufen und sich – jedenfalls im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert – durch eine universitäre Hausschlachterei, die sogenannte „lateinische Metzge“ (was, hier irrt der schwäbische Volksmund, nichts mit Anatomie zu tun hat), mit dem notwendigen Vorrat zu versorgen. (Jens und Jens 2004, S. 47)

Auch wird deutlich, dass die Hochschullehrer über viele Jahrhunderte ganz andere Sorgen hatten als die Gelehrten von heute; denn sie

hatten sich um konkretere Dinge zu kümmern als Forschung, Studienpläne und neue Didaktik – ihnen ging es zunächst ums tägliche Brot, um Leib und Leben. […] Jede Mißernte konnte die pünktliche Auszahlung der Gehälter gefährden, jedes gute Jahr dagegen den Professoren Extra-Rationen an Wein, Getreide und „Süßspeis“ einbringen. (Jens und Jens 2004, S. 51f.). Die Universität war sehr viel mehr als eine gelehrte Bildungsanstalt. Sie war ein Wirtschaftsbetrieb von beachtlichem Ausmaß. Eine geschlossene Körperschaft mit eigener Ökonomie, eigener Verwaltung und eigenem Recht (Jens und Jens 2004, S. 53 f.).

Universitäten hatten eine eigene Gerichtsbarkeit und sie konnten z. B. auch Bußgelder erheben. In Leipzig setzten die Statuten „für das Aufheben eines Steines oder eines ähnlichen Gegenstandes in der Absicht, ihn auf einen Magister zu werfen, eine Buße von zehn neuen Groschen fest; für einen Wurf, der das Ziel verfehlte, betrug die Buße acht Gulden und für einen erfolgreichen Wurf noch mehr“ (Gieysztor 1993, S. S.130).

Teilweise, etwa in Bologna, waren die Professoren von den Studierenden angestellt und von ihnen beaufsichtigt. Professoren hatten eine Kaution zu hinterlegen, die sie verloren, wenn es ihnen nicht gelang, den vorgesehenen Lehrstoff in der gesetzten Frist zu vermitteln. Professoren waren teilweise also lange Zeit, vor allem soweit sie als Laien weltliche Fächer wie Recht oder Medizin lehrten, ganz direkt von der Finanzierung durch die Studierenden abhängig. Während andere Universitäten – etwa Paris – die Professoren des kanonischen Rechts und der Theologie mit Pfründen ausstatteten (Zwick 2010, S. 114).

Die in vergangenen Jahrhunderten gängigen Formen der Entlohnung der Hochschullehrer, die sich so fundamental von der heutigen Situation unterscheiden, bilden nicht nur die Gepflogenheiten feudaler Gesellschaftsordnungen ab, sie können auch nicht nur anekdotische Evidenz beanspruchen – in ihnen zeigen sich auch der Stellenwert und die Relevanz, die Bildungsaufgaben in früheren staatlichen Formationen zukam. Umso mehr muss man bedauern, dass sich zur Rekonstruktion von Bildungsfinanzierungsstrukturen bis heute kaum historische Arbeiten finden.

Was für die historischen Dimensionen gilt, lässt sich auch für die Gegenwart festhalten: Einen konsolidierten Forschungsstand gibt es nicht. Man findet einzelne periodische statistische Werke – die sich bei näherer Betrachtung allerdings als lückenhaft und umstritten präsentieren. Und man findet Studien für einige Aspekte, die gleichwohl nicht viel mehr als erste Schlaglichter zu werfen vermögen.

Seit 2008 erstellt das Statistische Bundesamt den Bildungsfinanzbericht für Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Daneben gibt das Statistische Bundesamt zur Bildungsfinanzierung regelmäßige Publikationen (zuletzt: Statistisches Bundesamt 2020) sowie Sonderpublikationen – so etwa die „Finanzen der Schulen. Schulen in freier Trägerschaft und Schulen des Gesundheitswesens 2013“ (2016) – heraus. Auch im Bundesbildungsbericht finden sich regelmäßig Daten zur Bildungsfinanzierung – zuletzt mit einem Berichtsschwerpunkt zu „Wirkungen und Erträgen von Bildung“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018).

Education at a Glance (dt.: Bildung auf einen Blick) ist die jährlich erscheinende Datensammlung der OECD zum Bildungsbereich, die zu zahlreichen Indikatoren aktualisierte Kennzahlen international vergleichend aufbereitet. Dabei kommen auch immer wieder Bildungsbudgets in unterschiedlicher Ausdifferenzierung sowie auch Kalkulationen zu Bildungsrenditeerwartungen zur Darstellung, etwa in „Indikator A5: Welche finanziellen Anreize bestehen für Investitionen in Bildung?“Footnote 4

Für ein erstes Handbuch Bildungsfinanzierung (Barz 2010) konnten Beiträge von 45 Autor*innen zu ersten Zwischenbilanzen versammelt werden, in denen sowohl Desiderate als auch verstreute Ergebnisse und Perspektiven inventarisiert wurden. Ideologien, Traditionen und Innovationskonzepte werden ebenso bilanziert, wie gegliedert nach den verschiedenen Bildungsbereichen und nach den verschiedenen Kostenträgern die Konturen der Bildungsfinanzströme nachgezeichnet werden. Ebenfalls aufgegriffen sind in diesem Handbuch Bildungsfinanzierung neuere Diskussionen zu alternativen Modellen der Bildungsfinanzierung (Pfeiffer et al. 2010) und spezifische Innovationsansätze etwa „Genderbudgeting“ (Cleuvers 2010) oder „Anreizstrukturen in der Finanzierung von Hochschullehre“ (Kamm 2010).

Vom Gesichtspunkt thematischer Affinitäten aus betrachtet, wäre die Erziehungswissenschaft eigentlich wie kein anderes Fach prädestiniert, sich mit Fragen der Bildungsfinanzierung zu befassen. Wer sich indessen die erziehungswissenschaftliche Forschung und Diskussionskultur der vergangenen Jahrzehnte vergegenwärtigt, der findet vieles – aber kaum Beiträge, die sich konstruktiv mit dem Thema Bildungsfinanzierung befassen. Dies gilt zumindest weithin für die deutsche bzw. deutschsprachige Diskussion unter Einbeziehung von Österreich und der Schweiz. Erst in den 2000er Jahren ist eine etwas größere Offenheit für Fragen im Grenzbereich von Ökonomie und Pädagogik entstanden. Anfang der 2000er Jahre hatte das Thema Bildungsfinanzierung sogar eine gewisse Konjunktur. Beispielsweise wurde am 28. Juli 2004 der Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten „Expertenkommission Finanzierung lebenslangen Lernens“ (2004) vorgestellt. Im November 2004 erschien das umfangreiche Manifest. „Bildung neu denken! Das Finanzkonzept“ als zweiter Teil der Studie „Bildung neu denken! Das Zukunftsprojekt“ (2003) die im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ein Gesamtkonzept für die Reform des deutschen Bildungswesens von der Kinderkrippe bis zur Seniorenweiterbildung darlegte. Man antizipierte die Bildungslandschaft des Jahres 2020 und fordert eine z. T. radikale Veränderung der Bildungspolitik. Von der Vorverlegung des Schuleintrittsalters auf das vierte Lebensjahr über die Begrenzung der Schulpflicht auf das vollendete 14. Lebensjahr, die Abschaffung des Sitzenbleibens und die Verkürzung der Schulferien bis zum Outsourcing der Staatsaufsicht über das Bildungswesen erstreckte sich der imposante Forderungskatalog. Vor allem aber wurden Individuen, Unternehmen und Staat zu mehr Investitionsbereitschaft in Bildung aufgefordert: „Bildung ist teuer. Ein Verzicht auf Bildung ist noch teurer.“ (Abraham Lincoln). Kosten wurden ebenso aufgelistet wie Einsparungs- und Refinanzierungs-Möglichkeiten. Allein der Wegfall der Klassenwiederholung spare, so die Autoren, über eine Milliarde Euro pro Jahr. Abenteuerlich war etwa die Forderung, an Lehrlinge keine Ausbildungsvergütung mehr zu zahlen. Das damit freiwerdende Budget der Betriebe sollte stattdessen in Weiterbildung investiert werden.

Im Vergleich dazu sind Umgestaltungs-Appelle inzwischen seltener geworden. Der Kronberger Kreis („Bildungsfinanzierung neu gestalten“ 2013) empfiehlt etwa Bildungsgutscheine und Studiengebühren und will öffentliche Zuschüsse zur Weiterbildung durch staatliche Kredite ersetzen. Noack (2016) beklagt demgegenüber den empirischen Rückgang der öffentlichen Finanzierung im Bereich der Weiterbildung im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen. In der Diskussion über den Ausgleich von Bildungsnachteilen für Kinder aus sozial schwächeren Schichten wurden Formen von Sozialindex-gebundenen Verteilungsschlüsseln entwickelt. Hamburg hat früh eine relativ weitgehende sozialindexgesteuerte Ressourcenzuweisung implementiert, in Bremen, Hessen und NRW sind teilweise ähnliche Modelle entstanden (vgl. Weishaupt 2016).

Die angesprochene, in Deutschland offenbar bis heute tief verwurzelte Distanz gegenüber wirtschaftlichem Denken gerade unter Geisteswissenschaftlern manifestierte sich z. B. in den „fünf Einsprüchen“ einer Reihe von Erziehungswissenschaftlern (Erstunterzeichner: Gruschka, Herrmann, Radtke, Rauin, Ruhloff, Rumpf, Winkler) aus dem Jahr 2005 unter dem Titel „Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb“, der von über dreihundert Pädagogen und Erziehungswissenschaftlern unterzeichnet wurde. Auch wenn in diesen Thesen z. T. durchaus reale Probleme benannt werden, geht der Tenor doch eindeutig in Richtung auf die Fortschreibung der apodiktischen Frontstellung von Erziehungs- und Wirtschaftswissenschaft, wenn es etwa heißt: „Wir wenden uns gegen die Illusionen einer alle politischen Parteien übergreifenden Bildungspolitik, die das Bildungssystem nach betriebswirtschaftlichen Mustern in den Griff zu bekommen sucht“ (Wortlaut des 1. Einspruchs).

Seit den 1990er Jahren kritisiert eine breitere erziehungswissenschaftliche Publizistik unter dem Stichwort „Ökonomisierung der Bildung“ die „Gefahr, dass die Orientierung an wissenschaftlichem Wissen hinter privatwirtschaftliche Partikularinteressen zurücktritt“ (Liesner 2008, S. 914). Als Ursache und Movens für die sog. Ökonomisierung sieht Radtke weniger die Wirtschaft, sondern „ein strategisches Projekt der Politik selbst“ (Radtke 2009, S. 625). In der Umsetzung würde die Expertise von betriebswirtschaftlichen Beratungsfirmen hinzugezogen – mit der paradoxen Konsequenz, dass „das System mit der höchsten Versagensquote [dominiert] […]. Der Rest der Gesellschaft ist mit ökonomischen Fragen beschäftigt, weil das Versagen der Wirtschaft […] in allen anderen Funktionssystemen verkraftet werden muss“ (Radtke 2009, S. 626). Als Fehlentwicklung wird die Ablösung des Professionalisierungsdiskurses mit der Betonung auf Kollektivorientierung durch die „manageriale“ Umgestaltung von Schule (Höhne und Schreck 2009) und Hochschule (Münch 2009a) gebrandmarkt – wobei der Manager als auf Eigennutz reduzierter Systemdiener, als Herdentier (Münch 2009b, S. 11) beschrieben wird und der professionelle Pädagoge als der moralisch Gute, der sich von „höherstufigen Formen universeller Solidarität“ leiten lässt (so Radtke 2009, S. 631, unter Bezug auf Brunkhorst).

Luhmanns Systemtheorie, Foucaults Analysen der Gouvernementalität und andere anspruchsvolle Referenzrahmen werden herangezogen, um das Bildungswesen gegenüber Veränderungen zu immunisieren. Die alte Universität wird zur heilen Welt, die durch Unternehmensberater bedroht ist. Die alte Verwaltungsbürokratie wird zur „Dienerin der Professoren“ – wohingegen „unter dem Regime von McKinsey & Co“ die eigentliche akademische Lehre leidet und stattdessen „ein umfangreiches Angebot an Sprach‑, Kommunikations- und Trainingskursen zur Selbstvermarktung“ (Münch 2009b, S. 11 ff.) eingeführt würde.

Wenngleich vor allem in den einschlägigen Fach- und Standesorganisationen derartige Positionen viel Gehör finden, werden sie nicht von allen geteilt, die sich aus bildungssoziologischer oder erziehungswissenschaftlicher Perspektive mit dem „New Public Management“ beschäftigen. Den Vorwurf der Ökonomisierung weist beispielsweise Heinz-Elmar Tenorth scharf zurück:

Gefangen in den alten Formeln, zeigen sich die Kritiker blind gegenüber der tatsächlichen Praxis und den Möglichkeiten der aktuellen Bildungsreform; vereint in einem seltsamen Bündnis der alten Privilegierten, vor allem in den Universitäten, mit denjenigen, die sich in ihrem gemütlichen Alltag aufgeschreckt finden, wozu Evaluation ohne Zweifel beiträgt, machen sie sich zum Wortführer einer Politik, die den notwendigen Umbau unseres Bildungssystems hemmt (Tenorth 2005, S. 89).

Dass Konkurrenz ein belebendes Element sein kann, gilt unter Ökonomen als unstrittig. Strittig ist, inwiefern sich im Bildungsbereich Wahlmöglichkeiten qualitätsfördernd auswirken (vgl. zum kontroversen Forschungsstand: Schneider 2018). Der Bildungsökonom Ludger Wößmann begründet auf Basis einer Reihe von Sekundäranalysen von internationalen Leistungsvergleichsstudien (u. a. TIMSS 1995, PISA 2000, PISA 2003) die These, dass der Anteil der privaten Schulen in einem Land sich auch auf die Leistungsfähigkeit des gesamten staatlichen Bildungssystems auswirke: Je mehr Schüler eine private Schule besuchen, desto besser schneidet das betreffende Land bei Leistungsvergleichstests ab.Footnote 5 Während die zumeist besseren Schulleistungen von Schülern an privaten Schulen sich zumindest teilweise auch auf sozioökonomische Auswahlprozesse zurückführen lassen (Weiß 2011), belegt Wößmann, dass ein Großteil der positiven Auswirkungen des Privatschulanteils gerade Schülerinnen und Schülern in öffentlichen Schulen zugutekommt. Die auf systemische Wettbewerbseffekte zielende These besagt, dass auch die staatlich geleiteten Schulen dort besser werden, wo die Konkurrenz durch private Schulen stärker zum Tragen kommt (Wößmann 2011, S. 12). In einer Sonderauswertung der PISA-Daten von 2009 kommt die OECD (2012, S. 47) zu dem Ergebnis, dass für die systemischen Effekte des Schulwettbewerbs insbesondere auch die Finanzierungsmodalitäten eine wichtige Rolle spielen: In Ländern, in denen die Schulen in freier Trägerschaft höhere staatliche Finanzzuschüsse erhalten, schwächt sich für das gesamte Bildungssystem der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg ab. Damit stützt auch die OECD die These, dass nicht die bloße Existenz von privaten Schulen soziale Ungleichheit verstärkt, sondern dass es vor allem auf die staatliche Bildungsfinanzierungspolitik ankommt.

3 Das deutsche Bildungsbudget: Eckdaten und offene Fragen

Für die Bildungsausgaben in Deutschland sind die Befunde widersprüchlich. Regelmäßig etwa betonen die offiziellen Stellen der deutschen Bildungspolitik – also das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und die Kultusministerkonferenz – anlässlich der jeweils im Herbst erfolgenden Veröffentlichung der OECD-Bildungsindikatoren „Education at a Glance“ (EaG), dass Deutschlands Bildungsausgaben über dem OECD-Durchschnitt liegen würden. Anlässlich der Vorstellung von EaG 2018 hat das BMBF in einem „Presse-Papier“ des BMBF vom September 2018 beispielsweise als Zwischenüberschrift hervorgehoben, dass die Bildungsausgaben je Teilnehmer über dem OECD-Durchschnitt liegen und weiter erläutert: „Trotz des demografischen Wandels und des damit verbundenen Rückgangs der Schülerzahlen hat Deutschland seine Bildungsausgaben in den letzten Jahren stetig erhöht.“ (BMBF 2018, S. 13).

Kritische Stimmen dagegen – etwa die Pressemitteilungen der GEW, aber auch die OECD selbst – betonen ebenso regelmäßig, dass Deutschland Bildungsausgaben erneut unterhalb des OECD-Durchschnitts liegen würden. Wortlaut der „OECD-Country Note: Germany“ zu EaG 2018:

2015 beliefen sich die Ausgaben im Primar, Sekundar- und Tertiärbereich für eigentliche Bildungsdienstleistungen, zusätzliche Dienstleistungen und FuE in Deutschland auf 4,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), was deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 5,0 % lag. (OECD 2018, S. 7).

Die Bildungsausgaben Deutschlands sollen also mal über, mal unter den OECD Durchschnittswerten liegen. Beide Behauptungen stützen sich auf dieselbe Publikation. Was soll man glauben? Tatsächlich stimmt beides: Die deutschen Bildungsausgaben liegen sowohl über wie unter dem OECD-Durchschnitt. Je nachdem, welche Kennziffer man betrachtet – und je nachdem, welche politischen Absichten man verfolgt. Betrachtet man die Ausgaben für Bildung als Ganzes in Relation zum Brutto-Inlands-Produkt, liegt Deutschland unterhalb des OECD-Durchschnitts. Betrachtet man die Ausgaben pro einzelnem Schüler, liegt Deutschland dagegen über dem OECD-Durchschnitt. Die in der BRD höheren Pro-Kopf-Ausgaben erklären sich vor allem aus der demographischen Entwicklung: Länder mit sinkenden Schüler- und Studentenzahlen haben naturgemäß tendenziell geringere Bildungsausgaben – und gerade deshalb kann pro Kopf mehr Geld zur Verfügung stehen. Je nachdem, ob also die Bildungsausgaben in Relation zum BIP gesetzt werden oder in Relation zur Zahl der Schüler, ergibt sich ein anderes Bild.

Das Bildungsbudget einer Nation setzt sich aus den von privater und staatlicher Seite getragenen Ausgaben zusammen. Dabei variiert diese Aufteilung von Land zu Land. In der BRD etwa ist der Anteil der von privaten Haushalten und privaten Trägern übernommen Kosten im Bereich der Elementarbildung (z. B. Kindergärten) im internationalen Vergleich relativ hoch. Der private Anteil an der Finanzierung der Hochschulausbildung fällt dagegen für die BRD im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich aus. Die Differenzen in den privat finanzierten Anteilen der Hochschulausbildung relativieren sich jedoch massiv, wenn man die (zu großen Teilen privat aufgebrachten) Ausgaben für die Lebenshaltung der Studierenden mit in die Berechnung einbezieht (Schwarz und Teichler 2004).

Das deutsche Bildungsbudget wird jährlich vom Statistischen Bundesamt ausgewiesen. In der Regel liegt das Bezugsjahr der Daten um drei Jahre vor dem Erscheinungsjahr. Der Bildungsfinanzbericht 2019 enthält also die konsolidierten Daten für 2016 (und einige vorläufige Zahlen für 2017, 2018, 2019). Das Bildungsbudget zeigt die Bildungsausgaben in Deutschland, die von den öffentlichen Haushalten, dem privaten Bereich und dem Ausland bereitgestellt wurden (vgl. Abb. 1). Es setzt sich zusammen aus einem internationalen Teil (Budgetteil A) und zusätzlichen Bildungsausgaben in nationaler Abgrenzung (Budgetteil B). Die Unterscheidung in nationale und internationale Definitionen ist notwendig, weil es trotz aller Bemühungen um internationale Standardisierung noch nicht für alle Aspekte gelungen ist, übereinstimmende Regelungen zu finden. In einer umfassenderen Darstellung wird auch das Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft jährlich vom Statistischen Bundesamt zusammengestellt. Es beinhaltet das Bildungsbudget (Budgetteile A + B) und zusätzlich das Forschungsbudget (Budgetteile C + D) (Statistisches Bundesamt 2019, S. 12).

Abb. 1
figure 1

Bei den Summen kann es aufgrund von Rundungen in den Zwischensummen zu Abweichungen kommen. aKonsolidiert hinsichtlich der Ausgaben für Forschung und Entwicklung an Hochschulen. bGrauer Bereich markiert die Ausgaben für Forschung und Entwicklung an Hochschulen (16,6 Mrd. €). Diese Ausgaben werden nach der internationalen Abgrenzung sowohl im Budgetteil A als auch C zugeordnet. Für die Ermittlung des Budgets für Bildung, Forschung und Wissenschaft (A + B + C + D) ist eine Konsolidierung um diesen Betrag erforderlich. cBildungsprogramme der ISCED-2011. (Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft 2019)

Die hier ausgewiesenen Ausgaben für Bildung, Forschung Wissenschaft sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2016 betrugen sie 283,2 Mrd. € (9 % des BIP), davon entfielen 201,6 Mrd. € auf den Anteil des Bildungsbudgets. Dies bedeutet gegenüber dem Jahr 2010 eine Steigerung um 46,2 Mrd. € oder 19,5 %. Auf Basis einer vorläufigen Berechnung spricht das Statistische Bundesamt für 2017 von einer weiteren Steigerung auf nunmehr 295,5 Mrd. €.

Den größten Teil des amtlichen Bildungsbudgets machen mit 162,3 Mrd. € auch im Jahr 2016 die öffentlichen und privaten Ausgaben für formale Bildungseinrichtungen wie Krippen, Kindergärten, Schulen, Berufsbildung oder Hochschulen aus. Private Haushalte haben für Nachhilfeunterricht, Lernmittel und dergleichen 2016 6,3 Mrd. € ausgegeben. Für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten von Bildungsteilnehmer*innen in formalen Bildungsgängen stellten die öffentlichen Haushalte 2016 bundesweit 12,7 Mrd. € zur Verfügung (BAföG bzw. Kindergeld für Volljährige). Non-formale Angebote wie die betriebliche Weiterbildung, die Lehrerfortbildung, die sonstige Weiterbildung sowie Horte, Jugendarbeit usw. schlugen 2016 mit insgesamt 20,3 Mrd. € zu Buche.

Auf S. 24 des Zahlenwerks des Statistischen Bundesamts (2019) findet sich ein entscheidender Satz: „So vertritt beispielsweise die Länderfinanzseite die Auffassung, dass die Bildungsausgaben in Deutschland in diesem Bericht unterzeichnet werden.“ Hinter diesem scheinbar harmlosen Hinweis auf strittige Interpretationen und Zuordnungen der Ausgaben für Bildung verbirgt sich eine beträchtliche Sprengkraft – und zwar in durchaus relevanten Dimensionen. Auch die Tatsache, dass in den vom Statistischen Bundesamt erstellten Berechnungen zwischen amtlicher Finanzstatistik und „realem Bildungsbudget“ unterschieden wird, deutet bereits in diese Richtung: Das Bildungsbudget liegt deutlich höher als die in die Finanzstatistik erfassten Kosten. Zuletzt wurde für das aus öffentlichen Mitteln bestrittene Bildungsbudget ein Betrag von 160,4 Mrd. € und laut Finanzstatistik ein Betrag von 129,1 Mrd. € ausgewiesen (vgl. Abb. 1 „Öffentlicher Bereich (Initial Funds)“ und „Bildungsausgaben […] laut Finanzstatistik“). Die größten Posten, die die Differenz ausmachen, sind dabei die unterstellten Sozialbeiträge für die Altersversorgung aktiver Beamtinnen und Beamte im Bildungsbereich (12,4 Mrd. €), das Kindergeld für volljährige Bildungsteilnehmerinnen und Bildungsteilnehmer (8,3 Mrd. €) und die Bildungsausgaben der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 6,6 Mrd. € (Statistisches Bundesamt 2019, S. 29).

Nichtsdestotrotz sind für die Bildungsfinanzstatistik in den letzten Jahren deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Diese Fortschritte spiegeln sich auch im Bildungsfinanzbericht für die Bundesrepublik, der u. a. die Länderstatistiken bündelt und vergleicht. Seit dessen erstem Erscheinen im Jahr 2008 konnten sowohl was die umfassendere Berücksichtigung der verschiedenen Ausgaben- und Kostenarten (z. B. Personal, Beamtenpensionen, Beihilfen, Sachkosten, Investitionskosten) als auch was die Transparenz der Dokumentation betrifft, viele Schwachstellen beseitigt werden. Die bildungspolitische Diskussion um die dokumentierten Kosten der staatlichen Schulen reißt dennoch nicht ab, ja sie gewinnt abhängig vom Bundesland, von Zeit zu Zeit immer neu an Schärfe. Im Hintergrund steht regelmäßig die Frage einer gerechten oder „auskömmlichen“, jedenfalls grundgesetzkonformen Gestaltung der Privatschulfinanzierung durch die Länder. Dies ist vor allem deshalb der Fall, weil es jenseits aller bildungspolitischen Präferenzen für oder gegen private Schulen tatsächlich eine große Herausforderung darstellt, die mit schulischem Unterricht real verbundenen Aufwendungen des Staates statistisch adäquat zu erfassen. Folgende Problembereiche sind es vor allem, die es hier zu adressieren und durch geeignete kalkulatorische Verfahren zu minimieren gilt:

  1. 1.

    Schulen werden nicht „aus einer Hand“ finanziert. Beteiligt sind die staatlichen Gliederungsebenen Kommunen, Landkreise und Länder sowie, z. B. über Investitionsprogramme, oft auch der Bund oder sogar europäische Stellen (z. B. der Europäische Sozialfonds, ESF).

  2. 2.

    Innerhalb der staatlichen Haushalte sind schulbezogene Ausgaben in verschiedenen Ressorts rubriziert. So fehlt z. B. oftmals die Möglichkeit die Pensions- oder Beihilfelasten von Lehrern von anderen staatlichen Beamten gesondert auszuweisen. Andererseits fließen Gelder, z. B. für Förderschüler bzw. Förderschulen, aus unterschiedlichen Ministerien und Ressorts.

Dass die Schulen in freier Trägerschaft den Staat deutlich weniger kosten als die staatlichen Schulen, sagt schon die amtliche Statistik. Dass sie den Staat sogar relativ noch viel weniger kosten, weiß man aus den Schülerkosten-Gutachten des Steinbeis-Transferzentrums (vgl. Vogel 2010) – weil die staatlichen Schulen in Wirklichkeit teurer sind, als die unvollständige amtliche Statistik ausweist. Sind die Formeln zur Berechnung der staatlichen Zuschüsse auch kompliziert und verschieden, so haben sie aus der Sicht vieler Forscher (vgl. Klein 2019) doch eine Gemeinsamkeit: Unter dem Strich bleibt eine erhebliche Deckungslücke, die die Schulen irgendwie schließen müssen. Dass die Deckungslücke deutlich größer ist, als es einem arglosen Blick in die Bundesbildungsfinanzstatistik zunächst erscheint, ist inzwischen vielfach belegt und weitgehend Konsens in der Bildungsfinanzdiskussion. So haben etwa die vom Steinbeis-Transferzentrum erstellten Gutachten gezeigt, dass je nach Bundesland und Schulart die staatliche Finanzhilfe nur 50 bis 60 % der tatsächlichen Schulkosten abdeckt. Ein Hauptproblem liegt darin, dass die Kosten auch der staatlichen Schulen tatsächlich äußerst schwierig zu berechnen sind. Zum Teil liegt das daran, dass die Ausgabenposten in den Haushalten verstreut sind. So sind die Ausgaben für Beihilfen oder Altersversorgung der Lehrer in Haushaltspositionen erfasst, in denen auch alle anderen Landesbeamten enthalten sind. Zum anderen weist die kameralistische Buchführung nur die Ausgaben, aber keine Kosten aus. Dadurch ist z. B. die sachgemäße Angabe der Grundstücks- und Gebäudekosten unmöglich.Footnote 6 Es gibt meist keine konsequente interne Kostenverrechnung. Den Kostensätzen gemäß der amtlichen Statistik müssen dementsprechend betriebswirtschaftlich ermittelte Kostenansätze gegenübergestellt werden. Nach den Berechnungen des Steinbeis-Transferzentrums liegen die tatsächlichen Schülerkosten demnach je nach Schulform und Bundesland um 20 bis 40 % über den von den Landesregierungen als Grundlage für bildungspolitische Entscheidungen verwendeten Zahlen (vgl. Barz 2016).

4 Verwerfungen im Schulautonomie-Diskurs: Aus Autonomie wird Accountability

In der Praxis ist die Möglichkeit einer an die jeweiligen lokalen Bedingungen, an die konkreten Schülerpopulationen angepassten Gestaltung des Schullebens und des Unterrichts eine wichtige Determinante für den Schulerfolg. Neben strukturellen Faktoren oder der baulichen und personellen Ausstattung – bzw. deren chronisch beklagten defizitärem Zustand – werden dementsprechend ressourcenbezogene Entscheidungsbefugnisse vor Ort von vielen Bildungsforschern als wichtige Determinante gelingender Bildungsprozesse betrachtet. Die diesbezügliche Diskussion entwickelte, zusammengefasst im Schlagwort der „Schulautonomie“, insbesondere in den 90er-Jahren eine größere Reichweite (vgl. Altrichter et al. 2016), auch wenn sich frühe diesbezügliche Überlegungen auch schon in den 70er-Jahren, etwa beim Deutschen Bildungsrat (1973) finden. Gefordert wurde die Erhöhung schulischer Gestaltungsspielräume indem Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse an die einzelnen Schulen und die dort tätigen Personen delegiert werden. Die Hoffnung richtete sich auf eine verstärkte Innovationsdynamik, z. B. durch eine höhere Identifikation der Akteure mit ihren Aufgaben und die Nutzbarmachung der vor Ort vorhandenen Praxisexpertise. Die als schwerfällig, veränderungsresistent und praxisfern geltenden, zentralistisch-bürokratischen Hierarchien von Schulverwaltung und Schulaufsicht sollten in ihren Befugnissen eingeschränkt und Handlungs- und Entscheidungskompetenzen auf die Einzelschulen verlagert werden:

lokale Entscheidungsfindung sollte zu effizienterer Ressourcennutzung, zur Stimulierung der Verantwortlichkeit, Innovationskraft und Entwicklungsdynamik lokaler Akteure, zu einer Diversifikation der Bildungsangebote entsprechend unterschiedlicher Bedürfnisse und zu mehr demokratischer Teilhabe führen. (Altrichter et al. 2016, S. 115).

Wenngleich Begriff und Sache der Schulautonomie immer wieder auch kritisch bewertet wurden – schon 1998 wurde er beispielsweise im „Handbuch Schulentwicklung“ (vgl. Maritzen 1998, S. 609) unter Beliebigkeitsverdacht gestellt und zum „reformpolitischen Unwort“ erklärt – bündelten sich in ihm ähnlich wie in den Konjunkturen früherer Begriffe wie „Schulklima“ oder „Schulleben“ doch geradezu paradigmatische Sichtweisen der Schuldiskussion. Abschwächungen und Relativierungen wie „schulische Selbstverwaltung“, „Teilautonomie“, „relative Autonomie“ o. ä., wie sie im Zuge der Diskussion vorgeschlagen wurden, zeigen nur, wie sehr diese Perspektive in den 90er-Jahren eine dominante Stellung im Bildungsforschungs- und Bildungsplanungsdiskurs einnahm. Neben der Personalautonomie, der pädagogischen Autonomie und der organisatorischen Autonomie wurde auch die Finanzautonomie als ein wichtiger Teilbereich diskutiert, in dem der dezentralen Ressourcenverantwortung größerer Spielräume gewährt werden sollten. Etwa indem Schulen Einnahmequellen wie Sponsoring, Drittmitteleinwerbung oder Erlöse beispielsweise aus Raumvermietungen ermöglicht werden oder indem sie eigene Verfügungsrechte über ein Globalbudget erhalten (vgl. Altrichter et al. 2016, S. 110). Wenn man heute (im Jahr 2020) danach fragt, was aus diesem einstmaligen Aufbruch geworden ist, der durchaus Unterstützung auch in den höheren und höchsten Etagen der deutschen Bildungspolitik gefunden hatte (vgl. z. B. die Denkschrift der sogenannten „Rau-Kommission“; Bildungskommission NRW 1995), dann scheinen drei Beobachtungen relevant:

  1. 1.

    In der Bildungsforschung konnten sich die Stimmen vermehrt Gehör verschaffen, die sich vor allem auf die Risiken und die möglicherweise problematischen Begleiterscheinungen einer Deregulierungspolitik im Bildungsbereich konzentrieren, die sich also pro Zentralisierung und gegen verstärkte Kompetenzdelegation an die Akteure vor Ort positionieren (Nicolai und Helbig 2013). Vom Einwand der „Dezentralisierung der Mangelverwaltung“ oder der „Verdopplung der administrativen Strukturen“ bis hin zur generellen Kritik einer stärker an Marktmechanismen und Wettbewerb orientierten Schulsteuerung reichen die Vorbehalte (vgl. Altrichter et al. 2016, S. 115). Sie beziehen – siehe oben – ihre Überzeugungskraft auch in den Kreisen der Bildungsforschung wohl nicht zuletzt aus einem impliziten Argumentationsmuster, in dem jede wirtschaftliche Kategorie als für Bildung angeblich grundsätzlich schädliche „Ökonomisierung“ gebrandmarkt und das Schreckensszenario einer nur noch kommerziellen Interessen unterstellten „Bildungsindustrie“ beschworen wird (vgl. Radtke und Weiß 2000). Soziale Ungleichheit, bildungsbezogene Segregation und gesellschaftliche Entsolidarisierung sind die Chiffren, die auch noch die zaghaftesten Versuche einer Liberalisierung der Steuerungsmechanismen und Effektivierung der Ressourcenallokation diskreditieren sollen.

  2. 2.

    Dass das produktive Interesse am Thema „Schulautonomie“ sich in der Folge insgesamt stark rückläufig entwickelt, zeigt sich allein schon an der Zahl der einschlägigen Publikationen: Eine Recherche im Fachinformationssystem Bildung ergibt für das Jahr 1997 den Spitzenwert von 185 Treffern zum Suchwort „Schulautonomie“ Footnote 7. Seither nimmt die Trefferzahl von Jahr zu Jahr innerhalb eines geringfügigen Schwankungskorridors kontinuierlich ab (1998: 112; 2000: 92; 2004: 102; 2007: 77; 2010: 21; 2017: 13; 2018: 8; 2019: 3). Ein ähnlicher Verlauf ergibt sich für das Suchwort „Finanzautonomie“, wo ebenfalls das Jahr 1997 den Höhepunkt mit 27 Treffern markiert und für das im Jahr 2019 schon kein einziger Treffer mehr zu verzeichnen ist. Die für eine real höhere schulische Selbstverwaltungskompetenz zentrale finanzielle Ressourcenverantwortung, die sich vor allem in den Kategorien Personalbewirtschaftung und Sachmittelbewirtschaftung zeigt, ist gegenüber anderen Teilbereichen deutlich ins Hintertreffen geraten. Demgegenüber zeigt die Analyse der Veränderungen im Schulrecht in den 16 Bundesländern hinsichtlich der Verwirklichung von Aspekten der Schulautonomie (vgl. Rürup und Heinrich 2007) für die Jahre 1994 bis 2004, dass es eine massive Verlagerung hin zu einem Zuwachs in den Bereichen Unterstützungsangebote und Orientierungsvorgaben gab. Die massivste Neuakzentuierung der ursprünglichen Reformidee Schulautonomie indessen wird für den Bereich der Rechenschaftslegung (Accountability) verzeichnet (vgl. Abb. 2). Während im Jahr 2004 nur 12 % der schulgesetzlichen Novellierungen dem Bereich der Personalbewirtschaftung und nur 16 % der Sachmittelbewirtschaftung zuzurechnen waren, entfallen auf den Aspekt Rechenschaft 38 %. Flankiert wird diese Neuakzentuierung, die man auch als Umdeutung des ursprünglichen Impulses bezeichnen könnte, durch verschiedenste Maßnahmen der Standardisierung und der externen Evaluation.

  3. 3.

    Es ist fast ein wenig bestürzend, wenn man nach 30 Jahren Schulautonomie-Diskurs feststellen muss, dass sich für Schulen hinsichtlich der Verfügung über finanzielle Ressourcen bis heute offenbar wenig verändert hat. Dies gilt für Schulen in Deutschland, ebenso wie für Österreich und die Schweiz, „entziehen sich doch allseits mit Gehältern und gebäudebezogenen Ausgaben die größten Budgetposten bislang weitgehend dem Handlungsspielraum der Akteure vor Ort.“ (Tarazona und Brückner 2016, S. 85) Sieht man von den meist sehr begrenzten Mitteln ab, die hier und da über Fördervereine eingeworben und verwaltet werden, dann verfügen deutsche Schulen heute noch immer über kaum mehr als über das Budget für die Erneuerung der Schulbücher, die sie kostenlos ausgeben.

Abb. 2
figure 2

Anteil der Verwirklichung von Schulautonomieaspekten (1994, 1999, 2004). (Quelle: Altrichter et al. 2016, S. 121 (Hervorhebung durch den Autor, HB))

5 Abschließende Bemerkungen

Dass Bildungsinvestitionen immer gut angelegtes Geld bedeuten – darüber herrscht in aufgeklärten Gesellschaften ein breiter Konsens. Einflussreiche bildungssoziologische Konzepte wie etwa das Theorem des kulturellen Kapitals (Bourdieu) liefern gewichtige Argumente für eine Fundamentalkritik herrschender Ideologien. Wie allerdings im Einzelnen die Ressourcenallokation, wie die Verteilungsmechanismen, wie die Anreizsysteme gerade für den Bildungsbereich genau aussehen, ist auch in einer modernen Gesellschaft wie der deutschen, bis heute kaum transparent nachzuvollziehen. Konkrete Forschungstätigkeiten aus den Reihen der Erziehungswissenschaft widmen sich eher im Ausnahmefall derartigen Fragen. Die durchaus vorhandenen amtlichen Statistikwerke zur Bildungsfinanzierung markieren mit ihren jährlich fortgeschriebenen Zahlenkolonnen einen bis heute kaum aufgegriffenen Diskussionsbedarf: Denn die ausgewiesenen Gesamtbeträge öffentlicher Bildungsausgaben differieren je nach Quelle um 30 Mrd. €. Dass die bis heute nicht ausgeräumten Unterschiede in den Erfassungsregularien nicht als unbedeutende administrative Quisquilien zu bewerten sind, zeigt sich dort, wo die Schulen in freier Trägerschaft auf Basis dieser strittigen staatlichen Bildungsausgaben ihre Zuwendungen erhalten. Für die staatlichen Schulen in Deutschland muss festgestellt werden, dass die Programmatik der Schulautonomie zwar Denkschriften und Modellprojekte beschert hat – sich in der realen Praxis des Schulalltags indessen – zum Nachteil der Lehrer*innen und Schüler*innnen – gerade in Sachen Finanzautonomie kaum etwas getan hat. Die wenig einfallsreiche Forderung nach einem höheren staatlichen Bildungsbudget in Verbindung mit einem grundsätzlichen Verdacht gegen ökonomische Kategorien, die sich als Dominanten der erziehungswissenschaftlichen Fachpublizistik behaupten, lassen es wenig wahrscheinlich erscheinen, dass die hier beschriebenen Desiderata in absehbarer Zeit in Angriff genommen werden.