Die Analyse und Synthese der Befunde der existierenden 97 Befragungen zum Fernunterricht erfolgt entlang des integrativen Rahmenmodells zum Fernunterricht (siehe Abb. 1), das folgende Kategorien postuliert: Lernerfolg (Abschn. 5.1.1), Quantität des Schülerlernens (Abschn. 5.1.2), Qualität des Schülerlernens (in den Befragungen nicht erfasst, vgl. Abschn. 5.2 und 5.4.2), Lernmotivation (Abschn. 5.1.3), selbstgesteuertes Lernen (Abschn. 5.2), Merkmale der Schüler*innen (vgl. die Ausführungen zum Schultyp und sozioökonomischen Hintergrund der Schüler*innen im jeweiligen Abschnitt), häusliche Lernressourcen (Abschn. 5.3), Merkmale des Fernunterrichts (Abschn. 5.4), Merkmale der Lehrperson (Abschn. 5.5) und Technologieeinsatz für den Fernunterricht (Abschn. 5.6).
Lernprozessmerkmale
Lernerfolg
Unserem Wissen nach liegt für den DACH-Raum bisher nur zwei Studien von Tomasik et al. (2020) und Depping et al. (2021) vor, die auf standardisierte Leistungstests zurückgreift, um die Lernentwicklung der Schüler*innen während den Schulschließungen zu analysieren. In den bisher veröffentlichten Befragungen wurde dagegen versucht, mittels Fremd- und Selbsteinschätzungen den Lernerfolg zu erfassen.
Aus Sicht der Schüler*innen variieren die Angaben zu Items, die vorsichtig als Indizien für den selbsteingeschätzten Lernerfolg interpretiert werden können, relativ stark. So berichten …
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8 %, dass sie sich oft fragen, ob sie im Fernunterricht viel Stoff versäumen (Schreiner et al. 2020).
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etwa 20 %, dass sie zuhause schlechtere Leistungen erbringen als im Präsenzunterricht (Schwerzmann und Frenzel 2020).
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26 %, dass sie besorgt sind schlechtere Noten zu bekommen. Weitere 21 % sind diesbezüglich zum Teil besorgt (Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020).
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35 %, dass sie sich oft Gedanken über ihr Abschlusszeugnis und ihre Noten machen (Schreiner et al. 2020).
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38 %, dass sie (eher) nur sehr wenig lernen (Baier und Kamenowski 2020).
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40 %, dass es nun schwieriger ist dem Curriculum zu folgen (Refle et al. 2020).
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45 %, sich (sehr) große Sorgen über negative Auswirkungen auf ihre Schulleistungen zu machen (Anger et al. 2020).
Derartige Einschätzungen zu negativen Einflüssen des Fernunterrichts auf den Lernerfolg hängen allerdings stark vom Schulfach ab, wie die Befragung von Grütter et al. (2020) zeigt: Während für das Fach Deutsch 14 % der Schüler*innen meinen, die Lernziele (eher) nicht erreichen zu können, sind es für das Fach Mathematik 25 % der Schüler*innen. Diesen Schülergruppen, die von negativen Auswirkungen berichten, stehen Schülergruppen gegenüber, die positiveres berichten. Bei Huber et al. (2020) geben immerhin 24 % an, dass sie jetzt mehr als im normalen Unterricht lernen. Auch hier zeigen sich fachspezifische Unterschiede. Bei Heller und Zügel (2020) geben je nach Schulfach 36–53 % der Schüler*innen an, dass sie (durch die gestellten Aufgaben im Fernunterricht) viel lernen.
Die Einschätzungen der Eltern zum Lernerfolg ihrer Kinder während des Fernunterrichts decken sich mit den Befunden der Schülerbefragungen. Im Durchschnitt zeigen sich die Eltern während des Lockdowns eher neutral, weder besonders unzufrieden noch besonders zufrieden mit dem, was ihre Kinder im Fernunterricht gelernt haben, so die großangelegte Familienbefragung von Andresen et al. (2020). Werden Eltern dagegen nach dem Lernrückstand ihrer Kinder gefragt, sind es rund ein Drittel bis zwei Drittel, die negative Auswirkungen befürchten: 33 % der Eltern haben Sorge, dass ihre Kinder aufgrund der Schulschließung hinter dem eigentlichen Lernstand zurückbleiben (Huber et al. 2020), 34 % machen sich Sorgen darüber, ob ihr Kind auch genug lernt (Müller 2020), und über die Hälfte (56 %) der von Thies und Klein (2020) befragten Eltern befürchtet, dass ihre Kinder den Anschluss an den Schulstoff verlieren. Zudem meinen in der ifo-Elternbefragung (Wößmann et al. 2020) 64 %, dass ihre Kinder während der Schulschließung viel weniger gelernt haben.
Auch der Anteil der Lehrkräfte, die negative Auswirkungen auf den Lernerfolg ihrer Schüler*innen befürchten, liegt bei etwas mehr als einem Drittel. In den Befragungen von Steiner et al. (2020), forsa (2020c) und Schwerzmann und Frenzel (2020) gehen zudem zwischen 36 und 38 % der Lehrkräfte davon aus, dass ihre Schüler*innen den Jahresstoff nicht schaffen werden, Lernrückstände erleiden oder sich ihre Leistungen/Kompetenzen während der Schulschließung verschlechtern. Dies dürfte insbesondere damit zusammenhängen, dass die Lernstoffvermittlung während der Schulschließungen weniger effektiv ist als im regulären Unterricht, wie 77 % der von Eickelmann und Drossel (2020) befragten Lehrkräfte angeben. Etwas aus der Reihe fallen die hohen und widersprüchlichen Werte der beiden folgenden Lehrerbefragungen: Im Kanton Nidwalden berichten 87 % der Lehrpersonen, dass ihre Lernenden gute Lernfortschritte während des Fernunterrichts gemacht haben (Bildungsdirektion Nidwalden 2020). Demgegenüber stehen 79 % der von Lorenz et al. (2020b) befragten Lehrkräfte, die berichten, dass ihre Schüler*innen während der Schulschließung weniger als normalerweise gelernt haben.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Sowohl Schülerbefragungen (Anger et al. 2020; Baier und Kamenowski 2020; Vuorikari et al. 2020) als auch Eltern- (Thies und Klein 2020; Wößmann et al. 2020) und Lehrerbefragungen (Steiner et al. 2020) berichten für Schüler*innen aus sozial- und bildungsbenachteiligten Familien stärkere Nachteile des Fernunterrichts bzgl. des Lernerfolgs der Schüler*innen als für andere Schüler*innen.
Unterschiede nach dem Schultyp
Sowohl Schülerbefragungen (Schwerzmann und Frenzel 2020; Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020) als auch Eltern- (Müller 2020; Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020) und Lehrerbefragungen (Bildungsdirektion Nidwalden 2020; forsa 2020c; Eickelmann und Drossel 2020; Steiner et al. 2020) berichten bzgl. der Nachteile des Fernunterrichts hinsichtlich des Lernerfolgs der Schüler*innen keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Schultypen.
Aufgewandte Lernzeit
Laut der JIM plus-Befragung (Rathgeb 2020) geben 25 % der Schüler*innen an, täglich zu lernen. Weitere Befragungen – siehe Abb. 4 –, berichten ebenfalls über ein relativ niedriges tägliches Lernengagement der Schüler*innen an typischen Schultagen.Footnote 10 Allerdings zeigt Abb. 4 auch, dass die Befunde zur Frage, wie viele Stunden Schüler*innen während der Schulschließungen täglich für die Schule aufwenden, keineswegs einheitlich sind, sondern stark zwischen den Befragungen variieren. Mögliche Gründe dafür können in der je nach Befragung unterschiedlichen Stichprobenzusammensetzung, Operationalisierung des Lernaufwands sowie des unterschiedlichen Befragungszeitpunktes liegen. Hier deutet sich weiterer Forschungsbedarf an.
In den Schülerbefragungen von Huber et al. (2020), Anger et al. (2020), Cecchini und Dutrévis (2020) und Wacker et al. (2020) geben 24 %, 35 %, 45 % und 45 % der befragten Schüler*innen an, dass sie maximal 2 h pro Tag für Schulaktivitäten aufwenden.Footnote 11 In vier Befragungen wird der durchschnittliche Lernaufwand pro Tag berichtet. Auch hier variieren die Durchschnittswerte deutlich: So werden bei Schober et al. (2020a) 5 h pro Tag berichtet, während es bei Huber et al. (2020; vgl. Huber und Helm 2020b) nur 2,7 h pro Tag sind. Dazwischen liegen die Befragung von Letzel et al. (2020) und jene von Holtgrewe et al. (2020a), die von knapp 4Footnote 12 bzw. 3,5 h durchschnittlichem Lernaufwand pro Tag berichten. Verglichen mit der nominellen Lernzeit vor der Schulschließung mag dies wenig erscheinen. So berichten Refle et al. (2020; siehe auch Grätz und Lipps 2021) für Schweizer Lernende im Alter von 14–26 Jahren eine durchschnittliche Lernzeit von 36 h pro Woche vor den Schulschließungen. Während des Fernunterrichts sank diese Zahl um 12 h auf 23 hFootnote 13. Im Vergleich dazu gibt die Mehrheit der Mitarbeitenden der Schule und Schulleitungen in der Befragung von Huber et al. (2020) an, dass Schüler*innen elf bis 13 h Bearbeitungszeit pro Woche für Lernaufgaben aufwenden müssen. Schließlich finden sich Befragungen, die nach globalen Schülereinschätzungen zum Lernaufwand während des Fernunterrichts fragen. In der internationalen Schülerbefragung der Europäischen Kommission (Vuorikari et al. 2020) geben 33 %, 29 % und 43 % an, dass ihr Workload während des Fernunterrichts geringer als vor dem Lockdown war. In der deutschen „JIMplus Corona“-Studie (Rathgeb 2020) sind dies 45 % der befragten Jugendlichen.
In den Elternbefragungen von Tengler et al. (2020), Wößmann et al. (2020), Grote (2020) und Porsch und Porsch (2020) geben 29 %, 38 %, 40 % und 57 % der Eltern an, dass die für schulische Aktivitäten aufgewendete Zeit täglich 2 h und weniger beträgt. Demgegenüber geben in der Elternbefragung von Langmeyer et al. (2020) rund 10 % der Eltern an, dass sich die Häufigkeit der Freizeitaktivität „zuhause etwas für die Schule tun“ im Vergleich zu vor dem Fernunterricht reduziert hat.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Eine Schülerbefragung (Anger et al. 2020) und eine Elternbefragung (Wößmann et al. 2020) berichten keine Unterschiede für die investierte Lernzeit von Schüler*innen aus sozial- und bildungsbenachteiligten Familien. Einzig bei Grätz und Lipps (2021) wird widererwarten ein stärkerer Rückgang der Lernzeit für Schüler*innen aus sozioökonomisch besser gestellten Familien beobachtet.
Unterschiede nach dem Schultyp
Hier ist die Befundlage nicht eindeutig. Sowohl aus Schülerbefragungen als auch aus Elternbefragungen liegen Befunde vor, die keine systematischen und keine wesentlichen Unterschiede in der investierten Lernzeit von Schüler*innen unterschiedlicher Schultypen berichten (Grätz und Lipps 2021; Heller und Zügel 2020; Langmeyer et al. 2020; Refle et al. 2020; Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020). Demgegenüber stehen Schüler- und Elternbefragungen, die zeigen, dass die investierte Lernzeit mit der Schulstufe und dem höheren Schultyp ansteigt (Bildungsdirektion Nidwalden 2020; Holtgrewe et al. 2020a; Thies und Klein 2020; Wößmann et al. 2020). Interessant ist darüber hinaus auch, dass mehrere Befragungen (Holtgrewe et al. 2020a; Müller 2020; Refle et al. 2020) zeigen, dass die Reduktion der Lernzeit aufgrund des Fernunterrichts für jüngere Schüler*innen höher ausfällt als für ältere Schüler*innen.
Lernmotivation
Aus Schülersicht geben je nach Befragung 37–70 % der Schüler*innen an, (eher) gerne oder sehr gerne im Fernunterricht zu lernen (37 % bei Huber et al. 2020; 46 % bei Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020; 55 % bei Holtgrewe et al. 2020a; 55 % bei Baier und Kamenowski 2020; 48–70 % bei Schwerzmann und Frenzel 2020).
In der Elternbefragung von Wildemann und Hosenfeld (2020) ist der Anteil der Eltern, die ihr Kind als motiviert einschätzen (49 %) annährend gleich groß wie jener, die ihre Kinder als nicht motiviert einschätzen (51 %). In den großangelegten Befragungen der Elternverbände in Sachsen und Hamburg führen 41 % und 38 % der Eltern an, dass die fehlende Motivation ihrer Kinder eine echte Herausforderung darstellt (Landeselternrat Sachsen 2020) bzw. es ihren Kindern schwer fällt sich zu motivieren (Müller 2020). Einen ähnlichen Wert berichten Tengler et al. (2020): 41 % der Eltern führen die fehlende Lernmotivation als Hindernis für den Fernunterricht an. Demgegenüber steht der Befund von Huber et al. (2020): Nur 27 % der Eltern sind der Meinung, dass sich ihre Kinder (eher) nicht auf andere Lernmethoden wie z. B. E‑Learning freuen. Befunde von Heller und Zügel (2020) bestätigen dies. Sie zeigen, dass Eltern das Arbeitsverhalten – darunter auch die Motivation – ihre Kinder tendenziell als gut bewerten.
Im Vergleich zu den Eltern- und Schülereinschätzungen der Schülermotivation ist jene der Lehrkräfte deutlich pessimistischer. Bei Klapproth et al. (2020), Seda und Ottacher (2020) sowie Steiner et al. (2020) bezeichnen über 60–70 % der Lehrkräfte die fehlende Lernmotivation der Schüler*innen als Herausforderung für den Fernunterricht. Bei Tengler et al. (2020) und Schrammel et al. (2020) sind es mit 40 % der Lehrkräfte dagegen deutlich weniger. Auch andere Indikatoren der Schülermotivation aus Lehrersicht stimmen etwas optimistischer: Dreer et al. (2020) berichten, dass „nur“ 40 % der Lehrkräfte denken, dass ihre Schüler*innen den Fernunterricht nicht gut finden. 26 % der von Huber et al. (2020) befragten Mitarbeitenden der Schule denken, dass die Kinder sich nicht auf andere Lernmethoden freuen.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Zwei Schülerbefragungen (Baier und Kamenowski 2020; Heller und Zügel 2020) verweisen darauf, dass Schüler*innen aus sozioökonomisch schlechter gestellten Familien den Fernunterricht weniger positiv erleben.
Unterschiede nach dem Schultyp
Während die Schülerbefragung von Schwerzmann und Frenzel (2020) zeigt, dass mit Anstieg des Schultyps auch die Schülermotivation im Fernunterricht ansteigt, können in der Schülerbefragung von Heller und Zügel (2020) diesbezüglich keine systematischen Unterschiede beobachtet werden. In mehreren Befragungen (Baier und Kamenowski 2020; Müller 2020; Schwerzmann und Frenzel 2020) zeigt sich zudem, dass die Lernmotivation im Fernunterricht bei Gymnasialschüler*innen im Vergleich zu Schüler*innen anderer Schultypen niedriger ausgeprägt ist.
Schülermerkmale
Selbstständigkeit aus Schülersicht
Während der Schulschließung waren viele Schüler*innen auf sich gestellt. Sowohl das Lernen als auch die gesamte Tagesstruktur lag je nach familiärer Unterstützung mehr oder weniger stark in der Verantwortung der Schüler*innen.
Bezüglich der Organisation des Tagesablaufs gaben in der Befragung von Huber et al. (2020) (nur) 19 % der befragten Schüler*innen an, dass die eigenständige Tagesplanung eine Herausforderung darstellt. Zudem gaben 37 % der Schüler*innen an, dass es ihnen nicht leichtfällt, früh aufzustehen und einem geregelten Tagesablauf nachzugehen. Bei Schreiner et al. (2020) gaben 16 % der Schüler*innen an, dass es ihnen oft schwer fiel den Tag zu strukturieren. Die Rolle der Routine des Unterrichts für die Schüler*innen wurde in der Befragung von Refle et al. (2020) erhoben: 50 % vermissen die Routine, die der Unterricht bietet; weitere 22 % vermissen sie teilweise.
Bezüglich des selbstgesteuerten Lernens bestätigt bspw. die Befragung von Schwerzmann und Frenzel (2020) die höhere Eigenverantwortung: Je nach Schultyp geben 42 % (Sonderschule) bis 75 % (Gymnasium) der Schüler*innen an, im Fernunterricht selbstständiger als im Präsenzunterricht zu arbeiten. Dies ist allerdings für nicht wenige Schüler*innen mit Schwierigkeiten verbunden. In der Befragung von Letzel et al. (2020) geben 35 % der Schüler*innen an, dass sie mit dem Fernunterricht nicht gut zurechtkommen. 11 % sind es bei Schreiner et al. (2020), die berichten, dass für sie das Lernen zuhause schwierig ist. Bei Schwerzmann und Frenzel (2020) berichten 36 % der Schüler*innen von Konzentrationsproblemen im Fernunterricht. In der Wiener Befragung von Holtgrewe et al. (2020a) geben 35 % an, dass sie sich verunsichert und überfordert fühlen. Auch geben 22 % an, dass sie inhaltliche Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgaben haben. Ein ähnlich hoher Prozentsatz ist es in der Berliner Befragung der Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS und LIFE 2020): 26 % der befragten Schüler*innen berichten Probleme damit gehabt zu haben, die Aufgaben im Fernunterricht eigenständig zu bearbeiten. Interessante Hinweise zum Einsatz von Lernstrategien der Schüler*innen im Fernunterricht finden sich bei Schober et al. (2020a) und Holtgrewe et al. (2020a). Erstere Befragung berichtet, dass die Mehrheit der Schüler*innen (70 %) sich beim Lernen einen Plan für die zu erledigenden Aufgaben macht. Jedoch halten nur 38 % der befragten Schüler*innen täglich fixe Lernzeiten ein. In der zweiten Befragungswelle am Ende der Schulschließungen geben immerhin 30 % der befragten Schüler*innen an, dass ihnen die Organisation des Lernens im Vergleich zu Beginn des Fernunterrichts deutlich besser gelingt; 36 % berichten, dass die Aufgabenbearbeitung im Vergleich zum Beginn des Fernunterrichts nun (eher) besser gelingen würde. In der zweiten Befragung (Holtgrewe et al. 2020a) finden sich Hinweise, dass Schüler*innen mit einfacher qualifizierten Eltern häufiger (84 %) versuchen, mit Lernschwierigkeiten selbstständig zurechtzukommen als Schüler*innen mit hochqualifizierten Eltern (46 %). Auch suchen sie häufiger Hilfe bei Lehrer*innen oder Mitschüler*innen, während Schüler*innen von hochqualifizierten Eltern häufiger Eltern und Geschwister zurate ziehen.
Neben Fähigkeiten des selbstgesteuerten Lernens verlangt der Fernunterricht den Schüler*innen auch Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien ab. Vor diesem Hintergrund haben Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen (2020) in ihrer österreichischen Schülerbefragung Skalen zur Erfassung der selbsteingeschätzten Digital Skills der Lernenden eingesetzt. Zentrale digitale Skills wie die Fähigkeit, den Wahrheitsgehalt von Onlineinformationen zu prüfen oder Informationen über das Internet zu teilen, werden laut Selbstauskünften von 42–66 % der Schüler*innen beherrscht.Footnote 14 Auch schätzen 46–65 % der Schüler*innen ihre Selbstwirksamkeit in Bezug auf verschiedene Online-Lernaktivitäten als gut ein. Auch Holtgrewe et al. (2020a) haben österreichische Schüler*innen (ab 11 Jahren) zu ihren Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien befragt. 87 %, 80 % und 63 % der Schüler*innen berichten keine Schwierigkeiten mit dem Computer, Online-Meeting-Tools und Lernplattformen zu haben. In der Tiroler Schülerbefragung von Schreiner et al. (2020) berichten 56 %, dass sie selten oder nie Mühe im Umgang mit digitalen Medien hatten. Für alle drei DACH-Länder zeigen Vuorikari et al. (2020), dass „nur“ 15 % (Deutschland), 12 % (Österreich) und 13 % (Schweiz) der Schüler*innen angeben, dass sie nicht schnell lernen, wie man an Online-Lernaktivitäten teilnimmt. Aus Lehrersicht berichten Eickelmann und Drossel (2020) über alle Schultypen hinweg, dass das fehlende Know-how der Schüler*innen für 53 % der Lehrpersonen eine Herausforderung für den Fernunterricht darstellt.
Selbstständigkeit aus Elternsicht
Aus Sicht der Eltern scheinen die selbstregulativen Fähigkeiten ihrer Kinder für das selbstgesteuerte Lernen und für die eigenständige Organisation des Tagesablaufes gut ausgeprägt zu sein. So berichten Huber et al. (2020), dass „nur“ 30 % der Eltern denken, dass es ihren Kindern (eher) nicht leichtfällt, früh aufzustehen und einem geregelten Tagesablauf nachzugehen. Bzgl. des selbstständigen Lernens geben 80 % der von der Bildungsdirektion Nidwalden (2020) befragten Eltern an, dass ihre Kinder im Fernunterricht Aufgaben selbstständig bearbeiten konnten. Auch schätzen bei Heller und Zügel (2020) rund die Hälfte der Eltern (46–55 %) das Arbeitsverhalten ihrer Kinder (Selbstständigkeit, Konzentration, Durchhaltevermögen) hoch bis sehr hoch ein. Bei Porsch und Porsch (2020) und Müller (2020) geben zudem 45–60 % an, dass ihre Kinder die Aufgaben selbstständig und konsequent bearbeiten. „Nur“ 26 % der von Müller (2020) befragten Eltern geben an, dass sich ihr Kind überfordert fühlt. Auch bei Tengler et al. (2020) sind es „nur“ 22 % und 27 % der Eltern, die die Überforderung und das mangelnde Zeitmanagement ihrer Kinder als Herausforderung für erfolgreichen Fernunterricht sehen. Demgegenüber steht die Studie von ADAS und LIFE (2020), in der von 61 % der Eltern berichtet wird, die angeben, dass ihre Kinder die Aufgaben nur schlecht oder sehr schlecht eigenständig bearbeiten können. Schließlich geben auch bei Conus und Durler (2020) nur 4 % der Eltern an, dass ihre Kinder bei den schulischen Aufgaben nie Hilfe brauchten.
Vuorikari et al. (2020) befragten die Eltern zu einer Reihe von Online und Distance Learning Skills ihrer Kinder (z. B. Mein Kind ist besser im Organisieren von Lernaufgaben geworden). Konkret wurde erfragt, ob sich diese Skills während des Lockdowns verbessert haben. Je nach Skill meinen 35–51 % der Eltern aus Österreich, 45–58 % der Eltern aus Deutschland und 37–52 % der Eltern aus der Schweiz, dass sich die entsprechenden Skills ihrer Kinder während des Lockdowns verbessert haben. Die niedrigste Zustimmung erlangte in jedem Land das Item „Mein Kind beschäftigte sich stärker mit schulischen Aktivitäten“; die höchste Zustimmung erhielt jeweils das Item „Mein Kind hat mehr Autonomie gewonnen, z. B. durch den Einsatz digitaler Technologien“.
Selbstständigkeit aus Lehrersicht
Die Befunde aus den Lehrerbefragungen lassen sich in die drei Bereiche „selbstständiges Arbeiten“, „Schülerfähigkeiten als Herausforderungen für den Fernunterricht“ und „Medienkompetenzen“ clustern.
Selbstständiges Arbeiten
97 % der im Kanton Nidwalden befragten Lehrkräfte (Bildungsdirektion Nidwalden 2020) geben an, dass ihre Schüler*innen zuverlässig an ihren Aufgaben arbeiten. Im Kanton Waadt sind es je nach Schultyp zwischen 63 % (Zyklus 1) und 71 % (Zyklus 2) der Lehrkräfte, die ihre Schüler*innen als selbstständig bezeichnen (LEARN EPFL 2020). Auch Schwerzmann und Frenzel (2020) berichten Schultypenunterschiede: Zwischen 25 % (Sonderschule) und 64 % (Gymnasium) der Lehrpersonen stimmen der Aussage zu, dass ihre Schüler*innen im Fernunterricht selbstständiger arbeiten als im Präsenzunterricht. Auch bei Schwab et al. (2020) meinen 80 % der befragten Lehrpersonen, dass es ihren Schüler*innen gut gelungen ist, sich auf neue Lernmethoden einzulassen.
Herausforderungen für erfolgreichen Fernunterricht
Als Herausforderungen im Bereich der Schülerfähigkeiten zum selbstständigen Lernen nennen die Lehrkräfte die Tagesstruktur und Selbstorganisation (90 %, Steiner et al. 2020; 50 % Seda und Ottacher 2020), die Ablenkung beim Lernen zuhause (71 %, Steiner et al. 2020), das Zeitmanagement (55 %, Schrammel et al. 2020; Tengler et al. 2020), die Überforderung allgemein (33 %, Steiner et al. 2020) und mit dem E‑Learning (55 %, Seda und Ottacher 2020), das fehlende Know-how im Umgang mit den Lernangeboten (53 %, Eickelmann und Drossel 2020), die Selbstständigkeit (42 %, Schrammel et al. 2020; Tengler et al. 2020) und Konzentrationsprobleme (8 %, Schwerzmann und Frenzel 2020).
Medienkompetenz
In Bezug auf eine ausreichende Medienkompetenz der Schüler*innen zeichnen die von Lorenz et al. (2020b) befragten Lehrkräfte ein eher kritisches Bild, wobei in Grundschulen die Medienkompetenz der Schüler*innen wie erwartet geringer eingeschätzt wird als an Gymnasien.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Sowohl Schülerbefragungen (Holtgrewe et al. 2020a; Vuorikari et al. 2020)Footnote 15 als auch Eltern- (Conus und Durler 2020) und Lehrerbefragungen (Steiner et al. 2020) berichten von einem positiven Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund der Schüler*innen und den Fähigkeiten für das selbstgesteuerte Lernen im Fernunterricht.
Unterschiede nach dem Schultyp
Sowohl Schülerbefragungen (Schwerzmann und Frenzel 2020; Bildungsdirektion Nidwalden 2020; ADAS und LIFE 2020; Heller und Zügel 2020) als auch Eltern- (Müller 2020) und Lehrerbefragungen (Schwerzmann und Frenzel 2020) berichten erwartungsgemäß von einem deutlichen Anstieg der Schülerfähigkeiten zum selbstgesteuerten Lernen mit der Schulstufe bzw. mit dem höheren Schultyp. Dreer et al. (2020) zeigen allerdings, dass die Lehrereinschätzung der Eigenständigkeit des Lernens der Schüler*innen an der eigenen Schule nicht dieser Systematik folgt.
Merkmale der häuslichen Ressourcen für das Lernen zuhause
Technische Ausstattung
Abb. 5 zeigt, dass aus Sicht der Schüler*innen und Eltern zwischen 3 und 21 % bzw. 25 % der Befragten angeben, dass die für den Fernunterricht nötige und zuhause verfügbare technische Ausstattung „mangelhaft“ ist. So steht bspw. kein eigener Computer, Laptop, oder kein eigenes Tablet zur Verfügung, sodass diese Geräte von Eltern oder Geschwistern geliehen werden müssen. Besonders kritisch erwiesen sich in der Zeit der Schulschließungen der fehlende Zugang zu einem Drucker und eine mangelhafte Internetverbindung. Aus Sicht der Lehrkräfte stellt sich die Situation deutlich prekärer dar. Je nach Befragung sehen 28–70 % der Lehrkräfte in der technischen Ausstattung der Schüler*innen eine Herausforderung für den Fernunterricht.
Ähnlich wie bei der technischen Ausstattung scheinen die häuslichen Arbeitsplatzbedingungen der Schüler*innen nur für einen kleineren Teil eine Herausforderung darzustellen. Je nach Schultyp berichten bei Schwerzmann und Frenzel (2020) 88–96 % der Schüler*innen über einen ausreichend großen Arbeitsplatz zu verfügen. Über einen ruhigen Arbeitsplatz zuhause berichten ebenfalls 85–90 %. Nur 6 % der Schüler*innen geben an, dass sie aufgrund der Wohnsituation zuhause nicht wirklich lernen können (Baier und Kamenowski 2020). Auch aus Elternsicht berichten nur 4 % der Eltern, dass ein geeigneter Raum fehlt, um ihr Kind bei den Lernaufgaben zu unterstützen (Lochner 2020). In der Elternbefragung von Langmeyer et al. (2020) geben sogar 78 % der Eltern an, für jedes Kind ein eigenes Kinderzimmer zu haben. Aus Sicht der Lehrkräfte wird der fehlende ruhige Arbeitsplatz aber deutlich häufiger (39 %) als Problem für den Fernunterricht angeführt (Steiner et al. 2020). Auch wird die allgemeine Wohnsituation der Schüler*innen von Lehrkräften häufig als Problem für den Fernunterricht angeführt (35 % bei Seda und Ottacher 2020; 50 % bei Klapproth et al. 2020).
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
In den Befragungen ist wiederholt zu beobachten, dass die Einschätzung der Qualität der technischen Ausstattung der Schüler*innen mit dem sozioökonomischen Status der Schüler*innen steigt (ADAS und LIFE 2020; Holtgrewe et al. 2020a; Wößmann et al. 2020).
Unterschiede nach dem Schultyp
Während in der Luzerner Schülerbefragung (Schwerzmann und Frenzel 2020) Schüler*innen des Zyklus 1 deutlich seltener als Schüler*innen höherer Schultypen davon berichten, über verschiedene technische Mittel (insbesondere Drucker, Computer/Laptop, Handy) zu verfügen, können in der Nidwaldener Schülerbefragung (Bildungsdirektion Nidwalden 2020) keine Schultypenunterschiede ausgemacht werden. Auch die Waadter Lehrerbefragung (LEARN EPFL 2020) und die Berliner Elternbefragung (Bezirkselternausschuss Mitte 2020) verweisen nur auf kleine Schultypenunterschiede in der technischen Ausstattung der Schüler*innen für den Fernunterricht.
Familiäre Unterstützung
Rolle der Mütter
Gerade in der Krise zeigt sich, wie sehr traditionelle Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft immer noch verankert sind. Die Mehrfachbelastung durch die Schulschließungen trifft nahezu ausschließlich Mütter. In den Befragungen berichten 81 % der Mütter (Wildemann und Hosenfeld 2020) und 59 % bzw. 84 % der Schüler*innen (Schober et al. 2020a; Heller und Zügel 2020), dass die elterliche Lernunterstützung in erster Linie von Müttern geleistet wird bzw. sich diese dafür hauptverantwortlich sehen (vgl. auch ähnliche Befunde bei ADAS und LIFE 2020 und Langmeyer et al. 2020).
Ausmaß der Lernunterstützung durch die Eltern
Durch die Schulschließung ist eine höhere Unterstützung der Schüler*innen beim Lernen durch die Eltern gefordert. Nicht immer können Eltern dieser Forderung nachkommen. Über alle Schülergruppen hinweg berichten 21 % (Schober et al. 2020a) bzw. 33 % der Schüler*innen (Refle et al. 2020), dass sie zuhause keine oder nicht die notwendige Unterstützung beim Lernen erhalten.Footnote 16 Diese Anteilswerte können jedoch Spitzen verdecken: So geben bei Holtgrewe et al. (2020) 67 % der Mädchen und 50 % der Jungen über 14 Jahre an, dass sich ihre Eltern keine Zeit nehmen (können), um mit ihnen zu lernen. Demgegenüber stehen Befunde, wonach sich nur ein kleinerer Teil der Schüler*innen (10 %) mehr Elternunterstützung wünscht (Letzel et al. 2020). Aus Sicht der Eltern wird die Notwendigkeit der Lernbetreuung bestätigt. 50 % der Eltern in der Hamburger Elternbefragung (Müller 2020) geben an, dass sie ihr Kind mehr als normalerweise unterstützen müssen (vgl. auch Ziegler und Hannemann 2020). Bei Eltern von Schüler*innen in der Grundschule sind dies sogar 62 % (Müller 2020). Allerdings nimmt der Unterstützungsbedarf mit dem Alter der Schüler*innen ab (Holtgrewe et al. 2020a; Müller 2020; Rathgeb 2020). Diesem Unterstützungsbedarf können Eltern auch laut eigenen Angaben nicht immer gerecht werden. Als Grund beklagen sie häufig (je nach Befragung 25–66 %) die fehlende Zeit für die Lernunterstützung (25 % bei Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020; 43 % bei Thies und Klein 2020; 55 % bei Letzel et al. 2020; 59 % bei ADAS und LIFE 2020; rund 60 % bei Landeselternrat Sachsen 2020; 66 % bei Lochner 2020; vgl. auch Ziegler und Hannemann 2020)Footnote 17. Aus Lehrersicht meinen 39 % der von Steiner et al. (2020) befragten Lehrkräfte, dass die fehlende Elternunterstützung ein Problem für den Fernunterricht darstellt (Steiner et al. 2020). In mehreren Befragungen wurden die Eltern direkt nach der aufgewandten Zeit für die Lernunterstützung im Fernunterricht gefragt. Auch hier zeigt sich der von den Eltern monierte Zeitmangel: Je nach Befragung geben 24–63 % der Eltern an, durchschnittlich weniger als 1 h pro Tag für die Lernunterstützung ihrer Kinder Zeit zu haben (24 %Footnote 18 bei Wildemann und Hosenfeld 2020; 35 % bei Grote 2020; 53 % bei Cordes 2020; 63 %Footnote 19 bei Heller und Zügel 2020). Zudem berichten Thies und Klein (2020), Berghammer (2020) und Wößmann et al. (2020) von durchschnittlich rund 3 h, 2 h und 1 h pro Tag, die Eltern für die Lernbetreuung ihrer Kinder aufwenden. Als zentrale Gründe für die mangelnde Elternunterstützung werden in der sächsischen Elternbefragung (Landeselternrat Sachsen 2020; vgl. auch Tengler et al. 2020) die Berufstätigkeit der Eltern, die Anzahl der zuhause zu betreuenden Kinder und das fehlende nötige Fachwissen genannt.
Kompetenzen und Selbstwirksamkeit der Eltern
In der Befragung von Huber et al. (2020) und Holtgrewe et al. (2020a) sehen 14 % bzw. 37 % der Schüler*innen eine Herausforderung der Schulschließung darin, dass ihre Eltern ihnen nicht helfen können. Aus Sicht der Eltern berichten 34 % (Feistritzer et al. 2020), dass es für sie schwierig ist, ihren Kindern bei den Aufgaben zu helfen. Möglich Gründe dafür liegen neben der aufgrund der Mehrfachbelastung der Eltern fehlenden Zeit im fehlenden Fachwissen der Eltern. In mehreren Elternbefragungen geben 15–35 % der befragten Eltern an (15 % bei Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020; 16 % bei Wildemann und Hosenfeld 2020; 19 % bei Lochner 2020; 25 % bei Grote 2020; 27 % bei Landeselternrat Sachsen 2020; 27 % bei Letzel et al. 2020; 34 % bei Feistritzer et al. 2020; 35 % bei Thies und Klein 2020), dass ihnen das nötige Fachwissen für die Lernunterstützung ihrer Kinder fehle bzw. sie die inhaltliche Betreuung (z. B. Überprüfung des Wissens der Lernenden vor Tests) nicht gewährleisten könnten. Bei Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen (2020) meinen zudem 13 % der in Österreich befragten Eltern, dass ihnen die nötigen digitalen Kompetenzen fehlen. Die Beherrschung konkreter digitaler Skills (z. B. Fähigkeit zur Prüfung des Wahrheitsgehalts von Online-Informationen) verneinen zwischen 4 und 13 % der Eltern. Für alle drei DACH-Länder berichten Vuorikari et al. (2020) von folgenden Anteilswerten für Eltern ohne oder mit geringen digitalen Kompetenzen: 19 % (DE), 24 % (AT) und 17 % (CH).
Drei Befragungen haben nach der Selbstwirksamkeitseinschätzung der Eltern in ihrer Rolle als Lehrperson zuhause gefragt. Die Befunde bei Porsch und Porsch (2020) verweisen auf relativ hohe Werte: Eltern erleben sich in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht als selbstwirksam und enthusiastisch. Dieser Befund deckt sich mit jenem von Wildemann und Hosenfeld (2020): Die deutliche Mehrheit (84 %) der befragten Eltern empfindet die Homeschooling-Aufgaben im Verhältnis zu den Kompetenzen der Eltern als nicht schwer. Auch bei Thies und Klein (2020) und bei Wößmann et al. (2020) gibt ein ähnlich hoher Anteil (71 % bzw. 86 %) der Eltern an, mit der Organisation des Unterrichts zuhause bzw. mit der Situation allgemein gut zurecht zu kommen. Dieser selbstwirksamen Elterngruppe steht eine ebenfalls nicht kleine Gruppe von Eltern gegenüber, die sich mit der Beschulung (29 % bei Müller 2020) bzw. der Betreuung (46 % bei Kugelmeier und Schmolze-Krahn 2020; 13 % bei Zinn und Bayer 2020) zuhause überfordert fühlen, diese als echte Herausforderung empfinden (15 % bei Huber et al. 2020) oder sich nicht gut in der Lage fühlen, ihre Kinder bei der Bearbeitung der Lernaufgaben zu unterstützen (15 % bei Lochner 2020). Auch sagen 14 % der von Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen (2020) befragten Eltern, sie seien nicht fähig, ihre Kinder bei Motivationsproblemen zum Lernen zu bringen und 3 % finden es schwer, bei den Schulaufgaben ihrer Kinder dranzubleiben. Auch die Fremdeinschätzung aus Sicht der Lehrkräfte zeichnet ein eher pessimistisches Bild: Die Lehrerbefragung von Steiner et al. (2020) kommt zu dem Schluss, dass 61 % der Lehrkräfte denken, dass die Eltern mit Homeschooling überfordert sind. Darüber hinaus sehen 37 % der Lehrkräfte in der Befragung von Tengler et al. (2020) die Motivation der Eltern als ein großes Hindernis für erfolgreichen Fernunterricht.
Gestaltung der elterlichen Lernunterstützung
Wie sieht die Lernunterstützung der Eltern konkret aus? Die Befunde von Porsch und Porsch (2020; vgl. Abb. 6a) zeigen, dass die elterliche Lernunterstützung in den häufigsten Fällen (zwischen 68 und 71 %) darin besteht, die Korrektheit und Vollständigkeit der Bearbeitung der Lernaufgaben durch die Schüler*innen zu kontrollieren. Ebenfalls löst die Mehrheit der Eltern Aufgaben mit ihren Kindern gemeinsam. Eher selten (16 % und 28 %) kommt die Nutzung von Videos und des Internets zum Einsatz. In der internationalen Elternbefragung von Vuorikari et al. (2020; vgl. Abb. 6b) zeigt sich, dass über alle drei DACH-Länder hinweg gratis Online-Lernmaterialien und nicht-digitale Medien wie Bücher am häufigsten von Eltern im Rahmen ihrer Lernunterstützung eingesetzt werden. Auch bei Grote (2020) verweisen rund 40 % der befragten Eltern darauf, dass sie zusätzliche Lernmedien nutzen; 30 % bearbeiten mit ihren Kindern zusätzlich eigene Themen. Schließlich berichten Wildemann und Hosenfeld (2020), dass 71 % der Eltern versuchen, ihr Kind im Homeschooling zu motivieren. Am häufigsten (50 % bzw. 46 %) greifen die Eltern dazu auf Appelle an Einsicht und Verständnis bzw. auf die gemeinsame Freizeitgestaltung (z. B. spielen, Filme sehen) zurück. Bei Holtgrewe et al. (2020a) berichten zwei Drittel der Schüler*innen, dass ihre Mütter sie trösten, wenn es schlecht läuft.
Konflikte, Streit und Spannungen im Fernunterricht
Dass die Lernbetreuung der Kinder durch ihre Eltern in vielen Fällen nicht immer reibungslos abläuft, lässt sich aus den in Abb. 7 dargestellten Befragungen belegen: Zwischen 20 und 62 % der Eltern geben an, dass es häufiger zu Streit bzw. Konflikten kommt oder die Beziehung zu ihren Kindern sehr oder ziemlich belastet ist. Auch 21 % der von Refle et al. (2020) befragten Schüler*innen geben an, dass es häufiger zu Spannungen zuhause komme. Jugend- und Familienstudien berichten dagegen von einer hohen Zufriedenheit der Kinder mit der Stimmung zuhause (Andresen et al. 2020) und davon, dass die Jugendlichen nicht häufiger als vor der Schulschließung aggressives verbales Verhalten oder gar Formen der körperlichen Gewalt ihrer Eltern wahrnehmen mussten (Baier und Kamenowski 2020). Mögliche Ursachen für Konflikte im Fernunterricht könnten darin liegen, dass sich Schüler*innen zu sehr kontrolliert fühlen oder zuhause viel für ihre Eltern erledigen müssen, wie 12 % bzw. 21 % der Schüler*innen in der Befragung von Huber et al. (2020) berichten. Auch geben 50 % der von Heller und Zügel (2020) befragten Schüler*innen an, dass die „Schule zu Hause“ ziemlich oder total durchgeplant ist, was zu einer hohen Belastung/Beanspruchung der Schüler*innen beitragen kann.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
In der Elternbefragung von ADAS und LIFE (2020) berichten vor allem alleinerziehende Eltern und Eltern mit Migrationshintergrund häufiger von fehlender Zeit für ihre Kinder (ADAS und LIFE 2020). Allerdings zeigen andere Elternbefragungen, dass der durchschnittlich investierte Zeitaufwand für die Lernbetreuung der Kinder nur geringfügig nach Bildungshintergrund der Eltern variiert (Thies und Klein 2020; Wößmann et al. 2020). Was die fachlichen Kompetenzen der Eltern betrifft, scheinen demografische Merkmale eine etwas wichtigere Rolle zu spielen: In der Schülerbefragung von Holtgrewe et al. (2020a) nimmt gut die Hälfte der Schüler*innen von einfachqualifizierten Eltern die Hilflosigkeit ihrer Eltern wahr; bei hochqualifizierten Eltern ist es nur jedes vierte Kind. In der ADAS und LIFE-Befragung (2020) zeigt sich, dass Alleinerziehende und Eltern mit Migrationshintergrund ihr Wissen, das sie zur Unterstützung ihrer Kinder bei den Aufgaben benötigen, deutlich häufiger (21 % bzw. 25 %) als wenig oder nicht geeignet einschätzen als andere Eltern (etwa 10 %). Auch bei Grote (2020) finden sich Hinweise, dass Eltern mit Migrationshintergrund häufiger Probleme haben, die inhaltliche Betreuung, insbesondere im Deutschunterricht, wahrzunehmen.
Unterschiede nach dem Schultyp
Insbesondere für den Betreuungsbedarf zeigen sich erwartungsgemäß Unterschiede in Anhängigkeit der Schüler*innen. So geben in der JIM plus-Befragung (Rathgeb 2020) 90 % der 12- bis 13-jährigen und nur 20 % der 16- bis 18-jährigen Schüler*innen an, dass sie Hilfe von ihren Eltern beim Lernen bekommen. Bei Holtgrewe et al. (2020a) reduziert sich dieser Anteil von 69 % (Volksschüler*innen) auf 16 % (Sek II-Schüler*innen).
Merkmale der Qualität des Fernunterrichts
Die Befunde zu Aspekten, die als Qualitätsmerkmale von Fernunterricht vermutet werden, werden im Folgenden nach dem Modell der Basisdimensionen der Unterrichtsqualität (Klieme et al. 2009) gegliedert – auch wenn die Abgrenzung der Dimensionen nicht immer eindeutig ist. Die Basisdimensionen „hoher Anteil echter Lernzeit sowie Klarheit und Struktur“, „kognitive Aktivierung“ und „individuelle Lernunterstützung bzw. soziales Lernklima“ werden von Klieme (2020), Meyer (2020) und Voss und Wittwer (2020) als zentrale Kriterien zur Beurteilung der Qualität des Fernunterrichts verwendet.
Maßnahmen zur Sicherung echter Lernzeit sowie der Struktur und Klarheit
In den uns vorliegenden Befragungen wurden verschiedene Aspekte des Lehr-Lern-Prozesses im Fernunterricht abgefragt, von denen wir annehmen, dass sie dazu beitragen, die Lernzeit der Schüler*innen hoch zu halten.
Als Voraussetzung für einen hohen Anteil echter Lernzeit sehen wir einen hohen Anteil an erreichten Schüler*innen im Fernunterricht. Knapp 60 % der Lehrkräfte geben bei brlv (2020; Neumeier 2020) sowie Huber et al. (2020) an, 90–100 % der Schüler*innen zu erreichen. Bei Eickelmann und Drossel (2020) geben 35 % der Lehrkräfte an, alle Schüler*innen erreicht zu haben. Schließlich schätzen bei Seda und Ottacher (2020) sowie Schütz und Bestgen (2020) die Lehrkräfte ein, dass sie 80 % bzw. 87 % ihrer Schüler*innen erreichen. Dennoch sehen in der Lehrerbefragung von Steiner et al. (2020) je nach Schultyp 55 % bzw. 59 % der Lehrkräfte die Erreichbarkeit der Schüler*innen als Problemlage im Fernunterricht. Bei forsa (2020c) sehen 14 % die Erreichbarkeit der Schüler*innen als größte Herausforderung im Fernunterricht.
Besonders wichtig für die Lernzeit erscheint uns auch der regelmäßige Kontakt und Austausch der Lehrperson mit den Schüler*innen. Die internationale Schülerbefragung von Vuorikari et al. (2020) berichtet für Deutschland, Österreich und die Schweiz, dass 34 %, 41 % und 57 % der Schüler*innen täglich Kontakt mit ihren Lehrer*innen haben. 55 %, 53 % und 41 % haben nur wöchentlich Kontakt zu ihren Lehrer*innen. Allerdings dürften diese Befunde zwischen den Schulfächern erheblich variieren. So zeigen Heller und Zügel (2020), dass je nach Schulfach nur 21 % (Kunst/Musik) bis 55 % (Informatik) der Schüler*innen regelmäßigen Austausch mit der Lehrperson haben. Schließlich wird bei Huber et al. (2020) berichtet, dass für 12 % der Schüler*innen die Absprachen mit den Lehrkräften nicht funktionieren. Unter den Eltern meinen sogar 41 %, dass die Absprachen ein großes Problem auf Seiten der Schule darstellen (Petersen und Heimbach 2020). In den Elternbefragungen von Wößmann et al. (2020) und Steinmayr und Christiansen (2020) geben 45 % bzw. rund 50 % der Eltern an, dass ihr Kind während des Fernunterrichts nie persönlichen Kontakt (z. B. per Telefon) mit einer Lehrkraft hatte. Täglichen Kontakt mit der Lehrperson haben laut der Elternbefragung von Thies und Klein (2020) nur ein Fünftel der Schüler*innen. Ähnlich wie bei den Schüler*innen, haben die Lehrpersonen offenbar auch nur mit etwa der Hälfte der Eltern direkten Kontakt. So berichten Porsch und Porsch (2020), Steinmayr und Christiansen (2020) und Wildemann und Hosenfeld (2020), dass 48 %, mindestens die Hälfte und 63 % der Eltern keinen persönlichen Kontakt zu oder Austausch mit den Lehrkräften hatten. 63 % der Eltern haben allerdings die Kontaktdaten der Lehrkräfte erhalten, um sich im Bedarfsfall melden zu können (Porsch und Porsch 2020). Jene Eltern, die im Kontakt mit den Lehrkräften stehen, zeigen sich in der Mehrheit mit der Kommunikation zufrieden (62 % bei Thies und Klein 2020; etwa 50 % bei Grote 2020; knapp 50 % bei Landeselternrat Sachsen 2020). Aus Sicht der Lehrkräfte liegen ebenfalls Informationen zum Ausmaß des Schülerkontaktes vor. Bei forsa (2020c) verweisen 79 % der Lehrkräfte darauf, dass ihre Schüler*innen grundsätzlich jederzeit mit ihnen Kontakt aufnehmen können (bzgl. der Eltern sind es 86 %). Bei Dreer et al. (2020) standen mehr als die Hälfte (60 %) der Lehrkräfte drei bis fünf Mal in einer Woche in Kontakt mit ihren Schüler*innen. Bei Fobizz (2020) unterrichten knapp 30 % der Lehrer*innen ihre Schüler*innen im Fernunterricht täglich. In der Befragung von Eickelmann und Drossel (2020) geben nur 9 % der Lehrkräfte an, nur zu wenigen Schüler*innen in Verbindung zu stehen. Rund doppelt so hoch (20 %) ist der Anteil in der Lehrerbefragung von forsa (2020c). Über diese Befunde hinaus berichten Lorenz et al. (2020b), von einem sehr hohen Anteil (85 %) an Lehrpersonen, die sich regelmäßig einen Überblick über die Aktivitäten der Lernenden verschaffen. Neben der Quantität gibt es auch Hinweise zur Qualität der Lehrer-Schüler-Kommunikation: Ein hoher Lehreranteil zeigt sich (88 % bei Bildungsdirektion Nidwalden 2020; 77 % bei brlv 2020; Neumeier 2020) zufrieden mit der Kommunikation mit den Schüler*innen während des Fernunterrichts sowie mit der Kommunikation mit den Eltern (99 % bei Bildungsdirektion Nidwalden 2020; 63 % der Schulleiter*innen bei Jesacher-Rößler und Klein 2020; vgl. auch die im Durchschnitt als positiv eingeschätzte Lehrer-Eltern-Kommunikation bei Lorenz et al. 2020b).
Neben dem persönlichen Kontakt kommt auch der Übermittlung von Lernmaterialen hohe Bedeutung für den Anteil echter Lernzeit zu. In der ifo-Befragung (Wößmann et al. 2020) berichten 96 % der Eltern, dass ihre Kinder wöchentlich Aufgabenblätter erhalten. Dies deckt sich mit den 94 % der Eltern, die von Anger et al. (2020) dazu befragt wurden. Conus und Durler (2020) berichten dagegen von 20 % der Eltern, die Probleme haben, die Lernmaterialen zu erhalten. Der Anteil variiert je nach Schulfach stark: Wildemann und Hosenfeld (2020) berichten, dass 99 % der Eltern angeben für Mathematik Lernaufgaben von den Lehrkräften erhalten zu haben, während dies nur 10 % für das Fach Musik berichten.
Neben dem regelmäßigen Lehrer-Schüler/Eltern-Kontakt gehen wir davon aus, dass durch die Organisation und Durchführung digital unterstützten Unterrichts die Lernzeit der Schüler*innen gesteigert werden kann. Die Befunde zum Ausmaß des tatsächlich durchgeführten digitalen Unterrichts sind allerdings ernüchternd.
In der Schülerbefragung von Huber et al. (2020) berichten 31 % der Schüler*innen, dass ihre Lehrkräfte keinen digitalen Unterricht organisieren und 68 % bzw. 70 % keine digital unterstützte Live-Kommunikation nutzen bzw. keine Erklärvideos zur Verfügung stellen. Auch in der Schülerbefragung der Bildungsdirektion des Schweizer Kantons Nidwalden (2020) geben 38 % der Lernenden an, dass sie keinen gemeinsamen digitalen Unterricht hatten. Bei Wacker et al. (2020) fordern 63 % der befragten Schüler*innen mehr Videokonferenzen. Auch bei Holtgrewe et al. (2020a) fordern 30 % der Schüler*innen mehr Erklärungen der Lehrperson, um mit den Aufgaben besser zurecht zu kommen. Über alle drei Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz hinweg berichten Vuorikari et al. (2020), dass nur 32 %, 36 % und 24 % der befragten Schüler*innen wöchentlich digitalen Lehrerkontakt und Onlineaktivitäten hatten. Täglichen Onlinekontakt und Onlineaktivitäten hatten gar nur 19 %, 16 % und 28 %.
Auch in Elternbefragungen zeigt sich ein nüchternes Bild zum Ausmaß des digitalen Unterrichts während der Schulschließung im Frühjahr 2020. Mehrere Elternbefragungen berichten von einer größeren Elterngruppe, zwischen 45 und 85 % der befragten Eltern, die angeben, dass kein oder kaum Onlineunterricht stattfindet (45 % bei Wößmann et al. 2020; 67 % bei Thies und Klein 2020; 75 % bei Grote 2020; bis zu 85 % bei Steinmayr und Christiansen 2020). Steinmayr und Christiansen (2020) zeigen, dass dieser Anteil zwischen den Schulfächern leicht variiert: Laut Elternangaben haben 74 % der Mathe-, 77 % der Deutsch-, 78 % der Englisch- und 85 % der Biologie‑/Sachunterrichtlehrkräfte noch keinen Unterricht per Videokonferenz durchgeführt. Etwas aus der Reihe fällt die Berliner Elternbefragung des Bezirkselternausschuss Mitte (2020). Hier berichten nur 30 % der Eltern von Grundschulkindern, dass keine digitalen Unterrichtsformen genutzt werden; in der Gemeinschaftsschule und dem Gymnasium sind es sogar nur rund 10 %. Der Anteil an Schüler*innen, der täglich an digitalem Unterricht teilnimmt, ist laut den Elternbefragungen von Thies und Klein (2020) sowie Wößmann et al. (2020) mit 7 % und 6 % relativ klein. Entsprechend verwundert nicht, dass bei Kugelmeier und Schmolze-Krahn (2020) 40 % der Eltern zusätzliche digitale Unterstützungsangebote wünschen.
Auch aus Sicht der Lehrer*innen ist der Einsatz digitalen Unterrichts wenig verbreitet. So berichten mehrere Befragungen (Bildungsdirektion Nidwalden 2020; Cordes 2020; forsa 2020c; Lorenz et al. 2020b; Schrammel et al. 2020; Steiner et al. 2020) von eher niedrigen Lehreranteilen, die digitalen (Präsenz‑)Unterricht umsetzen. Bspw. verweisen Cordes (2020) und forsa (2020c) darauf, dass etwas mehr als die Hälfte der befragten Lehrpersonen (56 % und 53 %) den Anteil an digitalen Medien im Unterricht/im Kollegium unter 40 %/25 % einschätzen. Bei Lorenz et al. (2020b) geben konkret nur 25 % der befragten Lehrkräfte an, dass sie digitalen Unterricht (z. B. in Form von Videokonferenzen) machen und nur 31 % geben an, dass Apps und digitale Anwendungen genutzt werden, mit denen die Schüler*innen ihren Lernprozess planen, dokumentieren und/oder reflektieren können. Leicht höher liegt der Anteil an Videokonferenzen im Unterricht bei Schrammel et al. (2020): 46 % der befragten Lehrkräfte halten Videokonferenzen via Skype, MS Teams oder Zoom ab. Wie komplex die Frage nach dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht ist, zeigen die heterogenen Befunde von Steiner et al. (2020). Je nach Zweck des digitalen Unterrichts vereinbaren Lehrkräfte digitalen Präsenzunterricht in unterschiedlich starkem Ausmaß: Steiner et al. (2020) berichten von 20 % der Lehrkräfte, die Präsenzzeiten für Chats vereinbaren, bis rund 40 % der Lehrkräfte, die Präsenzzeiten für Individualfragen oder für Videokonferenzen vereinbaren. Ähnlich zeigt die Lehrerbefragung der Bildungsdirektion Nidwalden (2020), dass bspw. nur 15 % der Lehrkräfte Sprachnachrichten einsetzen und nur 30 % Videokonferenzen durchführen, während immerhin 52 % der Lehrkräfte Erklärvideos einsetzen.
Die regelmäßige Überprüfung der von den Schüler*innen zu bearbeitenden Lernaufgaben durch die Lehrperson vermuten wir als weitere Maßnahme, die die Schüler*innen beim Lernen hält. Je nach Schülerbefragung geben 61 % (Huber et al. 2020), 52 % (Letzel et al. 2020) bzw. je nach Schulfach 53–71 % (Heller und Zügel 2020) der Schüler*innen an, dass die Lernaufgaben durch die Lehrkräfte kontrolliert bzw. geprüft werden. Nur bei 13 % der Schüler*innen erfolgt keine Kontrolle durch die Lehrperson (Huber et al. 2020). Anders ist dies aus Elternsicht: Grote (2020) berichtet von rund 75 % der Eltern, die angeben, dass bisher nie Aufgaben ihrer Kinder kontrolliert wurden oder Feedback gegeben wurde. Aus Lehrersicht kontrollieren aber 96 % der Lehrkräfte die Bearbeitung der Lern- und Unterrichtsaufgaben durch die Schüler*innen sehr wohl (Schwab et al. 2020). Im Vergleich zu vor der Schulschließung tun dies laut der Luzerner Gymnasiallehrerbefragung (Schwerzmann und Frenzel 2020) nun 33 % der Lehrkräfte häufiger und 38 % seltener. Da die Trennung zwischen Kontrolle von Schülerarbeiten und dem Feedback zu Schülerarbeiten oft schwer ist, verweisen wir hier auf die Befunde zum Feedback in Abschn. 5.4.3.
Weiter sind Struktur und Klarheit Voraussetzungen dafür, dass Schüler*innen sinnvoll lernen können. Die Wahrung von Struktur und Klarheit scheint den Lehrpersonen zu gelingen, da aus Schülersicht je nach Unterrichtsfach nur 5 % (Biologie) bis 16 % (Physik) der von Heller und Zügel (2020) befragten Schüler*innen berichten, dass ihnen nicht klar ist, was sie im Fach machen sollen. Mit Blick auf die Klarheit der Arbeitsaufträge und Lernaufgaben geben sogar 92 % der Schüler*innen (Bildungsdirektion Nidwalden 2020) und je nach Elternbefragung immerhin 56–80 % der Eltern (etwa 80 % bei Grote 2020; 79 % bei Wildemann und Hosenfeld 2020; 73 % bei Letzel et al. 2020; 56 % bei Müller 2020) an, dass die Arbeitsaufträge klar, übersichtlich und verständlich gestaltet sind. Laut der Luzerner Gymnasiallehrerbefragung (Schwerzmann und Frenzel 2020) geben 38 % der Befragten an, dass sie im Vergleich zu vor der Schulschließung nun häufiger klare Strukturen vorgeben. Ein weiteres wichtiges Merkmal der Struktur und Klarheit im Fernunterricht stellen eine klar kommunizierte Aufgabenvergabe und -abgabe sowie Lernpläne dar. Bei Wildemann und Hosenfeld (2020) geben 42 % der Eltern an, dass sie keinen erkennbaren Rhythmus in der Aufgabenvergabe wahrnehmen. Hingegen geben 90 % der von Lorenz et al. (2020b) befragten Lehrkräfte an, dass sie feste Abgabetermine kommunizieren. Wochenpläne erhalten die Schüler*innen aus Sicht von 37 % der Eltern (Wildemann und Hosenfeld 2020) und aus Sicht von 47 % der Lehrkräfte (Huber et al. 2020).
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Bei Wößmann et al. (2020) geben deutlich mehr Eltern ohne akademischen Abschluss an, dass ihre Kinder nie Online-Unterricht hatten, als dies Eltern mit akademischem Abschluss tun. Bei Steiner et al. (2020) berichten für benachteiligte Schüler*innen deutlich mehr Lehrkräfte, dass sie diese im Fernunterricht nicht erreichen als dies Lehrkräfte für nicht-benachteiligte Schüler*innen angeben.
Unterschiede nach dem Schultyp
Die Befunde der Elternbefragung von Langmeyer et al. (2020) und der Lehrerbefragung von Fobizz (2020) enthalten Hinweise dazu, dass mit höheren Schultypen bzw. -stufen der Lehrer-Schüler-Kontakt abnimmt. Umgekehrt verhält es sich beim Ausmaß an digitalem Unterricht: Sowohl in Schülerbefragungen (Bildungsdirektion Nidwalden 2020; Trültzsch-Wijnen und Trültzsch-Wijnen 2020) als auch Eltern- (Bezirkselternausschuss Mitte 2020) und Lehrerbefragungen (forsa 2020c) wird von einem positiven Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an Onlineunterricht und höheren Schultypen bzw. -stufen berichtet. Was die regelmäßige Überprüfung von bearbeiteten Lernaufgaben durch Lehrkräfte betrifft, so berichten Schwab et al. (2020) von keinen wesentlichen Unterschieden zwischen den Schultypen. Auch die Klarheit und Verständlichkeit der Lernaufgaben im Fernunterricht scheint sich aus Schüler- (Bildungsdirektion Nidwalden 2020) und Elternsicht (Müller 2020) kaum zwischen den Schultypen zu unterscheiden. Bzgl. dem Anteil erreichter Schüler*innen sind in den vorliegenden Befragungen keine systematischen Zusammenhänge mit dem Schultyp beobachtbar (Eickelmann und Drossel 2020; forsa 2020c; Steiner et al. 2020). Auch widersprechen sich die Befunde der für Deutschland repräsentativen Lehrerbefragungen, wonach einmal Gymnasiallehrkräfte zu jener Lehrergruppe gehören, die vergleichsweise wenige Schüler*innen erreichen (Eickelmann und Drossel 2020) und einmal zu jener Gruppe gehören, die vergleichsweise viele Schüler*innen im Fernunterricht erreichen (forsa 2020c).
Maßnahmen zur Sicherung der kognitiven Aktivierung
Inwiefern gestaltet sich Fernunterricht so, dass die Verstehensprozesse der Lernenden unterstützt werden? In der Schülerbefragung von Heller und Zügel (2020) werden Befunde zur Wissensvermittlung als auch zum eingesetzten Aufgabentyp berichtet: (1) Je nach Schulfach geben 40 % (Deutsch) bis 60 % (Informatik) der Schüler*innen an, dass ihnen gefällt, wie die Lehrkräfte die Wissensvermittlung organisieren. Eine motivierende Wissensvermittlung gilt als verständnisförderlich. In diesem Zusammenhang berichten auch Baier und Kamenowski (2020), dass 57 % der Schüler*innen der Aussage zustimmen, dass ihre Lehrpersonen abwechslungsreichen Fernunterricht gestalten. (2) Die von Heller und Zügel (2020) befragten Schüler*innen geben an, dass die geforderten Lernaufgaben fast ausschließlich in die Kategorien „Aufgaben lösen“ und „Texte lesen“ fallen und damit eher repetitive Tätigkeiten, die oft wenig verständnisfördernd sind, von den Schüler*innen verlangt werden. Dies deckt sich mit den Befunden zweier Elternbefragungen. In der ifo-Befragung (Wößmann et al. 2020) erwies sich die Bereitstellung von zu bearbeitenden Aufgabenblättern als die häufigste Lehraktivität während der Schulschließung: 87 % der Eltern gaben an, dass die Schüler*innen mehrmals wöchentlich bereitgestellte Aufgaben bearbeiten. In der Elternbefragung von Wildemann und Hosenfeld (2020) berichten 76 %, dass selten oder nie kreative Aufgaben gestellt werden. Darüber hinaus geben über 60 % der Eltern für die Fächer Mathematik und Deutsch an, dass die Aufgaben wenig bis gar nicht abwechslungsreich sind; dies gilt sowohl für die Grundschule als auch für weiterführende Schulen. In der Mehrheit der Fälle berichten die Eltern, dass Lernaufgaben (50 % in der Grundschule, 40 % in weiterführenden Schulen) sowohl als Übung als auch zum Erlernen von neuen Inhalten eingesetzt werden. Ähnliches berichten Wößmann et al. (2020): Laut Elternangaben wurde bei 47 % der Schüler*innen hauptsächlich neuer Unterrichtsstoff vermittelt und bei einem ähnlich großen Anteil (45 %) hauptsächlich bereits bekannter Unterrichtstoff wiederholt. Dies gilt unabhängig vom Bildungshintergrund und von den schulischen Leistungen der Schüler*innen. Auch aus Lehrersicht stellen Arbeitsblätter das mit großem Abstand am häufigsten genutzte Format dar (84 %; forsa 2020c). Zudem zeigen Schwerzmann und Frenzel (2020), dass Lehrpersonen häufiger als vor dem Schul-Lockdown „Texte verfassen und gestalten“ lassen.
Neben dem Aufgabentyp wird in der Literatur (z. B. Kunter und Voss 2013; Renkl 1997) häufig auch kooperatives Lernen als – wenn richtig umgesetzt – förderlich für die kognitive Aktivierung der Lernenden angesehen. In der Schülerbefragung von Heller und Zügel (2020) findet sich der Hinweis, dass das Ausmaß an kooperativem Lernen im Fernunterricht je nach Schulfach stark variiert: 24 % (Kunst/Musik) bis 63 % (Physik) der Schüler*innen geben an, regelmäßigen Austausch mit den Mitschüler*innen zu haben. Fachunabhängig berichten in der JIMplus-Befragung (Rathgeb 2020) 50 % der Jugendlichen mit Freunden über Chats zu lernen. Leicht seltener wird kooperatives Lernen aus Elternsicht wahrgenommen. Befragungen berichten von 31 % (Müller 2020) bzw. 40 % (Wildemann und Hosenfeld 2020) der Eltern, die meinen, dass sich ihr Kind mindestens einmal pro Woche mit Mitschüler*innen austauscht. Dies erscheint wenig, vor dem Hintergrund des hohen Anteils an Eltern (88 % bei Thies und Klein 2020), die berichten, dass ihren Kindern der Austausch mit Klassenkameraden und Lehrkräften fehlt. Und vor dem Hintergrund des Befundes der internationalen Befragung von Vuorikari et al. (2020), der zeigt, dass in Deutschland, Österreich und der Schweiz 63 %, 73 % und 73 % der befragten Eltern meinen, dass die Schulen mehr kooperative Onlineelemente einsetzen könnten, um ihre Kinder besser zu unterstützen. Das eher moderate Kooperationsniveau im Fernunterricht wird auch aus Lehrersicht bestätigt. Bei Huber et al. (2020) und Schwab et al. (2020) berichten 40 % bzw. 45 % der Lehrkräfte, dass sie ihren Schüler*innen keine technischen Möglichkeiten zum unterrichtlichen Austausch anbieten.
Dagegen scheint ein weiteres Merkmal kognitiv aktivierenden Unterrichts relativ positiv ausgeprägt zu sein: die Verfügbarkeit der Lehrperson für Fragen. Nur rund 10 % der von Huber et al. (2020) bzw. 12 % der von Schreiner et al. (2020) befragten Schüler*innen führen an, dass sie ihre Lehrkräfte nicht immer fragen können, bspw. wenn sie beim Lernen nicht weiterkommen (vgl. auch die hohen Zustimmungsraten bei Grütter et al. 2020). Auch wissen nur 3 % der von Schober et al. (2020a) befragten Schüler*innen nicht, wie sie ihre Lehrpersonen bei Fragen erreichen können. Dies deckt sich mit der Elternsicht: Nur 10 % (Wößmann et al. 2020) bzw. 15 % (Müller 2020) der Eltern geben an, dass ihr Kind während der Schulschließung nicht die Möglichkeit hatte, seine Lehrer*innen etwa für Hilfe bei den Aufgaben direkt zu kontaktieren (z. B. per Telefon, E‑Mail oder WhatsApp) oder nicht die Unterstützung erhielt, wenn es diese benötigte. Dagegen geben in der Elternbefragung in der französischsprachigen Schweiz (Conus und Durler 2020) 54 % an, dass ihre Kinder im Fernunterricht nicht die Möglichkeit hatten, ihre Lehrer*innen zu kontaktieren. Aus Lehrersicht geben fast alle Befragten (99 %) an, dass sie für Rückfragen zur Verfügung stehen (Lorenz et al. 2020b).
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Bzgl. der Aufgabentypen zeigen sich bei Wößmann et al. (2020) keine sozioökonomisch bedingten Unterschiede. Auch bzgl. der Erreichbarkeit der Lehrperson für Schüler*innen bei Lernproblemen beobachten Wößmann et al. (2020) keine Unterschiede nach der sozialen Herkunft. Dagegen berichten Baier und Kamenowski (2020), dass für Schüler*innen mit niedrigerem Sozialstatus seltener Lehrpersonen als Ansprechpersonen bei Problemen zur Verfügung stehen.
Unterschiede nach dem Schultyp
Bzgl. der kognitiven Aktivierung durch abwechslungsreichen Fernunterricht berichten Wildemann und Hosenfeld (2020) von vernachlässigbaren Schultypenunterschieden und Baier und Kamenowski (2020) davon, dass Gymnasialschüler*innen seltener als Schüler*innen anderer Schultypen angeben, dass der Unterricht abwechslungsreich ist. Kooperatives Lernen im Fernunterricht ist erwartungsgemäß deutlich stärker in höheren Schulstufen ausgeprägt (Baier und Kamenowski 2020; Müller 2020; Schwab et al. 2020). Schließlich beobachtet Müller (2020) keine Schultypenunterschiede bzgl. der Verfügbarkeit der Lehrpersonen für die Lernunterstützung der Schüler*innen.
Maßnahmen zur Sicherung der individuellen Lernunterstützung
Diese Basisdimension ist u. a. durch die positive Lehrer-Schüler-Beziehung sowie die individuelle Betreuung der Lernenden gekennzeichnet. In dieser Hinsicht weist der Fernunterricht einen immanenten Mangel gegenüber dem Regelunterricht auf (vgl. Klieme 2020). Allerdings nicht für alle befragten Personen, wie die bestehenden Befragungen zeigen (vgl. dazu auch die Befunde in Abschn. 5.4.2 zur Verfügbarkeit der Lehrpersonen im Fernunterricht für Schülerfragen und in Abschn. 5.4.1 zum Lehrer-Schüler-Kontakt). In der Befragung von Letzel et al. (2020) wünschen sich 49 % der Schüler*innen mehr Unterstützung durch die Lehrperson. Auch berichten 51 % (Letzel et al. 2020), 48 % (Baier und Kamenowski 2020), 40 % (Lochner 2020) und 34 % (Wacker et al. 2020) der Schüler*innen, dass ihnen die Lehrperson fehlt. Dabei dürften sie insbesondere die Gespräche vermissen, wie 30 % der Schüler*innen bei Holtgrewe et al. (2020a) angeben. Grundsätzlich funktioniert die Kommunikation mit den Lehrkräften aber gut, wie die Luzerner Schülerbefragung (Schwerzmann und Frenzel 2020) belegt: Rund 90 % der Schüler*innen geben an, dass diese gut funktioniert hat. Auch stimmen 49 % der bei Refle et al. (2020) befragten Schüler*innen der Aussage zu, dass ihre Lehrpersonen sich sehr bemüht haben, ihnen beim Lernen zu helfen. Auch aus Elternsicht fehlt den Kindern der Kontakt zu ihren Lehrer*innen. Bei Thies und Klein (2020) berichten 88 % der Eltern, dass ihren Kindern besonders der persönliche Austausch mit ihren Lehrkräften fehlt. In der für Deutschland repräsentativen Elternbefragung von Wößmann et al. (2020) geben 67 % der Eltern an, dass ihr Kind weniger als einmal pro Woche individuellen Kontakt mit einer Lehrkraft hatte; 45 % hatten nie individuellen Kontakt. Auch in der Hamburger Elternbefragung von Müller (2020) geben „nur“ 44 % der Eltern an, dass die Lehrkräfte ausreichend persönlichen Kontakt zu ihrem Kind halten. Demgegenüber stehen 72 % der von Feistritzer et al. (2020) befragten Eltern, die angeben, dass die Lehrkräfte bemüht sind, auf ihr Kind einzugehen. Auch schätzen 63 % der an der ADAS und LIFE-Befragung teilnehmenden Eltern die Betreuung ihrer Kinder durch die Lehrkräfte und die Schule als gut oder sehr gut ein (ADAS und LIFE 2020). Ebenso schätzen rund 50 % der in der sächsischen Befragung (Landeselternrat Sachsen 2020) befragten Eltern die Kommunikation zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen gut ein. Entsprechend sieht „nur“ etwa ein Drittel (29 %) der Eltern den fehlenden Kontakt mit der Lehrperson als Hindernis für erfolgreichen Fernunterricht (Tengler et al. 2020). Die Informationen aus den Lehrerbefragungen zur Lehrer-Schüler-Beziehung zeigen folgendes Bild: Nach Eickelmann und Drossel (2020) ist 87 % der Lehrer*innen wichtig mit ihren Schüler*innen persönlich in Kontakt zu bleiben. 53 % der von Tengler et al. (2020) befragten Lehrkräfte geben an, dass ihre Schüler*innen die gleiche Unterstützung wie sonst auch bekommen. Bei brlv (2020; Neumeier 2020) berichten rund 70 % der Lehrkräfte, dass die Beziehung zu ihren Schüler*innen genauso gut wie zuvor sei. 16 % der Befragten sehen sogar ein verbessertes Verhältnis zu ihren Schülern seit den Schulschließungen. Auch bei Schwerzmann und Frenzel (2020) berichten 16 % der befragten Gymnasiallehrer*innen, dass sie mehr in Beziehungsarbeit zu einzelnen Schüler*innen investieren als im Präsenzunterricht. Bei Ziegler und Hannemann (2020) hat für 8 % der Lehrkräfte die Quantität und für 20 % die Qualität des Lehrer-Schüler-Verhältnisses zugenommen. Sowohl aus Lehrer- als auch aus Schulleitersicht wird die Lehrer-Schüler-Interaktion im Fernunterricht überaus positiv wahrgenommen: Bei Spiel und Holzer (2020) geben 93 % der Lehrkräfte an, dass die persönlichen Beziehungen zu den Schüler*innen während des Unterrichtens von zu Hause aus überwiegend positiv waren. Ein ähnlich hoher Anteil (84 %) fühlte sich trotz der Situation mit den Schüler*innen verbunden. Bei Jesacher-Rößler und Klein (2020) berichten 66 % der befragten Schulleiter*innen, dass die Lehrer-Schüler-Interaktion positiv oder mehr positiv als negativ wahrgenommen wird. Zudem stimmen bei Huber et al. (2020) 85 % der Lehrer*innen und 93 % der Schulleitungen der Aussage „Die Befindlichkeit und Sorgen der Schülerinnen und Schüler werden von der Schule ernst genommen.“ zu.
Als etwas spezifischere Form der Schülerbetreuung lässt sich die Differenzierung und Individualisierung im Fernunterricht in den Blick nehmen. Indizien für das Ausmaß der Differenzierung und Individualisierung im Fernunterricht finden sich vor allem bei Holtgrewe et al. (2020a), Letzel et al. (2020), Huber et al. (2020) und Schwab et al. (2020). Holtgrewe et al. (2020a) berichten, dass die Schüler*innen im Fernunterricht mehr Freiheiten wahrnehmen: freiere Zeiteinteilung (83 %); stärkere Auswahl beim Lernstoff (31 %) und bei den Lerninhalten (16 %) sowie mehr Zeit zum Üben (51 %). Letzel et al. (2020) haben eine Skala zur Binnendifferenzierung (Pozas et al. 2020) bei einer kleineren Gruppe von Schüler*innen, Eltern und Lehrkräften eingesetzt. Der überwiegenden Mehrheit der Schüler- und Elternangaben nach findet Differenzierung im Fernunterricht durch Aufgaben (Schüler*innen: 62–86 %; Eltern: 79–80 %) und durch Arbeitsgruppen (91–93 %; 95–97 %) eher selten bis nie statt. Dagegen schätzen die Lehrkräfte die Binnendifferenzierung deutlich stärker ausgeprägt ein. Nur 41–66 % bzw. 75–86 % geben an, dass Binnendifferenzierung im Fernunterricht durch Aufgaben bzw. durch Gruppenbildung eher selten bis nie stattfindet. Auch Schwab et al. (2020) haben die Lehrkräfte mit einer Skala zur Individualisierung des Fernunterrichts befragt. Den Befunden nach zeigen 75 % der Lehrkräfte Interesse an den Lebenslagen ihrer Schüler*innen und 86 % meinen diese auch im Fernunterricht zu berücksichtigen. Der Lehreranteil der Individualisierungsmaßnahmen im Fernunterricht variiert zwischen 61 % (Themen der Lernpakete werden individualisiert) und 99 % (Schüler*innen für individuelle Fragen zur Verfügung zu stehen). Ähnlich wie bei Letzel et al. (2020) wurden auch bei Huber et al. (2020) Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte zur Individualisierung im Fernunterricht befragt. 49 % der Schüler*innen und 32 % der Eltern stimmen der Aussage zu, dass der Lernstand der Schüler*innen Berücksichtigung findet. 45 % der Schüler*innen und 26 % der Eltern geben an, dass die Lernenden differenzierte Hinweise zu den bearbeiteten Lernaufgaben bekommen. 30 % der Lehrpersonen berichten von einem wöchentlichen, individuellen Schüler-Coaching. In der Befragung von Luzerner Gymnasiallehrer*innen (Schwerzmann und Frenzel 2020) sagen sogar 35 %, dass sie mehr individuelles Coaching als im Präsenzunterricht machen.
In einigen Untersuchungen wurde auch konkret nach der Passung der Lernaufgaben gefragt. Aus Schülersicht empfindet rund die Hälfte bis 60 % die Lernaufgaben als nicht zu schwer (63 % bei Letzel et al. 2020; 50 % bei Schreiner et al. 2020) oder kommt mit den Lernaufgaben ohne Hilfe zurecht (53 % in Chemie bis 67 % in Informatik, Heller und Zügel 2020). Im Umkehrschluss dürfte eine nicht kleine Gruppe an Schüler*innen die Lernaufgaben als Herausforderung wahrnehmen. Beispielsweise finden 37 % (Letzel et al. 2020), 22 % (Holtgrewe et al. 2020a) und 13 % (Schreiner et al. 2020) der befragten Schüler*innen die Aufgaben zu schwer oder hatten Schwierigkeiten bei ihrer Bewältigung. Die Befunde aus Elternsicht sind relativ einheitlich. In mehreren Befragungen stufen zwischen 60–71 % der Eltern den Schwierigkeitsgrad, die Komplexität und die Menge der Lernaufgaben als angemessen für ihre Kinder ein (68 % bei Feistritzer et al. 2020; 60 % bzw. 67 % Letzel et al. 2020; 71 % bei Müller 2020). Etwas aus der Reihe fallen die Befunde der Elternbefragungen im Kanton Nidwalden (86 % bei Bildungsdirektion Nidwalden 2020) und dem Bundesland Sachsen (33 % bei Landeselternrat Sachsen 2020; vgl. auch die niedrigen Werte bei Grote 2020). Schließlich berichten Ziegler und Hannemann (2020) von 50 % der Eltern, die angeben, dass ihre Kinder weniger gut mit den Aufgaben zurechtkommen als im Präsenzunterricht; 35 % berichten, dass sie diese auch weniger gut verstehen würden. Aus Lehrersicht sind diese Anteile mit 66 % und 50 % nochmal deutlich höher. Dies obwohl in Lehrerbefragungen 59 % der Lehrkräfte angeben, eher bis sehr häufig Aufgaben und Materialien einzusetzen, die ihrer Schwierigkeit nach abgestuft sind (Letzel et al. 2020), und 75 % der Lehrkräfte angeben, Inhalte und Aufgaben an den individuellen Lernstand ihrer Schüler*innen anzupassen (Lorenz et al. 2020b). Siehe dazu auch die oben berichteten Befunde zur Individualisierung von Lernpaketen (Schwab et al. 2020).
Neben der Schülerbetreuung und der Individualisierung nimmt das Feedback eine zentrale Rolle für die individuelle Lernunterstützung ein. Im Fernunterricht empfinden Schüler*innen ausführliches schriftliches Feedback als besonders hilfreich, wie 79 % in der Schülerbefragung von Holtgrewe et al. (2020a) angeben. Die Mehrheit der Schüler*innen dürfte diese Hilfe auch bekommen, denn je nach Schulfach meinen „nur“ 5 % (Informatik) bis 20 % (Kunst/Musik) der Schüler*innen kein Feedback zu erhalten (Heller und Zügel 2020). Auch bei Wacker et al. (2020) und Bildungsdirektion Nidwalden (2020) berichten „nur“ 16 % bzw. 13 % der Schüler*innen, dass sie von ihren Lehrer*innen selten oder nie Feedback auf gelöste Lernaufgaben bekommen. Aus Elternsicht ist die Lage zum Feedback deutlich anders. Die Befunde der Elternbefragungen sind zwar relativ heterogen, aber die Mehrheit verweist auf deutlich höhere Elternanteile, die kein Feedback wahrnehmen. Etwa ein Drittel bis drei Viertel der Eltern geben an, dass ihr Kind kein Feedback von der Lehrperson erhält. Während in manchen Befragungen (60 % bei Grote 2020; 58 % bei Wildemann und Hosenfeld 2020; je nach Fach 59–74 % bei Steinmayr und Christiansen 2020) deutlich mehr als die Hälfte der Eltern von fehlendem Feedback berichten, sind dies in der Hamburger Elternbefragung (32 %; Müller 2020) und in der ifo-Elternbefragung (17 % nie, 36 % weniger als einmal pro Woche; Wößmann et al. 2020) deutlich weniger. Die unterschiedlichen Befunde könnten auf nicht-identische Operationalisierungen in den Befragungen zurückzuführen sein. Laut Lehrerdaten geben 96 % der Lehrkräfte an, dass sie die Bearbeitung der Lern- bzw. Unterrichtsaufgaben durch die Schüler*innen kontrollieren (Grote 2020). In der Studie von Lorenz et al. (2020b) sind es 84 % der Lehrkräfte, die Feedback auf die Ergebnisse der Lernenden geben und 82 % der Lehrkräfte, die Musterlösungen zur Verfügung stellen.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Bei Baier und Kamenowski (2020) vermissen Schüler*innen mit niedrigem bzw. mittlerem Sozialstatus ihre Lehrkräfte seltener als Schüler*innen mit hohem Sozialstatus. Bzgl. der Passung der Lernaufgaben zum Lernstand der Schüler*innen berichten Holtgrewe et al. (2020a), dass Schüler*innen einfach qualifizierter Eltern und bilinguale Schüler*innen deutlich häufiger Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Lernaufgaben haben als andere Schülergruppen. Schließlich berichten bei Wößmann et al. (2020) Eltern mit akademischem Bildungsabschluss deutlich häufiger von Lehrerfeedback und individuellen Lehrer-Schüler-Gesprächen als Eltern ohne akademischen Bildungsabschluss dies tun.
Unterschiede nach dem Schultyp
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Lehrer-Schüler-Beziehung im Fernunterricht: Schwerzmann und Frenzel (2020), Müller (2020) und Eickelmann und Drossel (2020) können keine Schultypenunterschiede in der Qualität der Lehrer-Schüler-Kommunikation bzw. im Lehrer-Schüler-Kontakt ausmachen. Lediglich bei Holtgrewe et al. (2020a) und bei forsa (2020c) finden sich Hinweise, dass Schüler*innen der Volksschule ihre Lehrer*innen häufiger vermissen und in höheren Schultypen Schüler*innen häufiger jederzeit in Kontakt mit der Lehrperson treten können.
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Differenzierung und Individualisierung im Fernunterricht: Schwab et al. (2020) und Feistritzer et al. (2020) berichten, dass in Gymnasien deutlich weniger oft Lernpakete für das Lernen zuhause individualisiert werden und Lehrer*innen deutlich seltener bemüht sind auf die Lage der Schüler*innen einzugehen als dies in anderen Schultypen der Fall ist. Holtgrewe et al. (2020a) berichten darüber hinaus, dass Schüler*innen der Sekundarstufe II deutlich mehr freie Zeiteinteilung im Fernunterricht wahrnehmen als Schüler*innen anderer Schulstufen.
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Passung der Lernaufgaben im Fernunterricht: Bei Müller (2020) und Feistritzer et al. (2020) zeichnet sich die Tendenz ab, dass in Grund- bzw. Volksschulen die Lernaufgaben häufiger über eine angemessenere Schwierigkeit verfügen bzw. weniger überfordernd sind als in anderen Schultypen. Darüber hinaus berichtet die kantonale Befragung der Bildungsdirektion Nidwalden (2020) von einem leicht negativen Zusammenhang zwischen einem angemessenen Zeitaufwand für Lernaufgaben und höheren Schulstufen.
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Feedback im Fernunterricht: In den vorliegenden Befragungen (Bildungsdirektion Nidwalden 2020; Müller 2020) sind keine systematischen Schultypenunterschiede auszumachen.
Maßnahmen zur Unterstützung der Eltern (eine 4. Basisdimension)
Ein weiteres Merkmal guten Fernunterrichts kann in der Elternunterstützung gesehen werden. Da die Eltern zentrale Funktionen der Lehrpersonen übernehmen müssen (z. B. die individuelle Lernunterstützung beim Lernen zuhause) hängt der Erfolg des Fernunterrichts auch stark vom Ausmaß und der Qualität der elterlichen Unterstützung ab (siehe Abschn. 5.3.2; vgl. Köller et al. 2020) – bei jüngeren Schüler*innen stärker als bei älteren Schüler*innen. Schulen und Lehrkräfte sollten daher danach trachten, die Eltern in ihrer neuen Rolle während des Fernunterrichts zu unterstützen. Mehrere Elternbefragungen weisen darauf hin, dass es einen moderaten Anteil an Eltern (7–45 %) gibt, die sich im Fernunterricht von der Schule und den Lehrkräften ihrer Kinder nicht ausreichend oder schlecht unterstützt fühlen (7 % bei Feistritzer et al. 2020; 23 % bei Porsch und Porsch 2020; 32 % bei Lochner 2020).Footnote 20 Die Art der von den Schulen und Lehrpersonen gewährten Unterstützung betreffend zeigen Heller und Zügel (2020), dass – über alle Schulstufen hinweg – von den meisten Eltern (etwa 40–50 %) Strukturierungs- und Organisationshilfen sowie technische Unterstützung wahrgenommen werden (vgl. dazu auch die 47 % der Eltern bei Conus und Durler (2020), die angeben Informationen darüber erhalten zu haben, wie sie die Schularbeit ihres Kindes organisieren können). Rund 10 % der Eltern haben keine Unterstützungsangebote bekommen. Auch bei Porsch und Porsch (2020) und Conus und Durler (2020) finden sich Hinweise, dass 28 % bzw. 16 % der Befragten neben den Aufgaben keine weitere Unterstützung oder Informationen von den Lehrkräften über die pädagogische Beaufsichtigung der Arbeit ihres Kindes erhalten haben. Entsprechend wünschen sich 39 % der von Thies und Klein (2020) befragten Eltern eine bessere Organisation und Unterstützung durch die Schule und Lehrkräfte für das Lernen zuhause. Im Gegensatz zum Unterstützungsangebot dürfte das Informationsangebot der Schulen zufriedenstellend sein. Zumindest für die Eltern des Kantons Nidwalden: 95 % geben an, dass sie von der Schule/der Lehrperson informiert wurden, wie der Fernunterricht abläuft (Bildungsdirektion Nidwalden 2020). Neben allgemeiner Elternunterstützung verweisen Köller et al. (2020) konkret auf das Modell der elterlichen Lernunterstützung nach Dumont et al. (2014), das empfiehlt, dass Eltern die Befriedigung der drei psychologischen Grundbedürfnisse ihrer Kinder nach sozialer Eingebundenheit, Kompetenzerleben und Autonomieerleben im Sinne der Selbstbestimmungstheorie (SDT, Deci und Ryan 1993) unterstützen sollten. Eltern sollten daher auf das richtige Ausmaß von Ansprechbarkeit, Strukturierung und Kontrolle achten (siehe Köller et al. 2020 zur Beschreibung dieser Aspekte im Fernunterricht). Inwiefern dies Eltern gelingt, ist mangels Forschungsstand noch unklar. Erste Befunde zur elterlichen Lern- und Motivationsunterstützung wurden in Abschn. 5.3.2 berichtet. Die von Vuorikari et al. (2020) befragten Eltern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind allerdings der Meinung, dass die Schulen mehr Richtlinien und Hinweise geben sollten, wie sie ihre Kinder beim Fernunterricht unterstützen können (64 %, 66 %, 66 %) und wie sie ihre Kinder psychologisch unterstützen können (54 %, 52 %, 50 %).
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Es liegen keine Befunde vor.
Unterschiede nach dem Schultyp
Die Elternbefragungen kommen zu einem heterogenen Bild der Befundlage. Während in zwei Befragungen (Bezirkselternausschuss Mitte 2020; Heller und Zügel 2020) Eltern von Grundschulen am häufigsten davon berichten im Fernunterricht keine oder kaum Unterstützung von der Schule oder den Lehrkräften zu erhalten, berichten Feistritzer et al. (2020), dass sich Eltern von Volksschulkindern im Vergleich zu Eltern von Kindern anderer Schultypen am häufigsten von den Lehrer*innen unterstützt fühlen. Bzgl. des Informationsangebotes für Eltern sind keine relevanten Schultypenunterschiede beobachtbar (Bildungsdirektion Nidwalden 2020).
Globale Qualitätseinschätzung des Fernunterrichts
Manche Befragungen erheben eine allgemeine Einschätzung der Qualität des Fernunterrichts. Aus Schülersicht finden 52–71 % den Fernunterricht gut oder sehr gut oder sind der Meinung, dass dieser gut oder sehr gut geklappt hat (71 % bei Bildungsdirektion Nidwalden 2020; 52 % bei Rathgeb 2020; je nach Schultyp 54 % (Gymnasium) bis 65 % (Volksschule) bei Schwerzmann und Frenzel 2020; je nach Fach 40 % (Deutsch) bis 60 % (Informatik) bei Heller und Zügel 2020). Auch aus Elternperspektive wurde nach der Qualität des Fernunterrichts gefragt. In mehreren Befragungen berichten sehr unterschiedlich große Elternanteile, von 28–75 % der Eltern, dass der Fernunterricht gut funktioniere (30 % bei Petersen und Heimbach 2020; 41 % bei Tengler et al. 2020; 53 % bei Berghammer 2020; 44 % (Grundschule) bis 61 % (Gymnasium) bei Heller und Zügel 2020; etwa 75 % bei Grote 2020) oder mit dem Homeschooling zufrieden sind (etwa 28 % bei Steinmayr und Christiansen 2020; 38 % bei Müller 2020; 56 % bei Wößmann et al. 2020). Als „gut (auf die Situation eingestellt)“ oder „qualitativ hochwertig“ beurteilen den Fernunterricht deutlich mehr als die Hälfte der Eltern (56 % bei Letzel et al. 2020; 74 % der Volksschullehrer*innen bei Schwerzmann und Frenzel 2020; rund 50 % (Gesamtschule) bis 85 % (Gemeinschaftsschule) bei Bezirkselternausschuss Mitte 2020). In der Civey-Befragung (2020) bewerteten dagegen nur 19 % der befragten Eltern das digitale Bildungsangebot an den Schulen während der Pandemie als gut, während knapp 60 % mit dem Angebot unzufrieden waren. In den meisten hier angeführten Befragungen ist die Unzufriedenheit mit dem Fernunterricht unter den Eltern deutlich niedriger ausgeprägt. Auch aus Lehrerperspektive ist die Einschätzung der allgemeinen Qualität des Fernunterrichts je nach Befragung sehr unterschiedlich: Schwerzmann und Frenzel (2020) berichten von 47 % (Sonderschule) bis 68 % (Volksschule) der befragten Lehrkräfte, die sagen, dass die Lernerfahrungen im Fernunterricht eher gut oder sehr gut waren. Bei Tengler et al. (2020) bewerten knapp mehr als die Hälfte der Lehrpersonen den Fernunterricht als gut bis ausgezeichnet. In der Lehrerbefragung von Seda und Ottacher (2020) sind es nur etwa 36 %, die meinen, dass der Fernunterricht gut bis hervorragend funktioniert. Auffällig ist auch der Befund der Schulleiterbefragung im Kanton Nidwalden (Bildungsdirektion Nidwalden 2020), in der alle 37 befragten Schulleiter*innen der Aussage zustimmen, dass die Lehrpersonen an ihrer Schule den Auftrag zum Fernunterricht gut umgesetzt haben.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Während die Elternbefragungen von Müller (2020) und Wößmann et al. (2020) keine Unterschiede in der allgemeinen Qualitätseinschätzung des Fernunterrichts nach dem Bildungshintergrund der befragten Eltern ausmachen können, berichtet Berghammer (2020), dass Eltern mit Matura oder Hochschulabschluss deutlich häufiger als Eltern mit maximal Lehrabschluss angeben, dass der Fernunterricht gut funktioniert.
Unterschiede nach dem Schultyp
Die Befunde zu allgemeinen Qualitätseinschätzungen des Fernunterrichts nach Schultyp zeigen ein heterogenes Bild. Bei Rathgeb (2020) und Müller (2020) werden keine systematischen und relevanten Unterschiede zwischen den Schultypen beobachtet. Bei Heller und Zügel (2020) beurteilen Eltern von Gymnasialschüler*innen den Fernunterricht im Durchschnitt besser als Eltern von Grundschüler*innen. Dies ist bei Schwerzmann und Frenzel (2020) umgekehrt. In der Elternbefragung des Berliner Bezirkselternausschuss Mitte (2020) schneidet die Gemeinschaftsschule deutlich besser als andere Schultypen ab.
Lehrerkompetenzen im Fernunterricht
Zur Frage nach den Lehrerkompetenzen für den Fernunterricht liegen nahezu ausschließlich Befunde aus Lehrerselbsteinschätzungen vor. So schätzen in der DACH-Lehrerbefragung von Huber et al. (2020) 31 % das Kollegium als nicht ausreichend kompetent für den Einsatz digitaler Lehr-Lern-Formen ein. Auch bei Eickelmann und Drossel (2020) und Lorenz et al. (2020b) bewerten 10 % bzw. 38 % der befragten Lehrkräfte die eigenen Kompetenzen als nicht ausreichend, um Lernangebote im Fernunterricht (ausreichend gut) bereitstellen zu können. Hinsichtlich des Umgangs mit digitalen Medien schreiben sich bei Dreer et al. (2020) 13 % der Lehrer*innen niedrige Kompetenzen zu. Mangelnde digitale Kompetenzen sehen 24 % der Lehrkräfte (Schrammel et al. 2020; Tengler et al. 2020) als Hindernis im Fernunterricht; 69 % sehen sie als „größten Verbesserungsbedarf“ (forsa 2020c). Aus Sicht der Schulleitungen werden die digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte dagegen mehrheitlich nicht als Herausforderung für den Fernunterricht wahrgenommen (Huber et al. 2020; Jesacher-Rößler und Klein 2020).
Erfahrung mit digitalen Medien
37 % der Lehrkräfte geben an, bereits seit längerer Zeit in der Schule mit digitalen Medien zu arbeiten (Huber et al. 2020). 88 % bzw. 62 % haben bereits vor dem Fernunterricht digitale Medien (z. B. PC, Notebook) im Unterricht bzw. zur Unterrichtsvorbereitung eingesetzt (Dreer et al. 2020). Bei forsa (2020c) geben 44 % der Lehrkräfte an, dass die Hälfte oder mehr ihrer Kolleg*innen bereits vor Corona mindestens einmal pro Woche digitale Medien im Unterricht eingesetzt haben.
Vorbereitung auf den Fernunterricht
Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte gibt an, dass sie überhaupt nicht oder eher schlecht auf das Homeschooling vorbereitet war (Cordes 2020) oder die plötzliche Schulschließung sie bezüglich digitaler Lehr-Lern-Formen vor große Herausforderungen stellte (60 % bei Huber et al. 2020). Auch bei Eickelmann und Drossel (2020) lehnen 60 % die Aussage „In unserer Schule war die Nutzung digitaler Möglichkeiten schon vor der Schließung recht weit fortgeschritten, daher waren wir auf eine solche Situation verhältnismäßig gut vorbereitet.“ ab. 33 % stimmen der Aussage zu.
Lehrermotivation
Dreer et al. (2020) berichten, dass 60 % der befragten Lehrer*innen auch in der gegenwärtigen Situation mit ihrem Beruf zufrieden sind. Blickt man auf Befunde zur Motivation für den Einsatz digitaler Lehr-Lern-Formen/Medien im Unterricht, so stimmen bei Huber et al. (2020) und bei Dreer et al. (2020) 46 % bzw. 40 % der Lehrkräfte zu, dass sie bzw. ihre Kolleg*innen diesbezüglich motiviert sind. Bei Schrammel et al. (2020; vgl. auch Tengler et al. 2020) nutzen gar rund 80 % der befragten Lehrkräfte gerne Lernplattformen und digitale Medien für das Homeschooling. Allerdings haben 20 % eher nicht vor, nach der Phase des Homeschoolings Unterricht weiterhin mit digitalen Medien durchzuführen. In der Umfrage von forsa (2020c) orten zudem 35 % der Lehrkräfte Verbesserungsbedarf bei der Bereitschaft von Lehrkräften, digitale Lernformate im Unterricht einzusetzen.
Lehrerselbstwirksamkeit
Während für 97 % der Berufseinsteiger*innen und 73 % der erfahrenen Lehrpersonen das Bedienen digitaler Medien (eher) einfach ist (Schrammel et al. 2020), geben nur 25 % der Lehrkräfte an, dass es ihnen leicht fällt, mit digitalen Medien in der aktuellen Situation Lernprozesse zu gestalten (Huber et al. 2020). Allerdings gibt der Großteil der Lehrkräfte (72 % bei Spiel und Holzer 2020; 81 % bei Eickelmann und Drossel 2020; 81 % bei forsa 2020c) an, dass sie mit dem Unterrichten von zu Hause bzw. der neuen Situation gut zurechtgekommen sind.
Aus Schüler- und Elternsicht wird von rund je einem Drittel den Lehrpersonen hohe Kompetenz (32 % Schüler*innen, 32 % Eltern) und Motivation (34 % Schüler*innen; 46 % Eltern) für den Einsatz digitaler Lehr-Lern-Formen attestiert (Huber et al. 2020). Gleichzeitig werden von fast jedem zweiten Elternteil (45 %) die digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte als großes Problem aufseiten der Schulen ausgemacht (Petersen und Heimbach 2020).
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Bei Eickelmann und Drossel (2020) wird vermutet, dass der in nichtgymnasialen Schulen (im Vergleich zu Gymnasien) beobachtete höhere Anteil an Lehrkräften, die berichten, sich mit der neuen Situation überfordert zu fühlen, auf den höheren Anteil an Schulen mit einer besonders herausfordernden Schülerschaft in diesem Schultyp zurückzuführen sei.
Unterschiede nach dem Schultyp
Lehrerbefragungen zeigen, dass die Vorbereitung auf den Fernunterricht und die Selbstwirksamkeit der Lehrkräfte (forsa 2020c; Eickelmann und Drossel 2020) sowie die Lehrermotivation (Schwerzmann und Frenzel 2020) positiv mit höheren Schulstufen bzw. Schultypen assoziiert ist. Anders scheint dies bzgl. dem Lehrerwissen über die Schülersituation zuhause zu sein. Hier beobachten Schwab et al. (2020) einen negativen Zusammenhang zwischen dem Lehrerwissen und der Schulstufe bzw. dem Schultyp.
Technologieeinsatz im Fernunterricht
Die Frage, mit welchen Medien Schulen und Lehrkräfte im Fernunterricht versucht haben, ihre Schüler*innen zu erreichen, stellt eine der am häufigsten gestellten Fragen in den vorliegenden Befragungen dar (siehe Abb. 3). Das hohe Interesse ist vermutlich auf den Umstand zurückzuführen, dass die Schulschließung binnen weniger Tage erfolgte, sie viele Schulen unvorbereitet traf und die Nutzung digitaler Medien für den (Fern‑)Unterricht vielerorts noch nicht etabliert war. Wie Abb. 8, 9 und 10 zeigen, berichten alle Personengruppen, dass das E‑Mail mit Abstand am häufigsten zum Einsatz kam (46–93 % bei den Schülerbefragungen; 42–86 % bei den Elternbefragungen; 48–92 % bei den Lehrerbefragungen). Über alle Befragungen hinweg geben im Mittel 70 % der Befragten an, dass das E‑Mail als Kommunikationsmittel im Fernunterricht eingesetzt wird. Dahinter folgen Lernplattformen (45 %) und das Telefon/Handy (42 %). Schließlich nennen im Durchschnitt aller Befragungsgruppen jeweils rund 30 % der Personen, dass Videochats und -konferenzen, Messengerdienste, die (schuleigene) Website und die analoge Übermittlung als weitere Kommunikationsmedien im Fernunterricht zum Einsatz kommen. Korreliert man die berichteten Anteile mit dem Enddatum der Befragung, so zeigt sich nur für den Einsatz von Videokonferenzen eine positive, mittlere Korrelation in allen drei Befragungsgruppen (r = 0,53; N = 18 Befragungen), was auf eine tatsächliche Zunahme des Einsatzes dieses Kommunikationsmediums mit Fortlauf des Fernunterrichts hindeutet. Allerdings müsste hier zumindest für die Schultypen kontrolliert werden.
Unterschiede nach dem sozioökonomischen Hintergrund
Es liegen keine Befunde vor.
Unterschiede nach dem Schultyp
Erwartungsgemäß zeigen die meisten Schüler- (Schwerzmann und Frenzel 2020), Eltern- (Bezirkselternausschuss Mitte 2020; Langmeyer et al. 2020; Thies und Klein 2020) und Lehrerbefragungen (Eickelmann und Drossel 2020; forsa 2020c), dass digitale Tools im Fernunterricht in der Primarstufe deutlich seltener zum Einsatz kommen. Dies zeigt sich insbesondere im geringeren Einsatz von Videokonferenztools; aber auch bereits bei der Verwendung von E‑Mails. Entsprechend wird in der Primarstufe Lernmaterial häufiger analog übermittelt und die Kommunikation mit den Schüler*innen erfolgt etwas häufiger via Mobiltelefon. In den genannten Befragungen korreliert neben der Häufigkeit des Einsatzes von Videokonferenztools auch die Häufigkeit des Einsatzes von Lernplattformen, Cloud- und Messenger-Diensten positiv mit höheren Schulstufen bzw. Schultypen.