1 Einleitung

Schulpraktische Studien stellen zentrale Lerngelegenheiten im Lehramtsstudium dar (Felbrich et al. 2008; Kunina-Habenicht et al. 2013). Dabei sind die Erwartungen, die an diese Phasen gestellt werden, sehr hoch und vielfältig. Die Studierenden sollen nicht nur unterrichtspraktische Erfahrungen sammeln, sondern die gelernten wissenschaftlichen Theorien mit der erlebten Praxis sinnstiftend verzahnen, einen Perspektivenwechsel vom Lernenden zum Lehrenden vollziehen, ihre eigene professionelle Handlungskompetenz erweitern und letztlich ihre eigene Berufswahlmotivation und Berufseignung reflektieren (Hascher 2006, 2012; Rothland und Boecker 2015; Ulrich et al. 2020). Im Zuge dieser Entwicklung wird der Ruf nach mehreren, längeren und intensiveren Praktika stetig größer (Gröschner et al. 2015; Rothland und Boecker 2015). Dieser Forderung folgend wurden in den letzten zehn Jahren fast flächendeckend Praxissemester in der Lehrerbildung in Deutschland implementiert.

Inwiefern die schulpraktischen Studien diese hohen Erwartungen erfüllen, ist aktuell Gegenstand empirischer Forschung (Besa und Büdcher 2014). Während sich allerdings die meisten Studien mit der subjektiven Kompetenzentwicklung im Praktikum beschäftigen, gibt es kaum Studien, welche die Veränderung und Reflexion der motivationalen Orientierungen der Studierenden in den Blick nehmen (Hascher 2006, 2012; Müller 2010; Bach 2013; Besa und Büdcher 2014; Gröschner et al. 2015; König et al. 2016, 2018; Ulrich et al. 2020).

Im Rahmen der Erforschung professioneller Kompetenz von Lehrkräften konnte bereits gezeigt werden, dass sich funktionale motivationale Orientierungen wie hohe Lehrerselbstwirksamkeitserwartungen, intrinsische Motivation und günstige (d. h. stärker intrinsisch als extrinsisch geprägte) Berufswahlmotive positiv auf andere Aspekte der professionellen Kompetenz von Lehrkräften sowie auf die Unterrichtsqualität auswirken (Kunter 2011a, 2011b; Holzberger et al. 2013, 2014; Rothland 2014). Dementsprechend sind günstige motivationale Orientierungen ein höchst bedeutsamer Aspekt des professionellen Handelns von Lehrkräften.

In dieser Studie wird die Entwicklung der motivationalen Orientierungen angehender Lehrkräfte während des intensiv betreuten und in das wissenschaftliche Studium integrierten Semesterpraktikums empirisch untersucht. Dabei wird insbesondere der Einfluss der empfundenen sozialen Unterstützung durch Ausbildungslehrkräfte, Dozierende und Mitstudierenden sowie die Reflexionsgelegenheiten in den Begleitveranstaltungen der Praktika auf die Entwicklung motivationaler Orientierungen von angehenden Lehrkräften im Integrierten Semesterpraktikum (ISP) betrachtet. In dieser Untersuchung waren drei Forschungsfragen leitend. Die erste Frage untersucht die Veränderung der motivationalen Orientierungen angehender Lehrkräfte durch das Absolvieren des Integrierten Semesterpraktikums. In der zweiten Frage steht die Wirksamkeit des Integrierten Semesterpraktikums auf die Entwicklung motivationaler Orientierungen im Vergleich zum gewöhnlichen Semester im Fokus. Die dritte Frage untersucht, inwieweit unterschiedliche individuelle Voraussetzungen wie pädagogische Vorerfahrungen, Studienleistungen und empfundene soziale Unterstützung die Entwicklung der motivationalen Orientierungen beeinflussen.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Motivationale Orientierungen als Teil professioneller Lehrerkompetenz

Professionelle Kompetenz von Lehrkräften umfasst nach dem etablierten Ansatz von Baumert und Kunter (2006) neben dem Professionswissen – als eine zentrale Komponente – auch Überzeugungen, Fähigkeiten professioneller Selbstregulation und motivationaler Orientierungen als weitere relevante Aspekte der Lehrerprofessionalität. Motivation als psychologisches Konstrukt wird nach Rheinberg als die „aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg 2002, S. 18) definiert und als mehrdimensionales Konstrukt verstanden. Diese Mehrdimensionalität wird in den Erwartungs-Wert-Theorien konkretisiert. Erwartungs-Wert-Theorien verstehen die Motivation als ein Wechselspiel zwischen persönlichen Motiven, individuellen Erwartungskomponenten und situativen Anreizen (Rheinberg 2002; Eccles und Wigfield 2002; Kunter 2011a).

Selbstwirksamkeitsüberzeugungen stellen dabei die Erwartungsseite und damit die subjektiv empfundene Erfolgswahrscheinlichkeit dar. Das Konzept der Selbstwirksamkeit wurde ursprünglich von Bandura (1997) entwickelt. Das zentrale Element des Selbstwirksamkeitskonzeptes sind die Self-Efficacy Beliefs, die oft mit Selbstwirksamkeitsüberzeugungen oder -erwartungen übersetzt werden. Gemeint sind damit die Überzeugungen, das Vertrauen oder die Zuversicht an die eigenen Kompetenzen (Capabilities), erfolgreiche Handlungen auf ein bestimmtes Ziel hin (Prospective Situations) zu initiieren sowie durchzuführen (Bandura 1997; Schwarzer und Jerusalem 2002).

In Bezug auf die Erforschung spezifischer Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von Lehrkräften konnte herausgearbeitet werden, dass diese das fachliche sowie didaktische Wissensrepertoire, das unterrichtliche Handeln und damit auch die Qualität von Unterricht beeinflussen (Schmitz und Schwarzer 2002; Schwippert et al. 2013; Holzberger et al. 2013, 2014). Ebenfalls existieren Hinweise dafür, dass sie eine essentielle Rolle in Hinblick auf die Lehrergesundheit einnehmen (Schmitz und Schwarzer 2002; Schwarzer und Warner 2011).

Das Konzept des Lehrerenthusiasmus wird von Kunter (2011b) unter Rückgriff auf die erweiterte Erwartungs-Wert-Theorie von Eccles und Wigfield (2002), der Theorie des individuellen Interesses und der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993) als affektives Personenmerkmal konstruiert. Gemeinsam ist diesen Theorien, dass sie den emotionalen Wert respektive den Anreiz als Determinante für die Qualität von Motivation und Handeln betonen (Baumert und Kunter 2006; Kunter 2011a, 2011b). Lehrerenthusiasmus ist dementsprechend das Interesse am Fach, am Unterrichten und am positiv-affektiven Erleben der Lehrertätigkeit an sich (Kunter 2011a, 2011b). Im Folgenden wird der Lehrerenthusiasmus vorrangig in pädagogisches und fachliches Interesse untergliedert.

Forschungsprojekte wie beispielsweise COACTIV und TEDS‑M konnten zeigen, dass intrinsisch motivierte Lehrkräfte ein höheres Engagement in ihrem Beruf mitbringen und dass sich dies in der Unterrichtsqualität niederschlägt (Blömeke et al. 2011; Kunter 2011b; Holzberger et al. 2014). Das pädagogische und fachliche Interesse einer Lehrkraft kann sich zudem auch auf das Interesse der Schülerinnen und Schüler übertragen (Kunter 2011a, 2011b). Damit extrinsische Motivationsfaktoren ähnliche Effekte erbringen, müssen diese als persönlich bedeutsam empfunden werden (Kunter 2011a).

Einen weiteren relevanten Aspekt motivationaler Orientierungen stellen die Berufswahlmotive sowohl als extrinsische wie auch als intrinsische Anreizfaktoren dar (Watt und Richardson 2007; Pohlmann und Möller 2010; Kunter 2011a; Rothland 2014). Allgemein wird anerkannt, dass die persönlichen Motive und Interessen als zentrale Determinanten der Berufs- und Studienwahl gelten (Holland 1997; Rothland 2014). Watt und Richardson (2007) entwickelten ein spezifisches Modell für die Faktoren der Berufswahl für Lehrkräfte. Die zentralen Komponenten der Berufswahl Lehramt stellen äußere soziale Einflussfaktoren, Einschätzungen in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten, den persönlichen sowie sozialen Nutzen, die Anforderungen des Lehrerberufs und die Berufswahl als Notfalllösung dar (Watt und Richardson 2007; Rothland 2014).

Im deutschsprachigen Raum entwickelten Pohlmann und Möller (2010) einen Fragebogen zur Erfassung der Motivation zur Wahl des Lehramtsstudiums (FEMOLA). Mit Hilfe von explorativen Faktorenanalysen konnten sie die persönlich empfundene Nützlichkeit des Lehrberufes, das pädagogische sowie fachliche Interesse, die eigenen Fähigkeitsüberzeugungen, äußere soziale Faktoren und die eingeschätzte Schwierigkeit des Lehramtsstudiums als zentrale Faktoren für die Berufswahl ins Lehramt herausarbeiten (Pohlmann und Möller 2010).

In der Forschung zu den Berufswahlmotiven von Lehrkräften ergibt sich ein einheitliches Bild bezüglich der Dominanz von intrinsischen sowie altruistischen Wahlmotiven gegenüber extrinsischen (Watt und Richardson 2007; Pohlmann und Möller 2010; Kunter 2011a, 2011b; Rothland 2014). Diese Ergebnisse zeigen in Bezug auf die Lehrerenthusiasmusforschung eine funktionale Grundvoraussetzung der Lehrkräfte für ihr professionelles Handeln. Darüber hinaus führen intrinsische Wahlmotive zu größerer Berufszufriedenheit (Watt und Richardson 2007). Rothland (2014) konnte zudem herausarbeiten, dass intrinsische Wahlmotive mit einem höheren Selbstbewusstsein, einer höheren Leistungsmotivation, höheren Kompetenzeinschätzungen und einem höheren Kompetenzzuwachs einhergehen. Überhöhte Motive, die enttäuscht werden, können aber auch zu ungünstigen Karriereverläufen führen. Des Weiteren identifiziert er eine Risikogruppe, die aus überwiegend extrinsischen Motiven oder aufgrund einer Verlegenheitslösung das Lehramt anstreben. Welche Konsequenzen sich für die Risikogruppe ergeben, lässt Rothland (2014) jedoch offen.

2.2 Entwicklung motivationaler Orientierung im Rahmen schulpraktischer Studien

Im Zuge der Konzeption des Modells professioneller Kompetenz von Lehrkräften haben Kunter et al. (2011) ein weiteres Modell vorgestellt, welches die Entwicklung professioneller Kompetenz sowie deren Determinanten und Konsequenzen beschreibt. Hierbei wird theoretisch postuliert, dass die professionelle Kompetenz von Lehrkräften grundsätzlich erlern- und veränderbar ist. In Anlehnung an Helmkes Angebot-Nutzungs-Modell (2009) wird davon ausgegangen, dass der Kompetenzaufbau von kontextualen Faktoren wie beispielsweise Unterstützungsstrukturen, persönlichen Voraussetzungen wie die praktischen Vorerfahrungen und die Studienleistung, aber vor allem durch die individuelle Nutzung von Lerngelegenheiten bestimmt wird (Felbrich et al. 2008; Kunter et al. 2011; Kunina-Habenicht et al. 2013).

Zentrale Lerngelegenheiten im Studium stellen die Lehrveranstaltungen sowie die schulpraktischen Erfahrungen dar. Insbesondere den Praxisphasen wird nicht nur von den Studierenden, sondern auch von Politik und Gesellschaft (siehe Einleitung) eine hohe Bedeutung zugeschrieben, weswegen in fast allen Bundesländern mehr und längere Praktika implementiert wurden respektive werden (Gröschner et al. 2015).

Neben dem Wandel hin zu mehr Praxisphasen zeigt sich auch ein Trend im Hinblick auf eine intensivere Betreuung der Lehramtsstudierenden. Diese wird dabei klassisch von den Bildungswissenschaften und den Fachdidaktiken in Form von Vor‑, Nach- und/oder Begleitseminaren an den Hochschulen sowie von Lehrkräften an den Schulen übernommen (Gröschner et al. 2015).

Der Forschungsstand zur Entwicklung professioneller Kompetenz lässt noch einige Forschungsdesiderata vor allem im Hinblick auf die motivationalen Orientierungen offen. Bisherige Forschungsarbeiten beschäftigen sich vor allem mit der Beschreibung der motivationalen Orientierungen zu Beginn und/oder zum Ende des Studiums und wie sich diese auf den Studienerfolg oder die Studienzufriedenheit auswirken (Schwippert et al. 2013; Rothland 2014; König et al. 2016). Bezüglich der wenigen Befunde zur Veränderung der motivationalen Orientierungen über den Studienverlauf ist kein einheitliches Bild zu erkennen (Hoy und Spero 2005; Müller 2010; Abel 2011; Schwippert et al. 2013). Dies könnte mit den großen Differenzen in der Konzeption der Lehramtsstudiengängen sowie der strukturellen Komplexität derselben zusammenhängen, wodurch nicht klar ersichtlich wird, welche Faktoren genau die jeweiligen Effekte bedingen (Bauer et al. 2012).

Noch weniger Studien gibt es, welche die Veränderung von motivationalen Orientierungen im Hinblick auf die schulpraktischen Studien betrachten. Aus diesem Grund formulieren Rothland und Boecker (2015) ein klares Forschungsdesiderat im Hinblick auf die personalen Determinanten und Konsequenzen von Kompetenzentwicklung im Rahmen der schulpraktischen Studien, wozu beispielsweise die motivationalen Orientierungen und die pädagogischen Vorerfahrungen gezählt werden können.

Mit Blick auf die deutschsprachige Forschungslandschaft lässt sich erkennen, dass bisherige empirische Studien ihren Fokus stark auf die allgemeine Kompetenzentwicklung im Verlauf der Praktika gelegt haben. Diese zeigen, dass Praktika als Lern- und Professionalisierungsgelegenheit Kompetenzzuwächse initiieren (Müller 2010; Hascher 2012; Besa und Büdcher 2014; Gröschner et al. 2015; Rothland und Boecker 2015; Ulrich et al. 2020). Allerdings sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Generalisierung dieses Befundes nur sehr vorsichtig vorzunehmen ist. Die meisten der bisherigen Studien greifen lediglich auf Selbsteinschätzungen von Kompetenzen zurück und beschränken sich auf Stichproben aus nur einem Ausbildungsstandort, was aufgrund der großen strukturellen Vielfalt in der Lehrerbildung auch bezüglich der Praktika problematisch sein kann (Besa und Büdcher 2014; Rothland und Boecker 2015; Ulrich et al. 2020). Im Hinblick auf die subjektiven Kompetenzeinschätzungen konnte Hascher (2006) bereits zeigen, dass Studierende den Lernerfolg ihrer Praktika drei Jahre später und mit etwas mehr Berufserfahrung deutlich kritischer einschätzen (Hascher 2012).

Dem Wunsch nach immer mehr und längeren Praktika im Sinne des ‚viel hilft viel‘-Ansatzes muss nach bisherigen Studien abgesprochen werden. Die Dauer des Praktikums bewirkt keine signifikant größeren Kompetenzentwicklungen (Müller 2010; Hascher 2012; Rothland und Boecker 2015). Müller (2010) schließt daraus, dass mit zunehmender Praxisorientierung den theoretischen Ausbildungsanteilen eine größere Wertschätzung zuzuweisen ist.

Als wichtige Bedingungsfaktoren von Prozessen der Kompetenzentwicklung in den schulpraktischen Studien konnten Gröschner et al. (2013) die hochschulische Lernbegleitung herausarbeiten. In ihrer Untersuchung überprüften sie mittels multipler Regressionsanalysen den Einfluss der hochschulischen Lernbegleitung in Form von Begleitveranstaltungen mit der schulischen Lernbegleitung durch Mentoren und Mentorinnen. So konnten sie zeigen, dass trotz der besseren Einschätzung der schulischen Lernbegleitung durch die Studierenden, nur die hochschulische Lernbegleitung einen signifikanten Einfluss auf die Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren hat. Bach et al. (2014) haben allerdings zur Rolle schulischer Mentoren und Mentorinnen in einem Latent-Neighbor-Change-Modell zur Erklärung der Entwicklung allgemeindidaktischer Planungskompetenzen zeigen können, dass die empfundene Qualität der Beziehung zum Mentor bzw. der Mentorin mit der Kompetenzentwicklung im Verlauf des Praktikums korreliert. Im Laufe des Studiums spielt die Beziehung zu den Mentoren und Mentorinnen keine Rolle mehr für die weitere Entwicklung. Hobson et al. (2009) betonen ebenfalls die Bedeutung der Mentoren und Mentorinnen im Zuge ihrer Unterstützungsfunktion zur Entwicklung der Fähigkeiten der Studierenden sowie der Stärkung ihres Selbstbewusstseins und ihrer Berufszufriedenheit.

Folgende Erkenntnisse lassen sich bereits zur Entwicklung der motivationalen Orientierungen im Rahmen der schulpraktischen Studien verzeichnen. In Bezug auf die Berufswahlmotive haben König et al. (2016) gezeigt, dass intrinsische Motive im Gegensatz zu extrinsischen Motiven in den ersten zwei Studienjahren ansteigen. Zudem konnten sie nachweisen, dass schulpraktische Lerngelegenheiten sowie die Unterstützung durch die Mentoren und Mentorinnen, diese Veränderungsprozesse positiv beeinflussen. Diese Effekte waren in der Schweiz und in Österreich, die den Praxisphasen eine höhere Bedeutung beimessen, stärker als in Deutschland, da das Lehramtsstudium dort stärker theoriefokussiert ist.

Müller (2010) hat in einer Längsschnittstudie zu Langzeitpraktika mit Versuchs- und Kontrollgruppe herausgefunden, dass die allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartungen der Studierenden signifikant zunehmen. Zwischen Langzeitpraktika und den Kurzzeitpraktika bestehen keine signifikanten Unterschiede im Entwicklungspotenzial. Müller (2010) vermutet diesbezüglich, dass es für die Kompetenzentwicklung Theorie und Praxis gleichermaßen benötigt. Bach (2013) hat mithilfe von Latent-Change-Modellen gezeigt, dass die lehramtsspezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen während des Praktikums zunehmen. Durch das Follow-Up-Design konnte jedoch zudem gezeigt werden, dass die Lehrerselbstwirksamkeitserwartungen drei Monate nach dem Praktikum wieder leicht zurückgehen. Er stellt die Stabilität der Zunahme entsprechend in Frage. Interessant ist diesbezüglich allerdings, dass der leichte Rückgang bei eher günstigen Kompetenzentwicklungen geringer ausfällt. Seifert und Schaper (2018) konnten ebenfalls zeigen, dass die Selbstwirksamkeitserwartungen im Verlauf von Praxissemestern leicht zunehmen. Diese Zunahme wird insbesondere durch die Qualität der Betreuung der Mentoren und Mentorinnen der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung begünstigt.

3 Forschungsfragen

In der vorliegenden Studie werden folgende Fragestellungen untersucht:

Forschungsfrage 1

Wie verändern sich die motivationalen Orientierungen angehender Lehrkräfte durch das Absolvieren des Integrierten Semesterpraktikums?

Forschungsfrage 2

Wirkt sich das Integrierte Semesterpraktikum auf die Entwicklung motivationaler Orientierungen günstiger aus als das Absolvieren eines gewöhnlichen Semesters

Forschungsfrage 3

Wie beeinflussen die pädagogischen Vorerfahrungen, die Vornote in Bildungswissenschaft, die empfundene soziale Unterstützung durch die Ausbildungslehrkräfte und die Kommilitonen sowie die Reflexionsgelegenheiten der Begleitveranstaltungen die motivationalen Orientierungen der angehenden Lehrkräfte auch im Hinblick auf ihre Entwicklung?

Die erste Forschungsfrage fokussiert die Veränderung der motivationalen Orientierungen durch das ISP. Die lehramtsspezifischen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sollten gemäß den Ergebnissen der Studien von Müller (2010) und Bach (2013) zunehmen. Auch nach Bandura (1997) bietet das ISP zahlreiche Lern- und Professionalisierungsgelegenheiten. Sie können eigene Erfahrungen im Unterrichten sammeln, aber auch stellvertretende Erfahrungen durch das Beobachten ihrer Kommilitonen und Kommilitoninnen sowie Ausbildungslehrkräfte machen. Mitstudierende, Ausbildungslehrkräfte und Dozierende können durch entsprechende soziale Unterstützung für Zuspruch sorgen und die eigenen emotionalen Zustände verbessern, was ebenfalls die Selbstwirksamkeitserwartungen begünstigt. Zu den Berufswahlmotiven gibt es weniger Studien zu verzeichnen. Im Zuge der Studie von König et al. (2016) und der allgemeinen Erwartungen an Praktika sollten die Berufswahl sowie deren Motive reflektiert werden. Dementsprechend lassen sich zur ersten Forschungsfrage folgende Hypothesen ableiten:

H 1.1

Die Lehrerselbstwirksamkeitserwartungen nehmen zwischen beiden Messzeitpunkten zu.

H 1.2

Die Berufswahlmotive unterscheiden sich zwischen beiden Messzeitpunkten.

Die zweite Forschungsfrage fragt danach, ob die Veränderungen der motivationalen Orientierungen überhaupt auf das Integrierte Semesterpraktikum zurückzuführen sind oder ob es sich um eine reine Veränderung über die Zeit handelt. Gemäß den hohen Erwartungen an die schulpraktischen Studien zu sowohl der eigenen Kompetenzentwicklung als auch zu der Berufswahlreflexion, welcher die Konzeption des ISP gerecht zu werden versucht, sollte sich das ISP auch günstiger auswirken als das Absolvieren eines Regelsemesters. Demzufolge wird aus der zweiten Forschungsfrage folgende Hypothese abgeleitet:

H 2

Das Integrierte Semesterpraktikum wirkt sich günstiger auf die Entwicklung der motivationalen Orientierungen angehender Lehrkräfte aus als das Absolvieren eines gewöhnlichen Semesters.

Die dritte Forschungsfrage beschäftigt sich mit den Determinanten der Entwicklung der motivationalen Orientierungen. In Anlehnung an das Entwicklungsmodell professioneller Kompetenz von Kunter et al. (2011) spielen bei der Kompetenzentwicklung neben der Nutzung von Lernangeboten auch kontextuelle und persönliche Faktoren eine Rolle. Auch Hascher (2014) stellt dar, dass individuelle Faktoren eine Bedeutung für Lern- und Entwicklungsprozesse im Studium haben können. Bessere Leistungen in den Bildungswissenschaften und die pädagogischen Vorerfahrungen der Studierenden müssten sich gemäß Banduras Theorie günstig auf die Selbstwirksamkeitserwartungen der Studierenden auswirken. Eigene Vorerfahrungen, positives Feedback sowie Erfolge in Form von guten Noten sollten das eigene Kompetenzerleben begünstigen und sich damit auf die Selbstwirksamkeitserwartungen zu Messzeitpunkt 1 auswirken. Pädagogische Vorerfahrungen wirken sich nach Rothland (2015) zudem ebenfalls günstig auf die Berufswahlmotive aus. Daraus wird folgende Hypothese gefolgert:

H 3.1

Bessere Modulnoten in den Bildungswissenschaften und die pädagogischen Vorerfahrungen wirken sich günstig auf die Selbstwirksamkeitserwartungen und die Berufswahlmotive der Studierenden aus.

Im Rahmen der allgemeinen Kompetenzentwicklung existieren bereits Ergebnisse zur Bedeutung der Mentoren und Mentorinnen. Während Bach et al. (2014) den Zusammenhang von der allgemeindidaktischen Kompetenzentwicklung und der Qualität der Beziehung in einem Latent-Change-Neighbor-Modell nachweisen konnten, betont Hascher (2012, 2014) die Bedeutung der Qualität und Kooperationsbereitschaft der an der Ausbildung beteiligten Personen. Dies lässt, auch unter Einbezug der Ergebnisse von Gröschner et al. (2013), darauf schließen, dass auch die Begleitung der Dozierenden und Studierenden von Bedeutung bei der Entwicklung entsprechender Kompetenzfacetten sein können. Begleitseminare als Form der hochschulischen Lernbegleitung haben nach Gröschner et al. (2013) einen Einfluss auf die allgemeine Kompetenzentwicklung. In Bezug auf die Entwicklung der Berufswahlmotive sollten sie die Reflexion der Praxiserfahrungen fördern, da über Erlebtes gesprochen und diskutiert wird und Theorie mit Praxis verzahnt werden soll. Aus diesem Grund lauten die letzten Hypothesen:

H 3.2

Die soziale Unterstützung durch Dozierende, Studierende und Ausbildungslehrkräfte wirken sich günstig auf die Entwicklung von Selbstwirksamkeitserwartungen und der Berufswahlmotive aus.

H 3.3

Reflexionsgelegenheiten in den Begleitveranstaltungen wirken sich günstig auf die Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartungen und der Berufswahlmotive aus.

4 Methodisches Vorgehen

4.1 Studiendesign

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein quasi-experimentelles Prä-Post-Design mit Kontrollgruppe gewählt. Hierbei wurden 236 Studierende an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe im Rahmen ihrer bildungswissenschaftlichen Begleitveranstaltungen sowohl vor als auch nach ihrem ISP befragt. Dieses Praktikum zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um ein intensiv betreutes Pflichtpraktikum handelt. Die Studierenden sind zunächst für drei Wochen im Block an ihrer Ausbildungsschule und dann im Laufe des Semesters für 12 Wochen noch an drei Tagen pro Woche. An den anderen zwei Tagen finden sowohl Begleitveranstaltungen in den Bildungswissenschaften als auch in den Fachdidaktiken statt. Die intensive Betreuung ergibt sich aber nicht nur durch die Begleitveranstaltungen, sondern insbesondere durch die Vorortbetreuung von Hochschuldozierenden an zwei Tagen jede Woche. Zu den Aufgaben der Studiereden gehört es, ca. 100 Unterrichtsstunden zu hospitieren und ca. 30 h eigenen angeleiteten Unterricht zu halten. Von diesen 30 h werden ca. 15 vor den Hochschuldozierenden, Ausbildungslehrkräften und den Mitstudierenden gehalten, welche die Unterrichtsstunden im Anschluss gemeinsam reflektieren. Bei den restlichen Stunden sind nur die Mitstudierenden und die Ausbildungslehrkräfte anwesend. Außerdem sollen die Studierenden nicht nur im Unterricht hospitieren, sondern am gesamten Schulleben teilnehmen.

4.2 Stichprobe

In der Interventionsgruppe haben zum ersten Messzeitpunkt 201 und zum zweiten Messzeitpunkt 207 Studierende teilgenommen. Personen, die nur an einem Messzeitpunkt teilgenommen haben, wurden entweder aus den Analysen ausgeschlossen oder über die Full-Information-Maximum-Likelihood-Prozedur geschätzt.

Zusätzlich zur Interventionsgruppe wurde die Kontrollgruppe von 48 Personen online akquiriert. Die Bedingung der Teilnahme war, dass die Teilnehmenden sich in einem ähnlichen Zeitpunkt im Studium befanden und in diesem Semester kein Praktikum absolvierten. In Tab. 1 sind deskriptive Statistiken für demografische Angaben für beide Gruppen dargestellt.

Tab. 1 Stichprobenbeschreibung

Besonderheiten in der Stichprobenziehung ergaben sich durch die vorgegebenen Rahmenbedingungen im Forschungsfeld. Das Geschlechterverhältnis entspricht demjenigen der entsprechenden Studiengänge an der untersuchten Hochschule. Des Weiteren wurden mehr angehende Grundschullehrkräfte im Praktikum erfasst, da durch den Wechsel vom Staatsexamensstudiengang zum Bachelor-Master-System sich Veränderungen in der Studienstruktur ergaben. So ist das Integrierte Semesterpraktikum im Primarstufenlehramt im Bachelor vorgesehen, im Sekundarstufenlehramt allerdings erst im Master, welcher zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht angeboten wurde.

Während der Drop-Out durch den Rückgriff auf die bildungswissenschaftlichen Begleitveranstaltungen bei der Praktikumsgruppe relativ gering ausfiel, war der Drop-Out bei der Kontrollgruppe aufgrund mehrerer Hürden deutlich höher. Diese bestanden darin, dass die Studierenden sich zweimal freiwillig einer Online-Befragung unterziehen mussten, wobei es für die Rekrutierung zum zweiten Messzeitpunkt notwendig war, dass sie ihre Emailadresse in einer anonymisierten Datenbank hinterließen. Die Drop-Out-Analysen ergaben, dass sich die Drop-Outs weder in soziodemographischen noch in den motivationalen Orientierungen signifikant von den restlichen Probanden unterschieden.

4.3 Instrumente

Der Fragebogen enthielt neben soziodemographischen Fragen, die Lehrerselbstwirksamkeitsskala (Schwarzer und Schmitz 1999), den FEMOLA-Fragebogen (Pohlmann und Möller 2010), die Skalen zur sozialen Unterstützung durch Ausbildungslehrkräfte sowie Dozierende und die Skalen zur Evaluation der Seminarqualität aus der BilWiss-Studie (Kunter et al. 2016). Alle Skalen weisen zu beiden Messzeitpunkten gute Werte bezüglich der internen Konsistenz auf (0,63 < \(\alpha\)< 0,90) und können in der Tabelle (Anhang, Tab. 5) mit zusätzlichen Angaben zu den Beispielitems und den deskriptiven Statistiken zum jeweiligen Messzeitpunkt im Anhang eingesehen werden.

4.4 Statistische Analyseverfahren

Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage – wie sich die motivationalen Orientierungen im Verlauf des Integrierten Semesterpraktikums verändern – wurden neben gepaarten T‑Tests auch latente Modellierungsverfahren zur Überprüfung der Stabilität und Variabilität der Konstrukte mit Hilfe des R‑Pakets lavaan (Rosseel 2012) angewandt.

Die Untersuchung der Stabilität der motivationalen Orientierungen erfolgte anhand von Latent-State-Modellen. Die Korrelation zwischen den latent berechneten State-Faktoren der Messzeitpunkte gibt an, wie stabil die jeweilige Veränderung ist (Geiser 2011). Aufgrund der Komplexität der Modelle und der eher geringen Stichprobengröße wurde auf die Bildung von Parcels zurückgegriffen.

Die Prüfung der multivariaten Normalverteilungen erfolgt anhand der Empfehlungen von Weiber und Mühlhaus (2014) mittels der Begutachtung der Schiefe und Kurtosis jedes einzelnen Indikators. Kein Parcel überschritt die kritischen Werte von einem Betrag größer 2 für die Schiefe und einem Betrag größer 7 für die Kurtosis (s. Anhang, Tab. 7). Eine multivariate Normalverteilung kann somit angenommen werden, was die Berechnung der Modelle erlaubt.

Um darüber hinaus indikatorspezifische Residualvarianz explizit zu berücksichtigen, wurde jeweils für den zweiten und dritten Indikator ein indikatorspezifischer Residualfaktor gebildet, der mit den State-Faktoren unkorreliert ist. Die zusätzlichen Ladungen auf die entsprechenden Indikatoren weisen daraufhin, ob es indikatorspezifische Messeffekte gibt, die es zu berücksichtigen gilt (Geiser 2011).

Da die latenten Stabilitätskoeffizienten alleine noch keine Aussage über die tatsächliche Stärke der Zu- oder Abnahme zulassen, wurden im Anschluss noch Latent-Change-Modelle als Variabilitätsmodelle modelliert (Geiser 2011). Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Veränderung über die Zeit durch eine latente Differenzvariable spezifiziert wird. Latent-Change-Modelle verlangen jedoch zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen, dass die Indikatoren starke Messinvarianz (MI) aufweisen. Zur Überprüfung dieser Voraussetzung wurden die Latent-State-Modelle derartig erweitert, dass die Faktorladungen und die Intercepts der Indikatoren zu beiden Messzeitpunkten gleichgesetzt wurden. Damit die Voraussetzung erfüllt ist, muss das restringierte Modell weiterhin einen passablen Modellfit aufweisen und darf im direkten Modellvergleich nicht deutlich schlechter abschneiden (s. \(\chi ^{2}\)-Differenztests im Anhang, Tab. 8).

In einem weiteren Schritt wurde mithilfe der Kontrollgruppe und Varianzanalysen geprüft, ob die gefundenen Entwicklungsverläufe durch die Zeit oder durch das Absolvieren des Praktikums zustande kommen (Forschungsfrage 2). Um Kontroll- und Praktikumsgruppe besser vergleichen zu können, wurde eine Parallelisierung der Teilstichproben mittels des Auffindens statistischer Zwillinge vollzogen. Hierfür wurden anhand von propensity scores und der Nearest-Neighbor-Methode jeder Person aus der Kontrollgruppe anhand der Merkmalsausprägungen der motivationalen Orientierungen zum ersten Messzeitpunkt ein möglichst ähnliches Gegenstück aus der Praktikumsgruppe zugeordnet (Bacher 2002; Döring und Bortz 2016). So ergab sich eine gematchte Stichprobe von 48 Personen. Dieses Vorgehen war notwendig, da beide Stichproben sich sowohl von der Größe als auch zum Teil bezüglich der Ausprägungen der motivationalen Orientierungen zu Beginn unterschieden.

Der letzte Analyseschritt widmete sich der Identifikation von Prädiktoren der Entwicklung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Forschungsfrage 3), da diese die einzigen motivationalen Orientierungen sind, die im Verlauf des Integrierten Praktikums eine Veränderung gezeigt haben und zudem die geringste Stabilität aufwiesen. Zur Vorhersage der Entwicklung der lehramtsspezifischen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und damit der Variabilität wurde das Latent-Change-Modell zur Berechnung der latenten Mittelwertdifferenzen um entsprechende Prädiktoren auf der latenten Differenzvariable und der latenten State 1 Variable ergänzt. Als Prädiktoren für die lehramtsspezifischen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zu Messzeitpunkt 1 wurde in das Modell die Anzahl der bisher gehaltenen Unterrichtsstunden als pädagogische Vorerfahrung und die Vornote in Bildungswissenschaft als Indikator der persönlichen Studienleistung aufgenommen. Zur Vorhersage der Entwicklung wurde das Modell um die empfundenen Reflexionsgelegenheiten in der bildungswissenschaftlichen Begleitveranstaltung, die soziale Unterstützung der Ausbildungslehrkräfte und die soziale Unterstützung durch die Mitstudierenden, welche an der gleichen Ausbildungsschule sind, erweitert. Die soziale Unterstützung durch die betreuenden Dozierenden konnte nicht ergänzt werden, da die konfirmatorischen Faktorenanalysen für dieses Konstrukt keine akzeptablen Fit-Indices aufwiesen.

Die Beurteilung der Fit-Indices für die Strukturgleichungsmodelle erfolgte anhand der Empfehlungen von Weiber und Mühlhaus (2014). Sie legen als Mindestanforderungen folgende cut-off-Werte fest. \(\chi ^{2}\)/df \(\leq\) 3,0; CFI \(\geq\) 0,90; RMSEA \(\geq\) 0,08; und SRMR \(\geq\) 0,10. Darüber hinaus wurden fehlende Werte bei den Strukturgleichungsmodellierungen mittels des Full-Information-Maximum-Likelihood-Verfahren (FIML) ersetzt.

5 Ergebnisse

5.1 Entwicklung motivationaler Orientierungen im Verlauf des Integrierten Semesterpraktikums

Zur Betrachtung der Veränderung im Integrierten Semesterpraktikum wurden zunächst Mittelwertvergleiche berechnet und auf ihre Signifikanz mit Hilfe des gepaarten T‑Tests hin geprüft. Des Weiteren wurde die Effektstärke Cohen’s d berechnet, um die inhaltliche Relevanz des Unterschieds interpretieren zu können.

Es zeigt sich (s. Tab. 2), dass alle Berufswahlmotive im Verlauf des Praktikums stabil bleiben und sich nicht oder nur geringfügig verändern (d ≤ 0,15). Die Ergebnisse der Berufswahlmotive weisen zudem alle keinen signifikanten Unterschied auf. Einzig für die Lehrerselbstwirksamkeit zeigt sich ein signifikanter Unterschied (p < 0,001) mit einer mittleren Effektstärke (d = 0,57). Da der T‑Test die Normalverteilung der Variablen voraussetzt, wurde für das pädagogische Interesse zusätzlich die nicht parametrische Alternative des Wilcox-Tests berechnet. Dieser Test weist ebenfalls keinen signifikanten Unterschied auf (Z (n = 172) = −0,81; p = 0,419).

Tab. 2 Mittelwertdifferenz im Verlauf des ISP

Die Latent-State-Modelle weisen durch die Hinzunahme der Residualfaktoren einen sehr guten Modelfit auf (s. Tab. 3). Lediglich die Modelle für das pädagogische und fachliche Interesse weisen einen schlechten Fit bei dem RMSEA-Wert auf (RMSEA > 0,10). Jedoch liegen die weiteren Fit-Indices im sehr guten Bereich, weshalb auch diese Modelle interpretierbar sind. Bei der Begutachtung der Ladungen ist festzustellen, dass die Indikatoren gut auf die State-Faktoren laden (λ > 0,50) und dass alle Ladungen der itemspezifischen Faktoren nur auf kleine bis moderate itemspezifische Effekte hinweisen (0,21 < λ < 0,72). Letztendlich zeigt sich, dass die motivationalen Orientierungen äußerst stabil sind, da die latenten State-Faktoren hoch korrelieren (0,61 < r < 0,84).

Tab. 3 Latent-State-Stabilitätsmodelle

Da dieser Befund alleine noch keine Aussage über die tatsächliche Stärke der Zu- oder Abnahme zulässt, wurden anschließend Latent-Change-Modelle modelliert. Der Modellvergleich (s. Anhang) lässt bei allen Modellen den Schluss für die starke Messinvarianz der Indikatoren zu und die Fit-Indices weisen ebenfalls auf einen guten Modellfit hin.

Die Ergebnisse der Latent-Change-Modelle bestätigen ebenfalls die Befunde aus den manifesten Analysen (s. Tab. 4). Auch hier zeigt sich lediglich für die Lehrerselbstwirksamkeit eine signifikante Mittelwertdifferenz (MMZP2−MZP1= 0,195; p < 0,001). Interessant ist allerdings, dass die messfehlerbereinigte Mittelwertdifferenz deutlich höher ausfällt als bei der Analyse auf manifester Ebene. Erwartungsgemäß scheint der Einfluss des Integrierten Semesterpraktikums auf die Lehrerselbstwirksamkeit noch größer zu sein als durch die T‑Tests vermutet.

Tab. 4 Latent-Change-Modelle zur Berechnung der latenten Mittelwertdifferenzen

5.2 Entwicklung der motivationalen Orientierungen im Vergleich zur Kontrollgruppe

Zur Betrachtung der unterschiedlichen Entwicklungsverläufe zwischen Praktikums- und Kontrollgruppe wurden Varianzanalysen mit der gematchten Stichprobe gerechnet (siehe auch Abb. 1). Das Matching fand anhand der Merkmalsausprägungen aller motivationalen Orientierungen zu Messzeitpunkt 1 statt. Die Varianzanalysen ergeben für das fachliche Interesse, die empfundene Nützlichkeit und den sozialen Einfluss der Berufswahl keine signifikanten Effekte. Für die Lehrerselbstwirksamkeit zeigt sich ein kleiner Gruppeneffekt (F (1, 46)=4,10; p=0,049; \({\eta _{\text{partiell}}}^{2}\)= 0,082), der darauf hinweist, dass das Matchingverfahren für diese motivationale Orientierung kein optimales Ergebnis geliefert hat. Allerdings zeigt der Interaktionseffekt (F (1, 46)=5,44; p=0,024; \({\eta _{\text{partiell}}}^{2}\)= 0,106) einen deutlichen Einfluss des Praktikums im Vergleich zur Kontrollgruppe. Wird die Varianzanalyse mit einer gepaarten Stichprobe durchgeführt, die beim Matching nur die Ausprägung der Lehrerselbstwirksamkeit zum ersten Messzeitpunkt berücksichtigt, verschwindet erwartungsgemäß der Gruppeneffekt und der Interaktionseffekt wird sogar noch größer (F (1, 50) = 8,02, p=0,007; \({\eta _{\text{partiell}}}^{2}\)= 0,138).

Abb. 1
figure 1

Liniendiagramme der Veränderung mit gepaartem Matching (*signifikant mit p < 0,05)

Die Varianzanalysen der Entwicklung des pädagogischen Interesses zeigen, dass dort deutliche Zeiteffekte (F (1, 46)=10,61; p=0,002; \({\eta _{\text{partiell}}}^{2}\)= 0,187) vorliegen, die unabhängig vom Absolvieren des Praktikums sind. Zwar zeigten die gepaarten T‑Tests der Praktikumsgruppe keinen signifikanten Zuwachs im Verlauf des Praktikums, jedoch liefern die Varianzanalysen einen Hinweis dafür, dass diese unabhängig vom Praktikum ansteigen. Dies liegt allerdings darin begründet, dass die Kontrollgruppe einen deutlich geringeren Ausgangswert aufweist als die gesamte Praktikumsgruppe. Durch die Zuweisung statistischer Zwillinge wurden dementsprechend nur Praktikanten mit geringen Ausprägungen zu Beginn ausgewählt. Dies weist daraufhin, dass in der Praktikumsgruppe deutliche Deckeneffekte zu vermuten sind, da sich eine Zunahme des pädagogischen Interesses in den Mittelwertsvergleichen mit sehr hohen Ausgangswerten im Vergleich zu den Varianzanalysen gar nicht zeigen konnte.

Ein weiterer Befund der Varianzanalysen stellt die unterschiedliche Entwicklung der empfundenen Schwierigkeit des Lehramtsstudiums dar. Während diese Vorstellung im Verlauf des Praktikums relativ konstant bleibt, steigt die Überzeugung der Leichtigkeit des Studiums bei der Kontrollgruppe an (Interaktionseffekt: F (1, 46)=5,80; p=0,020; \({\eta _{\text{partiell}}}^{2}\)= 0,112). Letztlich muss selbstverständlich berücksichtigt werden, dass die Befunde der parallelisierten Stichprobe nur Hinweise liefern, da hier keinesfalls annähernde Repräsentativität – selbst für den untersuchten Standort – vorliegt.

5.3 Prädiktoren der Veränderung der Lehrerselbstwirksamkeit im Verlauf des Integrierten Semesterpraktikums

Der letzte Analyseschritt widmet sich der Identifikation von Prädiktoren der Entwicklung der lehramtsspezifischen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, da diese die einzigen motivationalen Orientierungen darstellen, die sich im Verlauf des Praktikums verändern bzw. die geringste Stabilität aufweisen. Das neu formulierte Modell mit hinzugenommenen Prädiktoren für die latente State 1 und Differenzvariable weist insgesamt einen akzeptablen bis guten Modellfit auf.

Mit Blick auf die Vorhersage der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen vor dem Praktikum zeigen die Ergebnisse einen kleinen Effekt der pädagogischen Vorerfahrung in Form der Anzahl der bereits gehaltenen Unterrichtsstunden (s. Abb. 2). Der Einfluss der Vornote auf den Ausgangswert ist allerdings aufgrund der klassischen Notenkodierung negativ zu interpretieren. Damit weist die Studienleistung einen kleinen negativen Einfluss auf die lehramtsspezifischen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zu Beginn auf. Für die Vorhersage der Entwicklung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zeigen nur die Reflexionsgelegenheiten in den Begleitveranstaltungen einen kleinen Effekt. Die soziale Unterstützung in Form von emotionaler, informationeller und instrumenteller Unterstützung durch die Mitstudierenden und die Ausbildungslehrkräfte scheint keinen Einfluss zu haben. Dieses Ergebnis steht in Einklang zu den Ergebnissen von Gröschner et al. (2013), die zeigen konnten, dass die hochschulische Lernbegleitung im Vergleich zur Lernbegleitung an der Schule von größerer Bedeutung ist, auch wenn die Studierenden die schulische Lernbegleitung besser bewerten.

Abb. 2
figure 2

Latent-Change-Modell (\(\chi ^{2}\)(514) = 712,74; p < 0,000; CFI = 0,923; RMSEA = 0,044; SRMR = 0,068) (KSozU soziale Unterstützung durch die Kommilitonen, LSozU soziale Unterstützung durch die Ausbildungslehrkräfte, Reflex Reflexionsgelegenheiten in den bildungswissenschaftlichen Begleitseminaren, Anz US Anzahl gehaltener Stunden vor dem ISP, Vornote BW Vornote in den Bildungswissenschaften, LSWK State 1 Lehrerselbstwirksamkeit zu Beginn des Praktikums, LSWK State 2 Lehrerselbstwirksamkeit zum Ende des Praktikums, IS 1 und 2 Itemspezifische Faktoren. Alle Ladungen, Korrelationen und Regressionen, die auf einem Signifikanzniveau von p < 0,05 signifikant sind, werden mit Pfeilen mit durchgezogenen Linien dargestellt. Alle nichtsignifikanten mit gestrichelten Pfeilen)

Schließlich zeigt das Modell auch den Befund, dass die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zu Beginn des Praktikums negativ mit ihrer Entwicklung korrelieren. Die Zunahme der Selbstwirksamkeit wird also geringer, je höher bereits die Ausprägung dieser motivationalen Orientierung zu Beginn war.

6 Diskussion

Die erste Forschungsfrage widmet sich der Untersuchung der Entwicklung der motivationalen Orientierungen im Verlauf des Integrierten Semesterpraktikums. Hierzu haben die Ergebnisse gezeigt, dass insbesondere die Berufswahlmotive inklusive der intrinsischen Motivationsfaktoren im Sinne des Lehrerenthusiasmus äußerst stabil und veränderungsresistent sind. So zeigen sich sowohl auf latenter als auch auf manifester Ebene keine statistisch bedeutsamen Veränderungen über die Zeit im Praktikum. Dies widerspricht den Ergebnissen von König et al. (2016), die eine Zunahme der intrinsischen Motive im Vergleich zu extrinsischen Motiven in den ersten zwei Studienjahren auch in Abhängigkeit zu schulpraktischen Lerngelegenheiten nachweisen konnten. Das hier vorgefundene Ergebnis deutet daraufhin, dass entweder die Berufswahlmotive nicht entsprechend reflektiert werden oder dass die Studierenden bereits mit sehr gefestigten und reflektierten Motiven ins Integrierte Semesterpraktikum starten. Während Hascher (2012) die Berufswahlreflexion in Praktika generell in Frage stellt, vermuten Porsch et al. (2019) aufgrund der kognitiven Dissonanztheorie, das gerade negative Erfahrungen nicht zur eigenen Selbstreflexion herangezogen werden. Um Genaueres über die Reflexionsprozesse bezüglich der Berufswahlmotivation durch das Integrierte Semesterpraktikum zu erfahren, müssen Studien folgen, die nicht nur die Ausprägungen der Motive zu Beginn und zum Ende des Praktikums erheben, sondern zusätzlich auch die Intensität der Reflexion begutachten.

Im Gegensatz zu den Berufswahlmotiven zeigt sich eine sehr deutliche Veränderung der Lehrerselbstwirksamkeit im Zuge des Integrierten Semesterpraktikums. Die Studierenden haben die Möglichkeit sehr viel eigene Erfahrung im Unterrichten und dem Arbeiten in der Schule zu sammeln, was sich deutlich in ihrer eigenen Kompetenzwahrnehmung und schließlich in ihren Selbstwirksamkeitserwartungen widerspiegelt. Die Zunahme der Lehrerselbstwirksamkeit verläuft darüber hinaus äußerst stabil. Dies bedeutet, dass sich der vorgefundene Anstieg der Lehrerselbstwirksamkeitserwartungen bei vielen Studierenden auf ähnliche Art und Weise (s. Stabilitätskoeffizienten Tab. 3) zeigt. Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit denjenigen von Bach (2013), Müller (2010), Böhnert et al. (2018) und Ulrich et al. (2020). Wobei sowohl Bach (2013) und Böhnert et al. (2018) die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung durch Follow-Up-Untersuchungen in Frage stellen, da die starke Zunahme im Laufe des Studiums wieder leicht zurückgeht. Allerdings fällt diese auch nicht komplett auf das Ausgangsniveau zurück. In den Analysen von ISP- und Kontrollgruppe wurde deutlich, dass die Entwicklung der Lehrerselbstwirksamkeit stark mit dem Absolvieren des Integrierten Semesterpraktikums zusammenhängt. Während in der Kontrollgruppe die Lehrerselbstwirksamkeit im Laufe eines Semesters abnahm, zeigte sich ein deutlicher Zuwachs in der ISP-Gruppe. Durch die Parallelisierung der Stichprobe konnte gezeigt werden, dass die deutliche Veränderung der Lehrerselbstwirksamkeit auf das Absolvieren des Praktikums zurückgeführt werden kann und somit nicht eine einfache Veränderung über die Zeit im Laufe des Lehramtsstudiums darstellt. Einen ähnlichen Befund weisen die Analysen zur Vorstellung der Leichtigkeit des Lehramtsstudiums auf. Während die Vorstellung, dass ein Lehramtsstudium leicht zu bewältigen ist, im Verlauf des Integrierten Semesterpraktikums eher gleich bleibt oder rein deskriptiv ganz leicht abnimmt, nimmt diese Vorstellung beim Absolvieren eines gewöhnlichen Semesters zu. Diese unterschiedliche Entwicklung erweist sich ebenfalls als statistisch bedeutsam.

Die Ergebnisse geben zudem einen Hinweis darauf, dass das pädagogische Interesse grundsätzlich im Studium stetig zunimmt, unabhängig davon, ob Praktika absolviert werden oder nicht. In der Gesamtstichprobe konnte sich dieser Befund wahrscheinlich nicht deutlich zeigen, da hier starke Deckeneffekte zu vermuten sind. Die Studierenden hatten bereits zu Beginn des Praktikums ein derart großes pädagogisches Interesse, dass eine Zunahme im Messinstrument vermutlich gar nicht sichtbar werden konnte. Abschließend deuten diese Analysen darauf hin, dass die Studierenden im Praktikum die Herausforderungen des Lehrerberufs durchaus wahrnehmen und dass sich die Bewältigung dieser Herausforderungen gerade günstig auf die Entwicklung der Lehrerselbstwirksamkeit auswirken (vgl. Bandura 1997; Kosinár et al. 2016).

Die dritte Forschungsfrage setzt ihren Fokus auf die Determinanten der Veränderungsprozesse im Integrierten Semesterpraktikum. Zur Vorhersage der Ausgangwerte zeigt sich, dass sich die Anzahl der bereits gehaltenen Stunden und damit die pädagogische Vorerfahrung auf die Lehrerselbstwirksamkeit auswirkt. Dahingegen wirkt sich die bessere Studienleistung in den Bildungswissenschaften negativ auf die Lehrerselbstwirksamkeit aus. Dies erscheint untypisch, da Erfolgserlebnisse im Studium sich günstig auf das subjektive Kompetenzempfinden auswirken sollten. Es könnte allerdings nach der Theorie von Wahl (2013) sein, dass die Studierenden nicht nur ihr Wissen als träges Wissen nicht in ihre Handlungen übertragen, sondern, dass sie ihr Wissen gar nicht erst auf ihre Handlungskompetenz hin attribuieren. Stattdessen scheint das Wissen über die Theorien und Herausforderung des Lehramts vor dem Praktikum eine selbstkritischere Selbstwahrnehmung zu fördern. Diese Hypothese müsste in Folgestudien genauer in den Blick genommen werden.

Aufgrund der Tatsache, dass sich nur für die Lehrerselbstwirksamkeit eine Veränderung im Verlauf des Integrierten Praktikums zeigt, wurde auch nur diese Veränderung auf ihre Determinanten neben der reinen Praxiserfahrung hin begutachtet. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass kaum Prädiktoren einen Einfluss auf die Veränderung im Praktikum haben. Der einzige Faktor, der neben der Praxiserfahrung eine kleine Rolle spielt, sind die Reflexionsgelegenheiten in den bildungswissenschaftlichen Begleitseminaren. Je mehr und intensiver Reflexions- und Diskussionsmöglichkeiten geboten werden, desto mehr nimmt die Lehrerselbstwirksamkeit zu. Dies steht in Einklang mit bisherigen Forschungsarbeiten, die den Reflexionsgelegenheiten und -prozessen im Rahmen von schulpraktische Studien besondere Bedeutung zuschreiben (Gröschner et al. 2013; Staub et al. 2014; Decker et al. 2015; Dehne et al. 2018; Doll et al. 2018). Die soziale Unterstützung in Form emotionaler, informationeller und instrumenteller Unterstützung durch Ausbildungslehrkräfte und der Mitstudierenden an derselben Ausbildungsschule spielt keine Rolle. Auch hier wird insbesondere die Rolle der hochschulischen Lern- und Reflexionsbegleitung im Vergleich zu anderen Unterstützungsgelegenheiten im Praktikum unterstrichen, die bereits Gröschner et al. (2013) herausarbeiten konnten. Dennoch sollte unter Einbezug der Ergebnisse von Bach (2013), Doll et al. (2018), Hascher (2012), Hobson et al. (2009), Schubarth et al. (2014) und Ulrich et al. (2020), die Rolle der Mentoren über die soziale Unterstützung hinaus genauer betrachtet werden.

Mit Blick auf die Bedeutsamkeit und die Übertragbarkeit der Ergebnisse weist die Studie einige Limitationen und Grenzen auf. Die erste große Einschränkung betrifft die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Hochschulstandorte. Die hier durchgeführte Studie nahm nur das Integrierte Semesterpraktikum der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe in den Blick und ist entsprechend der Stichprobenziehung höchstens für diesen Hochschulstandort repräsentativ. Ein weiteres Problem der Studie stellt die Stichprobenziehung der Kontrollgruppe dar. Leider erklärten sich nur wenige Studierende bereit, an der Studie teilzunehmen. Darüber hinaus fiel die Drop-Out-Rate sehr hoch aus, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse mit der Kontrollgruppe noch weiter einschränkt. Trotz aller Einschränkungen gibt die Studie jedoch einige Hinweise, die für Praxis und Forschung Relevanz aufweisen.

Generell ist eine Replikation der hier vorgefundenen Ergebnisse in größeren Studien mit größerer Stichprobe und über mehrere Hochschulstandorte sehr wünschenswert. Dabei bietet sich die Ergänzung einer Skala zur Reflexionsintensität im Hinblick auf die Berufswahlmotive an, um herauszufinden, ob die Nicht-Veränderung der Berufswahlmotive auf fehlende Reflexion zurückzuführen ist oder nicht (vgl. Hascher 2012; Porsch et al. 2019). Des Weiteren wäre es sinnvoll, weitere Facetten der Kompetenzentwicklung als die motivationalen Orientierungen in den Blick zu nehmen. So existieren zwar einige Studien, welche die subjektive Kompetenzentwicklung genauer untersucht haben (vgl. Gröschner et al. 2013; Besa und Büdcher 2014; Ulrich et al. 2020), jedoch gibt es wenige, die objektive Instrumente der Kompetenzmessung oder weitere Facetten der professionellen Handlungskompetenz nach Baumert und Kunter (2006) integriert haben. So wäre es beispielsweise denkbar, einen Wissenstest oder Instrumente zur Begutachtung der Veränderung der Überzeugungen zum Lehren und Lernen in die Evaluation zu integrieren. Darüber hinaus wäre es im Sinne einer objektiveren Kompetenzmessung sinnvoll, Fremdeinschätzungen der Studierenden mittels der betreuenden Ausbildungslehrkräfte und Dozierenden miteinzubeziehen.

Für die Praxis weisen die Ergebnisse ebenfalls Relevanz auf. So konnte durch die Studie die Rolle der Praktika im Hinblick auf die subjektive Kompetenzentwicklung hin bestärkt werden. Zwar bestätigen die Ergebnisse nicht die Bedeutung der Betreuung der Ausbildungslehrkräfte und der Dozierenden, allerdings konnte das Ergebnis von Gröschner et al. (2013) repliziert werden, dass die hochschulische Lernbegleitung in Form von Begleitseminaren im Vergleich zur schulischen Lernbegleitung von größerer Relevanz ist. Die hochschulische Lernbegleitung zeichnet sich dabei insbesondere durch die fundierten Reflexionsgelegenheiten aus.