Vor allem im vergangenen Jahrzehnt ist es in Folge der Globalisierungs- und Standardisierungsprozesse im weltweiten Bildungssystem auch zu einer forcierten Durchsetzung von Internationalisierungsprozessen in den verschiedenen Bereichen des Bildungswesens in Deutschland gekommen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang etwa auf die Expansion von bilingualen Grundschulen und Gymnasien, auf die Umprofilierung oder Neugründung von Hochbegabtengymnasien mit einem breiten Fremdsprachenprofil oder die in den Metropolregionen stark expandierenden, zumeist privat organisierten International Schools, die nicht nur von global mobilen internationalen Führungskräften sondern zunehmend auch von zahlungskräftigen deutschen Eltern für ihre Kinder nachgefragt werden. Insbesondere im Hochschulbereich ist Internationalität inzwischen zu einem Schlüsselbegriff anvanciert. Mittlerweile verfügt fast jede Hochschule über eine Internationalisierungsstategie (GWK 2013) und Auslandssemester sind häufig in den Studiengängen vorgesehen. Neben dieser Internationalisierung in der Breite des Hochschulsystems ist Internationalität aber auch zu einem Merkmal geworden, das bei der vertikalen Differenzierung der Hochschullandschaft eine zentrale Rolle spielt. Für politische Programme wie die von der DFG koordinierte Exzellenzinitiative oder Rankings, die auf internationale Sichtbarkeit von wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsaktivitäten setzen, gilt Internationalität als Ausweis von Exzellenz.

Die vorab beschriebenen Entwicklungen sind jedoch historisch keineswegs neuartige Phänomene. Internationalisierungsprozesse haben auch im deutschen Bildungssystem eine lange Vorgeschichte, die bis weit ins 19. Jahrhundert zurückgeht und die insbesondere durch die bildungspolitischen Aktivitäten neu gegründeter internationaler Organisationen wie der UNESCO oder der OECD in den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg eine neue Dynamik erhielten. So wurden zum Beispiel bereits in den 1950er und 1960er-Jahren teilweise aufgrund der Initiative der UNESCO in westdeutschen Großstädten erste internationale Schulen eröffnet (Hornberg 2010). Im Gefolge des kulturellen Wandels und der gymnasialen Bildungsreformen seit Anfang der 1970er Jahre verloren zudem die altsprachlichen Traditionsgymnasien an Akzeptanz. Erfolgreicher wurden Gymnasien, die auf neue Formen der Internationalisierung, zum Beispiel bilinguale Klassen, setzten. Außerdem wurden seit den 1980er-Jahren internationale Austauschprogramme vor allem an den Gymnasien ebenso ausgebaut wie an den Hochschulen, hier etwa durch die von der Europäischen Gemeinschaft finanzierten Programme (ERASMUS, SOKRATES) zur Förderung der internationalen Studierenden- bzw. Dozierendenmobilität (Zymek 2009).

Spätestens seit der Jahrtausendwende zeichnet sich jedoch eine forcierte Durchsetzung und Beschleunigung von Internationalisierungsprozessen in den verschiedenen Bereichen des Bildungswesens, insbesondere im Gymnasial- und im Hochschulbereich ab. Ursachen für diese Entwicklung sind die von internationalen Organisationen wie der OECD und der EU mit vorangetriebenen Prozesse der Standardisierung nationaler Bildungsstrukturen und -inhalte, neue Strategien der Steuerung im Bildungssystem sowie die Implementierung von Bildungsmärkten etwa durch die schulischen Angebote internationaler Bildungskonzerne. Vor diesem Hintergrund ist es auch zu einer verstärkten Ausdifferenzierung und Hierarchisierung der Schul- und Hochschullandschaft in Deutschland gekommen. An der Spitze stehen gegenwärtig Bildungsinstitutionen, die ihren Lernenden internationale Verkehrssprachen und Kulturen vermitteln, dies durch passende Austauschprogramme und Kooperationen stützen und die durch die Vergabe international anerkannter Schul- und Hochschulabschlüsse eine privilegierte Mobilität auf dem globalen Bildungs- und Arbeitsmarkt versprechen (Zymek 2009). Solche Bildungsangebote sind nicht nur für beruflich mobile transnationale Eliten attraktiv sondern werden zunehmend auch von finanzstarken deutschen Eltern bzw. Studierenden angewählt. Am unteren Ende der bildungsbezogenen und sozialen Hierarchie stehen hingegen Grundschulen und Hauptschulen bzw. Gesamtschulen in sozial abgehängten Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Lernenden mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund, in denen sich die Schattenseiten der Internationalisierung dokumentieren (Baumert 2016).

Die Beiträge in diesem Themenheft nehmen jedoch vornehmlich die privilegierte Seite der internationalisierten Bildung in den Blick. Analysiert wird in einer historischen und kulturvergleichenden Perspektive, wie Internationalisierungsprozesse insbesondere in jüngster Zeit zu Motoren für soziale Stratifikationsprozesse im Schul- und Hochschulbereich in Deutschland geworden sind. Untersucht wird zudem, ob und wie sich international orientierte Schulen als neue Räume exklusiver Bildung erweisen, mit welchen Argumenten bildungsambitionierte Eltern die Anwahl solcher Institutionen begründen und wie Schülerinnen und Schüler in ihren biografischen Orientierungen mit den propagierten schulkulturellen Konzepten von Internationalität und Weltbürgertum umgehen. Während in der internationalen Forschung inzwischen eine Reihe von Studien zum Wechselverhältnis von Internationalisierung und Elitebildung vorliegen (etwa van Zanten et al. 2015; Maxwell und Aggleton 2016), fehlen in Deutschland jedoch bislang noch weitgehend Studien, die dieses Themenfeld empirisch in den Blick nehmen.

Bernd Zymek untersucht in dem einführenden Stichwortartikel den Zusammenhang zwischen Internationalisierungsprozessen und Elitebildung in einer historischen und systematischen Perspektive. Dabei zeigt er auf, dass die im aktuellen Globalisierungsdiskurs thematisierten Aspekte von überregionaler Kommunikation, Mobilität und Kooperation bereits in den frühen Epochen der Menschheitsgeschichte praktiziert wurden, im Zuge der Herausbildung der Nationalstaaten seit dem 19. Jahrhundert jedoch ausgeweitet und dynamisiert wurden. Vor allem die nach dem zweiten Weltkrieg gegründeten internationalen Organisationen wurden dann zu Schrittmachern, durch die in den Folgejahrzehnten eine internationale Standardisierung und Vernetzung nationaler Bildungssysteme mit vorangetrieben wurde. Gegenwärtig sei eine Transformation der nationalen Bildungssysteme zu beobachten, bei der nun die traditionellen Institutionen der Elitebildung in Konkurrenz zu den internationalen Institutionen stehen und es zu einer Ausdifferenzierung des Feldes kommt.

Jens Oliver Krüger, Anna Roch und Isabel Dean analysieren in ihrem Beitrag, welche Bedeutung Vokabeln wie Mehrsprachigkeit, kulturelle Mischung oder Internationalität im Schulwahldiskurs von bildungsambitionierten Eltern in Berlin haben, um unterschiedliche Schulwahloptionen zu entwerfen. Beim Durchgang durch den Stand der Forschung zur Grundschulwahl zeigen sie zunächst auf, dass im Kontext der elterlichen Grundschulwahl zwei Bezüge auf Mehrsprachigkeit miteinander konkurrieren. Mit der statistischen Erfassung von Schüleranteilen „nicht-deutscher Herkunftssprache“ an Berliner Grundschulen werden Problemschulen markiert, die bei Mittelschichteltern Ängste und Vermeidungsstrategien hervorrufen. Umgekehrt werden von der gleichen Elternklientel internationale oder bilinguale Grundschulen gezielt angewählt, von denen sie sich den frühzeitigen Fremdsprachenerwerb und die Vermittlung interkultureller Kompetenzen für ihre Kinder versprechen. Anschließend werden ausgewählte empirische Befunde aus zwei Forschungsprojekten vorgestellt und aufgezeigt, wie bildungsambitionierte Eltern, die für ganz unterschiedliche Schulwahlentscheidungen optieren, sich dabei in differenter Weise auf die Bedeutung von sprachlicher Vielfalt und Internationalität beziehen. Es wird deutlich, wie in der argumentativen Begründung für die Suche oder Vermeidung spezifischer Mehrsprachigkeit das Problem sozialer Segregation bearbeitet wird.

Werner Helsper, Heinz-Hermann Krüger, Lena Dreier, Catharina Kessler, Stephanie Kreuz und Mareke Niemann nehmen in ihrem Beitrag Internationalisierungsprozesse in Deutschland im Bereich der höheren Bildung auf der Basis der Resultate von zwei Forschungsprojekten in den Blick. Dazu kontrastieren sie zwei höhere Schulen mit internationalem Profil, eine traditionsreiche International School in einer westdeutschen Metropolregion und ein neu gegründetes international orientiertes Gymnasium in einer ostdeutschen eher ländlichen Region. Nach einer institutionellen Analyse zu den differenten Internationalisierungsansprüchen beider Schulen werden in biografischen Analysen drei verschiedene Muster der lebensgeschichtlichen Bedeutung von Internationalität und der habituellen Passung bei Jugendlichen herausgearbeitet. In einem theoretisierenden Ausblick werden die empirischen Befunde im Kontext der Diskurse zum Spannungsfeld von Globalität und Regionalität verortet und verdeutlicht, dass sich in diesen regional unterschiedlichen Formen der Internationalisierung Hinweise auf eine Stratifizierung und Hierarchisierung im Feld der höheren Bildung zeigen lassen. Geht es zum einen um die regionale Besonderung als internationales Spitzengymnasium, das regional privilegierte deutsche Familien anspricht, so geht es zum anderen um eine Besonderung im internationalen Maßstab und mit Bezug auf internationale, hochmobile Eliten, die hier den global abrufbaren Bildungsort für ihre Kinder finden.

Roland Bloch, Alexander Mitterle und Tobias Peter untersuchen in ihrem Beitrag die Herkunft von Internationalität und ihre Bedeutung für den Hochschulbereich in einer genealogischen Perspektive. Auf den Ebenen des studentischen Austausches, der Forschermobilität und der Hochschulkooperation nehmen sie dabei drei historische Umbruchsphasen in den Blick: den Wandel von der mittelalterlichen universitas der nationes zur nationalstaatlich verankerten Universität seit dem Zeitalter der Reformation, die Transformation von Internationalität von einer wissenschaftsinternen Angelegenheit zu einer von internationalen Organisationen wie etwa der Europäischen Gemeinschaft initiierten politischen Programmen zur Förderung der internationalen Mobilität und Kooperation seit den späten 1960er-Jahren sowie die Durchsetzung einer „policie of excellence“ vor allem im vergangenen Jahrzehnt, die zum Motor vertikaler Differenzierung auch in der deutschen Hochschullandschaft geworden ist. Forschungskooperationen mit prestigeträchtigen Universitäten, eine internationale Studierendenschaft und die Anwerbung international renommierter Wissenschaftler werden zu Merkmalen, mit denen sich Hochschulen als superior positionieren und als exklusive Bildungsräume darstellen.