Zusammenfassung
Auf der Grundlage des Scientific-Use-File des Berichtssystems Weiterbildung (2003) wird im vorliegenden Beitrag die Teilnahme an informeller beruflicher Weiterbildung analysiert. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung informeller Lernformen bei gleichzeitiger definitorischer Unbestimmtheit werden – basierend auf einer explorativen Faktorenanalyse – vier informelle Lernformen differenziert. Mithilfe logistischer Regressionen werden unter Berücksichtigung betrieblicher wie soziodemographischer Merkmale die jeweiligen Beteiligungschancen an den einzelnen informellen Lernaktivitäten vergleichend geschätzt. Dabei ergeben sich jeweils unterschiedlich relevante Einflussfaktoren, die auf die Relevanz einer feinen Differenzierung informeller Weiterbildungsaktivitäten verweisen. Allerdings lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass die Teilnahme an den verschiedenen Formen eher durch betriebliche oder eher durch individuelle Merkmale determiniert wird. Vielmehr scheinen bestimmte Konstellationen betrieblicher und individueller Merkmale unterschiedlich günstige Gelegenheitsstrukturen für unterschiedliche informelle Weiterbildungsformen darzustellen.
Abstract
In this article participation in job-related informal learning activities is analyzed based on data from the German ‘Berichtssystem Weiterbildung’ 2003, a national monitoring survey of continuing education and training activities in Germany. Job-related informal learning activities are expected to gain in importance; however, rather heterogeneous definitions of such informal learning activities exist. Based on factor analyses we distinguish between four different forms of informal learning activities. The probability of attendance for those distinguished forms of informal learning activities is then estimated comparatively using logistic regression analysis. Socio-demographic and company-related parameters are included as independent variables. The results show diverse influencing factors for the different informal learning activities which underlines the relevance of a distinctive differentiation of job-related informal learning activities. Further, the results indicate that different forms of job-related informal learning activities are determined by specific combinations of both company-related parameters and socio-demographic characteristics which appear to provide different opportunities for job-related informal learning activities.
Notes
Die Scientific Use Files wurden über die Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (GESIS) zur Verfügung gestellt. Die Daten des BSW und des AES mit Bezugsjahr 2007 wurden nicht genutzt, da Informationen über betriebliche Veränderungsprozesse nicht erhoben wurden, die anhand vorliegender Forschungsergebnisse (vgl. Hall u. Krekel 2008; Brussig u. Leber 2005; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008) als zentrale Einflussfaktoren auf die Teilnahme an informeller beruflicher Weiterbildung angesehen werden können.
Für eine ausführliche Beschreibung der Grundgesamtheit und Stichprobe des BSW vgl. Bilger 2006.
Die explorative Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation) wurde basierend auf tetrachorischen Korrelationen mit der Statistiksoftware MPlus durchgeführt. Chi-Quadrat Wert = 27.847; p = 0.0330; df = 16. Wir danken Dipl. Soz.-Wiss. Andreas Ortenburger für seine Unterstützung.
Unter Innovationen im Betrieb/Unternehmen in den letzten 12 Monaten (2003) werden gefasst: ‚Wesentliche Umorganisation der Abteilung bzw. von Funktionsbereichen der Abteilung‘; ‚Einführung neuer Dienstleistungen oder Produkte‘; ‚Wesentliche Veränderungen von Arbeitsabläufen oder Arbeitsprozessen im unmittelbaren Arbeitsumfeld im letzten Jahr (2003)‘ (vgl. Bilger 2006, S. 11).
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Kuper, H., Kaufmann, K. Beteiligung an informellem Lernen. Z Erziehungswiss 13, 99–119 (2010). https://doi.org/10.1007/s11618-010-0110-2
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DOI: https://doi.org/10.1007/s11618-010-0110-2
Schlüsselwörter
- Weiterbildung
- Informelles Lernen
- Teilnahmeselektivität
- Multivariate Analyse
- Berichtssystem Weiterbildung