1 Einleitung

Die Weltbevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten älter werden (vgl. UN 2006; Lloyd-Sherlock 2004). Auch in Deutschland wird sich die Bevölkerungsstruktur in den nächsten Jahrzehnten verändern. Einer Prognose des statistischen Bundesamtes zufolge werden 2030 über 29% der Bevölkerung über 65 Jahre alt und 16% unter 20 Jahre alt sein (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2007). Es verlängert sich damit für die ältere Generationen die aktive Zeit nach der Erwerbstätigkeit, sie kommen als „neue junge Alte“ (Aner et al. 2007) mit zu nutzenden gesellschaftlichen Potenzialen in den Blick (vgl. BMFSFJ 2005; Hauff u. Bachmann 2006). Die quantitativ schrumpfenden jüngeren Generationen sind zunehmend von einer Mehrheit von Älteren umgeben und werden ihren Platz in einer alternden Gesellschaft finden müssen (vgl. Hoffmann et al. 2008). Zudem verändert sich, bedingt durch Arbeitsmigration und das Schrumpfen der Bevölkerung, die Familienstruktur: Die Mehrgenerationenfamilie wird eine geringere Rolle spielen und multilokale Familienverbände werden an Quantität zunehmen (vgl. Bertram 2000).

In dieser gesellschaftlichen Situation erhalten Ansätze des „Intergenerationellen Lernens“ mehr und mehr Bedeutung, wenn es um die Frage nach einer bildungstheoretisch fundierten Umgangsform mit diesen demografischen Wandlungsprozessen geht. Dabei sind es vor allem Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die hier initiativ werden. In den letzten Jahren sind in Einrichtungen der Erwachsenenbildung konzeptionelle Anstrengungen in Hinblick auf Bildung im dritten und vierten Lebensalter unternommen worden (vgl. KBE 2002; de Groote u. Nebauer 2008; Stadelhofer 1996; Asbrand et al. 2006). Diese Konzepte werden inzwischen – auch auf die Empfehlung des Innovationskreises Weiterbildung hin (BMBF 2008, S. 12) – um Aspekte des intergenerationellen Lernens ergänzt (vgl. Marquard et al. 2008; Antz et al. 2009; Franz et al. 2009; Neidhardt 2008; Stadelhofer 1998). Seitens von Bildungsanbietern, vor allem aber von älteren Teilnehmenden, entsteht der Wunsch nach explizit intergenerationellen Bildungsangeboten.

Unsere Studie setzt an diesem Bedarf an und fragt nach den Orientierungen zu intergenerationellen Lernprozessen. Erwachsenenbildner(innen) mit und ohne Erfahrung in intergenerationellen Lernprozessen wie auch Teilnehmende stehen mit ihren Vorstellungen im Mittelpunkt. Im Folgenden wird zunächst der Forschungsstand zum intergenerationellen Lernen dargestellt, dann das methodische Vorgehen – eine rekonstruktive Studie – erläutert, anschließend werden die empirischen Befunde berichtet und diese dann interpretierend verdichtet. Damit wird der Bedeutung von Professionalität im Hinblick auf intergenerationelle Lernprozesse nachgegangen.

2 Forschungsstand

Der wissenschaftliche Diskurs um intergenerationelles Lernen im deutschsprachigen Raum befasst sich aus einer theoretischen Perspektive mit der Differenz zwischen individuellem und kollektivem intergenerationellen Lernen. Unter individuellem intergenerationellen Lernen verstehen Lüscher und Liegle „alle Formen des Lernens, für welche der Bezug auf das Lebensalter bzw. die Generationenzugehörigkeit als Altersdifferenz oder Altersgleichheit relevant ist und die für die Vermittlung und Aneignung von Kultur sowie für die Konstitution der Person bedeutsam sind“ (Lüscher u. Liegle 2004, S. 39). Kollektives intergenerationelles Lernen bezeichnet Titze als „Lernen im historischen Prozess durch Generationswechsel“ (Titze 2000, S. 131). Intergenerationelles Lernen kennzeichnet weder einen ausschließlich individuellen Lernprozess noch einen einseitig von Älteren zu Jüngeren gerichteten Lernprozess (Lüscher u. Liegle 2004, S. 42; vgl. auch Lüscher 2005). Als intergenerationelle Lernbeziehungen werden implizite und funktionale Lernprozesse im Kontext von Sozialisationsmechanismen charakterisiert (vgl. Lüscher u. Liegle 2008). Im Gegensatz dazu wird von intergenerationellen Bildungsprozessen gesprochen, wenn es zu einer Reflexion dieser Aneignungsprozesse komme, an die von pädagogischer Seite angeknüpft werden könne. So sind „Bildungsprozesse vom Reflexivwerden von Kollektivvorstellungen her zu denken“ (Schäffer 2003, S. 218).

Der Diskurs um intergenerationelle Projekte ist – auch im internationalen Kontext – die vorherrschende Form der Reflexion intergenerationellen Lernens (vgl. zur Beschreibung des Feldes Granville 2002; Hatton-Yeo 2006; Newman 1997; für ein Rahmenkonzept vgl. Cambridge u. Simandiraki 2006; Sánchez 2007; für Deutschland Eisentraut 2008; Amrhein u. Schüler 2005; Meese 2005; Antz et al. 2009; Franz et al. 2009). Häufig verknüpft mit dem Diskurs um kommunale Engagementsformen wird danach gefragt, wie Generationen miteinander agieren und sich gegenseitig unterstützen können (vgl. Newmann u. Brummel 1989; Blake 2000; MacBain 1996). Daneben spielt die Arbeit in der Schule eine große Rolle, bei der Ältere als „senior volunteers“ mit Schülerinnen und Schülern in Kontakt kommen (vgl. Jacobs 2006; Kaplan 2001; Friedmann 1999; Storm u. Storm 1995).

Im Vergleich zur Vielfalt dieses Praxisfeldes kann die empirische Forschung als weniger entwickelt und vorangeschritten gesehen werden. Folgende Fragestellungen werden bearbeitet:

  1. (1)

    Entsprechend eines funktionalen intergenerationellen Lernprozesses wird rekonstruiert, wie Werte und Einstellungen in Mehrgenerationenfamilien tradiert werden. Die Autoren arbeiten die z.T. gegenläufigen Unterschiede zwischen einer bewussten und expliziten Tradierung und einer impliziten Übernahme familiärer Muster heraus (Büchner 2006; Büchner u. Brake 2006; Büchner u. Krah 2006; Brake u. Kunze 2004).

  2. (2)

    Empirische Untersuchungen zum expliziten intergenerationellen Lernen in Bildungsinstitutionen liegen bislang nur wenige vor (z.B. Franz 2009). Mit der EdAge-Studie zum Bildungsverhalten Älterer konnte gezeigt werden, dass Ältere sich in Bildungsangeboten der Erwachsenenbildung den Austausch mit Jüngeren wünschen (Schmidt u. Tippelt 2009). In Studien zu intergenerationellen Projekten wird zudem das im Vergleich zu Jugendlichen höhere Interesse von Senioren an intergenerationellem Lernen herausgearbeitet (Eisentraut 2007, 2008). Mit intergenerationellen Projekten werden offenbar in einem hohen Maße familiäre Rollen angesprochen (Bartel 2005; Eisentraut 2007, 2008). Andere Autoren betonen: Ältere befinden sich in einer Phase, in der das Bedürfnis, Lebenserfahrungen weiterzugeben groß ist, während sich Jugendliche in einer Entwicklungsphase befinden, in der das Bedürfnis zentral sei, Informationen über sich und die Welt zu sammeln und in die eigene Identität zu verarbeiten (Kessler 2005; auch Uhlendorff 2008).

  3. (3)

    In Evaluationsstudien zu intergenerationellen Lernprojekten wird auf die schwierige Interaktionssituation verwiesen. Ältere nehmen häufig die Rolle des außergewöhnlichen Gastes ein; diese Rolle erschwere den kontinuierlichen Kontakt zu Jüngeren (vgl. Steinhoff 1998, S. 108). Gleichwohl kann es zu einer Veränderung der Einstellungen und Bilder gegenüber den jeweils anderen Generationen, vor allem der Akzeptanz der älteren Generation, kommen (vgl. Kaiser 1998, S. 90; Veelken 1998, S. 128 ff.; Seefeldt 1989; Couper et al. 1991; Osborne u. Bullock 2000; Knapp u. Stubblefield 2000; Gorelik et al. 2000; Bales et al. 2000; MacCallum et al. 2006; Newman et al. 1995). Dabei sind zwei Befunde hervorzuheben: Couper et al. (1991) konnten zeigen, dass Kinder sich durch intergenerationelle Kontakte weniger beeindruckt zeigen als Jugendliche. Die Autoren erklären dieses mit dem häufig positiven Kontakt von Kindern zu ihren Großeltern. Gorelik et al. (2000) arbeiteten die Differenz zwischen intergenerationellen Lernerfahrungen und dem mitgängigen Kontakt zu älteren Familienmitgliedern heraus. Sie konnten zeigen, dass der Kontakt mit nicht familiären Älteren häufig substanzielles Interesse am Thema Alter ermöglicht. Die Autoren sind der Meinung, dass in nicht familiär gebundenen Kontakten der Freiraum zur Aushandlung der eigenen Rollen größer ist und damit andere Kommunikationswege ermöglicht werden als in Familien (vgl. Gorelik et al. 2000).

Auch wenn hier einige empirische Untersuchungen genannt werden können, ist es doch so, dass kaum gesicherte oder replizierte Befunde vorliegen. Insbesondere sind Untersuchungen ein Desiderat, die sich mit den Orientierungen derjenigen beschäftigen, die als professionelle Pädagoginnen und Pädagogen mit intergenerationellen Lernprozessen betraut sind. An dieser Stelle setzt die hier vorgestellte UntersuchungFootnote 1 an.

3 Explikation des Impliziten: zur Methode

Für die hier vorliegende Untersuchung haben wir uns für ein hypothesengenerierendes Verfahren entschlossen. Das Sample bestand aus folgenden 14 Gruppen (zum theoretical sampling vgl. Glaser u. Strauss 1967, S. 45 ff. sowie Strauss 1994, S. 70):

  • Drei Erwachsenenbildner(innen)-Gruppen, die keine Erfahrung mit der Gestaltung intergenerationeller Veranstaltungen hatten.

  • Drei Gruppen von Erwachsenenbildner(innen), die an einer professionellen Qualifizierung zum intergenerationellen Lernen teilgenommen hatten und über Erfahrungen in der Konzipierung, Durchführung und Reflexion intergenerationeller Veranstaltungen verfügten (zur Darstellung der Fortbildung vgl. Franz 2006; vgl. auch Frieters u. Franz 2007).

  • Fünf Gruppen von Teilnehmenden aus von Erwachsenenbildner(inne)n gestalteten intergenerationellen Veranstaltungen.

  • Zwei intergenerationelle Gruppen, in denen das Vorkommen von mitgängigen, nicht intentionalen und impliziten Lernformen wahrscheinlich ist, wie z.B. in intergenerationellen Wohngruppen in Mehrgenerationenhäusern, die jedoch keine Erfahrung mit explizit gestalteten intergenerationellen Lernarrangements hatten.

Die Rekonstruktion der handlungsleitenden Orientierungen erfolgte über die Erhebung von Gruppendiskussionen. Sie wurde arrondiert durch halbstandardisierte Fragebogenerhebungen mit Teilnehmenden und Erwachsenenbildnerinnen bzw. Erwachsenenbildnern sowie durch die teilnehmende Beobachtung entsprechender Fortbildungen für Erwachsenenbildner(innen) und intergenerationeller Projekte in Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Die Gruppendiskussionen orientieren sich an dem von Ralf Bohnsack sowie Loos und Schäffer entwickelten Verfahren (vgl. Bohnsack 2000, S. 123–143; Bohnsack u. Schäffer 2001a; Loos u. Schäffer 2001; Bohnsack et al. 2001). Untersuchungsgegenstand ist damit der von den Gruppenmitgliedern generierte Diskurs, aus dem implizite und kollektive Vorstellungen rekonstruiert werden können.

Die Auswertung der Gruppendiskussionen erfolgte nach der dokumentarischen Methode (Bohnsack 2001; Bohnsack et al. 2001; Bohnsack u. Schäffer 2001b; Nohl 2005), die zwischen verschiedenen Sinnebenen unterscheidet und es so möglich macht, auch nicht bewusste Strukturen (vgl. Mannheim 1980) transparent zu machen und interpretatorisch intersubjektiv abzusichern.Footnote 2 Mannheim unterscheidet einerseits zwischen atheoretischem, konjunktivem und handlungsleitendem Wissen, das sich in routinisiertem, habituellem Handeln äußert, und in konjunktive – also gemeinsam geteilte – Erfahrungsräume eingebunden ist sowie andererseits theoretischem Wissen, das als kommunikativ-generalisierte Wissenform generalisierbare, objektive und leicht zu kommunizierende Wissensbestände umschreibt. Ziel der hier vorgestellten Forschung ist die Rekonstruktion der gemeinsamen handlungsleitenden Orientierungen der Erwachsenenbildner(innen) und Teilnehmenden von intergenerationellen Lernprozessen. Die Gruppendiskussionen wurden zunächst einzeln analysiert, um die spezifischen Orientierungsrahmen der einzelnen Gruppen zu rekonstruieren. Diese Orientierungsrahmen wurden dann im komparativen Vergleich mit den anderen Gruppen untersucht. Damit werden in einer vergleichenden Analyse die Spezifika einer jeden Gruppe herausgearbeitet (zur komparativen Analyse vgl. Nohl 2001; Nentwig-Gesemann 2001; Bohnsack 2001).

4 Empirische Ergebnisse

Im Folgenden werden nun einige der Ergebnisse vorgestellt: Zunächst geht es um die Frage, wer in intergenerationellen Lernprozessen von wem lernen kann (4.1), dann um ein genealogisches Rollenbild in intergenerationellen Veranstaltungen (4.2). Abschließend werden die Ergebnisse verdichtet zusammengefasst und gegenübergestellt (4.3).

4.1 Wer kann von wem lernen?

Orientierung der Teilnehmenden. In den Gruppendiskussionen mit Teilnehmenden tritt an verschiedenen Stellen die Frage auf, wer in intergenerationellen Veranstaltungen von wem lernen kann. Die Teilnehmenden gehen zunächst von unilinearen Lernprozessen aus, in denen Jüngere von Älteren lernen – und nicht umgekehrt. Gerade die Jüngeren orientieren sich besonders zu Beginn intergenerationeller Veranstaltungen an einem unterstellten Erfahrungsvorsprung der Älteren, sowie manche Ältere sich daran orientieren, ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die Jüngeren weitergeben zu können. (Jugendliche: Aw, Cw, Ew, ältere Erwachsene Dw).Footnote 3

Aw

war für mich ganz offensichtlich, dass ihr viel getan habt mit uns zusammen,-also dass wir m richtig schön motiviert waren da auch mitzumachen und jetzt auch noch ma was dazu einzubringen und so was

Dw

└na ihr seid ja erst so zum Schluss so richtig aktiv geworden, ne?

Aw

└genau, also es war halt, wir hatten wie gesagt diese Anfangshemmungen weil

Cw

└ja┘

Ew

└jaja┘

Aw

wir nicht genau wussten ah die wissen bestimmt mehr und ham bestimmt

Dw

└hm┘

Aw

mehr Erfahrung und (.) dann erst, nachdem ihr den Anfang gemacht habt konnten wir richtig einsteigen, und das hat das Ganze auch verbessert, weil ihr so schön angefangen habt und uns dann

Dw

└mhm┘

Aw

mitgerissen habt sozusagen (.)

Cw

└ja┘

Gruppe Teilnehmende 1

 

In der Darstellung der anfänglichen Zurückhaltung dokumentiert sich die Orientierung, dass den Jugendlichen die Senioren überlegen scheinen. Ihnen werden unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Veranstaltungen prinzipiell mehr Wissen und mehr Erfahrung zugeschrieben. Durch diese Zuschreibung erhalten die Senioren zunächst eine Art Führungsrolle. Damit zeichnet sich eine Orientierung am „Senioritätsprinzip“ ab: die Annahme, dass höheres Alter automatisch größere Wissensbestände und mehr Erfahrungen mit sich bringt. Diese Annahme steht im Gegensatz zur Beschreibung der Wissensgesellschaft, in der ein Expertentum qua Seniorität unwahrscheinlicher wird (vgl. Veelken 2003; Gregarek 2007).

In den Beschreibungen der Teilnehmenden deutet sich jedoch über die intergenerationellen Lernerfahrungen eine Veränderung dieser – offensichtlich gesellschaftlich vermittelten – Senioritätsorientierung an. Nach einer Überwindung der als „Anfangshemmung“ beschriebenen Orientierung wird nämlich auch eine umgekehrte Perspektive möglich:

Cw

 

was ich persönlich auch schön fand war dass man selber weil sonst ist der Fritz ja immer da und lehrt ein sozusagen wenn man des

Dw

 

└[lachen]┘

Cw

 

nicht sch und gibt dann die Kritik dass man selber sein Wissen an jemanden weitergeben kann der eigentlich schon viel erfahrener ist als man selber; dass man wirklich sieht dass man als junger Mensch

Dw

 

└mh┘ └mh mh┘

Bw

 

└mh┘

Cw

 

auch noch so Älteren was beibringen kann dass es nicht immer diesee

Bw

 

└mh┘

Cw

 

dieses aehm klischeehafte Bild ist dass der Ältere den Jüngeren immer was beibringen kann. Sondern dass man selber auch noch als sozusagen

Ew

 

└mh┘

Cw

 

Lehrer fungieren kann

Ew

 

└hm┘

Gruppe Teilnehmende 2

  

In dieser Passage wird die Orientierung am Senioritätsprinzip als Klischee beschrieben und damit als „typisch“ deklariert. Damit wird diese anerkannt, gleichzeitig aber ein alternativer Gegenhorizont eröffnet, der mit der Erfahrung verknüpft wird, dass es auch anders gehen kann.

Die Senioren betonen ihrerseits den ermöglichten Einblick in die fremde Lebenswelt der Jugendlichen und beschreiben, durch den Kontakt mit Jugendlichen „in Schwung“ zu bleiben (ältere Erwachsene: Ew, Aw, Cm).

Ew

Ich hab mich von dem Schwung der jungen Leute also äh geweckt (.) ähm getragen gefühlt äh (.) […] (.) ich war also vor allen Dingen von den jungen Leuten sehr fasziniert

Aw

└ja┘

Me

└[lachen]┘ (7)

Cm

und die Älteren bleiben länger jung

Gruppe Teilnehmende 3

 

Die Senioren fühlen sich durch den Schwung der jungen Leute angeregt („geweckt“) und auch sicher („getragen“). Die Jüngeren vermögen es, die Älteren durch ihren Schwung aus einer implizierten Trägheit heraus- und mitzunehmen. In der Beschreibung dieser Faszination wird deutlich, dass die Älteren durch den Kontakt mit Jüngeren einen für sie fremden Erfahrungsraum erkunden können. In der Gruppe dokumentiert sich die Vorstellung, dass diese Erfahrung zu einer Vitalisierung des eigenen Lebens führt.

Darüber hinaus wird in einigen Gruppendiskussionen und teilnehmenden Beobachtungen deutlich, dass das Alter für die Zusammenarbeit – gerade in länger andauernden intergenerationellen Veranstaltungen – an Bedeutung verliert und der intergenerationelle Lernprozess vor allem durch die Beteiligten und deren Beziehungen untereinander beeinflusst wird. Die Beteiligten bringen eine Pluralität von unterschiedlichen Perspektiven und Standpunkten in intergenerationelle Prozesse ein. Wenn diese didaktisch fruchtbar gemacht werden, finden wechselseitige Lernprozesse statt. Die Veränderung dieser Orientierungen vom Senioritätsprinzip hin zu wechselseitigem Lernen ist offensichtlich davon abhängig, wie die Generationen didaktisch zusammengeführt werden. In unserem empirischen Material zeigt sich, dass – wenn Generationen in intergenerationellen Veranstaltungen sich gemeinsam mit einem für alle relevanten Thema intensiv auseinandersetzen oder gemeinsam etwas herstellen (wie z.B. ein Theaterstück oder eine Radiosendung) –, sich die Teilnehmenden potenziell nicht mehr als „die Senioren“ oder „die Jugendlichen“ wahrnehmen, sondern als gleichberechtigte Lernpartner(innen) mit unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzen. Die Veränderung der Orientierungen der Teilnehmenden steht also offensichtlich in Zusammenhang mit der Gestaltung intergenerationeller Lernarrangements, die wiederum von der Professionalität der Erwachsenenbildner(innen) bedingt ist, wie im Folgenden gezeigt werden kann.

Orientierungen von nicht professionalisierten Erwachsenenbildner(inne)n. In den Gruppen von Erwachsenenbildner(inne)n, die keine Qualifizierung zum oder Erfahrungen mit intergenerationellen Veranstaltungen haben, beherrscht die Frage, wer in intergenerationellen Prozessen von wem lernen kann, den gesamten Diskursverlauf. Dabei ist eine Perspektive dominierend: Aus einer Altersperspektive können Jüngere bzw. Jugendliche von Älteren bzw. Senioren lernen und aus einer genealogischen Perspektive Enkel von ihren Großeltern. Dies ist eine durchgehende Handlungsorientierung, die – so kann man schlussfolgern – das Handeln von nicht in diesem Gebiet Fortgebildeten leitet. Eine umgekehrte Perspektive, dass auch ältere von jüngeren Menschen lernen können, ist nicht im Blick. Dies wird in zahlreichen Äußerungen im empirischen Material deutlich, in der die Erwachsenenbildner(innen) ihnen bekannte intergenerationelle Projekte beschreiben.

Bw:

Also bei dieser Aktion Tischlerbein die mit den Kindern und den Jugendlichen arbeiten geht’s um die Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten des ist die Ebene die lernen zu schreinern die lernen was weiß ich mit

Cm:

└mhm┘

Bw:

den Bohrgeräten umzugehen aeh die lernen bestimmte technische Fähigkeiten und aehm so wie sie das beschreiben hat das Auswirkung zum einen dass sie technisch was lernen aber es hat aus au auch Auswirkungen dahingehend dass sie sagen mag ja sein dass ich in Deutsch blöd bin ja? Und dass ich in der Schule nicht so gut aeh klarkomme aber hier da an an der Hobelbank das geht klasse also aeh was was aeh beiträgt aehm zu Selbstständigkeit was was das Selbstbewusstsein stärkt und diese diese ganzen Prozesse und des denk ich is n ganz enormer Prozess der da stattfindet. (4)

Gruppe Erwachsenenbildner(innen) 1

 

Die Gruppe beschreibt hier ein Mentoring-Konzept, bei dem Jugendliche von Älteren in mehrfacher Hinsicht profitieren können. Zum einen lernen sie in der Wahrnehmung der Erwachsenenbildner(innen) technisch-handwerkliche Fähigkeiten von den älteren Teilnehmenden, zum anderen werden Jugendliche aber auch emotional durch die Bestärkung der teilnehmenden Seniorinnen und Senioren unterstützt. Die Gruppe orientiert sich an gerichteten Lernprozessen, bei denen die Jüngeren von den Älteren lernen. Vor dem Hintergrund dieses Erfahrungshorizontes gerät eine didaktische Perspektive auf intergenerationelles Lernen gar nicht erst in den Blick.

Orientierungen von professionalisierten Erwachsenenbildner(inne)n. Für die qualifizierten Erwachsenenbildner(innen) verliert das Alter für die Beantwortung der Frage, wer von wem lernen kann, an Bedeutung; hingegen werden das Bildungsniveau oder das Milieu der Teilnehmenden wichtiger. In einigen professionalisierten Gruppen spielt die Frage, wer von wem lernen kann, überhaupt keine Rolle mehr und es entwickelt sich ein heterogenitätssensibles intergenerationelles Lernverständnis. Dies kann im empirischen Material vor allem anhand der Passagen rekonstruiert werden, in denen die Erwachsenenbildner(innen) die wahrgenommenen unterschiedlichen Lerngewohnheiten der Generationen bezüglich des Lerntempos, der Arbeitsweise und der gegenseitigen Erwartungshaltungen thematisieren. Die qualifizierten Erwachsenenbildner(innen) nehmen die Heterogenität und Alterität der Generationen sowie unterschiedliche Persönlichkeiten wahr und orientieren sich an einer konsequenten Anerkennung dieser Differenz. Durch die Annerkennung von Differenz wird die Notwendigkeit einer aktiven didaktischen Steuerung zur handlungsleitenden Orientierung der Gruppe.

Aw

└hmhm (.) und was ma noch fürn Unterschied festgestellt ham beim End- also um auf das intergenerationelle zu kommen des war die die Arbeitsweise (.) oder auch die des Tempo des Arbeitens also wir ham dann oft ne Ansage gemacht die Jungen ham sofort losgelegt ham gwußt was die Ansage bedeutet und viele Ältere saßen da und ham überhaupt nix kapiert ja, weil entweder die Sprache nicht gestimmt hat also sprich die ham dann oft vielleicht die Worte gar net so verstanden die wir benutzt haben und ähm die Jugendlichen kennens halt aus der Schule so Auftrag zackzackzack und des mach mer etz und dann vielleicht auch oft des Tempo mer hams dann nit wiederholt nochmal in anderen Worten dann natürlich schon als mer gesehen ham die Jungen reagieren die Oalten kommen einfach net zu Potte dann hammers nochma übersetzt oder ham

Bw

└hmhm┘

Aw

gfragt wo liegts Problem ja, also wo i gmerkt hab obwohl ich mich ja

Bw

└hm┘

Aw

auch eher etz der älteren Generation in diesem in diesem ähm Gefüge jetzt zurechnen würde wo i gmerkt hab jetzt muss i an Gang zurückschalten und i muss mi einfach noch mehr auf die Ebene der der Älteren (.) einstellen (.) also da-da war ich dann oft einfach zu schnell

Gruppe Erwachsenenbilder/-innen 2

 

Die Beschreibung der Kommunikationsofferten und der wahrgenommenen Reaktionen der Teilnehmenden macht die Orientierung an der Anerkennung von Differenz auf einer handlungsleitenden Ebene deutlich. In der Wahrnehmung der Erwachsenenbildner(innen) können die Jugendlichen aufgrund ihres gemeinsam geteilten schulischen Erfahrungsraums ohne Schwierigkeiten auf die gestellten Arbeitsaufträge reagieren, während die Älteren diesen langsamer und unsicherer begegnen. Auf einer handlungspraktischen Ebene reagieren die Erwachsenenbildner(innen) auf diese wahrgenommene Differenz: Sie stellen sich auf die Gruppe der Älteren ein und ermöglichen so gemeinsame intergenerationelle Lernprozesse zwischen den Teilnehmenden.

4.2 Genealogische Orientierungen

Orientierungen der Teilnehmenden. Die Teilnehmendengruppen unterscheiden sich im Hinblick auf die genealogische Orientierung. Nur in denjenigen Veranstaltungen, die darauf basieren, Kinder und Senioren zusammenzuführen, findet sich eine genealogische Orientierung. Diese scheint damit abhängig von der Teilnahme von Kindern zu sein. In einer intergenerationellen Lerngruppe, in denen Kinder, Jugendliche und ältere Erwachsene (ab 60 Jahren) miteinander ein kreatives Werk gestalteten, wurde beispielsweise deutlich, dass Kinder ohne Hemmungen auf die Älteren zugehen und diese als Oma oder Opa adressieren. Umgekehrt ist dies auch der Fall, beispielsweise bezeichnen sich die Älteren im Zusammensein mit den Kindern selbst als Oma oder Opa (Kinder: Ew, ältere Erwachsene Dm).

Dm

also eigentlich fehlte uns eine Generation noch dazwischen nich wenn

 

ich das so sehe also wir sind so Omas und Opas darf ich mal sagen und

Ew

└Baby┘

Dm

hier das sind so (.) Enkelkinder

Gruppe Teilnehmende 4

 

Treffen Kinder und Senioren in diesen Lernarrangements zusammen, scheint es, als würden implizite Familienbilder angesprochen werden (vgl. dazu auch Eisentraut 2007). Dieser Befund lässt sich nicht auf die Konstellation „Jugendliche und Ältere“ erweitern. In den Gruppendiskussionen mit Älteren und Jugendlichen lässt sich eine deutliche Unsicherheit und Zurückhaltung gegenüber der älteren Generation rekonstruieren, die vor dem Hintergrund der explizit angesprochenen familiär tradierte Konventionen, wie dem Respekt vor Älteren, zu interpretieren sind. Das heißt also, dass es für die Durchführung von Vorhaben intergenerationellen Lernens nicht unerheblich ist, ob sie sich an Kinder oder an Jugendliche wenden. Während Kinder über einen unbefangenen Zugang verfügen, ist dieses bei Jugendlichen nicht der Fall. Dieser Befund deckt sich mit den im Forschungsstand vorgestellten Studien von Gorelik et al. (2000) sowie Couper (1991); in beiden Studien wird deutlich, dass für Kinder ein genealogisches Generationenbild greift, während für Jugendliche vor allem die Auseinandersetzung mit nicht verwandten oder bekannten Älteren erstrebenswert scheint.

Orientierungen der nicht professionalisierten Erwachsenenbildner(innen). Eine weitere zentrale Orientierung von nicht professionalisierten Erwachsenenbildner(inne)n ist, dass intergenerationelles Lernen vor allem über die Ansprache von genealogischen, also familiären Rollen funktioniere. Die Ansprache dieser Rollen in intergenerationellen Bildungsveranstaltungen wird als „offensichtlich funktionierendes Muster“ beschrieben.

Cw

aber offensichtlich is es so dass es dann funktioniert wenn man des mit dem Familienbildern (.)praktisch auch auf nicht Familien-

Dw

└ja┘

Cw

beziehungen anbindet; dann funktionierts offensichtlich (.) gut,

Dw

└Ja also es is wohl dieses ganz bestimmte Beziehungsgefüge was da ne Rolle spielt

Gruppe Erwachsenenbildner(innen) 3

 

Dieses Muster ist eng an implizite und funktionale Lernformen, wie sie in einer Familie geschehen, angelehnt. Hier lernen die Generationen – so die weitere Argumentation der Erwachsenenbildner(innen) – selbstverständlich voneinander und bedürfen aufgrund dieses natürlichen Rollenverhältnisses kaum einer didaktischen und intentionalen Unterstützung. Die nicht fortgebildeten Erwachsenenbildner(innen) orientieren sich an den ihnen bekannten Mustern intergenerationeller Beziehungen in Familien, da sie keine klaren Orientierungen darüber haben, wie Generationen in nicht familiären Konstellationen explizit zum Lernen zusammengeführt werden können. Dadurch neigen sie dazu, auf einer kommunikativ-generalisierenden Ebene dieses funktionale Lernmuster auf die Einrichtung der Erwachsenenbildung zu übertragen und damit extensionale Lernmöglichkeiten für Generationen zu schaffen, in denen das gesellige Miteinander der Generationen betont wird, nebenbei aber auch gelernt werden kann.

Orientierungen der professionalisierten Erwachsenenbildner(innen). Die Gruppen mit fortgebildeten Erwachsenenbildner(inne)n orientieren sich nur zu einem geringen Maß an genealogischen Rollenbildern. Vielmehr wird hier die emotionale Distanz zwischen nicht genealogisch gebundenen Teilnehmenden als eine besondere Lernchance wahrgenommen und didaktisch gestaltet. In einer Gruppe wird dies als die „Chance des Fremden“ formuliert. Die Erwachsenenbildner(innen) haben die Erfahrung gemacht, dass emotionale Nähe für intergenerationelle Lernarrangements keinen Mehrwert darstellt, sondern sogar hinderlich sein kann, da sie wenig neue Erfahrungen ermöglicht. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Generationen sei umso intensiver, je weniger sich die Teilnehmenden kennen und im Alltag miteinander leben. Damit würden intensive Bildungsprozesse ermöglicht, da die Wahrscheinlichkeit, dass die Beteiligten sich nach der Veranstaltung wieder treffen, gering sei und so eine größere Offenheit zwischen den Teilnehmenden entstehen könne. Die Erwachsenenbildner(innen) distanzieren sich somit von der Annahme, dass intergenerationelle Lernprozesse am besten zwischen Familienmitgliedern funktionieren können.

Cm

└des Besondere is glaub Entschuldigung- (hab ich dich unterbrochen) des Besondere is glaub

Ew

└jaja┘

Cm

meine Erfahrung dass das Fremde auch warn das also die Chance des

Ew

└hm┘

Cm

Fremden oder die Chance auch das diese das die eigentlich wussten wir treffen uns ja nich wieder (.) ähm […] zwischen unter den Zeilen kam raus dass sie sich zuhause ähm (.) bestimmt dass sie zuhause bestimmte Sachen nicht sagen da sind die Rollen klar da-da sind da ist die Haltung der Eltern klar und da weiß ma ja wenn man irgendwas sacht wie die Eltern reagieren oder die Großeltern aber diese dass die sich zwei oder drei Generationen als Fremde begegnen das fand ich spannend und im Nachhinein hat mir eine

Dm

└hm┘

Cm

ein Mädchen gesacht dass sie sich dass sie nun das Gefühl hat zuhause ganz anders sprechen zu können und auch viel mehr einfordern möchte weil sie ne Gelegenheit hatte das mit (2) mit der fremden Großmutter die war 60 oder 70 äh zu besprechen und weil sie die das als toll erlebt hat und das Gefühl hat ja vielleicht geb ich der Oma mal ne Chance auch so toll zu sein wie die Frau

Gruppe Erwachsenenbildner(innen) 4

 

In der Darstellung der „Chance des Fremden“ zeigt sich die Vorstellung, geschützte intergenerationelle Lernräume bereit zu stellen, in denen sich Teilnehmende miteinander auseinandersetzen können, ohne Konsequenzen für die Zeit nach der Veranstaltung befürchten zu müssen. Die Erwachsenenbildner(innen) konstruieren „Familie“ als Gegenhorizont zu intentional arrangierten Lernräumen. Mit der Familie werden in der Wahrnehmung der Erwachsenenbildner(innen) klare Rollen, Reaktionsmuster und Abhängigkeitsverhältnisse verbunden, da Familienmitglieder auf funktionierende alltägliche Kommunikationsprozesse angewiesen sind. Diese familiären Abhängigkeitsstrukturen ermöglichen in der Perspektive der Erwachsenenbildner(innen) Sicherheit, verhindern aber gleichzeitig die Auseinandersetzungen über „heikle“ Themen, die diese Sicherheit gefährden könnten. Die Interaktion mit nicht verwandten, fremden Generationen hingegen ermöglicht in der Wahrnehmung der Erwachsenenbildner(innen) intensive Auseinandersetzungen.

In der Elaboration der Begegnung fremder Generationsangehöriger wird eine Vorstellung von einer Art „Transferfunktion“ intergenerationeller Bildungsveranstaltungen der Erwachsenenbildner(innen) sichtbar. Die Erfahrung mit fremden Generationsangehörigen in einer intergenerationellen Veranstaltung kann nach dieser Orientierung dazu führen, eigene Familienmitglieder als Angehörige verschiedener Generationen wahrzunehmen. Sprachlich wird das Fremde von den Erwachsenenbildner(inne)n familiär eingekleidet, so spricht Cm von einer „fremden Großmutter“. Aufgrund dieser Transfervorstellung setzt sich die Gruppe implizit mit dem Verhältnis von Eigenem und Fremdem auseinander. Die Auseinandersetzung mit dem fremden Anderen führt zu einer klareren und differenzierteren Wahrnehmung des Eigenen.

4.3 Zusammenfassung der Befunde

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Teilnehmenden vor allem die durch die unterschiedlichen Personen eingebrachte Perspektivenvielfalt als reizvoll für intergenerationelle Lernprozesse wahrnehmen. Dieser Befund wird auch durch unsere Fragebogenerhebung und Beobachtungen bestätigt. Intergenerationelles Lernen regt demnach zu einer Reflexion und Aktualisierung der eigenen Standpunkte und Perspektiven durch die Auseinandersetzung mit Angehörigen anderer Generationen an. Diese Reflexionsmöglichkeiten werden von den Teilnehmenden neben den inhaltlichen Lerneffekten besonders betont. Dies ist vor allem auch dann der Fall, wenn der genealogische Generationenbegriff aufgeweicht werden kann. In Teilnehmendengruppen ist die Orientierung an einem genealogischen Generationenbegriff zudem abhängig von ihrer Zusammensetzung. Die Anwesenheit bzw. Teilnahme von Kindern macht die Wahrnehmung der Älteren als Großeltern und der Kinder als Enkel wahrscheinlicher. Die Möglichkeit, solche Perspektivwechsel als Teilnehmende in intergenerationellen Lernarrangements zu erleben, ist jedoch abhängig von der didaktischen Gestaltung und Begleitung durch Erwachsenenbildner(innen).

Für die Erwachsenenbildner(innen) stellt diese didaktische Gestaltung eine Herausforderung dar, denn erst ein Aufweichen der genealogischen Beziehungen ermöglicht offensichtlich die Lösung von Rollenmustern und das gegenseitige Lernen, das auch Jugendlichen entsprechende Räume eröffnet. Schlittern Erwachsenenbildner(innen) ohne eine explizite Professionalisierung in diese Aufgabe hinein, dann wird dieser Perspektivenwechsel kaum ermöglicht. In Gruppen der nicht qualifizierten Erwachsenenbildner(innen) wird intergenerationelles Lernens vor dem Hintergrund der eigenen persönlichen Erfahrungen thematisiert und damit das Senioritätsprinzip bzw. das gesellschaftlich geprägte Muster „Jung lernt von Alt“ reproduziert. Die vorherrschende Perspektive ist die Verbesserung des Miteinanders der Generationen. Auf diese Weise kommt eher intergenerationelle Geselligkeit, als die didaktische Gestaltung intergenerationeller Lernarrangements in den Blick. Entsprechend orientieren sich diese Erwachsenenbildner(innen) dann, wenn sie intergenerationelle Veranstaltungen durchführen, eher an familiären intergenerationellen Lernkonzepten der Familienbildung oder an Mentorenprogrammen, bei denen die Älteren Jüngere in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung begleiten und unterstützen. Wie Generationen gemeinsam in einen thematischen Lernprozess eingebunden werden können, kann durch diese Perspektive kaum thematisiert werden.

Professionalisierte Erwachsenenbildner(innen) hingegen zeigen eine didaktische Orientierung, die durch eine sensible Wahrnehmung der Heterogenität und Alterität der Generationen geprägt ist und damit Perspektivwechsel zwischen den Teilnehmenden didaktisch potenziell anregt. Sie orientieren sich an Alterität und können so die differierenden Lerngewohnheiten und -präferenzen unterschiedlicher Gruppen und Personen wahrnehmen und didaktisch einbeziehen. Diese Erwachsenenbildner(innen) orientieren sich an der Anerkennung der Differenz zwischen den Generationengruppen und den einzelnen Teilnehmenden. Die Teilnehmenden werden als Zugehörige zu unterschiedlichen Erfahrungsräumen gesehen, die sich mit je unterschiedlichen, aber sich gleichzeitig ergänzenden Kompetenzen gegenüberstehen. Aufgrund dieser differenzierten Wahrnehmung und Anerkennung der Differenz wird die Notwendigkeit zur aktiven didaktischen Steuerung intergenerationeller Lernprozesse gesehen. Dazu gehören beispielsweise klare und für die Generationen differenzierte Kommunikationsofferten sowie die Explikation der Intentionalität gegenüber den Teilnehmenden. Der zentrale Ansatzpunkt für professionalisierte Gruppen ist damit nicht das Miteinander der Generationen, sondern die Gestaltung des konkreten und expliziten Lernprozesses. Das heißt aber nicht, dass das Miteinander keine Bedeutung habe. Vielmehr gehen diese Erwachsenenbildner(innen) davon aus, dass in intergenerationellen Bildungssettings Raum für Geselligkeit, Zufälle und Unplanbares gegeben sein muss, lassen dieses aber nicht einfach geschehen, sondern planen bewusst Räume für informellen Austausch ein.

5 Diskussion

Die Ergebnisse dieser Studie lassen die Hypothese zu, dass Bildungsarrangements intergenerationellen Lernens, sollen sie nicht als informelle, mitgängige Lerngelegenheiten organisiert sein, einer professionellen Erwachsenenbildung bedürfen. Die Kompetenz in der Planung von Lernarrangements und der Umgang mit der deutlichen Heterogenität der Teilnehmenden wären zentrale Komponenten. Eine solche Hypothese überrascht nicht, ist sie doch ein weiteres Indiz für die altbekannte Tatsache, dass intentionale Lehr-/Lernarrangements einer professionellen Gestaltung bedürfen, wenn sie mehr als mitgängiges Lernen ermöglichen wollen. Wenngleich diese Kompetenzen sich nicht primär auf intergenerationelle Lernangebote beziehen, wird deren Fehlen gerade dann, wenn das Angebot über Formen der Geselligkeit und des mitgängigen Lernens hinausgehen soll, spürbar. Auch wenn diese Hypothese nicht überrascht, ist sie doch aus mehreren Gründen von Bedeutung:

Zunächst einmal hat sie Bedeutung für das Praxisfeld. Da intergenerationelle Lernangebote, die an familiale Konstellationen anknüpfen und Senioren die Mentorenrolle zuweisen, leicht in Gang kommen, besteht die Gefahr, dass Angebote des Miteinander-Lernens in den Hintergrund geraten: Die ältere Generation, reich an Erfahrung, hat hohes Interesse, ihre Erfahrungen weiterzugeben und ein großes Interesse an jüngeren Generationen (vgl. Schmidt u. Tippelt 2009; Schröder u. Gilberg 2005; Eisentraut 2008). Zudem wirken Kontakte mit Jugendlichen im Alter aktivitätssteigernd (vgl. Kruse 2008). Diese Angebote sind jedoch auf längere Perspektive gerade für Jugendliche weniger attraktiv. Sie wünschen sich Mitbestimmung und die Wertschätzung ihrer Kompetenzen. Dieses ist in intergenerationellen Lernarrangements, die nicht das gemeinsame Lernen in den Mittelpunkt stellen, bisher nur im Bereich der technischen Fortbildung von Senioren durch Jugendliche im Bereich von Handy-Nutzung und Computergebrauch erprobt (vgl. z.B. Schäffer 2003). Geht es hingegen darum, z.B. gemeinsam an gesellschaftlichen Herausforderungen zu arbeiten (etwa im Bereich der politischen Bildung oder von Nachhaltigkeit), dann wird die Professionalität von Erwachsenenbildner(inne)n in der Gestaltung von Lernarrangements von großer Bedeutung. Von daher verweist der Befund der Untersuchung auf die Bedeutung von Fortbildungen, vor allem in der Planung von Lernarrangements im intergenerationellen Feld. Zudem wird der didaktisch erforderliche Umgang mit heterogenen Teilnehmergruppen durch die in der Erwachsenenbildung vorherrschende Orientierung an möglichst spezifischen und homogenen Zielgruppen und Milieus (vgl. z. B. Barz u. Tippelt 2004) erschwert.

Darüber hinaus verweist unser Befund auf weiteren Forschungsbedarf. Eine qualitativ-empirische Untersuchung sagt nichts darüber aus, in welcher Häufigkeitsverteilung Kompetenzprofile bei Erwachsenenbildner(inne)n ausgeprägt sind. Von daher wäre eine quantitative Untersuchung anzuschließen. Dies ist auch deshalb interessant, da unsere Untersuchung die Vermutung nahe legt, dass die nicht fortgebildeten Erwachsenenbildner(innen) – unabhängig von den Anforderungen intergenerationellen Lernens – nur wenig ausgeprägte Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität und Lernarrangements haben. Von daher wäre eine quantitative Untersuchung, die die Kompetenzprofile von Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern in den Blick nimmt, aufschlussreich. Zudem konnte in der vorliegenden Studie über die Fortbildung selbst keine Aussage gemacht werden. Die empirische Überprüfung der Wirksamkeit von Fortbildungen und der Professionalität von Erwachsenenbildner(inne)n ist ein Forschungsfeld, das weiterer Bearbeitung bedarf. Zudem fehlen Studien, die eine Vorstellung von der Häufigkeit intergenerationeller Bildungsangebote vermitteln und den Bedarf dafür ermitteln.