1 Einführung

Seit der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 haben rechtspopulistische Bewegungen und Parteien in Deutschland stärkeren Zulauf erhalten, wie zuvor in anderen europäischen Ländern auch (vgl. Silver 2022). Seitdem haben rechtspopulistische Ideen und Ideologien in den öffentlichen Mediendiskurs Eingang gefunden (vgl. von Nordheim et al. 2019). Auch die aktuellen politischen Krisen – Covid-19-Pandemie, Klimakrise oder Ukrainekrieg – werden von (rechts)populistischen Ideen, Falschnachrichten und Verschwörungstheorien in den Medien begleitet (vgl. Boberg et al. 2020; Müller et al. 2017). Während zur Entstehung und Verbreitung von Populismus und Falschinformationen in und durch etablierte und soziale Medien schon empirische Erkenntnisse vorliegen (vgl. Engesser et al. 2020; Müller et al. 2017; Tsfati et al. 2020), fehlen entsprechende Befunde über rechtsalternative Online-Medien weitgehend.

In rechtsalternativen Online-Medien sind populistische und verschwörungstheoretische Inhalte aus mehreren Gründen zu vermuten. Erstens lehnen diese Medien journalistische Professionalitätsnormen wie Objektivität häufig ab und vertreten ihre politische Ausrichtung offen nach außen (vgl. Hackett und Gurleyen 2015). Zweitens verstehen sich diese Medien selbst als Korrektiv gegenüber der Deutungsmacht des politischen und medialen Mainstreams, sodass einzelne populistische Kernkriterien schon im Selbstverständnis dieser Medien angelegt sind (vgl. Heft et al. 2020; Holt et al. 2019). Drittens wissen wir aus der Mediennutzungsforschung, dass Personen mit populistischen Einstellungen häufiger alternative Online-Medien nutzen (vgl. Müller und Schulz 2021). Analog nutzen Personen mit stärker ausgeprägten Verschwörungsüberzeugungen häufiger alternative Medieninhalte (vgl. Frischlich et al. 2022). Daher fragt diese Studie danach, wie häufig Populismus und Verschwörungstheorien in rechtsalternativen Medieninhalten vorkommen.

Erkenntnisse zu rechtsalternativen Medieninhalten sind in verschiedenen Forschungsfeldern nützlich. In der Medienwirkungsforschung ermöglichen sie Vermutungen darüber, wie populistische oder verschwörungstheoretische Einstellungen bei Rezipient:innen entstehen oder sich verstärken (vgl. Müller et al. 2017). Darüber hinaus sind weitergehende Wirkungen anzunehmen, wie etwa die Weigerung, politische Maßnahmen zu unterstützen (z. B. Impfverweigerung in der Covid-19-Pandemie) (vgl. Bierwiaczonek et al. 2020; Jolley und Douglas 2014; Oleksy et al. 2021). Aus Sicht der Journalismusforschung helfen die inhaltsanalytischen Erkenntnisse dabei, die Anwendung journalistischer Normen in rechtsalternativen Medien einzuschätzen. Ein Teil dieser Medien könnte (stärker) faktenorientiert berichten, um Glaubwürdigkeit beim Publikum zu erzeugen (vgl. Heft et al. 2021). Ein anderer Teil könnte auch eine Radikalisierungsstrategie verfolgen, um sich von den etablierten Medien und seinem Publikum abzugrenzen (vgl. Heft et al. 2020). Aus öffentlichkeitstheoretischer Sicht unterstützen uns die Befunde dabei einzuordnen, ob alternative Medieninhalte zu einem vielfältigeren Medienangebot beitragen und eine demokratietheoretisch wünschenswerte Basis schaffen, um Bürger:innen zur politischen Teilhabe zu befähigen. Denn Bürger:innen, die sich politisch engagieren und politische Missstände kritisieren, könnten bessere politische Entscheidungen der Regierung herbeiführen (vgl. Martin und Claibourn 2013). Andererseits können populistische und/oder nicht faktenbasierte Informationen auch einer fundierten politischen Meinungsbildung abträglich sein, illegale Beteiligungsformen fördern und grundsätzlich die Unterstützung für das politische System bzw. die Demokratie erodieren (vgl. Barbieri 2018, S. 219).

Um zu klären, wie häufig Populismus und Verschwörungstheorien in rechtsalternativen Medieninhalten vorkommen, verbinden wir zunächst alternative Online-Medien theoretisch mit Populismus und Verschwörungstheorien. Wir knüpfen an ein enges, ideologisches Populismuskonzept an und konzipieren Verschwörungstheorien als themenübergreifendes Narrativ mit mehreren Kernelementen. In einer manuellen standardisierten Inhaltsanalyse untersuchen wir 202 Beiträge aus sechs rechtsalternativen deutschsprachigen Medienangeboten über einen Zeitraum von anderthalb Jahren, wobei verschwörungstheoretische Elemente so selten auftraten, dass wir sie qualitativ einordnen.

2 Rechtsalternative Online-Medien

Der Begriff Alternativmedien wurde ursprünglich für progressive und politisch linke Angebote verwendet, die verschiedene Ziele verfolgten: die Interessenvertretung spezifischer Communities, die Stärkung der Zivilgesellschaft oder die Herausforderung etablierter Medien (vgl. Hackett und Gurleyen 2015). Insbesondere das Herausfordern etablierter Medien wird mit politisch „radikalen Alternativmedien“ (vgl. Downing 2001) verknüpft. Neuerdings grenzen sich auch rechte Online-Alternativmedien vom vermeintlich hegemonialen und „vermachteten“ Diskurs in den journalistisch etablierten Medien ab. Demzufolge definieren wir diese Medien als „proclaimed and/or (self-) perceived corrective, opposing the overall tendency of public discourse emanating from what is perceived as the dominant mainstream media in a given system“ (Holt et al. 2019, S. 862). Im Gegensatz zu den ursprünglich linken Alternativmedien verstehen sich die heutigen rechtsalternativen Medien als digitale Nachrichtenanbieter bzw. als journalistische Angebote.

Die Forschung nennt verschiedene Dimensionen und Ebenen (z. B. Strukturen der Medienorganisation, Arbeitsroutinen), in denen sich alternative Online-Medien auf einem Kontinuum mehr oder weniger von den etablierten Medien unterscheiden können (vgl. z. B. Holt et al. 2019). Wir konzentrieren uns in diesem Beitrag auf die inhaltliche Ebene, die oft als „politically and/or socially/culturally radical, counter-hegemonic or alternative in its epistemological foundations“ beschrieben wird (Holt et al. 2019, S. 863). Manche Forscher:innen verknüpfen deshalb rechtsalternative Medien konzeptionell mit populistischen und/oder verschwörungstheoretischen Inhalten (vgl. z. B. Müller und Schulz 2021; Rae 2021), während andere diesen Zusammenhang ausschließlich empirisch betrachten (vgl. z. B. Heft et al. 2020). Mit unserer Definition von rechtsalternativen Medien, die auf gegenhegemoniale Deutungen im Vergleich zu etablierten Medien abzielt, vertreten wir letztere Position und leiten zwei Fragen ab: In welchen Formen und in welchem Ausmaß finden sich (1) populistische Inhalte und (2) verschwörungstheoretische Inhalte in rechtsalternativen Online-Medien?

2.1 Populismus und rechtsalternative Online-Medien

Populismus wird in der Literatur entweder als Ideologie (vgl. Mudde 2004; Müller et al. 2017; Reinemann et al. 2017) oder als rhetorischer bzw. politischer Stil oder Performance definiert (vgl. Baldwin-Philippi 2019; Bossetta 2017; Ernst et al. 2019; Moffitt und Tormey 2014; Jagers und Walgrave 2007). Wir verstehen Populismus als Ideologie und befassen uns primär mit den Inhalten der Berichterstattung in rechtsalternativen Online-Medien. Populismus als Ideologie geht davon aus, dass die Gesellschaft in zwei homogene, antagonistische Gruppen getrennt ist, das „reine Volk“ und die „korrupte Elite“. Zudem geht sie davon aus, dass Politik ein Ausdruck des allgemeinen Volkswillens sein soll (vgl. Mudde 2004). Populismus wird häufig als „dünne Ideologie“ bezeichnet, die im Kern die Bildung „des homogenen Volks“ beinhaltet (vgl. Engesser et al. 2017; Müller und Schulz 2021; Müller et al. 2017; Reinemann et al. 2017). Sofern Populismus ausschließlich das „homogene Volk“ nennt, sprechen Jagers und Walgrave (2007, S. 334) von leerem Populismus. Mudde (2004, S. 543) grenzt Populismus von den zwei gegensätzlichen Begriffen des Elitismus und des Pluralismus ab.

Das „homogene Volk“ grenzt sich im Populismus vertikal von den Eliten („die da oben“) ab, die nicht im Sinne des Volkes handeln, sondern primär eigene Interessen verfolgen würden. Da der Populismus einen sehr weit gefassten Politikbegriff vertritt, lastet er alle Misserfolge und Probleme der Politik an. Populismus wirkt an dieser Stelle als eine Form der Machtkritik bzw. der Kritik an hegemonialen Verhältnissen und repräsentativer Politik (vgl. Fenster 2008, S. 281; Mudde 2004). Auch der Elitenbegriff ist sehr umfassend und schließt politische Eliten (Parteien, Regierung, Minister:innen usw.), Medien (Medienmagnaten, Journalist:innen usw.), Staat (Verwaltung, öffentlicher Dienst), Intellektuelle (Universitäten, Schriftsteller:innen, Professor:innen) oder wirtschaftliche Eliten ein (multinationale Unternehmen, Arbeitgeber:innen, Gewerkschaften usw.). Jagers und Walgrave (2007, S. 335) sprechen in diesem Zusammenhang auch von anti-elitärem Populismus.

Populismus in Abgrenzung zum Pluralismus meint, dass sich das „homogene Volk“ horizontal von anderen gesellschaftlichen Gruppen abgrenzt, die nicht die „guten“ Eigenschaften des Volkes teilen (vgl. Jagers und Walgrave 2007; Reinemann et al. 2017). In dieser Populismusform sind Werte und Verhaltensweisen einiger Gruppen unvereinbar mit dem allgemeinen Interesse des Volkes. Die Folge für bestimmte Bevölkerungsgruppen sind Stigmatisierung und Ausschluss aus „dem Volk“; sie werden als Bedrohung und Belastung für die Gesellschaft definiert (z. B. ethnische oder religiöse Gruppen, Kriminelle). Populismus ist also mit anderen („dünnen“ oder „dicken Ideologien“) kombinierbar, z. B. mit Nationalismus oder Antisemitismus (vgl. Mudde 2004, S. 544). Die Abgrenzung zu anderen gesellschaftlichen Gruppen nennen Jagers und Walgrave (2007, S. 335–336) ausgrenzenden Populismus.

Das „homogene Volk“ grenzt sich von den Eliten und anderen gesellschaftlichen Gruppen ab, indem es einerseits die eigenen Tugenden und Leistungen hervorhebt und andererseits die „anderen“ beschuldigt, für negative Entwicklungen verantwortlich zu sein. Da die Eliten ausschließlich eigene Interessen verfolgen würden, werden sie bspw. als faul, dumm, kriminell oder undemokratisch diskreditiert (vgl. Müller et al. 2017). Diese Abgrenzung lässt sich psychologisch mit der Social Identity Theory (vgl. Tajfel und Turner 1979) erklären. Demnach sind Individuen bestrebt, Gemeinsamkeiten mit ihrer eigenen sozialen Gruppe (d. h. dem „guten“ Volk) und damit ihre Zugehörigkeit herauszustellen. Die Konstruktion der eigenen sozialen Gruppe erfolgt durch Abgrenzung und Ausschluss nicht zugehöriger Gruppen wie z. B. gesellschaftlichen Minderheiten oder Eliten (vgl. Reinemann et al. 2017; Schulz et al. 2020). Sofern sich das „homogene Volk“ sowohl von Eliten (vertikal) als auch von anderen gesellschaftlichen Gruppen (horizontal) abgrenzt, sprechen Jagers und Walgrave (2007, S. 334–336) vom kompletten Populismus.

Die empirische Forschung hat einerseits Populismus als Ideologie und/oder rhetorischen Stil inhaltsanalytisch untersucht (vgl. z. B. Engesser et al. 2017; Jagers und Walgrave 2007; Jansen et al. 2020; Müller et al. 2017). Andererseits liegen bereits Inhaltsanalysen der thematischen und argumentativen Strukturen vor (vgl. z. B. Boberg et al. 2020; Heft et al. 2020; Klawier et al. 2022; Müller und Freudenthaler 2022; Nygaard 2020; von Nordheim et al. 2019). Bislang gibt es allerdings kaum inhaltsanalytische Studien, die explizit beide Forschungsstränge verknüpfen und Populismus sowie Verschwörungstheorien in rechtsalternativen Online-Medien untersuchen. Aus der Nutzungsforschung haben wir aber empirische Hinweise, dass populistisch eingestellte Personen häufiger alternative Online-Medien nutzen (vgl. Müller und Schulz 2021). Und auch in den bisherigen Inhaltsanalysen von Themen in rechtsalternativen Online-Medien finden sich Evidenzen für populistische Bedeutungsinhalte (vgl. z. B. Boberg et al. 2020; Müller und Freudenthaler 2022; von Nordheim et al. 2019).

Aufbauend auf der Konzeption von Populismus als Ideologie sowie den empirischen Hinweisen im Forschungsstand fragen wir danach, ob und inwieweit rechtsalternative Online-Medien in ihren Inhalten populistische Elemente verwenden. Wir nehmen an, dass entsprechende Medieninhalte am häufigsten einen anti-elitären Populismus aufweisen. Weiterhin zeigen empirische Befunde, dass gesellschaftliche Outgroups vor allem in Verbindung mit der Elite attackiert werden, sodass Inhalte häufiger einen vollen Populismus als einen ausgrenzenden Populismus aufweisen dürften (vgl. Jagers und Walgrave 2007; Jansen et al. 2020). Da die Ansprache des Volks ohne Ausschluss von Eliten und Outgroups nicht als genuin populistisch gilt (vgl. Jagers und Walgrave 2007; Reinemann et al. 2017) und auch empirische Arbeiten kaum rein volksbezogene populistische Medieninhalte finden (vgl. Jansen et al. 2020), scheint diese Populismusform selten aufzutreten. Wir leiten folgende Hypothese ab:

H1:

Anti-elitärer Populismus ist in rechtsalternativen Medieninhalten am häufigsten vorzufinden. Danach folgen voller und ausgrenzender Populismus, während der leere Populismus am seltensten vorkommt.

Rechtsalternative Online-Medien bilden keinen homogenen Medientyp. Manche Autor:innen unterscheiden zwischen traditionell-konservativen (z. B. Junge Freiheit) und offen rechten Angeboten (z. B. Compact, PI News) (vgl. Müller und Freudenthaler 2022). Studien zeigen, dass manche rechtsalternativen Medien konventionelle Themenstrukturen aufweisen (z. B. Compact, Junge Freiheit, Zuerst!), während andere unkonventionelle (z. B. Journalistenwatch, Politikstube) oder spezifisch rechte Themen (z. B. PI News) betonen (vgl. Heft et al. 2020). Weiterhin beinhaltet ein Teil der rechtsalternativen Online-Medien einen konfrontativen und interpretativen Berichterstattungsstil, der sich klar gegen Migrant:innen, die Regierung und die etablierten Medien richtet. Ein anderer Teil unterscheidet sich aufgrund eines beschreibenden und zitierenden Stils kaum von etablierten Medien (vgl. Klawier et al. 2022; Nygaard 2019). Auch beim Grad der Inzivilität zeigen sich Unterschiede zwischen rechtsalternativen Medien (vgl. Freudenthaler und Wessler 2022). Aus diesem Grund fragen wir nach inhaltlichen Unterschieden:

FF1:

Welche Unterschiede zeigen sich im Ausmaß der Populismusformen zwischen verschiedenen rechtsalternativen Online-Medien?

2.2 Verschwörungstheorien und rechtsalternative Online-Medien

Die bisherige Forschung hat rechtsalternative Online-Medien teilweise mit Falschinformationen oder Verschwörungstheorien verknüpft (vgl. Klawier et al. 2022; Rae 2021), teilweise solche Zusammenhänge auch bezweifelt (vgl. Chadwick et al. 2018; Rone 2019). Während etablierte Medien Falschinformationen unabsichtlich verbreiten können (misinformation), stehen rechtsalternativen Online-Medien im Verdacht, absichtlich Falschinformationen zu verbreiten (disinformation). Allerdings können Verschwörungstheorien sowohl aus korrekten Inhalten als auch aus falschen Informationen entstehen (vgl. Baden und Sharon 2021). Demzufolge ist der Begriff der Verschwörungstheorien missverständlich, weil sie eben nicht wie wissenschaftliche Theorien an der Realität getestet, ggf. verworfen oder modifiziert werden. Wir behalten den Begriff der Verschwörungstheorien dennoch bei, weil er im internationalen Wissenschaftsdiskurs etabliert ist (vgl. Baden und Sharon 2021).

Baden und Sharon (2021) unterscheiden Theorien über Verschwörungen von den eigentlichen Verschwörungstheorien. Theorien über Verschwörungen verstehen sie nicht zwingend als illegitim im demokratischen Diskurs. Dafür nennen sie zwei Gründe: Erstens müssen Theorien über Verschwörungen nicht immer unwahr sein (z. B. Watergate-Skandal). Aber selbst, wenn es Beweise für unwahre Theorien über Verschwörungen gibt, ist es generell schwierig oder gar unmöglich, deren Wahrheitsgehalt mit Sicherheit und abschließend zu bestimmen. Zweitens kann man Theorien über Verschwörungen zwar als ungerechtfertigt in dem Sinne bezeichnen, dass sie keine ausreichenden Gründe für den Glauben an ihre Behauptungen liefern. Allerdings ist es schwierig zu bestimmen, wann „ausreichende“ Gründe vorliegen. Wissenschaftler:innen haben zu Recht eingewandt, dass Verschwörungstheoretiker:innen oft zahlreiche „Beweise“ für ihre Theorien vorlegen.

Verschwörungstheorien im eigentlichen Sinn berufen sich dagegen auf Verschwörungen, um soziale Phänomene zu erklären. Sie verletzen fundamentale Normen demokratischer Diskurse, sofern sie zusätzlich die folgenden drei Kriterien erfüllen (vgl. Baden und Sharon 2021, S. 90): Erstens verletzen Verschwörungstheorien den sozialwissenschaftlichen Realismus. Denn sie unterstellen, dass die Verschwörer:innen über ein unrealistisch umfassendes Wissen verfügen, um Ereignisse vollständig beabsichtigt und im Geheimen zu kontrollieren (allgegenwärtige Macht). Zweitens konstruieren Verschwörungstheorien eine essentialistische Binarität von Wahrheit und Unwahrheit, von Gut und Böse (manichäischer Dualismus). So verfolgen Verschwörer:innen illegitime Pläne zu ihrem eigenen Nutzen, z. B. persönlichem Reichtum oder Macht (vgl. Kuhn 2010, S. 120; Uscinski und Parent 2014, S. 43–44). Verschwörungstheoretiker:innen agieren dagegen als Wahrheitsverkünder:innen, die sich moralisch verpflichtet sehen, das Böse zu entlarven (vgl. z. B. Fenster 2008, S. 119) und Menschen aufzuwecken, die Wahrheit zu erkennen. Drittens entwerten Verschwörungstheorien systematisch Prozesse der erkenntnistheoretischen Validierung von Informationen, die aus konventionellen Institutionen wie z. B. Medien, Wissenschaft oder Justiz stammen (schwer fassbare Erkenntnistheorie). Verschwörungstheorien stehen somit im Gegensatz zu Darstellungen, die (1) anerkennen, dass die Legitimität von Beweisen und Argumenten bewertet und verbessert werden kann; (2) einen pluralistischen Wettbewerb zulassen und legitimerweise angezweifelt und zurückgewiesen werden können; und (3) Zufälle und unbeabsichtigte Folgen zulassen und damit Möglichkeiten eröffnen, die bösen Motive der Verschwörer:innen und die Vollständigkeit der Darstellung zu hinterfragen.

Diese Konzeption von Verschwörungstheorien weist Überschneidungen mit dem Populismuskonzept auf. Wir nehmen an, dass die oben beschriebene Populismusideologie Verschwörungstheorien instrumentell für ihre Zwecke nutzen kann (vgl. Douglas et al. 2019; Schilk 2017, S. 60–66), aber nicht notwendigerweise nutzen muss. Erstens lassen sich aus populistischer Sicht Eliten als Verschwörer:innen verstehen, die in medialen, wissenschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen Institutionen und Organisationen Macht und Kontrolle ausüben, um ihre persönlichen Ziele und Interessen durchzusetzen. Die Verschwörungstheorien dazu entstehen dagegen aufseiten des „homogenen Volks“, dass sich von den Verschwörer:innen als beherrscht, korrumpiert und getäuscht sieht und deshalb die elitären Machtstrukturen kritisiert (vgl. Fenster 2008, S. 104; Uscinski und Parent 2014). Damit lässt sich zweitens die in Verschwörungstheorien konstruierte Binarität von Wahrheit und Falschheit bzw. Gut und Böse auf den populistischen Gegensatz zwischen dem „gutem“ Volk und den „bösen“ Eliten bzw. gesellschaftlichen Outgroups anwenden (vgl. Götz-Votteler und Hespers 2019, S. 112). In dieser Lesart bedrohen die verschwörerischen Eliten und/oder gesellschaftliche Outgroups den freien Willen, die Rechte, die Freiheit, den Machtstatus und sogar das Leben des „homogenen Volks“. Demzufolge sieht sich das „Volk“ gezwungen, die Wahrheit über die verschwörerischen Eliten bzw. die Outgroups aufzudecken und die Bedrohung abzuwenden. Drittens spielt auch im Populismus die Entwertung von Institutionen und Prozessen der Informationsgenerierung eine Rolle, da der konstruierte Gegensatz des „guten Volks“ zu verschiedenen Arten von Eliten aus den Bereichen Medien, Wissenschaft, Staat usw. konstruiert werden kann. Im Populismus kann auch das „Volk“ Informationen und weithin geglaubte Fakten, die durch verfügbare Beweise gestützt werden, als verdächtig ansehen und selektiv nur solche Fakten anerkennen, die einer bestimmten Erklärung entsprechen oder von Personen aus der eigenen Ingroup stammen.

Empirisch gibt es keine eindeutigen Belege für das Auftreten von Verschwörungstheorien in rechtsalternativen Online-Medien (vgl. Rone 2019). Eine computergestützte Inhaltsanalyse von Facebook-Beiträgen alternativer und etablierter Medien während der Corona-Pandemie findet einen marginalen Anteil verschwörungsideologischer Inhalte (vgl. Boberg et al. 2020). Eine Langzeitanalyse von Leserbriefen an die New York Times und die Chicago Tribune zeigt, dass seit 1964 Verschwörungstheorien bis auf wenige kurzfristige Schwankungen weniger als ein Prozent der Inhalte ausmachen (vgl. Uscinski and Parent 2014). Starbird (2017) zeigt dagegen anhand einer Analyse von Twitterinhalten, dass das Teilen von verschwörungsbasierten Narrativen im Internet direkt von Quellen alternativer Medien angeheizt wurde. Dies wurde auch durch eine Analyse von Facebook-Inhalten von Buzzfeed bestätigt (vgl. Silverman 2016). Während die Berichterstattung von Russia Today kaum Verschwörungstheorien beinhaltet, enthält über die Hälfte der Nutzerkommentare auf den US-amerikanischen, israelischen und deutschen Ablegern von Russia Today mindestens ein verschwörungstheoretisches Element (vgl. Baden und Sharon 2021). Aufgrund der uneindeutigen Befunde formulieren wir zwei explorative Forschungsfragen:

FF2:

Wie häufig kommen in rechtsalternativen Online-Medien verschwörungstheoretische Elemente vor?

FF3:

Welche Unterschiede im Ausmaß verschwörungstheoretischer Elemente zeigen sich zwischen rechtsalternativen Online-Medien?

3 Untersuchungsanlage

Für die Beantwortung der Hypothese und der Forschungsfragen untersuchen wir mit einer manuellen standardisierten Inhaltsanalyse Medienbeiträge in den sechs deutschsprachigen rechtsalternativen Online-Medien Compact, Journalistenwatch, PI News, Politikstube, Zuerst! und Junge Freiheit. Diese Angebote sind zumindest teilweise journalistisch institutionalisiert, beschreiben sich selbst als alternativ zu den etablierten Medien und lassen sich explizit politisch rechten Medien zuordnen (vgl. Heft et al. 2020). Zudem unterscheiden sie sich in der politischen Tendenz ihrer Themen, sodass das Sample inhaltlich heterogen strukturiert ist. Compact, Zuerst! und die Junge Freiheit enthalten konventionelle Nachrichtenkategorien (z. B. Politik, Kultur, Meinung und Sport) und erscheinen damit nach außen eher wie Nachrichtenwebsites etablierter Medien. Politikstube und Journalistenwatch weisen unkonventionelle Nachrichtenkategorien ohne eindeutig rechte Ausrichtung auf (z. B. Tierrechte, Überleben). PI News beinhaltet rechtsalternative Themenkategorien und zeigt damit nach außen seine politisch rechte Ausrichtung (z. B. Einwanderung, Meinungsfreiheit, Terror und Mainstream-Medien). Auf Basis dieser Befunde fassen wir für die vergleichende Auswertung die drei Alternativmedien mit konventionellen Nachrichtenstrategien zusammen (Compact, Zuerst!, Junge Freiheit), ebenso wie die drei Angebote mit unkonventionellen oder rechten Themenstrukturen (Politikstube, Journalistenwatch, PI News).

Als thematischen Kontext der Analyse wählen wir die Covid-19-Pandemie und damit eine Krisensituation globalen Ausmaßes. Die Zuschreibung von Verantwortlichkeiten bei gesellschaftlichen Krisen ist ein Ausdruck von Machtkritik, der im Populismus und in Verschwörungstheorien gleichermaßen eine Rolle spielen kann (vgl. z. B. Lamberty und Imhoff 2021, S. 203). Demnach wird den herrschenden Eliten entweder Versagen im Umgang mit einer Krise vorgeworfen (populistische Lesart) oder sie werden beschuldigt, die Krise mit einem bestimmten Ziel absichtlich herbeigeführt zu haben (zusätzlich verschwörungstheoretische Lesart). Die Eingrenzung auf die Covid-19-Pandemie bietet einen einheitlichen thematischen Hintergrund für die Analyse aller sechs Medien und damit Potenzial für populistische und verschwörungstheoretische Bezüge in der Berichterstattung (vgl. Boberg et al. 2020; Eberl et al. 2021; Lamberty und Imhoff 2021).

Der Untersuchungszeitraum beginnt am 27. Januar 2020 und endet am 23. August 2021. Der Startpunkt markiert die erste nachgewiesene Covid-19-Infektion in Deutschland (vgl. mdr 2020). Der 23. August markiert aus forschungspragmatischen Gründen den Schlusspunkt der Untersuchung, da der Beitrag Ergebnisse aus der Masterarbeit des Erstautors präsentiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte in Deutschland mehr als jede:r zweite Deutsche den vollen Impfschutz (durch zwei Impfungen). Zunächst erstellten wir eine Liste aller Untersuchungstage und wählten rein zufällig 44 Tage aus. An diesen 44 Tagen wählten wir alle veröffentlichten Beiträge aus, die einen thematischen Bezug zur Covid-19-Pandemie aufweisen (Suchbegriff „Corona“ in Überschrift, Unterzeile, im hervorgehobenen Anreißer und/oder ersten Absatz einzelner Beiträge in den Website-Archiven der sechs Medien). Nicht berücksichtigt haben wir Werbebeiträge, erkennbar von anderen Medien übernommene Inhalte, kostenpflichtige Beiträge sowie Beiträge, die nur aus einem Bild oder Video mit einem Absatz bestehen. Pro zufällig gezogenem Untersuchungstag nahmen wir nur einen Beitrag pro Medium in die Stichprobe auf, damit spezifische Ereignisanlässe im Sample nicht überrepräsentiert sind. Sofern ein Medium an den ausgewählten Zufallstagen mehr als einen Beitrag veröffentlicht hat, hat ein Würfelsimulator (Würfelversion 4.3.5.1000, vgl. Stengel 2016) über die Auswahl des Beitrags entschieden. Das Sample umfasst insgesamt 202 Medienbeiträge aus sechs rechtsalternativen Online-Medien: Compact (n = 36, 18 %), Journalistenwatch (n = 41, 20 %), PI News (n = 30, 15 %), Politikstube (n = 37, 18 %), Zuerst! (n = 34, 17 %) und Junge Freiheit (n = 24, 12 %).

Die Analyseeinheit für die inhaltlichen Kategorien bilden die Bezugsobjekte im Beitrag. Als Bezugsobjekte verstehen wir alle Personen, Gruppen oder Institutionen, auf die sich ein Medienbeitrag bezieht. Indikatoren dafür sind unter anderem wiederholte Nennungen von Akteur:innen in Überschriften, Teilüberschriften oder im Beitrag, der Blick auf dargestellte Handlungen und Aktionen von Akteur:innen und/oder explizite Bewertungen durch Beitragsautor:innen bzw. zitierte Quellen. Demzufolge erfassen wir einmalig genannte Personen, Gruppen oder Institutionen ohne Themenbezug nicht als Bezugsobjekt. Den thematischen Bezug zu den Bezugsobjekten identifizieren wir über zugrundeliegende ideologische Bedeutungen von Populismus. Weiterhin knüpft die Konstruktion von Populismus an gesellschaftliche Akteur:innen und Gruppen an, sodass die Studie verschiedene Typen von Bezugsobjekten berücksichtigt. Tab. 1 zeigt die inhaltsanalytische Operationalisierung der Bezugsobjekte und deren nachträgliche Verdichtung zu den populismusrelevanten Akteur:innen. Insgesamt haben wir 537 Bezugsobjekte in 196 Medienbeiträgen analysiert, während sechs Beiträge keine Bezugsobjekte enthielten (rH = 0,96, k‑α = 0,95). Für jedes Bezugsobjekt erfassen wir eine wertende Äußerung zwischen den Polen positiv und negativ (rH = 0,88, k‑α = 0,81), wobei die Bewertung mit einer Diskreditierung oder Schuldzuweisung an die Akteur:innen einhergehen konnten (vgl. Müller et al. 2017), aber nicht mussten. Für die Reliabilitätsberechnung nach Holsti (rH) und Krippendorff’s Alpha (k-α) erfassten der Erstautor und ein weiterer Codierer in 30 Beiträgen insgesamt 67 Bezugsobjekte inkl. Bewertungen, nachdem der Erstautor den Codierer in mehreren Sitzungen mit dem zugrundeliegenden Codebuch geschult hat. Die Reliabilitätskoeffizienten beider Kategorien sind zufriedenstellend.

Tab. 1 Systematisierung der Bezugsobjekte

Medial verbreitete Fake News oder Verschwörungsinhalte werden häufig thematisch gebunden und aufgrund von Fact-Checking-Ergebnissen operationalisiert (vgl. z. B. Boberg et al. 2020). Allerdings ist die Frage von Wahrheit und Unwahrheit laut Baden und Sharon (2021) kein hinreichendes Kriterium für Verschwörungstheorien. Die Kategorien in dieser Studie beruhen auf sechs Kernelementen von Verschwörungstheorien, die themenübergreifend gelten (vgl. Baden und Sharon 2021; Douglas et al. 2019; Kuhn 2010; Lamberty und Imhoff 2021). Diese Elemente verknüpfen wir ebenfalls mit den Bezugsobjekten. In der Kategorie Handlung der Bezugsobjekte werden verschwörungstheoretische Handlungen mit fünf Ausprägungen erfasst: (1) Zerstörung der (Welt‑)Wirtschaft (Handlungen von Akteur:innen, die eine Zerstörung bzw. absolute Neuordnung des Wirtschaftssystems beabsichtigen); (2) Austausch der eigenen (hier: deutschen) Bevölkerung mit anderen Outgroups (Handlungen von Akteur:innen, die einen Wechsel der „Stammbevölkerung“ mit anderen Ethnien, z. B. muslimischen oder afrikanischen Migrant:innen, anstreben); (3) Dezimierung der (Welt‑)Bevölkerung (Handlungen von Akteuren, die an der Vernichtung eines Großteils bzw. der gesamten Weltbevölkerung mitwirken); (4) Errichtung eines neuen Herrschaftssystems (Handlungen, die Akteur:innen vorwerfen, einen politischen Neustart auf nationaler, aber auch europäischer oder globaler Ebene anzustreben) sowie (5) keine verschwörungstheoretische Handlung erkennbar. Diese inhaltsanalytische Kategorie enthält bereits drei der Kernelemente von Verschwörungstheorien: (1) intentionale, geplante bzw. nicht-spontane Handlungen (2) einer koordinierten Gruppe oder mehrerer Akteure (3) mit böswilligen Intentionen. Zum vierten Kernelement, der Geheimhaltung, erfassen wir, ob eine Handlung als geheim oder nicht geheim repräsentiert wird. Das fünfte theoretische Kernelement Illegalität ermittelt, ob eine Handlung als legal oder illegal beschrieben wird. Das sechste Element, die Frage nach dem Nutzen für Verschwörer:innen, erhebt, ob ein Bezugsobjekt Nutzen aus einer Handlung zieht oder nicht. Der Erstautor und ein weiterer Codierer haben in allen 30 Medienbeiträgen die verschwörungstheoretischen Kategorien separat identifiziert, anschließend ihre Lösungen besprochen und sich im Zweifelsfall auf eine Lösung geeinigt. Da die verschwörungstheoretischen Kategorien im Pretest kaum aufgetreten sind (n < 10), verzichten wir auf die Reliabilitätsberechnung für diese Kategorien. Diese Kategorien sind auch in der inhaltsanalytischen Hauptuntersuchung selten vorgekommen, sodass wir die wenigen Fälle qualitativ beschreiben.

Das Ausmaß der Populismusformen wird für die beiden Analyseebenen des Bezugsobjekts und des Beitrags ermittelt. Zunächst fassen wir die Bezugsobjekte zu den populismusrelevanten Akteursgruppen Volk, Elite und Outgroups zusammen (Tab. 1), bevor wir sie mit den Bewertungen verknüpfen. Dies ermöglicht eine vergleichende Analyse der Bewertungen populistischer Bezugsobjekte für die sechs rechtsalternativen Online-Medien. Anschließend aggregieren wir die bewerteten Bezugsobjekte für die populismusrelevanten Akteursgruppen Volk, Elite und Outgroups auf Beitragsebene. Für jede Akteursgruppe wird pro Beitrag eine durchschnittliche Bewertung berechnetFootnote 1. Mithilfe dieser aggregierten Variablen klassifizieren wir die Beiträge nach den vier Formen des leeren Populismus, anti-elitären Populismus, ausgrenzenden Populismus und kompletten Populismus. Ein Beitrag ist dem leeren Populismus zuzuordnen, wenn er über alle verschlüsselten Bezugsobjekte hinweg das „Volk“ primär positiv bewertet, ohne Eliten und Outgroups negativ zu bewerten. Ein Beitrag gehört zum anti-elitären Populismus, wenn er neben einer positiven Volksbewertung eine negative Elitenbewertung vornimmt, ohne andere gesellschaftliche Gruppen auszugrenzen. Ausgrenzender Populismus liegt im Beitrag vor, wenn gleichzeitig eine positive Volksbewertung und eine negative Outgroupbewertung vorliegen, ohne Eliten negativ zu beurteilen. Kompletter Populismus ist dann gegeben, wenn eine positive Bewertung des Volkes mit negativen Abgrenzungen von Eliten und Outgroups im Beitrag einhergeht.

4 Ergebnisse

4.1 Populismus in rechtsalternativen Online-Medien

In H1 nehmen wir an, dass anti-elitärer Populismus in alternativen Medieninhalten am häufigsten vorkommt, während anschließend der Reihe nach kompletter und ausgrenzender Populismus folgen und leerer Populismus am seltensten vorkommt.

Der Anteil der Beiträge, die eine der vier Populismusformen im Sample enthalten, umfasst lediglich 15,9 % (32 Beiträge). Davon ist der anti-elitäre Populismus mit 19 Beiträgen (9,4 %) am häufigsten vertreten, d. h. in diesen Beiträgen wird das „homogene Volk“ positiv konstruiert und negativ von Eliten abgegrenzt. Es folgen der leere Populismus mit sieben Beiträgen (3,5 %), in denen ausschließlich das „Volk“ positiv dargestellt wird, ohne dass Aus- oder Abgrenzungen vorkommen. Der komplette Populismus ist lediglich in vier Beiträgen (2,0 %) enthalten, in denen nicht nur ein positives Volk konstruiert wird, sondern auch negative Abgrenzungen von Eliten und anderen gesellschaftlichen Gruppen vorgenommen werden. Der ausgrenzende Populismus ist nur in einem Beitrag (0,5 %) vorhanden als Kombination aus „gutem“ Volk, das sich von anderen gesellschaftlichen Gruppen abgrenzt. Demzufolge finden wir empirische Belege für die Hypothese, da anti-elitärer Populismus über alle rechtsalternativen Online-Medien hinweg am häufigsten vorkommt, während sich die angenommene Reihenfolge der anderen Populismusformen nicht bestätigt.

Weiterhin untersuchen wir, welche Unterschiede sich im Ausmaß der Populismusformen zwischen den untersuchten rechtsalternativen Online-Medientypen zeigen (FF1), die wir nach konventionellen (Compact, Zuerst!, Junge Freiheit) und unkonventionellen oder rechten Inhalten (Politikstube, Journalistenwatch, PI News) zusammengefasst haben. Für die Beantwortung der Frage gehen wir in drei Schritten vor. Erstens vergleichen wir die vier Populismusformen zwischen den Medientypen auf Beitragsebene. Zweitens vergleichen wir auf Ebene der Bezugsobjekte zunächst die Häufigkeiten und drittens die Bewertungen der populismusrelevanten Akteursgruppen zwischen den rechtsalternativen Online-Medientypen. Tab. 2 zeigt die vier Populismusformen im Vergleich der sechs Online-Medienangebote und der zwei rechtsalternativen Medientypen. Insbesondere bei der anti-elitären Populismusform zeigen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Online-Medien. Alle vier Populismusformen unterscheiden sich nicht zwischen den beiden rechtsalternativen Medientypen.

Tab. 2 Anteil der Populismusformen nach rechtsalternativen Online-Medien(typen)

Im nächsten Schritt vergleichen wir die Häufigkeiten der Bezugsobjekte für die drei populismusrelevanten Akteursgruppen. Die deskriptive Betrachtung zeigt zunächst, dass von den 537 erfassten Bezugsobjekten medienübergreifend am häufigsten Bezüge zur Elite (n = 390, 72,6 %) vorgenommen werden. In der Elitenkategorie wird am häufigsten die deutsche politische Elite thematisiert (n = 177, 45,4 %). Es folgen ausländische Politiker:innen und Regierungen (n = 54, 13,8 %), wissenschaftliche Eliten (n = 54, 13,8 %), staatliche Eliten (n = 37, 9,5 %), mediale Eliten (n = 37, 9,5 %) und wirtschaftliche Eliten (n = 28, 7,2 %). Gegenüber den Eliten sind die Bezüge zum Volk (n = 67, 12,5 %), zu gesellschaftlichen Outgroups (n = 42, 7,8 %) und zu anderen Bezugsobjekten (n = 38, 7,1 %) vergleichsweise selten. Die Häufigkeiten der drei Akteursgruppen Volk, Elite und Outgroups unterscheiden sich weder zwischen den sechs rechtsalternativen Online-Medien noch zwischen den beiden Medientypen signifikant (Tab. 3).

Tab. 3 Anteil populismusrelevanter Akteursgruppen nach rechtsalternativen Online-Medien(typen)

Neben den Häufigkeiten vergleichen wir im dritten Schritt die durchschnittlichen Bewertungen der drei populismusrelevanten Akteursgruppen auf Bezugsobjektebene, zum einen für die sechs einzelnen Angebote und zum anderen für die rechtsalternativen Medientypen (Tab. 4). Beide Vergleiche zeigen signifikante Unterschiede für die Bewertungen von Elite- und Outgroup-Akteuren. Die konventionellen rechtsalternativen Medien Compact, Zuerst! und Junge Freiheit bewerten Elite-Akteure signifikant weniger negativ als die drei unkonventionellen Online-Medien. Zudem beurteilen die Medienangebote Zuerst! und Junge Freiheit soziale Outgroups weniger negativ als die übrigen rechtsalternativen Medien. Dieser Effekt spiegelt sich auch in einem signifikanten Unterschied zwischen konventionellem und unkonventionellem rechtsalternativem Medientyp wider. Die Effekte der Medientypen auf die beiden Populismusgruppen lassen sich als mittelgroß interpretieren (Cohen’s d zwischen 0,4 und 0,6). Die Bewertung des Volkes ist zwar in den konventionellen rechtsalternativen Online-Medien tendenziell positiver, allerdings bestätigen sich die Unterschiede nicht in den statistischen Analysen.

Tab. 4 Bewertungen populismusrelevanter Akteursgruppen nach rechtsalternativen Online-Medien(typen)

4.2 Verschwörungstheorien in rechtsalternativen Online-Medien

Im Folgenden beantworten wir die Frage, wie häufig rechtsalternative Online-Medien verschwörungstheoretische Elemente beinhalten (FF2) und welche Unterschiede sich im Ausmaß verschwörungstheoretischer Elemente zwischen den untersuchten Medien zeigen. Insgesamt nahmen nur drei Beiträge inhaltliche Verknüpfungen zwischen Bezugsobjekten und verschwörungstheoretischen Elementen vor. Wir verzichten deshalb auf eine quantitative Auswertung und beschreiben den Kontext der wenigen Fälle.

Alle drei Beiträge veröffentlichte PI News (FF3), wobei diese drei Beiträge des Mediums überdurchschnittlich lang sind (alle Beiträge > 4388 Zeichen; MW = 3491). Die Themen dieser Beiträge sind Medizin/Wissenschaft, deutsche Politiker:innen und Judikative. Zwei der Beiträge beschäftigen sich mit der Covid-19-Pandemie in Deutschland (einmal auf Landes- und einmal auf Bundesebene), ein Beitrag mit der Herkunft des Corona-Virus in China. Die Bezugsobjekte, die mit verschwörungstheoretischen Handlungen verknüpft werden, sind der wirtschaftlichen und der politischen Elite zuzuordnen. Diese Eliten wurden einerseits mit der Zerstörung der (Welt‑)Wirtschaft (Great Reset), andererseits mit der Errichtung eines neuen Herrschaftssystems verknüpft. Dieses Herrschaftssystem wird als totalitäre „Corona-Diktatur“ bezeichnet bzw. als Errichtung einer Diktatur, für die die Covid-19-Pandemie als Vorwand dient. Einen der drei Beiträge haben wir zuvor dem kompletten Populismus zugeordnet.

5 Diskussion

5.1 Populismus in rechtsalternativen Online-Medien

Die Studie untersuchte das Ausmaß verschiedener Populismusformen in sechs rechtsalternativen deutschsprachigen Online-Medien. Insgesamt haben wir Populismus nur in einem kleinen Teil der rechtsalternativen Medienbeiträge zur Covid-19-Pandemie identifiziert. Der anti-elitäre Populismus ist als häufigste Form in etwa einem Zehntel der untersuchten Covid-19-Beiträge aufgetreten. Jedes vierte untersuchte Bezugsobjekt wurde mit Eliten verknüpft. Die Aus- und Abgrenzung zu anderen gesellschaftlichen Gruppen wurde seltener im Kontext der Covid-19-Berichterstattung thematisiert, nur bei weniger als jedem zehnten Bezugsobjekt. Bisherige Studien zeigten einen höheren Anteil dieser Populismusform für Fake News (vgl. Jansen et al. 2020). Jagers und Walgrave haben ausgrenzenden Populismus nicht isoliert erfassen können, sondern nur kombiniert mit anti-elitärem Populismus. Die Thematisierung des „Volks“ als Bezugsobjekt und als leere Populismusform kommt selten vor. Auch Jansen et al. (2020) fanden in Verbreitungsplattformen von Desinformationen leeren Populismus nur zu einem geringen Anteil (12 %). Studien, die leeren Populismus bzw. positiven Volksbezug ausschließlich über Begriffe wie „Volk“, „uns“ und „wir“ erfassen, kommen zu deutlich höheren Anteilen (vgl. Bossetta 2017).

Der Befund, dass in rechtsalternativen Online-Medien anti-elitäre Sichtweisen betont werden, findet sich auch in anderen Studien (vgl. Boberg et al. 2020; Holt 2018; Jagers und Walgrave 2007; Jansen et al. 2020). Zum Beispiel zeigt eine computergestützte Inhaltsanalyse von Facebook-Posts von alternativen Online-Medien zur Covid-19-Pandemie ebenfalls eine populistische und anti-elitäre Haltung (vgl. Boberg et al. 2020).

Für die geringe Häufigkeit der verschiedenen Populismusformen in den Medien gibt es mehrere Erklärungen. Erstens lassen sich die Befunde so interpretieren, dass sich die untersuchten Alternativmedien tatsächlich als Korrektiv gegenüber den (politischen) Eliten sehen und primär die tagesaktuelle Politik zur Covid-19-Pandemie kritisieren. Ein mögliches Ziel dieser Berichterstattung könnte dann darin bestehen, das eigene Publikum zu mobilisieren, sich öffentlich gegen die aktuellen politischen Entscheidungen zu positionieren bzw. andere Entscheidungen herbeizuführen. Ein anderes Ziel könnte sein, die politische Unterstützung für die Regierung oder das politische Regime kurz- und/oder langfristig zu reduzieren. Aus einer Meta-Analyse zu den Effekten etablierter Medieninhalte wissen wir, dass negative politische Medieninhalte die politische Beteiligung erhöhen, gleichzeitig aber auch die politische Unterstützung verringern (vgl. Zoizner 2021).

Eine zweite mögliche Erklärung setzt bei der Operationalisierung des Populismuskonzepts an. Wir haben uns u. a. auf den Vorschlag von Jagers und Walgrave (2007) gestützt, der vier Populismusformen unterscheidet. Demnach ist ein positiver Bezug zum Volk grundlegend, bevor die zusätzliche Kritik an Eliten oder anderen gesellschaftlichen Gruppen als Populismus betrachtet wird. Bisherige Studien, die häufigere Bezüge zum Volk zeigten, haben Populismus zumeist als Kommunikationsform oder als rhetorischen Stil verstanden (vgl. Bossetta 2017; Ernst et al. 2019; Jagers und Walgrave 2007; Jansen et al. 2020). Sie haben Signalwörter identifiziert, um auf inhaltlichen Populismus zu schließen, ohne die inhaltliche Ebene explizit zu untersuchen. Da unsere Studie Populismus als Ideologie definierte, stellt sich die Frage, ob rhetorisch populistische Kommunikation auch inhaltlich populistisch ist. Durch die ausschließliche Betrachtung von thematisierten Bezugsobjekten eines populistischen Gesellschaftsbildes – Eliten, Outgroups und Volk – verwendete diese Studie einen engeren Populismusbegriff als andere Studien.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie eng oder breit Populismus zu operationalisieren ist. Ein zu enges Verständnis erfasst nicht jede populistische Äußerung. Ein zu breites Verständnis misst nicht nur populistische Äußerungen und kann zur Verwässerung des Konzepts führen. So stellten bisherige Studien zwar fest, dass Populist:innen besonders häufig das Wort Volk nutzen, um dann aber zu betonen, dass dieses Merkmal nicht genuin populistisch, sondern ein alltäglicher Begriff in der politischen, nicht-populistischen Kommunikation ist (vgl. Bossetta 2017). Es bleibt zu klären, wie valide eine solche Messung ist. Ähnliche Argumente lassen sich gegen die bisherige Messung der anti-elitären Haltung anbringen. Daher plädieren wir dafür, nur die Kombination aus beiden Merkmalen – positiver Volksbezug mit anti-elitärer Haltung – auch als valide Messung von Populismus zu begreifen (vgl. Jagers und Walgrave 2007).

Eine weitere Möglichkeit besteht in der angepassten theoretischen Konzeption. So könnte man Populismus auch ausgehend von einem Feindbild konstruieren, statt beim homogenen Volk zu starten. Das Volk wird demnach als Gegenentwurf zur Elite gebildet. Anstatt ein Volk nach außen abzugrenzen, wird ein Feindbild konstruiert, und jede Person, die diesem Feindbild nicht zugerechnet wird, hat die Chance, Teil des Volks zu sein. Das Phänomen einer sogenannten Querfront (vgl. Schilk 2017, S. 10) ist beispielsweise bei der sogenannten Querdenker-Bewegung zu beobachten, in der sich verschiedene politisch-ideologische Gruppen durch Ablehnung der Covid-19-Maßnahmen vereinen. Von diesem Standpunkt aus ist die hegemoniale Kritik von größerer Bedeutung als das Volk.

Weiterhin hat die Studie gezeigt, dass sich die Bewertung populistischer Akteurskategorien zwischen den untersuchten rechtsalternativen Online-Medien unterscheidet. Andere Studien konnten bereits Unterschiede in den Themenstrukturen ermitteln (vgl. z. B. Heft et al. 2020). So erscheinen die rechtsalternativen Medien Zuerst! und Junge Freiheit aufgrund ihrer weniger negativen Bewertungen von Eliten und Outgroups eher wie etablierte Medienangebote, während PI News aufgrund sehr negativer Bewertungen von Eliten und Outgroups sowie verschwörungstheoretischer Elemente offen rechte Inhalte aufweist. Wir können an dieser Stelle die bestehenden empirischen Befunde erweitern. Es scheint, dass Zuerst! und Junge Freiheit sowohl in ihren Themen als auch in ihren Inhalten eine relative Strategie der Normalisierung und Mäßigung verfolgen, während PI News in Themen und Inhalten eine Radikalisierungsstrategie aufweist (vgl. Heft et al. 2020). Bei den Alternativmedien Compact, Journalistenwatch und Politikstube lässt sich eine Strategie der Verschleierung vermuten. Während die Themenstruktur zum Teil zwar unkonventionell, aber nicht rechts einzuordnen ist, ist der Inhalt deutlich expliziter in seiner Ausrichtung (sehr negative Eliten- und Outgroupbewertungen), wenn man unsere Befunde und die aus der Studie von Heft et al. (2020) zusammen betrachtet. Eine normalisierte Erscheinung von rechtsalternativen Medien kann es Rezipient:innen grundsätzlich erschweren, zwischen seriösen und unseriösen Nachrichtenquellen zu unterscheiden. Daher ist zu vermuten, dass die Erscheinung für Rezipient:innen einen Hinweisreiz auf die inhaltliche Ausrichtung darstellt. Für eine weitere Einordnung dieser Angebote wären zusätzliche Analysen des faktischen Gehalts der Beiträge sinnvoll. Innerhalb des rechtsalternativen politischen Medienspektrums sind auch Polarisierungstendenzen denkbar. Einige Medien könnten sich weiter radikalisieren, um sich von etablierten Medien und normalisierten alternativen Medien zu unterscheiden (vgl. Heft et al. 2020). Inwieweit die festgestellten Bewertungsunterschiede der Bezugsobjekte auf eine mögliche Polarisierung des alternativen Medienspektrums zurückzuführen sind, bleibt unklar. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass die untersuchten Alternativmedien die elitären Bezugsobjekte signifikant unterschiedlich negativ bewerten.

Auch wenn unsere Studie selbst keine Vergleiche zu etablierten Medien durchführt, ordnen wir unsere Befunde zu bestehenden Studien über etablierte Medieninhalte ein. Im Vergleich zu rechtsalternativen Medieninhalten lässt sich die Berichterstattung etablierter Medien zur Covid-19-Pandemie ebenfalls als stark eliten-orientiert charakterisieren, wobei insbesondere politische Eliten dominieren (vgl. Mellado et al. 2021; Quandt et al. 2020). Sofern rechtsalternative und etablierte Medienangebote vergleichend untersucht wurden, weisen die alternativen Angebote jedoch einen noch größeren Anteil an Spitzenpolitiker:innen in ihrer Berichterstattung auf (vgl. Quandt et al. 2020). Auch die Negativität der Berichterstattung hat seit Beginn der Covid-19-Pandemie länderübergreifend in etablierten Medien zugenommen (vgl. Buckman et al. 2020; Quandt et al. 2020). Hier zeigt sich im direkten Vergleich etablierter und rechtsalternativer Angebote, dass die Berichterstattung in den alternativen Angeboten noch negativer ist als in den etablierten Angeboten (vgl. Quandt et al. 2020).

5.2 Verschwörungstheorien in rechtsalternativen Online-Medien

Die Studie hat nur vereinzelte Hinweise auf Verschwörungstheorien in rechtsalternativen Online-Medien gefunden. Andere Studien mit einem vergleichbaren thematischen Kontext haben ähnlich niedrige Werte für Verschwörungstheorien beobachtet (vgl. Boberg et al. 2020). Ähnlich wie beim Populismus wählte diese Studie eine enge Operationalisierung von Verschwörungstheorien. Dafür wurde ein verschwörungstheoretisches Narrativ verwendet, das auf sechs vorab definierten Kernelementen beruht. Andere Studien wählten jenseits rechtsalternativer Medien eine ähnliche Operationalisierung (vgl. Uscinski und Parent 2014; Wood und Douglas 2013). Daher sehen wir im methodischen Zugang nicht den Grund für nicht gefundene Verschwörungstheorien.

Trotz der geringen Anteile von Verschwörungselementen in dieser Studie gehen wir davon aus, dass Verschwörungstheorien eine Rolle in der populistischen Kommunikation in rechtsalternativen Online-Medien spielen können. Erstens haben wir in der Studie einen volks-elitären Antagonismus in der Berichterstattung von rechtsalternativen Online-Medien identifiziert, der eine wesentliche Gemeinsamkeit mit dem Populismus darstellt. Zweitens finden sich verschwörungstheoretische Andeutungen in der expliziten Elitenkritik, die der herrschenden Klasse zutraut, zu bizarrsten Handlungen fähig zu sein. Demnach werden Verschwörungstheorien als vermeintliche Beispiele für das Versagen der Elite genutzt, wenn es aus Sicht alternativer Beitragsautor:innen passend erscheint. So fügen sich Verschwörungstheorien als strategisches Mittel in die populistische Kommunikation ein. Drittens finden sich Elemente von Verschwörungstheorien in Nutzerkommentaren (vgl. Baden und Sharon 2021) und Werbeanzeigen. So wirbt zum Beispiel das Medium Compact in verschiedenen Beiträgen für die aktuelle Monatsausgabe, die wir nicht in die Untersuchung eingeschlossen haben: „Die Entwicklung des Corona-Virus – und die Inszenierung einer Pandemie – war ein Joint Venture zwischen den chinesischen Kommunisten und dem Tiefen Staat in den USA. In COMPACT 7/2021 zeichnen wir detektivisch nach – auf molekularer, genetischer und politisch-strategischer Ebene –, wie diese komplizierte Operation über Bande ins Werk gesetzt wurde, und was das Ganze mit dem Great Reset zu tun hat.“ Compact lässt sich als eher werbeunabhängiges Medium klassifizieren (vgl. Heft et al. 2020). Es finanziert sich unter anderem durch den Verkauf der eigenen Magazine, über einen Shop und weitere Formate wie Compact-TV. Da der Verkauf der Magazine eine wichtige(re) Rolle für die Finanzierung zu spielen scheint, lässt sich die Werbung als Versuch verstehen, die eigene Kernklientel zum Kauf der Ausgaben oder Abschluss eines Abonnements zu bewegen. Demzufolge haben wir mit der Analyse „redaktioneller“ Beiträge womöglich nur einen Teil der verschwörungstheoretischen Elemente erfasst. Wenig überraschend finden sich in etablierten Medien im Vergleich zu rechtsalternativen Medien noch seltener Verschwörungstheorien und werden durchweg als solche offengelegt (vgl. Quandt et al. 2020). Vor dem Hintergrund, dass beispielsweise die Reichweite von verschwörungstheoretischen Social-Media-Beiträgen trotz geringer Fallzahlen sehr hoch ist und geglaubte Verschwörungstheorien auf Rezipient:innenebene sehr resistent sind, geben diese Befunde dennoch keinen Anlass zur Verharmlosung (vgl. Boberg et al. 2020; Wood et al. 2012).

6 Limitationen und Ausblick

Die Studie weist verschiedene Limitationen auf. Erstens ist das Mediensample nicht repräsentativ für das alternative Medienspektrum am rechten politischen Rand, das als äußerst heterogen gilt (vgl. Boberg et al. 2020; Heft et al. 2020; Holt 2018). Künftige Studien sollten ein größeres Spektrum rechtsalternativer Online-Medien analysieren, um die Befunde auf eine breitere Datenbasis zu stellen.

Zweitens stellt das Thema Covid-19-Pandemie eine Beschränkung dar. Populismus und Verschwörungstheorien gelten zwar als themenunabhängig, dennoch müssen zukünftige Studien klären, ob manche Themen in rechtsalternativen Medien populistische bzw. verschwörungstheoretische Inhalte stärker fördern. Drittens lassen sich redaktionelle und nicht-redaktionellen Inhalte in rechtsalternativen Medienangeboten nicht so klar unterscheiden wie in etablierten Medien. Demzufolge sollten auch die vermeintlich kommerziellen Werbeinhalte auf ihren populistischen und verschwörungstheoretischen Gehalt hin untersucht werden. Viertens ermöglichen erst inhaltsanalytische Vergleiche mit etablierten Medien(typen), die sich stärker an den professionellen Normen des Journalismus orientieren, das Ausmaß einzelner Populismusformen einzuordnen. Fünftens haben wir mit dem Suchbegriff „Corona“ in den Online-Archiven alternativer Medien möglicherweise nicht alle relevanten Beträge entdeckt, da die Suchfunktionen und -filter der Angebote unterschiedlich elaboriert ausgestaltet sind. Sechstens sollte in der Operationalisierung von Bewertungen über Eliten und Outgroups unterschieden werden, ob sie sachbezogen/zivil oder gruppenbezogen/inzivil erfolgt. Schließlich lassen sich auch verschwörungstheoretische Elemente noch detaillierter erfassen (vgl. Baden und Sharon 2021).

Die Forschung zur Wirkung populistischer Medieninhalte auf das Publikum steht noch am Anfang. Erste Studien zeigen, dass Rezipient:innen mit bereits bestehenden populistischen Einstellungen durch den Konsum populistischer Berichterstattung stärkere Zustimmung zu populistischen Ideen entwickeln (vgl. Müller et al. 2017). Mit steigender Unterstützung für populistische Ideen steigt wiederum die Wahrscheinlichkeit, die öffentliche Meinung und die etablierte mediale Berichterstattung als dissonant wahrzunehmen (vgl. Schulz et al. 2020). Daneben verringert sich durch die Nutzung rechtsalternativer Online-Medien auch das Vertrauen in etablierte Medien (vgl. Andersen et al. 2023). Demzufolge könnte die Nutzung rechtsalternativer Online-Medien zur Polarisierung bestimmter Segmente der Gesellschaft beitragen.