1 Einleitung

Die Habilitation ist die höchste Hochschulprüfung im deutschsprachigen Raum. Mit ihr wird die besondere Befähigung zur eigenständigen Lehre in einem Fachgebiet nachgewiesen. Damit war und ist sie – zumindest im deutschsprachigen Raum – häufig ein wichtiger Schritt in den Beruf des/der Hochschullehrenden und zur (Universitäts‑)Professur. Von den Verfahren, mit denen die Qualifikation zur Hochschullehrer:in nachgewiesen werden kann, ist die Habilitation dasjenige mit der längsten Tradition (vgl. Sellert 1972) und der stärksten Institutionalisierung im Wissenschaftssystem.

Einerseits birgt die traditionelle Verankerung der Habilitation sowohl für Kandidat:innen als auch für die wissenschaftlichen Institutionen gewisse Vorteile. Sie ist z. B. nach wie vor der sicherste Weg zum Nachweis der Lehrbefähigung; diese müsste also in Berufungsverfahren nicht mehr geprüft werden. Andererseits ist die Habilitation historisch zwar „Regelvoraussetzung für den Professorenberuf. Sie war aber nie alleiniges und exklusives Kriterium.“ (Berning und Küpper 2001, S. 125) Schon längst ist sie nicht mehr die „conditio sine qua non“ und die Zahl der Habilitationen scheint tendenziell zu sinken (vgl. Reimer et al. 2019, S. 32–33; Statistisches Bundesamt 2022). Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob die Habilitation im Vergleich zum angelsächsischen und außereuropäischen Tenure-System oder auch zur 2002 eingeführten Juniorprofessur noch zeitgemäß ist oder gar die Vielfalt und Qualität der Forschung an deutschen Hochschulen mindert, weil sie etwa den Zugang für internationale Kandidat:innen erschwere (vgl. z. B. Berning et al. 2000, S. 191; für die Entwicklung des Habilitationswesen und die Diskussionen um die Juniorprofessur vgl. u. a. Balter 1999; Berning et al. 2000; Berning und Küpper 2001; Conradi et al. 2020; Packard 2020; Sellert 1972).

Die Diversifikation der Qualifizierungswege und Rekrutierungsprozesse im akademischen Arbeitsmarkt geht mit Orientierungsbedarfen sowohl der Universitäten und ihrer Gremien als auch der einzelnen Wissenschaftler:innen einher, die nicht nur in der gesellschaftlichen Debatte, sondern auch in wissenschaftlichen Studien und Diskussionsbeiträgen bearbeitet werden. Speziell für die Kommunikations- und Medienwissenschaft (KMW) liegen einige Studien zur beruflichen Situation von Habilitierenden sowie zu ihrer Zufriedenheit mit und den Folgen von spezifischen Arbeitsbedingungen sowie Rekrutierungsprozessen vor (vgl. z. B. Engesser und Magin 2014; Meyen 2004; Wirth et al. 2008; für die angrenzende Politikwissenschaft vgl. z. B. Schröder et al. 2021). Außerdem hat sich eine von der DGPuK eingesetzte Arbeitsgruppe mit dem der Habilitation vorgelagerten Qualifizierungsschritt der Promotion beschäftigt (vgl. Bock et al. 2019). Eine solche Betrachtung liegt für die Habilitation bislang nicht vor.

An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie an. Sie hat das Ziel, eine Übersicht darüber zu geben, was im deutschsprachigen Raum in Habilitationsverfahren verlangt wird, und damit auch eine Einordnung im Vergleich zu anderen Qualifizierungswegen zu ermöglichen. Dafür wird erstens aufgearbeitet, wie die Habilitation aktuell im Kontext der anderen Qualifizierungsmöglichkeiten sowie des Berufsziels der Professur einzuordnen ist. Zweitens werden die in den für unser Fach relevanten Habilitationsordnungen im DACH-Raum festgelegten Rahmenbedingungen und die für eine Habilitation zu erbringenden Leistungen empirisch erhoben und anschließend diskutiert.

Zum einen soll diese Studie damit promovierten Wissenschaftler:innen in der KMW helfen, eine informierte Entscheidung für oder gegen die Habilitation zu treffen, und sie will Orientierung hinsichtlich der Verfahrensschritte und geforderten Leistungen bieten. Die Studie bezieht sich jedoch nicht auf Berufungsprozess und -erfolg und bietet daher keine Antwort auf die Frage, welche Faktoren förderlich oder hinderlich für eine Berufung auf eine Professur sind.

Zum anderen möchte die Studie auch universitären Gremien und ihren Mitgliedern eine Orientierungsgrundlage bieten, wie die Beurteilung der Lehrbefähigung in entsprechenden Verfahren geregelt werden kann, z. B. bei der Erstellung oder Überarbeitung von Habilitationsordnungen und -verfahren oder bei fachspezifischen Ergänzungen zu allgemeinen Ordnungen in einer Fakultät oder einem Fachbereich. Nicht zuletzt soll die Studie Informationsgrundlage und Impulse für eine fachinterne Diskussion über den Stellenwert der Habilitation bieten.

Der Beitrag ist in drei Teile gegliedert: Zuerst stellen wir die Habilitation als Qualifizierungs- und Prüfverfahren vor und zeigen den kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschungsstand zur Habilitation auf (Kap. 2). Da sich der Forschungsstand speziell für die KMW zahlenmäßig auf wenige Studien beschränkt, werden dabei auch andere Disziplinen einbezogen. Insbesondere in der Medizin liegen zahlreiche, auch empirische Studien zu dieser Thematik vor.

Kapitel 3 präsentiert die Methodik unserer Inhaltsanalyse von 63 Habilitationsordnungen im DACH-Raum. Danach stellen wir die Befunde zunächst deskriptiv entlang der Regelungsbereiche der Habilitationsordnungen vor (Kap. 4). Die anschließende Diskussion (Kap. 5) ordnet die Ergebnisse in den Forschungsstand ein und analysiert sie in Anlehnung an Gütekriterien für Tests, die auch der DIN 33430 zur berufsbezogenen Eignungsbeurteilung zugrunde liegen (vgl. z. B. Moosbrugger und Kelava 2020). Wir interpretieren und diskutieren also die Habilitation zu heuristischen Zwecken als beruflichen Eignungstest. Vorrangig ist dabei von Interesse, inwieweit nach den Regelungen der Habilitationsordnungen durchgeführte Habilitationsverfahren dazu geeignet erscheinen, die wissenschaftliche und pädagogische Eignung von Habilitand:innen der KMW adäquat zu erfassen – auch vor dem Hintergrund der Größe, der variablen Anbindung an Fakultäten und der fachkulturellen Heterogenität unseres Fachs. Damit ist testtheoretisch das Hauptgütekriterium der (prognostischen) Validität angesprochen.

2 Die Habilitation als Qualifizierungs- und Prüfverfahren in der KMW

2.1 Einordnung

Die Habilitation ist ebenso wie die Promotion eine Hochschulprüfung. In stärkerem Ausmaß als die Promotion ist sie mit einem konkreten Berufsziel verbunden, nämlich einer dauerhaften wissenschaftlichen Tätigkeit, in der Regel als Universitätsprofessor:in. Während eine Promotion auch für eine Vielzahl beruflicher Positionen außerhalb des Hochschulsystems ein Karrierevorteil sein kann, werden der Habilitation außerhalb des universitären Arbeitsmarktes kaum Vorteile zugeschrieben. Die Frage der Habilitation kann daher nur bedingt getrennt vom Berufsziel der Universitätsprofessur diskutiert werden.

Der Zugang zur Universitätsprofessur ist im deutschsprachigen Raum reguliert.Footnote 1 Die Qualifikation muss im Rahmen von Prüfverfahren nachgewiesen werden. Lange war die Habilitation als Berufszulassungsprüfung dafür die einzige Möglichkeit. Mittlerweile besteht jedoch die Option, die „Berufbarkeit“ von Bewerber:innen durch Prüfung der Habilitationsäquivalenz im Berufungsverfahren festzustellen. Welche Leistungen als äquivalent gelten und wie ihre Qualität ermittelt wird, ist allerdings kaum geregelt. Für die Gremien bedeutet die Feststellung der Habilitationsäquivalenz damit einen Mehraufwand im Prüfverfahren. Aufgrund des Mangels an einschlägig habilitierten Kandidat:innen ist diese Praxis in der Kommunikationswissenschaft – trotz des hohen Aufwands – vergleichsweise verbreitet (vgl. Meyen 2004, S. 200–201).

Mit der fünften Novelle des Hochschulrahmengesetzes im Jahr 2002 wurde die Juniorprofessur als weiterer Weg zur Feststellung dieser Qualifikation eingeführt. Sie sollte sogar die Habilitation ablösen, was allerdings nach Verfassungsklage einiger Bundesländer in der „Reparaturnovelle“ 2004 wieder rückgängig gemacht wurde.

2.2 Das Habilitationsverfahren

Die Habilitation erfolgt im Rahmen eines akademischen Prüfungsverfahrens, das bei erfolgreichem Abschluss die Lehrbefähigung (facultas docendi) zur selbstständigen Forschung und Lehre in einem bestimmten Fachgebiet bescheinigt. Häufig wird im gleichen Verfahren auch die Lehrbefugnis (venia legendi) verliehen, womit das Recht verbunden ist, an der verleihenden Hochschule als Hochschullehrer:in tätig zu sein. Die Lehrbefugnis begründet jedoch ausdrücklich kein Dienstverhältnis und auch keine entsprechende Anwartschaft.Footnote 2 Die Habilitation ist also nur ein Etappenziel auf dem Weg zur Professur. Habilitierte müssen sich dementsprechend wie anders Qualifizierte bewerben und in einem Berufungsverfahren durchsetzen. Die für die Habilitation zuständige universitäre Verwaltungseinheit ist die Fakultät oder der Fachbereich. Aufgrund fachspezifischer Besonderheiten bestehen oft eigene Habilitationsordnungen für die unterschiedlichen Fakultäten oder Fachbereiche einer Universität, in denen die Verfahrensregeln und die zu erbringenden Leistungen festgelegt sind.

Was die Abwicklung des Habilitationsverfahrens angeht, haben sich in Deutschland zwei Varianten herausgebildet: Neben dem traditionellen Verfahren, in dem die Zulassungsdokumente gleichzeitig mit den Habilitationsleistungen eingereicht werden und sich die universitären Gremien erst nach der Einreichung bilden, hat der Freistaat Bayern 2003 ein Fachmentorat-Verfahren eingeführt, in dem die Habilitierenden während eines definierten Habilitationszeitraums (in der Regel vier Jahre) von einem Fachmentorat begleitet werden.Footnote 3

Unter den zu erbringenden Leistungen ist die schriftliche Habilitationsleistung oftmals das „Herzstück“. Hinzu kommen häufig mündliche Leistungen sowie Nachweise der pädagogischen Qualifikation. Von großer Bedeutung ist für Habilitierende die Frage, in welcher Form die schriftliche Habilitationsleistung erbracht werden kann, ob als Monografie oder als Kumulus (Sammlung von Einzelschriften). Während Wirth et al. (2008, S. 105–106) noch konstatierten, dass die kumulative Habilitation in der KMW selten ist, hat sie in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen – und damit möglicherweise auch zu Unsicherheiten geführt, z. B. hinsichtlich des Umfangs, des Publikationsranges oder der Anzahl an Einzelschriften. Relevant wird dies für Habilitierende und Gremienmitglieder, wenn die Ordnungen solche Anforderungen zurückhaltend thematisieren. Eine solche Zurückhaltung – oder Offenheit – hat Vor- und Nachteile zugleich: Sie kann z. B. die Frage nach der Vergleichbarkeit von Anforderungen aufwerfen oder auch einen Spielraum zur individuellen Ausgestaltung eröffnen.

Unsicherheit bzw. Spielraum gelten auch im Hinblick auf die Frage der Berufbarkeit und der Bedeutung der Habilitation für diese. So scheint Konsens darüber zu bestehen, dass fachliche Kompetenz (über schriftliche und mündliche Leistungen) und Lehrerfahrung – die im Habilitationsverfahren nachgewiesen werden sollen – allein nicht ausreichen, um einen Ruf zu erhalten, sondern durch Leistungen in anderen Bereichen wie Drittmitteleinwerbung, Selbstverwaltung, Personalführung oder Wissenschaftskommunikation ergänzt werden sollten.

Die Abwägung von Unsicherheit und den damit verbundenen Spielräumen ist weiterführend zu diskutieren. Denn, so formulieren Berning und Küpper (2001, S. 124): „Die Klarheit der hierbei zu Grunde gelegten Qualifikationskriterien ist wesentlich für die Auswahl und die Ausbildung angehender Hochschullehrer, für deren fachliche Qualifizierung sowie für die Effizienz von Berufungsverfahren und die Erteilung von Rufen. […] Je deutlicher diese Kriterien erkennbar sind und je größer der Konsens darüber in den einzelnen Wissenschaftsgebieten ist (national und international), um so [sic!] besser kann eine kontinuierliche Besetzung von Professuren gelingen, die weltweiten wissenschaftlichen Standards genügt.“

Aufgrund dieses Status quo bei der Festlegung von Berufungskriterien dient noch immer die Habilitation als Vergleichsmaßstab, wenn z. B. Habilitationsäquivalenz festgestellt werden soll oder die bisherigen Leistungen von Juniorprofessor:innen zu evaluieren sind. Insofern ist es für die Weiterentwicklung der Habilitation als Verfahren, aber auch von Berufbarkeitskriterien wichtig, dass empirische Daten dazu vorliegen, was im bisherigen „Vergleichsmaßstab“ derzeit als Anforderung festgeschrieben ist. Da in der KMW bislang noch keine Daten zu den festgeschriebenen Anforderungen in Habilitationsordnungen vorliegen, soll die vorliegende Studie dazu einen Beitrag leisten. Denn die bisherige kommunikations- und medienwissenschaftliche Forschung, die die Habilitation(-phase) in den Blick nimmt, stellt bislang andere Aspekte in den Mittelpunkt.

2.3 Die Habilitation in der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschung

Der Forschungsstand in der KMW zur Habilitation und der sie begleitenden Postdoc-Phase lässt sich in drei Felder gliedern: 1) Forschung zur beruflichen Situation von Postdocs; 2) Forschung zur Karriereentwicklung und Berufung sowie 3) Forschung zur Qualifizierungsphase. Die drei Felder hängen oftmals eng zusammen, z. B. wenn prekäre Arbeitsverhältnisse intransparente Berufbarkeitskriterien begleiten und Zukunftsangst durch beides forciert wird.

Das erste Forschungsfeld nimmt die berufliche Situation von Postdocs in den Blick. Es wird beispielsweise deren Arbeitszufriedenheit bezogen auf ihre jeweilige Arbeitssituation untersucht (vgl. z. B. Engesser und Magin 2014; Wirth et al. 2008). Dabei zeigt sich beispielsweise, dass die Arbeitszufriedenheit mit der Betreuungszufriedenheit zunimmt (vgl. Engesser und Magin 2014, S. 324). Berücksichtigt wird auch, welche Faktoren einen Einfluss darauf haben können, z. B. individuelle Merkmale wie Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand oder strukturelle Bedingungen wie die Herkunftshochschule oder das Studienfach. Auch die Folgen von spezifischen Arbeitsbedingungen, z. B. befristeten Arbeitsverhältnissen, oder der Unzufriedenheit mit einer Arbeitssituation werden beleuchtet. So steigt die Arbeitszufriedenheit beispielsweise mit den Stellenprozenten und der Vertragsdauer (vgl. Engesser und Magin 2014, S. 326).

Das zweite Forschungsfeld beleuchtet Fragen der Karriereentwicklung und Berufung. Hier werden Berufungen und die zugehörigen Strukturen und Prozesse analysiert. Dazu zählen beispielsweise Untersuchungen, welche Karrierewege und -strategien Promovierte verfolgen (vgl. z. B. Wirth et al. 2008) und welche Leistungskriterien, individuellen Merkmale und strukturellen Bedingungen zu einer (schnellen) Berufung führen (vgl. z. B. Meyen 2004). So zeigt Meyen (2004, S. 202) beispielsweise die Bedeutung von Standorten für die Qualifizierung der damaligen Professorenschaft auf, während Wirth et al. (2008, S. 95) beschreiben, dass sich Postdocs am häufigsten mit „Methoden, Medientheorien sowie der Nutzungs- und Wirkungsforschung“ befassen. Studien in diesem Bereich haben oft das Ziel, die Fairness von Berufungsverfahren auf empirischer Grundlage bewerten zu können.

Das dritte Feld setzt sich vorrangig mit der Qualifizierung selbst auseinander. Es wird beispielsweise diskutiert, an welchen Kriterien sich Berufbarkeit in Anbetracht der Vielzahl an Qualifizierungswegen festmachen lässt und welche Kriterien für die Habilitation vorgegeben werden. Neben disziplinübergreifenden Betrachtungen (vgl. z. B. Berning und Küpper 2001; Jungbauer-Gans und Gross 2013; Strecker et al. 2007) und Betrachtungen für andere einzelne Disziplinen (vgl. z. B. für die Medizin: Strauss et al. 2020; Weineck et al. 2015) liegen für die KMW hierzu unseres Wissens keine empirischen Studien vor (für Beiträge, die sich der Thematik theoretisch oder aus fachpolitischer Perspektive nähern vgl. z. B. Conradi et al. 2020; Packard 2020). Hier wird eine Leerstelle deutlich, für die eine systematische Bestandsaufnahme von Habilitationsordnungen wertvolle Hinweise geben kann. Denn Habilitationsordnungen enthalten die öffentlich zugänglichen, verbindlichen und expliziten Regeln für Habilitationsverfahren (vgl. Bock et al. 2019 zu einer ähnlichen Herangehensweise in Bezug auf die Promotion).

Im Folgenden stellen wir daher Methodik und Ergebnisse einer standardisierten Inhaltsanalyse der für die KMW relevanten Habilitationsordnungen in Deutschland, Österreich und der (Deutsch‑)Schweiz dar und diskutieren sie im Anschluss.

3 Methode

3.1 Erhebungsinstrument

Habilitationsordnungen beinhalten Regelungen zu Zulassungskriterien, beteiligten Gremien, zum Ablauf der Begutachtung, zu den zu erbringenden Leistungen (schriftlich, mündlich, pädagogische Eignung) sowie zum erworbenen akademischen Grad und weiteren Rechten und Pflichten der Habilitierten (vgl. Tab. 2 im Anhang).

Unser Codebuch erfasst die für die Klärung der aufgeworfenen Fragen wesentlichen Elemente des Habilitationsverfahrens und legt den Schwerpunkt auf die Anforderungen an die Habilitierenden. Es wurde in einem mehrstufigen Prozess entwickelt. Die Hauptkategorien ergaben sich aus dem Forschungsinteresse. Weitere Kategorien wurden induktiv nach der Sichtung von rund einem Viertel der Habilitationsordnungen ergänzt. In einem zweiten Schritt wurden die Kategorien verdichtet und in Themenblöcke gegliedert. Die juristisch geprägte Fachsprache erforderte Anpassungen, um verschiedene Grade der Verbindlichkeit zu erfassen (Differenzierung zwischen Muss‑/Kann‑/Soll-Regelungen). Das Codebuch ist im digitalen Anhang dieses Aufsatzes dokumentiert (vgl. Onlinematerial 2).

Um möglichst zuverlässige Aussagen auf Fallebene machen zu können, wurden in der Hauptstudie alle Habilitationsordnungen von jeweils zwei Codierer:innen im Konsensverfahren codiert. Ergänzend haben wir zur Prüfung der Reliabilität des Erhebungsinstruments zwei Reliabilitätstests durchgeführt. Als Reliabilitätskoeffizienten wurden mit Hilfe des R‑Pakets tidycomm (vgl. Unkel 2021) Krippendorffs Alpha (α) und die prozentuale Übereinstimmung berechnet (vgl. Onlinematerial 3 für detaillierte Ergebnisse der Reliabilitätstests). In einem ersten Test vor Beginn der Feldphase codierten alle vier beteiligten Codierer:innen (die Autor:innen der vorliegenden Studie) eine im Hinblick auf geografische Verortung und Verfahrensvarianten geschichtete Stichprobe von zehn Ordnungen. Hier erwiesen sich einige Kategorien zur Beteiligung und Zusammensetzung verschiedener Gremien, zur zulässigen Dauer verschiedener Verfahrensabschnitte und zu Details der Habilitationsleistungen als problematisch und wurden vor der Hauptcodierung überarbeitet. Ein zweiter Test prüfte nach Abschluss der Feldphase das Ausmaß der Übereinstimmung der jeweils zwei Codierungen pro Habilitationsordnung. Hier wurden für alle Kategorien prozentuale Übereinstimmungen von 67 % oder mehr und lediglich für 10 % der Kategorien Werte unter 80 % ermittelt. Krippendorffs Alpha lag allerdings für einige Kategorien mit sehr schiefen Werteverteilungen im problematischen Bereich (α < 0.67). Diese haben wir erneut geprüft und überarbeitet.

In der Hauptstudie wurde jede Ordnung von zwei Personen codiert. Im Anschluss wurden etwaige Codierabweichungen gesichtet und im Konsens geklärt.

3.2 Untersuchungsmaterial

Die Grundgesamtheit der Inhaltsanalyse besteht aus allen Habilitationsordnungen, die für wissenschaftliche Institutionen in Deutschland, Österreich und der Deutsch-Schweiz gelten, die über Habilitationsrecht verfügen und an denen das Fach durch mindestens eine Professur und/oder mindestens einen einschlägigen Studiengang vertreten ist. Diese Festlegung ist angelehnt an die übliche Beschränkung der Habilitationsmöglichkeit auf die an einer Universität vertretenen Fächer und bewusst weit gefasst; wir haben also Regelungen für mögliche Habilitationsverfahren in unserem Fach unabhängig von der Anzahl der in der Vergangenheit tatsächlich vollzogenen Habilitationen untersucht.

Die resultierende Auswahlgesamtheit bestand aus 63 einschlägigen Habilitationsordnungen, die in einem mehrstufigen Prozess identifiziert wurden: Zunächst haben wir eine Liste aller Institutionen zusammengestellt, die auf den Webseiten der DGPuK, der Österreichischen Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft (ÖGK) und der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM) als facheinschlägige Hochschuleinrichtungen bzw. institutionelle Mitglieder genannt waren. Im zweiten Schritt wurden anhand einer Liste der DGPuK-Mitglieder Hochschuleinrichtungen ergänzt, an denen DGPuK-Mitglieder tätig waren. Im dritten Schritt wurde das Ergebnis mit dem Methodenbericht der DGPuK-AG „Promotion“ abgeglichen (vgl. Bock et al. 2019). Für alle Einrichtungen haben wir geprüft, ob es sich um (zumindest auch) deutschsprachige, habilitationsberechtigte Einrichtungen handelt. Die jeweils gültigen Habilitationsordnungen sowie weitere habilitationsbezogene Dokumente (z. B. Handreichungen, Verfahrensregelungen) wurden recherchiert, zum Teil bei den Institutionen angefordert und gespeichert. Das daraus resultierende Korpus von 63 Habilitationsordnungen wurde in einer Vollerhebung inhaltsanalytisch codiert (vgl. Onlinematerial 1).

Zu beachten ist dabei der variierende Gültigkeitsbereich der Habilitationsordnungen. Ordnungen unterscheiden sich darin, ob sie für die gesamte Universität oder nur für eine Fakultät, einen Fachbereich oder gar ein einzelnes Fach gelten oder ob allgemeinere Regelungen durch fächerspezifische Bestimmungen ergänzt werden. Daher finden sich in der Auswahlgesamtheit auch Ordnungen, die nicht ausschließlich, aber unter anderem auch für kommunikations- und medienwissenschaftliche Habilitationen gelten. Einige Universitäten sind zudem mit mehreren Habilitationsordnungen vertreten, weil kommunikations- und medienwissenschaftliche Habilitationen an unterschiedlichen Fakultäten nach jeweils eigenen Ordnungen möglich sind.

4 Ergebnisse

Codiert wurden insgesamt 63 Habilitationsordnungen aus Deutschland (n = 54), Österreich (n = 4) und der Schweiz (n = 5). Die älteste zum Erhebungszeitpunkt noch gültige Ordnung stammt aus dem Jahr 1982. Dies ist ein Ausreißer, denn im Durchschnitt sind die Ordnungen etwa zehn Jahre alt. Etwa ein Drittel der codierten Ordnungen gilt für die gesamte Universität (31 %, n = 22), in etwas mehr als der Hälfte bezogen sich die Ordnungen auf eine einzelne Fakultät oder einen Fachbereich (52 %, n = 33). In wenigen Fällen war eine allgemeine Habilitationsordnung mit Ergänzungen für eine Fakultät oder einen Fachbereich versehen (8 %, n = 5).

Alle neun Habilitationsordnungen aus Bayern sowie eine einzelne Ordnung aus Baden-Württemberg (Zeppelin-Universität in Friedrichshafen) setzen die Fachmentorat-Variante (FM) des Habilitationsverfahrens um (16 %, n = 10), alle anderen Habilitationsordnungen die abschließende Variante (AV; 83 %, n = 52, vgl. Abb. 1). Vereinzelt gibt es Mischformen, die Aspekte aus beiden Varianten zusammenbringen (Habilitationsordnung der Universität St. Gallen), oder Sonderformen, die Aspekte des abschließenden Verfahrens weniger strikt formulieren (z. B. an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg oder der Université de Fribourg). Die Sonderformen wurden in unserer Analyse dem abschließenden Verfahren zugerechnet. Die einzige Ordnung, die als Mischform identifiziert wurde, bleibt bei den nach Verfahren differenzierenden Ergebnisdarstellungen unberücksichtigt.

Abb. 1
figure 1

Prozentuale Verteilung der Verfahrensvarianten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, N = 63

4.1 Zulassungsvoraussetzungen

Welche Voraussetzungen sind schon für die Eröffnung des Habilitationsverfahrens in den Habilitationsordnungen festgelegt? Die höchste Priorität kommt hier dem Nachweis der Promotion zu (AV: 90 %, n = 47; FM: 100 %, n = 10Footnote 4). Anders als bei den abschließenden Ordnungen (n = 0) ermöglicht ein Großteil der Fachmentorat-Ordnungen auch die Zulassung mit einem Studienabschluss an einer Fachhochschule (FM: 80 %, n = 8). Ein hoher Anteil der Fachmentorat-Ordnungen enthält zudem Mindestanforderungen an die Qualität der Promotion und verlangt etwa eine Bewertung mit mindestens „magna cum laude“ (FM: 70 %, n = 7) oder, weicher formuliert, eine „herausragende Qualität der Promotion“ (FM: 10 %, n = 1). Bei der abschließenden Variante wird lediglich in drei Ordnungen eine Promotion mit mindestens „magna cum laude“ oder der Note 1,3 gefordert (AV: 6 %), eine nicht näher ausgeführte „qualifizierte Promotion“ in nur einem Fall (AV: 2 %).

Die Anforderung einer (mehrjährigen) wissenschaftlichen Tätigkeit in Forschung (AV: 67 %, n = 35) und Lehre (AV: 63 %, n = 33) ist bei den abschließenden Varianten weiter verbreitet als bei der Fachmentorat-Variante (FM: 20 %, n = 2 bzw. 30 %, n = 3). Stattdessen werden bei der Fachmentorat-Variante oft bereits zur Zulassung die pädagogische Eignung bzw. entsprechende Vorerfahrungen gefordert (FM: 80 %, n = 8), unter den abschließenden Verfahren ist das lediglich einmal der Fall. Der Ablauf des Fachmentorat-Verfahrens erlaubt außerdem anders als bei abschließenden Verfahren eine Einschätzung und Diskussion des Habilitationsvorhabens bereits vor der Realisierung, weshalb häufig die Abgabe eines Exposés zum Habilitationsvorhaben (FM: 50 %, n = 5) und/oder ein Interview mit dem:r Kandidat:in (FM: 20 %, n = 2) vorgeschrieben ist.

4.2 Gremien: Habilitationskommission und Fachmentorat

Welche Gremien sind an Habilitationsverfahren beteiligt, wie sind sie zusammengesetzt und welche Aufgaben sind ihnen (insbesondere beim Fachmentorat-Verfahren) zugeordnet? Als Gremien wurden diejenigen Instanzen gewertet, die während des Verfahrens direkt oder indirekt an der Beurteilung der Habilitationsleistungen beteiligt sind.Footnote 5 Die Zusammensetzung der Gutachter:innenkommission wird in Abschnitt 4.5 erläutert.

In den meisten abschließenden Verfahren und damit auch insgesamt überwiegend wird zur Eröffnung des Habilitationsverfahrens eine Habilitationskommission eingesetzt (AV: 98 %, n = 51; FM: 30 %, n = 3). Sie besteht in der Regel aus Mitgliedern der Universität oder, spezifischer, der betreffenden Fakultät bzw. des Fachbereichs. Zusätzlich werden in einigen Fällen auch fachexterne bzw. interdisziplinäre (AV: 37 %, n = 19; FM: 10 %, n = 1) oder hochschulexterne Mitglieder (AV: 33 %, n = 17, FM: 0) für Habilitationskommissionen erwähnt, nicht aber Mitglieder ausländischer Hochschulen. Nur in wenigen Fällen können die Habilitand:innen Mitglieder für die Habilitationskommission vorschlagen (AV: 9 %, n = 5; FM: 0). In Fachmentorat-Verfahren haben die Habilitierenden hingegen in der Regel ein Vorschlagsrecht zur Besetzung (FM: 90 %, n = 9). Zudem werden deutlich häufiger fachexterne bzw. interdisziplinäre (FM: 80 %, n = 8), hochschulexterne (FM: 70 %, n = 7) und auch internationale Mitglieder (FM: 20 %, n = 2) vorgeschrieben.

Zu den Aufgaben des Fachmentorats gehören in der Regel die Festlegung der Habilitationsleistungen (FM: 90 %, n = 9), die Entscheidung über die Verlängerung des Habilitationsstatus (FM: 90 %, n = 9), das Begutachtungsverfahren sowie die Organisation und Durchführung der Zwischenevaluation (FM: 100 %, n = 10). In einigen Ordnungen ist zudem festgeschrieben, dass das Fachmentorat eine (drittmittelfähige) Grundausstattung für die Habilitierenden bereitstellen muss (FM: 30 %, n = 3). Eine Vertrauens- und Schutzfunktion sowie die Unterstützung und Begleitung während des Verfahrens wird ebenfalls in der Hälfte der Ordnungen genannt (FM: 50 %, n = 5). In den meisten Fällen haben die Habilitierenden die Möglichkeit, an der Ausgestaltung der zu erbringenden Habilitationsleistungen mitzuwirken (FM: 90 %, n = 9). Nur in einer Ordnung werden die Leistungen allein vom Fachmentorat festgelegt.

4.3 Habilitationsleistungen im Detail

Von weitreichender Bedeutung bereits für die langfristige Planung und Gestaltung der Habilitationsphase ist die Festlegung der Habilitationsleistungen und der an sie gestellten Anforderungen. Während alle Habilitationsordnungen eine schriftliche Leistung vorsehen (AV: 100 %, n = 52; FM: 100 %, n = 10), sind mündliche Habilitationsleistungen wie ein Vortrag oder ein Kolloquium in nur 87 % (n = 55) und ein Nachweis pädagogischer Eignung in 78 % (n = 49) der Ordnungen festgeschrieben (vgl. Abb. 2). Im Vergleich der Verfahrensvarianten zeigen sich deutliche Unterschiede: Mündliche Habilitationsleistungen werden in nur drei Habilitationsordnungen für die Fachmentorat-Variante (FM: 30 %, n = 3), aber in fast allen Ordnungen für das abschließende Verfahren erwähnt (AV: 98 %, n = 51). Demgegenüber verlangen alle Fachmentorat-Ordnungen eine Prüfung der pädagogischen Eignung (FM: 100 %, n = 10); bei den Ordnungen mit abschließendem Verfahren sind es nur 69 % (n = 36).

Abb. 2
figure 2

Geforderte Habilitationsleistungen nach Verfahrensvariante, in Prozent der Habilitationsordnungen; Abschließendes Verfahren: n = 52, Fachmentorat-Verfahren: n = 10

4.3.1 Schriftliche Habilitationsleistung

Die Auswertung der Regelungen zur schriftlichen Habilitationsleistung zeigt, dass eine publikationsbasierte, kumulative Habilitation inzwischen anerkannt ist: 62 von 63 Ordnungen (98 %) lassen sowohl eine Monografie als auch einen Kumulus aus mehreren wissenschaftlichen Schriften zu. In einem Fall werden neben Monografie oder Kumulus noch drei weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen gefordert. Eine Ordnung (mit Fachmentorat-Verfahren) regelt die schriftliche Leistung nicht näher, schließt die kumulative Habilitation also zumindest nicht aus.

Etwa die Hälfte der Habilitationsordnungen (52 %, n = 33) gestattet, die schriftliche Leistung in anderen Sprachen als Deutsch zu verfassen (Englisch: 44 %, andere Fremdsprachen: 37 %).

Thematische Überschneidungen von Dissertationsschrift und schriftlichen Habilitationsleistungen oder gar ihre Verwendung als Teil der schriftlichen Habilitationsleistung erlauben ca. zehn Prozent der Ordnungen (n = 6). 57 % schließen beides ausdrücklich aus (n = 36), weitere 33 % treffen dazu keine Regelung (n = 21).

Tiefergehende Regelungen finden sich für monografische Habilitationsleistungen in 68 % (n = 43) und für kumulative Habilitationsleistungen in 84 % (n = 53) der Ordnungen. 25 % aller Ordnungen erlauben ausdrücklich die Einreichung einer bereits (teil-)veröffentlichten monografischen Habilitationsschrift (n = 16), auch wenn dies teilweise als Ausnahme definiert oder an weitere Bedingungen geknüpft wird. Etwas über die Hälfte aller Ordnungen (54 %, n = 34) sieht eine Pflicht zur Veröffentlichung zuvor unveröffentlichter schriftlicher Habilitationsleistungen vor.

Zusammensetzung des Kumulus und Anforderungen an Einzelschriften

Es finden sich nur wenige Regelungen für die Zusammensetzung kumulativer Habilitationsleistungen. In 63 % (n = 40) der Ordnungen wird eine Dachschrift oder Zusammenfassung zu den Einzelschriften erwähnt; weit überwiegend (90 %, n = 36) ist sie zwingend vorgeschrieben, in den vier verbleibenden Fällen (10 %) lediglich empfohlen. Regelungen zum Umfang einer solchen Dachschrift bzw. Zusammenfassung finden sich nur in sechs Habilitationsordnungen (10 %): Jeweils eine Ordnung nennt einen Umfang von maximal drei Seiten, von mindestens 15 Seiten, von mindestens 9000 Wörtern, von 20 bis 30 Seiten und von 20 bis 50 Seiten. Eine weitere Ordnung legt fest, dass die Dachschrift oder Zusammenfassung dem Niveau und Umfang einer Fachzeitschriftenpublikation entsprechen sollte.

Die (Mindest‑)Anzahl der einzureichenden Einzelschriften ist ebenfalls lediglich in 17 % aller Ordnungen geregelt (n = 11). Die Festlegungen reichen hier von drei bis acht Einzelschriften (M = 5.3, SD = 1.7). Zum Gesamtumfang des Kumulus findet sich nur eine einzige Angabe in den Ordnungen, nämlich die, er solle dem gängigen Umfang einer monografischen Habilitationsschrift entsprechen.

Ähnlich übersichtlich fallen die Regelungen zu weiteren Anforderungen an die Einzelschriften aus. 49 % der Ordnungen (n = 31) definieren Anforderungen an den notwendigen Publikationsstatus: 17 % der Ordnungen (n = 11) verlangen (teilweise implizit), dass alle Einzelschriften publiziert sein müssen, weitere 19 % (n = 12), dass alle, und weitere fünf Prozent (n = 3), dass 60 bzw. 75 % der Schriften zumindest zur Publikation angenommen sein müssen. Nur sechs Prozent der Ordnungen (n = 4) enthalten Angaben dazu, wie viele (nämlich 1 bzw. 6) oder welcher Anteil (zwischen 20 und 86 %) der Einzelschriften in Erstautorschaft zu verfassen sind (M = 47 %). Zehn Prozent der Ordnungen (n = 6) geben die Anzahl (zwischen 1 und 6) bzw. den Anteil (zw. 20 und 86 %) der in Alleinautor:innenschaft zu verfassenden Arbeiten an (M = 47 %). Sechs Prozent der Ordnungen (n = 4) verlangen schließlich einen Anteil von zwischen 20 und 50 % an internationalen (d. h. nicht in deutschen oder deutschsprachigen Publikationsorganen veröffentlichten) Publikationen an den einzureichenden Arbeiten. Selten wird festgelegt, dass zumindest ein Teil der Einzelschriften „wissenschaftlich betreut“ sein (5 %, n = 3) oder ein Peer Review durchlaufen haben muss (14 %, n = 9).

Einige Habilitationsordnungen nennen auch Anforderungen an die Reputation oder Qualität der Publikationsorte. Sie fordern etwa allgemein die Veröffentlichung der Schriften in „anerkannten“, „angesehenen“, „renommierten“ oder „einschlägigen“ Publikationsorganen (n = 6), in nationalen oder internationalen Fachzeitschriften, mit anonymisierter Begutachtung (n = 1), in „hochrangigen“ Journals (nachweisbar über eine Listung im Social Sciences Citation Index) oder ähnlich anerkannten Fachzeitschriften und/oder Sammelbänden (n = 2). Eine weitere Ordnung ergänzt die Vorgabe einer ausnahmslosen Publikation der Schriften in SSCI-gelisteten Zeitschriften um die Anforderung, dass mindestens zwei Schriften in Zeitschriften zu veröffentlichen sind, die gemessen an ihrem SSCI-5-Jahres-Impact-Factor zu den höchstrangigen 20 % der jeweiligen Disziplin gehören.

Umgang mit Ko-Autor:innenschaften

64 % (n = 40) aller Habilitationsordnungen treffen Regelungen für in Ko-Autor:innenschaft verfasste schriftliche Habilitationsleistungen, 17 % (n = 11) speziell zur Ko-Autor:innenschaft mit am Habilitationsverfahren beteiligten Personen wie Gutachter:innen oder Mitgliedern des Fachmentorats oder der Habilitationskommission. Weit überwiegend müssen (nur in einem Fall: sollen) Eigenanteile der Beteiligten an der Erstellung der Publikation explizit ausgewiesen werden (59 %, n = 37). Einige dieser Ordnungen verlangen weitere Angaben, z. B. zur Verwendung der Schriften in geplanten Qualifikationsverfahren anderer Autor:innen. Fünf Ordnungen verlangen eine Bestätigung der Angaben durch die Ko-Autor:innen. Eine Ordnung sieht eine noch speziellere Regelung vor: Hier muss im Falle von Ko-Autor:innenschaften die Summe der Einzelschriften „jeweils gewichtet mit dem Kehrwert der Anzahl aller auf den jeweiligen Einzelarbeiten vermerkten Autorinnen und Autoren mindestens die Zahl zwei ergeben“ (Habilitationsordnung ZU Friedrichshafen, § 12, 3). Durch gemeinsam mit anderen verfasste Schriften erhöht sich also die Anzahl der insgesamt erforderlichen Einzelschriften.

4.3.2 Mündliche Habilitationsleistung

Wie berichtet, sehen 87 % (n = 55) aller Habilitationsordnungen außerdem mündliche Habilitationsleistungen vor. In fast allen dieser Fälle (86 %, n = 54) ist dabei ein Kolloquium bzw. eine wissenschaftliche Aussprache vorgeschrieben, in 81 % (n = 51) ein wissenschaftlicher Vortrag. In 79 % der Habilitationsordnungen (n = 50) finden sich zumindest rudimentäre Angaben zu Form und Umfang der jeweiligen Leistungen, insbesondere zur Dauer oder zum Gegenstand des Vortrags bzw. des Kolloquiums, acht Prozent (n = 5) treffen folglich keine Regelung.

4.3.3 Pädagogische Habilitationsleistung

78 % (n = 49) der Habilitationsordnungen thematisieren einen Nachweis pädagogischer Eignung – angesichts des originären Zwecks der Habilitation zur Feststellung der Lehrbefähigung ein eher niedriger Wert. Diese 49 Ordnungen enthalten auch mindestens eine Regelung zur Art dieses Nachweises. Am häufigsten ist er durch reguläre Lehrleistungen zu erbringen (44 %, n = 28), gefolgt von gesonderten Probelehrveranstaltungen (41 %, n = 26) oder, mit einigem Abstand, über den Erwerb von Didaktikzertifikaten (25 %, n = 16). Häufiger als bei den schriftlichen und mündlichen Leistungen sind Optionsregelungen zu finden, d. h. es bestehen verschiedene Möglichkeiten, die pädagogische Eignung nachzuweisen.

20 der 28 Ordnungen, in denen ein Nachweis durch reguläre Lehrleistungen und -erfahrungen vorgesehen ist, machen nähere Angaben zu Art und Umfang dieser Leistungen. Diese Konkretisierungen reichen von einer allgemeinen Angabe, dass die Lehrleistung „mehrmalig“ und/oder „über einen längeren Zeitraum“ erbracht werden muss, bis hin zu spezifischen Vorgaben zur Anzahl der notwendigen Semesterwochenstunden (z. B. „durchschnittlich vier“ oder mindestens 20 SWS nach der Promotion) und der Veranstaltungsart. Nach einigen Ordnungen können reguläre Lehrleistungen durch eine hochschuldidaktische Ausbildung ergänzt oder ersetzt werden. In beinahe allen Ordnungen, in denen der Nachweis pädagogischer Eignung verlangt wird, ist auch eine Bewertung der Lehrleistungen vorgesehen (76 %, n = 48).

4.4 Genauigkeit der Regelungen und Anforderungsniveau der Habilitationsleistungen im Vergleich

Bislang haben wir Regelungen zu den Habilitationsleistungen entlang verschiedener Regelungsbereiche präsentiert und dabei jeweils für sich betrachtet. Um Strukturmerkmale der Regelungen insbesondere im Vergleich zwischen Ordnungen prägnanter darstellen zu können, haben wir Indizes entwickelt, die jeweils den Genauigkeitsgrad und das Anforderungsniveau der Regelungen zu schriftlichen, mündlichen und pädagogischen Habilitationsleistungen ausdrücken (vgl. die ähnliche Vorgehensweise von Knobloch et al. 2012 für medizinische Habilitationsordnungen).

Die Genauigkeitsindizes erfassen das Ausmaß, in dem die Habilitationsordnungen klare Regelungen für wichtige Aspekte der zu erbringenden Leistungen enthalten und dadurch Auslegungsspielräume beschränken. Für die schriftlichen Leistungen gehören dazu beispielsweise Regelungen zu Anzahl, Umfang, Publikationsort und -status der Einzelschriften, aber auch Regelungen zum Umgang mit Ko-Autor:innenschaften und Ähnliches. Die Anforderungsindizes wiederum erfassen, wie hoch die Ansprüche an die in den drei Teilbereichen zu erbringenden Leistungen sind. Da die Bewertung des Anspruchsniveaus aber die Existenz entsprechender Regelungen voraussetzt und die Vielfalt der Ausgestaltungen kaum auf einen einheitlichen Bewertungsmaßstab abzubilden ist, wurden die Anforderungsindizes einfacher gehalten, um möglichst alle Habilitationsordnungen miteinander vergleichen zu können.

Die Indizes wurden zunächst als absolute Maßzahlen (aufsummierte erreichte Punkte) berechnet und dann an der in den Bereichen jeweils maximal erreichbaren Punktzahl relativiert, sodass sich letztendlich Werte zwischen 0 und 100 % der erreichbaren Punktzahl ergeben. Details zur Zusammensetzung aller Indizes finden sich im Codebuch (vgl. Onlinematerial 2, Anhang B).

4.4.1 Genauigkeitsgrad der Festlegungen zu den Habilitationsleistungen

Bezogen auf alle 63 analysierten Habilitationsordnungen bestätigt sich für den Genauigkeitsgrad der Regelungen zunächst der Eindruck deutlicher Unterschiede zwischen den Habilitationsordnungen: In allen drei Bereichen (schriftliche, mündliche und pädagogische Leistungen) gibt es Ordnungen ohne jegliche Regelungen, aber auch Ordnungen, die 100 % bzw. im Fall der schriftlichen Leistungen immerhin 83 % der in den Indizes erfassten Regelungsbereiche abdecken (vgl. auch Tab. 1 für ein Ranking der Habilitationsordnungen nach der Genauigkeit der Regelungen zur schriftlichen Leistung). Im Mittel (Median) beträgt der Anteil der tatsächlich abgedeckten Regelungsbereiche lediglich 33 % für die pädagogischen und 42 % für die schriftlichen, allerdings 100 % bei den mündlichen Leistungen (vgl. Abb. 3). Mindestens die Hälfte der untersuchten Ordnungen enthält also Regelungen zu allen durch den Index erfassten Regelungsbereichen bezüglich der mündlichen Habilitationsleistungen. In diesem Fall bedeutet das jedoch nur, dass klare Aussagen zur Notwendigkeit eines Vortrags und eines Kolloquiums sowie weitere sonstige Regelungen zu Dauer, Umfang, Themenwahl etc. von Vortrag bzw. Kolloquium vorhanden sind.

Tab. 1 Ranking Habilitationsordnungen nach Genauigkeitsindex (nur schriftliche Leistung)
Abb. 3
figure 3

Genauigkeits- und Anforderungsindizes nach Verfahrensvariante

Aussagekräftiger ist der Vergleich von Ordnungen nach Verfahrensvariante. Hier zeigt sich, dass die 52 Ordnungen für abschließende Habilitationsverfahren schriftliche und mündliche Leistungen deutlich detaillierter regeln (schriftlich: Md = 42 %, mündlich: Md = 100 %) als die zehn Ordnungen für das Fachmentorat-Verfahren (schriftlich: Md = 29 %, mündlich: Md = 0 %), während die Regelungen zum Nachweis pädagogischer Eignung in beiden Verfahrenstypen ähnlich ausbaufähig sind (AV: Md = 33 %, FM: Md = 38 %, vgl. Abb. 3). Da die Logik des Fachmentorat-Verfahrens gerade in der Übertragung der Ausgestaltungskompetenz auf die Fachmentorate besteht, ist hier weniger der geringere Genauigkeitsgrad von Regelungen zu mündlichen und schriftlichen Leistungen in Fachmentorat-Verfahren bemerkenswert als die in beiden Verfahrenstypen sehr vergleichbaren Werte für den Nachweis pädagogischer Eignung.

4.4.2 Anforderungsniveau der Habilitationsleistungen

Eine mit dem Genauigkeitsgrad vergleichbare Varianz zwischen den Habilitationsordnungen zeigt sich auch für das Niveau der an die Habilitand:innen gestellten Ansprüche an die schriftlichen, mündlichen und pädagogischen Leistungsnachweise. Auch hier bewegen sich die Anteile der in den Ordnungen niedergelegten Anforderungen an den im Index erfassten Leistungselementen zwischen null und 80 % bei den schriftlichen (Md = 20 %), null und 100 % bei den mündlichen (Md = 100 %) und null und 88 % bei den pädagogischen Leistungen (Md = 50 %).

Das mittlere Anforderungsniveau der Leistungsanforderungen liegt bei den Fachmentorat-Verfahren für schriftliche Leistungen etwas und für mündliche Leistungen deutlich niedriger als bei den abschließenden Verfahren (schriftlich: Md = 20 % vs. 25 %, mündlich: Md = 0 % vs. 100 %). Im Anforderungsniveau der pädagogischen Leistungen unterscheiden sich die beiden Verfahren im Mittel praktisch nicht (Md = 50 % in beiden Fällen), allerdings sind die abschließenden Verfahren deutlich weniger einheitlich in ihrem Anspruchsniveau als die Fachmentorat-Verfahren (IQA = 22 % vs. 63 %).

Bei einem Vergleich der universitätsweiten mit fakultätsspezifischen Habilitationsordnungen zeigen sich nur geringe Unterschiede bei den mündlichen Leistungen (in beiden Fällen: Md = 100 %, IQA = 0 %) und niedrigere Anforderungen an pädagogische Leistungsnachweise in den spezifischen Ordnungen (allgemein: Md = 50 %, IQA = 41 %, spezifisch: Md=25 %, IQA = 50 %). Allerdings enthalten fakultäts- bzw. fachbereichsspezifische Habilitationsordnungen erkennbar höhere Anforderungen an die schriftliche Habilitationsleistung (allgemein: Md = 20 %, IQA = 25 %, spezifisch: Md = 40 %, IQA = 20 %).

4.4.3 Entwicklung über die Zeit

Beim Blick auf die Entwicklung der Genauigkeit und des Anforderungsniveaus im Zeitverlauf zeigt sich ein schwacher Zusammenhang sowohl des Genauigkeitsgrads als auch des (damit korrelierten) Anforderungsniveaus der Regelungen für schriftliche (Genauigkeitsindex: τb = 0.19, Anforderungsindex: τb = 0.13) und pädagogische Leistungen (Genauigkeitsindex: τb = 0.14, Anforderungsindex: τb = 0.13) mit dem Jahr des Inkrafttretens der Habilitationsordnung: Je jünger die Ordnungen, desto tendenziell transparenter und höher sind also die Anforderungen. Für die mündlichen Leistungen fiel dieser Zusammenhang noch geringfügiger und dabei negativ aus (Genauigkeitsindex: τb = −0.08, Anforderungsindex: τb = −0.04).

Ob sich in den Befunden für die schriftlichen und pädagogischen Leistungen lediglich eine stärkere Formalisierung gleichbleibend hoher Anforderungen, eine tatsächliche Steigerung der Anforderungen (vgl. wie Knobloch et al. [2012] ihre Befunde für die medizinische Habilitation interpretieren) oder beides niederschlägt, ist auf Basis dieser Daten nicht zu klären. Ausgeschlossen werden kann aber ein Effekt durch die jüngeren Ordnungen für die Fachmentorat-Variante: Auch bei einer Auswertung nur für die abschließenden Verfahren zeigen sich im Wesentlichen dieselben Tendenzen.

4.5 Begutachtung

Eng mit den Anforderungen an die Habilitationsleistungen verknüpft ist die Frage, wie deren Begutachtung geregelt ist. Die Begutachtung der schriftlichen Leistungen durch eine Gutachter:innenkommission oder einzelne Gutachter:innen, die nicht explizit einzelnen Gremien zugeordnet wurden, ist in allen Habilitationsordnungen vorgeschrieben (100 %). In einigen Ordnungen ist ein Vorschlagsrecht der Habilitand:innen für Gutachter:innen verankert (AV: 46 %, n = 24; FM: 30 %, n = 3). Was die Besetzung der Gutachter:innenkommission betrifft, werden in den Ordnungen zum Teil fachexterne bzw. interdisziplinäre Mitglieder (AV: 17 %, n = 9; FM: 10 %, n = 1) genannt, vor allem sind jedoch hochschulexterne Gutachter:innen hinzuzuziehen (AV: 92 %, n = 48, FM: 100 %, n = 10). Nur jeweils eine Ordnung legt fest, dass ein:e internationale:r Gutachter:in einzubeziehen ist und Mitglieder der Habilitationskommission keine Begutachtung übernehmen dürfen. Alle anderen Ordnungen schließen die letztgenannte Möglichkeit zumindest nicht ausdrücklich aus. Eine Überschneidung des Fachmentorats mit den Gutachter:innen ist ebenfalls möglich (FM: 100 %, n = 10) bzw. nicht explizit ausgeschlossen.

Durchschnittlich sollen laut der Ordnungen etwa drei Gutachten eingeholt werden (M = 3,0; SD = 0,8), wobei die Spanne von einem einzelnen Gutachten bis hin zu fünf Gutachten reicht. Die Gutachter:innen haben durchschnittlich etwa dreieinhalb Monate Zeit zur Erstellung der Gutachten (M = 3,6; SD = 1,1), bei einer Spanne von zwei bis sechs Monaten.

In einigen Ordnungen werden Studierende in die Bewertung der Habilitationsleistungen eingebunden (AV: 42 %, n = 22, FM: 20 %, n = 2), etwa als Mitglieder einer der Kommissionen oder in Form einer Anhörung zu Lehrproben.

4.6 Akademischer Grad, Rechte und Pflichten der Habilitierenden

Schließlich regeln die Habilitationsordnungen weitere Rechte und Pflichten der Habilitierenden oder Habilitierten, etwa die Frage der Titellehre, einer Wiederholung von (Teil‑)Habilitationsleistungen oder der Zwischenevaluationen bei der Fachmentorat-Variante.

Die meisten Habilitationsordnungen erlauben eine Wiederholung der Habilitationsleistungen oder von Teilen davon (AV: 92 %, n = 48; FM: 40 %, n = 4). Nur eine Ordnung der Fachmentorat-Variante schließt eine Wiederholung explizit aus, die übrigen Ordnungen thematisieren sie nicht. Zum Zeitrahmen und zur Anzahl der vorgesehenen Zwischenevaluationen werden in allen Fachmentorat-Ordnungen genauere Angaben gemacht. Alle setzen einen zeitlichen Rahmen von vier Jahren für die Dauer des Verfahrens (n = 10) fest und eröffnen die Möglichkeit, diesen Zeitrahmen in begründeten Fällen wie Krankheit oder Elternzeit zu verlängern. Eine Zwischenevaluation soll einmal nach zwei Jahren stattfinden (n = 10).

Was die nach Abschluss des Verfahrens verliehenen Titel anbelangt, sieht die Hälfte der Habilitationsordnungen den Titel „Dr. habil.“ vor (49 %, n = 31; innerhalb AV: 52 %, n = 27; innerhalb FM: 40 %. n = 4), 73 % (n = 46) der Ordnungen den Titel „Privatdozent:in“ (innerhalb AV: 58 %. n = 30; innerhalb FM: 40 %, n = 4). Über ein Drittel der Ordnungen ermöglichen eine Kombination beider Titel entweder als Regelfall (21 %, n = 13) oder Option (16 %, n = 10).

Mit Abschluss des Verfahrens werden in einem Großteil der Habilitationsordnungen auch Verpflichtungen mit dem Titel verbunden, z. B. eine Antrittsvorlesung (57 %, n = 36; innerhalb AV: 62 %, n = 32; innerhalb FM: 40 %, n = 4) oder auch die Titellehre (65 %, n = 41; innerhalb AV: 75 %, n = 39; innerhalb FM: 10 %, n = 1).

Die Möglichkeit der Erweiterung einer vorhandenen Lehrbefugnis auf andere Fachgebiete erwähnen mehr als die Hälfte der abschließenden Ordnungen (67 %, n = 35) und knapp ein Drittel der Fachmentorat-Ordnungen (30 %, n = 3). Häufig sind auch Regelungen zur Umhabilitation bei einem Fakultäts- bzw. Fachbereichs- oder Hochschulwechsel enthalten (AV: 77 %, n = 40; FM: 50 %, n = 5).

5 Zusammenfassende Diskussion

Zum Abschluss fassen wir die Befunde noch einmal zusammen und diskutieren sie in Anlehnung an Gütekriterien für Tests, die der DIN 33430 zur berufsbezogenen Eignungsbeurteilung zugrunde liegen (vgl. z. B. Moosbrugger und Kelava 2020). Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Hauptkriterium der Validität der Habilitation als „Test“ und Prüfung der Lehrbefähigung der Kandidat:innen. Ergänzend können Fragen z. B. nach dem Verhältnis von Kosten und Ertrag der Habilitation (Ökonomie, Nützlichkeit und Zumutbarkeit eines Tests) sowie nach Risiken einer Ungleichbehandlung von Kandidat:innen (Fairness eines Tests) aufgeworfen werden. Die Diskussion führen wir vor dem Hintergrund der Größe, der variierenden Anbindung an Fakultäten bzw. Fachbereiche und der fachkulturellen Heterogenität unseres Fachs.

5.1 Zur Validität der Habilitation als Prüfverfahren

Wie sind die Befunde zu den Regelungen zu Habilitationsleistungen und -verfahren nun im Hinblick auf die Validität des Prüfverfahrens zu bewerten? Erscheinen also nach den betreffenden Regelungen durchgeführte Habilitationsverfahren dazu geeignet, die Lehrbefähigung von Personen für unser Fach, d. h. ihre wissenschaftliche und hochschuldidaktische Befähigung zur eigenständigen Forschung und Lehre in einer gewissen Breite, zu prüfen?

Die wissenschaftliche Kompetenz wird in Habilitationsverfahren vor allem anhand von wissenschaftlichen Schriften geprüft. Andere Verwertungsmöglichkeiten von Forschung wie etwa Transferpublikationen im Bereich der „dritten Mission“ werden damit bislang nicht aufgegriffen. Zusätzlich sind in den meisten Verfahren (allerdings nur in einem Drittel der Fachmentorat-Ordnungen) mündliche Leistungen in der Regel in Form eines Vortrags und eines Kolloquiums bzw. einer Aussprache vorgesehen. Während diese mündlichen Leistungen in den Ordnungen kaum näher spezifiziert werden, sind die Regelungen zur schriftlichen Leistung etwas detaillierter: So lassen fast alle Ordnungen neben monografischen auch kumulative schriftliche Leistungen zu. Darüber hinaus finden sich in den Ordnungen jedoch kaum weiterführende Regelungen für monografische Schriften, für kumulative nur wenig mehr. Beispielsweise verlangen knapp zwei Drittel der Ordnungen eine Dachschrift, aber nur 17 % legen eine Mindestanzahl an Einzelschriften fest. Dabei variiert der Wert zwischen drei und acht, was sich mit den von Knobloch et al. (2012; vgl. auch Weineck et al. 2015) ermittelten Werten für medizinische Habilitationen deckt.

Jenseits der bloßen Anzahl der Schriften stellt sich mit Blick auf die Validität des Prüfverfahrens die Frage, wie die fachliche Breite der wissenschaftlichen Befähigung nachgewiesen werden soll. Zwischen dieser Zielsetzung einerseits und den faktischen Beschränkungen monografischer Schriften oder der in Habilitationsordnungen häufig vertretenen Forderung nach einem „thematischen Zusammenhang“ des Kumulus andererseits besteht ein gewisses Spannungsverhältnis (vgl. Conradi et al. 2020, S. 153), weshalb die Prüfung einer fachlichen Breite häufig auch die nicht als Habilitationsleistungen eingebrachten Publikationen von Kandidat:innen einbezieht.

Aus der variierenden Anbindung an Fakultäten bzw. Fachbereiche und der fachkulturellen Heterogenität der KMW könnten sich außerdem Passungsprobleme von Prüfverfahren und für das Fachgebiet der Kandidat:innen relevanten Kompetenzen ergeben: Inwieweit können die in den Ordnungen formulierten und von den bewertenden Instanzen zugrunde gelegten Anforderungen den wissenschaftlichen Standards und Gepflogenheiten der verschiedenen Fachgebiete und fachkulturellen Orientierungen innerhalb der KMW gerecht werden? Unterschiedlichen Orientierungen zuträglich erscheint zunächst die oben beschriebene grundlegende Offenheit der Anforderungen an schriftliche Leistungen für unterschiedliche Publikationstypen und -orte. Auch einer adäquaten Begutachtung der schriftlichen Leistungen dürfte in der Regel nichts entgegenstehen, da nur selten fachexterne Begutachtungen vorgeschrieben sind und bei kumulativen Publikationen zusätzlich etwaigen Reviewverfahren eine bedeutende Rolle zukommt. Auf der Ebene der Gesamtwürdigung der Forschungsleistungen allerdings könnten vor allem bei abschließenden Habilitationsverfahren an eher KMW-fernen (z. B. technisch oder wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten) Fakultäten oder Fachbereichen Passungsprobleme auftreten, wenn z. B. ein gegenüber dem Habilitationsgebiet abweichendes Wissenschaftsverständnis vorherrscht. In Fachmentoraten ist demgegenüber ein fachliches Übergewicht der KMW einerseits in den Ordnungen vorgeschrieben und andererseits aufgrund der geringeren Zahl von meist drei Mitgliedern auch von kleinen Instituten leichter personell zu gewährleisten.

Im Vergleich zur Prüfung der wissenschaftlichen Eignung kommt der Prüfung der pädagogischen Eignung in den Habilitationsordnungen ein geringerer Stellenwert zu: Nur vier Fünftel aller Ordnungen – dabei immerhin alle Ordnungen für Fachmentorat-Verfahren – sehen überhaupt eine Bewertung der pädagogischen Eignung vor. Diese nimmt überwiegend die Gestalt eines Nachweises von Lehrerfahrung (unabhängig von der Qualität dieser Lehre) oder einer punktuellen Prüfung der Lehrkompetenz etwa anlässlich von Probelehrveranstaltungen an. Nachweise einer fundierten didaktischen Ausbildung oder die längerfristige Bewertung von Lehrleistungen etwa auf Basis von Lehrevaluationen, Hospitationen etc. werden hingegen kaum verlangt. Positiv ist zu bewerten, dass dem Nachweis pädagogischer Kompetenzen in jüngeren Habilitationsordnungen ein höherer Stellenwert zugemessen wird.

Zusammenfassend erscheinen Habilitationsverfahren – soweit dies anhand der Habilitationsordnungen ersichtlich ist – nach wie vor durchaus geeignet, die Befähigung zu eigenständiger Forschung und (mit Einschränkungen) zur Lehre auch in unserem hinsichtlich Größe, Anbindung und fachkultureller Heterogenität besonderen Fach einzuschätzen. Eine Habilitation kann also weiterhin den Nachweis dieser Kompetenzen etwa in Berufungsverfahren erleichtern. Mit dem Schwerpunkt auf Forschung (bzw. Publikationstätigkeit) und Lehre ist das Tätigkeitsfeld von Hochschullehrenden an Universitäten freilich nicht vollständig abgedeckt. Dementsprechend kann die Habilitation nur bedingt ein valides Prüfverfahren zum Nachweis der Berufbarkeit im Sinne einer (Mindest‑)Erfüllung sämtlicher relevanter Berufungskriterien sein – und dies ist erklärtermaßen auch nicht ihr Ziel. Dennoch korrespondieren übliche wissenschaftliche und pädagogische Habilitationsleistungen gut mit wichtigen Berufungskriterien wie z. B. wissenschaftlichen Publikationen und Lehrerfahrung (vgl. Kleimann 2019; vgl. auch Abele-Brehm und Bühner 2016 für die Psychologie). Abschließend kann zur Frage der Validität jene nach dem Verhältnis zur Promotion gestellt werden. So ermittelten beispielsweise Bock et al. (2019) bei ihrer Analyse von Promotionsordnungen eine Mindestanzahl von je nach Standort drei bis sechs Einzelschriften für eine kumulative Promotion. Damit sind die Anforderungen an kumulative Habilitationen im Bereich der wissenschaftlichen Leistung zumindest hinsichtlich des Umfangs nicht wesentlich höher als die für entsprechende Dissertationen. Ein höheres Anforderungsniveau bei Habilitationen hinsichtlich der Forschungsleistung müsste sich also deutlich in anderen Aspekten zeigen – etwa im Ausmaß des Erkenntnisfortschritts oder in der Komplexität oder Breite des Gegenstands. Andernfalls wäre unklar, welche über die durch eine Promotion bereits nachgewiesenen wissenschaftlichen Fähigkeiten hinausgehenden Kompetenzen durch die Habilitation erfasst werden sollen (vgl. auch Conradi et al. 2020, S. 152), und der wesentliche Unterschied zur Promotion läge im Nachweis pädagogischer Kompetenzen, der jedoch in den Regelungen von eher untergeordneter Bedeutung zu sein scheint.

5.2 Weitere Kriterien zur Beurteilung der Habilitation als Prüfverfahren

Nützliche Anregung zur Diskussion der erhobenen Habilitationsregelungen bieten auch weitere Testgütekriterien: Angesichts des mit Habilitationsverfahren häufig verbundenen beträchtlichen Aufwands lässt sich die Frage nach der sog. Testökonomie oder Effizienz des Prüfverfahrens im Vergleich zu dessen Erkenntnisgewinn (vgl. Moosbrugger und Kelava 2020) sowohl für die prüfenden Universitäten als auch für die Kandidat:innen stellen.

In den Regelungen zur abschließenden Verfahrensvariante sind z. B. neben der mindestens zweimal tagenden und personell teilweise recht umfangreichen Gutachter:innen und Mitarbeiter:innen in Dekanat und Universität sowie (wenn auch mit deutlich geringerem Aufwand) der Fakultäts- bzw. Fachbereichsrat als Beteiligte genannt. Das Fachmentorat als zentrales Gremium in Fachmentorat-Verfahren besteht demgegenüber in der Regel aus nur drei Personen. Es arbeitet aber über einen deutlich längeren Zeitraum und intensiver mit den Kandidat:innen zusammen, sodass sich solche Verfahren im Gesamtaufwand nur unwesentlich von abschließenden Verfahren unterscheiden dürften. Allerdings kann eine Habilitation anderen Universitäten in Berufungsverfahren Arbeit ersparen, wenn sie als Kriterium für die (Vor-)Auswahl unter Bewerber:innen herangezogen wird – auch wenn eine solche Vorauswahl auch auf Basis anderer Heuristiken getroffen werden könnte (vgl. Frank 2001, S. 11).

Einen Zusatzaufwand bedeutet die Habilitation in der Regel auch für die Kandidat:innen. Er kann sich z. B. aus der Vorbereitung etwaiger mündlicher Leistungen, dem Nachweis pädagogischer Eignung, die nicht in Berufungsverfahren verwertbar sind, sowie bei kumulativen schriftlichen Leistungen in der Abfassung einer in aller Regel nur von den Gutachter:innen und Kommissionsmitgliedern zur Kenntnis genommenen Dachschrift ergeben, wobei der geforderte Umfang bei letzterer in den Habilitationsordnungen stark variiert. Ein für die Kandidat:innen besonders ausgeprägter Zusatzaufwand kann anfallen, wenn sich die Kriterien für die Berufbarkeit in einem Fachgebiet von den Anforderungen der Habilitation an der Heimathochschule unterscheiden, wodurch Zielkonflikte entstehen können.

Auch das Kriterium der Gleichbehandlung oder Fairness (vgl. Moosbrugger und Kelava 2020) wirft mit Blick auf bestehende Regelungen Fragen auf: Inwiefern gewährleisten die Habilitationsordnungen Standards der Gleichbehandlung von Habilitand:innen unseres Fachs sowohl über Standorte hinweg als auch innerhalb derselben Standorte? Während Engesser und Magin (2014, S. 313–314) beispielsweise bereits auf ungleiche Bedingungen an verschiedenen Standorten etwa im Hinblick auf das Betreuungsverhältnis hinweisen, zeigen auch die Habilitationsregelungen z. T. deutliche Unterschiede im Niveau der (explizit geregelten) Anforderungen (vgl. Abb. 3). Unterschiede scheinen beispielsweise hinsichtlich der Mindestanzahl der Einzelschriften eines Kumulus insgesamt (drei bis acht Schriften) und der Internationalität und Reputation (von nicht genannt bis SSCI-gelistet) der Publikationsorgane dieser Einzelschriften aufzutreten wie auch bei der Zulässigkeit einer Überschneidung von Dissertations- und Habilitationsleistung (von ausgeschlossen bis zur Möglichkeit, Dissertationsleistungen als Teil der Habilitationsleistung zu einzubringen) oder beim Nachweis der pädagogischen Eignung, aber auch hinsichtlich formaler Fragen wie der Wiederholbarkeit von Leistungen oder der verliehenen Titel. Auch wenn die fast durchgängig vorgesehene Mitwirkung standortexterner Gutachter:innen bei der Bewertung der schriftlichen Leistungen die Vergleichbarkeit erhöhen kann (vgl. auch Packard 2020), werden also für dasselbe Qualifizierungs- und Prüfverfahren in verschiedenen Regelungen unterschiedlich ausgeprägte Leistungen verlangt.

Die beschriebenen Unterschiede beziehen sich nur auf die explizit in den Ordnungen geregelten Anforderungen. Unsere Analyse zeigt jedoch ergänzend, dass insbesondere die schriftlichen, aber auch die pädagogischen Leistungen insgesamt in den Ordnungen kaum näher festgelegt sind. Ordnungen für die Fachmentorat-Variante regeln die Leistungen dabei noch weniger explizit als abschließende Verfahren, da die Leistungen in Form von Zielvereinbarungen zwischen Fachmentorat und Kandidat:in festgelegt werden. Vor Beginn eines Verfahrens sind die Leistungsanforderungen damit in beiden Varianten nur bedingt festgelegt und ersichtlich, woraus sich einerseits persönlich belastende und die Orientierung erschwerende Unsicherheiten für die Kandidat:innen und andererseits aber auch teils erhebliche Spielräume für die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens durch die jeweils durchführenden Gremien und deren aktuelle Besetzung ergeben.

Da ein gewisses Maß an Flexibilität bei der Ausgestaltung von Qualifikationskriterien und Leistungsanforderungen für Habilitationen durchaus sinnvoll erscheint, um der Heterogenität und dem Wandel der Anforderungen in unterschiedlichen Forschungsfeldern gerade unseres Fachs (auch innerhalb desselben Instituts) und den individuellen Qualifizierungsbedarfen der Kandidat:innen Rechnung zu tragen, besteht die Herausforderung wohl darin, Habilitationsverfahren so zu gestalten, dass eine Balance zwischen Standardisierung und Gleichbehandlung einerseits und Flexibilität und Individualisierung andererseits gegeben ist. Verbinden ließen sich die Vorteile von beidem möglicherweise durch eine Verlagerung des Fokus weg von der Festlegung von zu erbringenden Leistungen hin zu einer Definition der Kompetenzen, die für die Befähigung zu Forschung und Lehre als notwendig erachtet werden. Daraus könnten, ggf. im Abgleich mit dem Profil der jeweiligen Kandidat:innen, die konkret zu erbringenden Habilitationsleistungen abgeleitet werden – also die Transparenz des Ziels bei Flexibilität und Individualität des Weges (vgl. Conradi et al. 2020, S. 155). Dieses Prinzip ist in der Fachmentorat-Variant bereits angelegt, wobei allerdings die Klarheit der Kriterien vom jeweiligen Fachmentorat abhängt und die Regelungen freilich nichts darüber aussagen, ob und wie eine Begleitung in der Praxis tatsächlich erfolgt. Die Verständigung über Kompetenzprofile als Grundlage von Zielvereinbarungen könnte jedoch Gegenstand einer Diskussion im Fach sein.

Ziel der vorliegenden Studie war es, eine erste Informationsgrundlage für den weiterführenden Diskussions- und Verständigungsprozess im Fach zu den Regelungen der Habilitation zu schaffen. Damit erfasst die vorliegende Studie keine Daten zu den Arbeitsbedingungen und Berufsaussichten von Postdocs. Sie steht jedoch auch in Zusammenhang mit der Diskussion über die Bedingungen, unter denen sich Postdocs qualifizieren. Angesichts hoher Anforderungen, einer im Vergleich geringen Anzahl an Lebenszeitprofessuren und damit riskanter Lebensentscheidungen muss die Diskussion um Qualifizierungs- und Arbeitsbedingungen von Habilitierenden in den DACH-Ländern fortgeführt werden. So werden Habilitierende neben Doktorand:innen als eine derjenigen Beschäftigungsgruppen beschrieben, die unter hochprekären Bedingungen arbeiten (vgl. OECD 2021). Die fortgesetzte und zunehmend öffentliche Diskussion um diese Bedingungen verweist auf den Bedarf, sich auch in der deutschsprachigen KMW noch intensiver und proaktiver mit den Qualifizierungs- und Arbeitsbedingungen in der Postdoc-Phase und dabei auch den Habilitationsordnungen auseinanderzusetzen. Unsere Bestandsaufnahme der expliziten Regelungen von Habilitationsverfahren ergänzt daher Studien, die die Qualifizierungspraxis aus Sicht der beteiligten Personen und Organisationen (z. B. Habilitierenden, Gutachter:innen, Fakultäts- bzw. Fachbereichsvertreter:innen) in den beiden unterschiedlichen Verfahrensvarianten untersuchen und gegenüberstellen.