Wissenschaftskommunikationsforschung und -praxis erfahren aktuell zunehmend mehr Aufmerksamkeit. Das liegt zum einen an ihren gesellschaftlich relevanten Themen (wie Klimawandel oder COVID-19), zum anderen aber auch an der voranschreitenden Digitalisierung und ihren weitreichenden Folgen für die Kommunikation aus der und über die Wissenschaft (siehe auch Neuberger et al., 2021). In diesem Kontext verortet sich auch das Werk Audiovisuelle Wissenschaftskommunikation auf YouTube. Das Buch stellt die Ergebnisse eines mehrjährigen und von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Projekts dar.

Ausgangpunkt für das Werk ist die Beobachtung, dass im Internet und speziell in sozialen Medien Wissen von vielfältigen Akteur*innen produziert wird. Übergeordnet fragen die Autor*innen, ob sich damit die Wissenschaftskommunikation von einem Distributions- zu einem Partizipations- und Dialogmodell entwickelt oder ob es zu einer Erosion der traditionellen Wissensordnung kommt (siehe auch Neuberger et al., 2019). Das Ziel des Buchs ist nicht nur relevant, sondern wird auch klar herausgearbeitet. Als Gegenstandsbereich, für den diese Frage verengt und damit empirisch beantwortet werden soll, wird die reichweitenstarke und audiovisuelle Plattform YouTube gewählt. Wie man Wissenschaftsvideos auf YouTube klassifizieren kann, wie Rezipierende ihre Aufmerksamkeit verteilen und welches Wissen (Fakten- und Strukturwissen) sie sich dabei aneignen, sind nur einige der Fragen, die im Buch vor dem Hintergrund der interaktionalen Rezeptionstheorie erst hergeleitet und dann beantwortet werden. Dabei kommen aufwendige und für die jeweilige Unterfrage angemessene Methoden wie eine multimodale Inhaltsanalyse, eine Labor-Studie mit Eye-Tracking, Concept Maps, eine Online-Umfrage sowie eine Netzwerk- und interaktionale Kommentaranalyse von YouTube-Kommentaren zum Einsatz.

Im Ergebnis weist die durchdachte und umfangreiche multimodale Analyse von 400 YouTube-Videos auf vier Typen hin: Expertenfilme, narrative Erklärfilme, Präsentationsfilme und Animationsfilme. Dass Erklären und Argumentieren dabei vorrangig sind, deuten die Autor*innen als epistemische Ausrichtung und sehen darin keine Gefährdung der etablierten Wissensordnung. Bei Publika sind vor allem jene Formate erfolgreich, die die Spezifika der Plattform berücksichtigt haben. Narrative Erklärfilme scheinen wirksamer bei der Vermittlung von Fakten- und auch Strukturwissen als die anderen Typen. Dabei zeigt sich, dass audiovisuelle Formate vor allem bezüglich des Faktenwissens ihr Potenzial entfalten können. Durch die Analyse mit Eye-Tracking werden zudem mögliche Gründe herausgearbeitet: grafische Elemente und Texteinblendungen unterstützen die Wissensvermittlung, eine hohe modale Dichte (bspw. Inhalte und Sprecher*in) sind eher hinderlich. Im Werk weisen die Autor*innen zudem darauf hin, dass narrative Erklärfilme weniger vertrauenswürdig als beispielsweise Expertenfilme eingeschätzt werden; daraus leiten sie ab, dass Informationsvermittlung und Vertrauensaufbau verschiedene Intentionen sind, die vor der Wahl eines audiovisuellen Formats definiert und reflektiert werden sollten. Darüber hinaus zeigt die Analyse von YouTube-Kommentaren als Form der Anschlusskommunikation unter anderem, dass dort klassische Wissenschaftskommunikation (wie Wissen vermitteln, argumentieren, epistemische Würdigung) stattfindet, was laut den Autor*innen ebenfalls gegen eine Erosion der traditionellen Wissensordnung spricht.

Das Buch liefert einen originären Zugang zum Forschungsgegenstand. Besonders herauszustellen ist, dass sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven und im Methodenmix innovativ genähert wird (wie bezüglich der Verbindung von Inhalts- und Rezeptionsperspektiven), vor allem durch die Concept Maps als Repräsentationen kognitiver Netzwerke und die Netzwerk- und interaktionale Kommentaranalyse von YouTube-Kommentaren. Auch der Aufbau des Buches, die vielen Zusammenfassungen und die hilfreichen Visualisierungen vereinfachen den Zugang zum Thema und den gewählten theoretischen und empirischen Bausteinen. Am Ende werden sowohl Ableitungen für die Grundlagenforschung gezogen als auch der praktische Stellenwert der Ergebnisse betont. Dennoch erscheinen die theoretischen Zugänge stellenweise zu eng: der größere Kontext (interaktionale Rezeptionstheorie) hätte noch umfangreicher eingeführt und stärker durch das Buch leiten können; außerdem hätte der Forschungsstand über YouTube hinaus und besonders in Hinblick auf das Konzept „Vermitteln“ (Milde, 2009) weiter reflektiert werden können.

In der Gesamtschau erweitert das Werk den Forschungsstand und reiht sich in Literatur ein, die die Bedingungen und Folgen der (externen) Wissenschaftskommunikation im Internet und in sozialen Medien untersuchen. Das Buch ist sowohl für Studierende, Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen aber auch weitere an der Wissenschaftskommunikation Interessierte lesenswert.