1 Einleitung

In der zeitgenössischen Deutung des Verhältnisses von Mensch und Maschine rückt der Begriff der Kommunikation zunehmend wieder in das Zentrum akademischer und öffentlicher Aufmerksamkeit. Verantwortlich dafür sind neue technologische Systeme und Interfaces, die explizit auf den verbalsprachlichen Austausch mit Menschen angelegt sind. Die betreffenden Technologien sind am Ideal der menschlichen Kommunikation orientiert und „eifern“ dieser in Gestaltung und Einsatzfeldern nach (vgl. Westerman et al. 2020). Die bislang als „Goldstandard“ geltende, auf den Menschen ausgerichtete Kommunikation wird um Konstellationen erweitert, die Maschinen nicht nur als Mittler (wie etwa in der bekannten Lasswell-Formel, vgl. Lasswell 1972), sondern auch als Quelle von Kommunikation ansehen (vgl. Peter und Kühne 2018, S. 74; Fortunati und Edwards 2020, S. 8–9; Guzman und Lewis 2020, S. 71). Dem obligatorisch vorhandenen Medium wird nun entsprechend eine aktive Kommunikatorenrolle als Sender oder Empfänger zugeschrieben (vgl. Guzman 2018; Guzman und Lewis 2020; Peter und Kühne 2018; Zhao 2006). Ob sich mit dieser Veränderung die ontologischen Grenzen zwischen dem Wesen von Menschen und Maschinen ändern (vgl. Guzman und Lewis 2020, S. 79) und Medien nun umso eher in der Rolle eines sozialen Akteurs untersucht werden sollten (vgl. Gunkel 2012, S. 22), ist mit Blick auf vorausgehende Arbeiten zur Techniksoziologie und Medientheorien jedoch nicht klar zu beantworten.Footnote 1 Denn es steht weiterhin zur Disposition, ob Maschinen Kommunikationsprozesse nicht nur mediieren, sondern tatsächlich als Teilnehmer:innen an diesen gelten können.

Die Annahme, Maschinen könnten (zumindest) einen der für Kommunikation notwendigen Kommunikationspartner vollständig ersetzen, ist weitreichend und umstritten. In unserem Beitrag folgen wir der These, dass die Frage nach der Kommunikationsfähigkeit von Maschinen keine eindeutig lösbare ontologische Frage ist („Können Maschinen kommunizieren?“), sondern eine Frage gesellschaftlicher Zurechnung („Wird Maschinen Kommunikationsfähigkeit zugeschrieben?“) (vgl. Muhle 2018). Diese Zuschreibung von Kommunikationsfähigkeit kann mitunter selbst dann erfolgen, wenn (je nach sozialtheoretischer Perspektive) bestimmte Akteurseigenschaften nicht oder nicht hinreichend vorhanden sind.Footnote 2 Für die kommunikationswissenschaftliche Forschung sind deshalb die Betrachtungen der ontologischen Differenz zwischen Menschen und Maschine weniger relevant, als die Bedingungen, die es wahrscheinlicher machen, dass eine Zuschreibung maschineller Kommunikationsfähigkeit erfolgt.

Wir nähern uns dieser Annahme durch theoretische Konzepte der Mediatisierungsforschung (vgl. Guzman und Lewis 2020; Hepp 2020; Knoblauch 2017), die den Blick darauf richten, wie Kommunikation unter zeitgenössischen Bedingungen hervorgebracht, in Gang gesetzt und gesellschaftlich gefestigt. Im Anschluss daran entwerfen wir ein Modell, das verschiedene Grade der Kommunikativierung erfasst und die Rolle von Technik zwischen Kanal und Kommunikator rekonstruiert. Abschließend betrachten wir, welche Folgerungen sich aus unseren Überlegungen für die Kommunikationswissenschaft in theoretischer und empirischer Hinsicht ergeben, und diskutieren die gesellschaftstheoretischen Implikationen unserer konzeptionellen Überlegungen.

2 Mediatisierung und Kommunikativierung

Zunächst greifen wir auf das Konzept der Mediatisierung zurück, da es erlaubt, den historischen Gestaltwandel von Kommunikation selbst zu rekonstruieren (vgl. Krotz 2017). Die grundsätzliche Überlegung ist dabei, dass Veränderungen technischer Medien und ihres Gebrauchs zu grundsätzlich neuen Strukturen des Kommunizierens führen, was wiederum erhebliche sozio-kulturelle Folgen nach sich zieht. Ohne dabei Technik und Gesellschaft monokausal und deterministisch kurzzuschließen, wird die mediale Entwicklung als Makroprozess sichtbar, der neben anderen gesellschaftlichen Makroprozessen (wie Differenzierung oder Globalisierung) zu berücksichtigen ist (vgl. Knoblauch 2017, S. 316). Hier ist zum einen an die Herausbildung der Kultur elektronischer Massenmedien wie Radio und Fernsehen zu denken. Doch auch die zwischenmenschliche Interaktion wurde im 20. und 21. Jahrhundert folgenreich mediatisiert (vgl. Höflich 2016). Durch Medien wie Telefon, Chat und Instant Messaging werden synchrone Kommunikationskontexte medial angereichert und synthetisch formatiert (vgl. Knorr Cetina et al. 2017). Kommunikation entkoppelt sich so zunehmend von der Notwendigkeit körperlicher Kopräsenz.

Diese Entwicklung ist in ihrer Tragweite kaum zu überschätzen, denn durch sie wird Kommunikation schleichend de-humanisiert. Erstens sind anwesende Körper nicht mehr erforderlich, damit ein Ereignis als kommunikatives Ereignis betrachtet werden kann: Auch ein Brief oder eine SMS sind dann Mitteilungen. Zweitens aber ist es oft nicht mehr erforderlich oder üblich, Mitteilungen überhaupt konkreten Menschen zuzurechnen. Straßenschilder, Zeitungsmeldungen, Behördenbriefe oder Warnungen vor Computerviren, die am Desktop auftauchen, werden als Kommunikation verstanden, ohne dass man nach konkreten menschlichen Autor:innen fragen muss.

Diese gesellschaftliche Einübung mediatisierter Kommunikation bereitet den Boden dafür, dass sich „hinter“ dem medialen Interface nicht mehr zwingend menschliche Kommunikationsteilnehmende befinden müssen. Gerade digitale Medien haben die Gesellschaft darauf eingestellt, mit einem Gegenüber zu kommunizieren, das ihnen als körperlose Stimme oder Textrepräsentation begegnet. Das Design der Interfaces (sei es ein Bildschirm oder ein Lautsprecher) macht es strukturell irrelevant, ob „hinter“ dem Interface ein analoger Körper steht oder „nur“ technische Hard- und Software. Das Interface schafft ein soziales Spielfeld, durch das Mensch und Maschine in dieser Hinsicht symmetrisiert werden. Chatbots funktionieren nur in einer Gesellschaft, in der man Chatten bereits gewohnt ist – also bereit ist, sich durch maschinell erzeugten Text als Person repräsentieren zu lassen und andere solcher Texte als Äußerungen von Personen zu interpretieren. Auf die genauen Kapazitäten der Maschinen kommt es an dieser Stelle nicht an, sondern auf die Form der Kommunikation, die sich über Bildschirme und Apparate vollzieht und die ohne ein körperlich ko-präsentes Gegenüber auskommt. Vielmehr ist entscheidend, dass sich die Gesellschaft daraufhin trainiert hat, solche mediatisierten Relationen überhaupt als etwas zu begreifen, an die angeschlossen werden kann (vgl. Dickel 2021).

Im Anschluss an Hubert Knoblauch beschreiben wir diesen Prozess als Kommunikativierung von Technik. Knoblauch begreift Kommunikativierung zunächst in einem allgemeinen Sinne als für die zeitgenössische Gesellschaft „typische Form der gegenwärtigen Mediatisierung […]. Sie zeichnet sich zum einen durch die Umstellung der Technik auf Zeichen aus. Sie macht Technik kategorisch zu einer Kommunikationstechnik und jeden Umgang mit ihr zu einem zeichenhaften kommunikativen Handeln. Die Grundlage dafür bildet die Digitalisierung und die damit verbundene Kopplung von Zeichen und Dingen. Die Kommunikativierung zeichnet sich zum anderen durch die Interaktivierung der digitalisierten Technologie aus.“ (Knoblauch 2017, S. 343).

Kommunikativierung bezeichnet damit nicht nur die Intensivierung und Steigerung von Kommunikation über Zeit und Raumgrenzen hinweg. In einem spezifischeren Sinne bezieht sie sich darauf, dass Technik vom medialen Kommunikationskanal zum Interface wird, das selbst zeichenhaft operiert (vgl. Knoblauch 2017, S. 343). In einem grundsätzlichen Sinne kann Kommunikativierung als Ausweitung dessen gelten, was in einer Kultur als Kommunikation verstanden wird. Sie verändert unsere Vorstellung davon, wer als Adressat und Quelle von Kommunikation überhaupt in Frage kommt.

3 Vom Kanal zum Kommunikationspartner

Die von uns vorgeschlagene Kommunikativierung der Maschine lässt sich mit Blick auf die Entwicklung der medienvermittelten Kommunikation als Prozess verstehen, der nachfolgend als Modell skizziert wird. Dieses Modell hat nicht den Anspruch, unterschiedliche Interaktionsformen zwischen Mensch und Maschine vollständig und (möglichst) trennscharf abzubilden, sondern ist vielmehr als Heuristik zur Differenzierung der in der (kommunikationswissenschaftlichen) Forschung firmierenden Bezugspunkte für medienvermittelte Kommunikation einzuordnen. Es soll die Veränderungen durch die zuletzt zu beobachtende Kommunikativierung der Maschine sichtbar machen.

Diese Veränderungen sind, so unsere These, weniger als klare ontologische Abgrenzung einer spezifischen neuen Kommunikationsform zu verstehen, sondern beschreiben vielmehr einen dynamischen, sozial ausgehandelten Prozess. Auf Basis der bestehenden Ansätze zur Charakterisierung der gesellschaftlichen und interaktionsbezogenen Dimension von Mensch-Maschine-Interaktionen lassen sich aus unserer Sicht drei Triebkräfte der Kommunikativierung von Maschinen identifizieren: 1) die Abnahme menschlicher Kontrolle über die Kommunikation in Verbindung mit einem Anstieg der „Agency“, die der Technik am Kommunikationsprozess tendenziell zugeschrieben wird, 2) die Simulation der Merkmale menschlicher Bedeutungsvermittlung sowie 3) diskursiv ausgehandelte Narrative um die Kommunikationsrolle bzw. -fähigkeiten der Maschine.

3.1 Abnehmende menschliche Kontrolle über die Kommunikation

Als zentrales Merkmal für die Abgrenzung zeitgenössischer Formen der Mensch-Maschine-Kommunikation (MMK) wird die Rolle der Technik bzw. Maschine herausgestellt, die eine Kommunikationsrolle einnimmt. Damit verbunden ist die Annahme, dass der Anteil menschlicher Kontrolle für diesen Kommunikationspartner abnimmt bzw. gänzlich verschwindet – je nachdem, welcher Grad der Automatisierung vorliegt. Kommunikationswissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Analyse zeitgenössischer Formen von MMK befassen, betonen daher insbesondere die steigende Zurechnung der Handlungsfähigkeit (Agency) von Maschinen am Kommunikationsprozess (vgl. Banks und de Graaf 2020; Gunkel 2017; Hepp 2020). Arbeiten, die sich mit dem Anteil menschlicher Kontrolle bei Technologien befassen, differenzieren unterschiedliche Anteile des „Human-in-the-loop“, also der Integration menschlicher Arbeitskraft in bzw. Kontrolle an technischen Systemen (vgl. Rahwan 2018). Formen der Überwachung oder vollständigen Kontrolle, aber auch symbiotische Beziehungen zwischen Mensch und Maschine lassen sich hier je nach Anwendungsbezug differenzieren (vgl. Samad 2020). Weitere Taxonomien beziehen sich insbesondere auf den Grad der notwendigen Intervention bzw. Autonomie in der Mensch-Roboter-Interaktion, der die Stärke des Eingriffs bzw. die Eigenständigkeit der Maschine beschreibt (vgl. Onnasch und Roesler 2021; Simmler und Frischknecht 2021). Entsprechend lässt sich die Mensch-Maschine-Interaktion danach differenzieren, welche Grade an Entscheidungshilfen für Menschen angeboten werden (bis hin zum vollständig automatischen Ablauf), sowie nach der Frage, wie deterministisch bzw. offen/adaptiv das System ist (vgl. Simmler und Frischknecht 2021). Beispielhaft lässt sich dies durch die Kommunikation mit Atavaren verdeutlichen. In diesem Fall ist die Kontrolle der Kommunikation durch einen oder beide Interaktionspartner noch sehr hoch, da die digitale Repräsentationsfigur in Handlungen und Kommunikation vollständig von einem Menschen gesteuert wird – auch wenn soziale Zuschreibungs- und Identifikationsprozesse (z. B.: „Sehe ich die Figur als Repräsentation meines Selbst oder schreibe ich ihr eine eigene Persönlichkeit zu?“) durchaus dem Repräsentanten eine unterschiedliche Handlungsfähigkeit einräumen. Solche Formen computervermittelter Kommunikation mit digitalen Repräsentanten erfüllen somit aufgrund der hohen Kontrolle durch menschliche Interaktionspartner, die an der Erstellung und Bedienung der Avatare hohen Anteil haben, eher die Merkmale der Technik-als-Kanal-Metapher und werden deshalb auf der linken Seite des heuristischen Prozessmodells verortet (siehe Abb. 1). Zudem lassen sich so Interaktionssituationen abgrenzen, in denen die Maschine eine hohe Kontrolle über die „Kommunikation“ hat (z. B. Telefonansagen, Sprachausgaben an Automaten; im Modell als „triviale“ Maschine berücksichtigt), die zugeschriebene Agency im Hinblick auf gelingende Kommunikation jedoch gering ist: Aufgrund der begrenzten (standardisierten) Reaktions- und Interaktionsmöglichkeiten ist eine Zuschreibung von Handlungsträgerschaft, die zumindest simulierte Kommunikation ermöglicht, dann sehr unwahrscheinlich.

Abb. 1
figure 1

Kommunikativierung der Maschine als Prozess

3.2 Simulation menschlicher Bedeutungsvermittlung

KI-basierte Kommunikationstechniken zeichnen sich dadurch aus, dass sich der Grad bzw. die Intensität der Simulation menschlicher Kommunikation verändert (zunimmt). Maschinen simulieren entsprechend Intelligenz und kommunikative sowie soziale Fähigkeiten, die von ihrem Gegenüber (im Idealfall) auch so interpretiert werden, als wären sie sozial. Es geht also um die Zuschreibung von Kommunikation zu einer Maschine (vgl. Hepp 2021, 2020) und die Illusion von Intelligenz, die kommunikative Maschinen erwecken (vgl. Natale 2021).

Dabei ist anzunehmen, dass die Attribuierung der Kommunikationsfähigkeit von Maschinen vergleichbar mit anthropomorphen Zuschreibungen erfolgt. Die Zuschreibung von menschlichen Eigenschaften hinsichtlich der Gestalt und/oder des Verhaltens auf nicht-menschliche Entitäten variiert jeweils hinsichtlich der Hinweise, die mit dem Aussehen sowie den kommunikativen Fähigkeiten einhergehen (vgl. Marquardt 2017). Augenähnliche Konstruktionen sowie eine Sprachausgabe befördern beispielsweise die Erwartung, dass ein digitaler Assistent die Umwelt visuell wahrnehmen kann und Sprachfähigkeiten aufweist.

Viele der auf KI und Sprachein- bzw. -ausgabe basierenden Interaktionssysteme, wie etwa Voice-Assistants (Chatbots, digitale Assistenten wie Alexa, Siri), verkörpern diese Imitation menschlicher Kommunikation. Sie sind (zumindest begrenzt) in der Lage sich auf kommunikative Eigenheiten der Nutzer:innen einzustellen, wobei sie, entsprechend der Vermarktungsidee der Entwickler:innen, der sozialen Rolle als dienstbare und stets zuverlässige Assistentin (Siri, Alexa) entsprechen (vgl. Dickel und Schmidt-Jüngst 2021; Guzman 2018). Sie lassen sich entsprechend weiter rechts in der Heuristik verorten (vgl. Abb. 1).

Zudem gibt es weitere Formen der Automatisierung von Kommunikation, die eine Mittelposition einnehmen, da der Anteil der Technik am (finalen) Kommunikationsprozess und die Simulation menschlicher Kommunikation variiert. Als ein Beispiel können digitale Redaktionsassistenzsysteme, wie etwa automatisierte Texterstellungsprogramme im Journalismus oder Service-Chatbots, herangezogen werden, die vorrangig an Keywords orientiert sind (vgl. Lewis et al. 2019). Beide erfüllen Funktionen, die vormals menschliches Handeln erfordert hätten, wobei sowohl der Anteil der Technik am Kommunikationsprozess als auch die Simulation menschlicher Kommunikation und in der Folge die Zuschreibung von Agency der Maschine zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit geringer ist, als es für kommunikative Agenten gilt (im Modell als Mensch-Maschine-Assemblage berücksichtigt).

3.3 Diskursiv ausgehandelte Narrative um die kommunikative Maschine

Neben den auf Artefakt- und Prozessebene beruhenden Triebkräften kommt gesellschaftlichen Diskursen, Narrationen und Imaginationen eine zentrale Bedeutung in der Zuschreibung von Kommunikationsfähigkeiten und der Kommunikationsrolle von Maschinen zu.

Gesellschaftliche Diskurse über (neue) Technologien und KI im Besonderen bieten dabei zweierlei: Einerseits bilden sie Ressourcen, um explizite oder implizite Erwartungen, die in den entsprechenden Artefakten angelegt sind, zu erfassen. Andererseits legen sie dar, wie Interaktionsformen, also die erfolgreiche Kommunikation, mit Maschinen im Idealzustand aussehen könnten (vgl. Dickel 2021). Dies prägt wiederum die Erwartungen an und die Zuschreibung von Kommunikationsfähigkeiten mit Maschinen in der Interaktionssituation. Gesellschaftliche Diskurse können sich dabei sowohl auf gegenwärtige Beschreibungen (etwa in begleitender Medienberichterstattung) als auch auf mögliche und wünschenswert angenommene technologische Zukunftsperspektiven beziehen (sog. Imaginaries, vgl. Ernst und Schröter 2020; Mager und Katzenbach 2021; Natale und Ballatore 2020). Diese erfüllen ebenso eine zweifache Funktion: Sie sind einerseits Ausdruck eines kollektiv geteilten Verständnisses des Sozialen sowie der Möglichkeiten und Grenzen von neuen Techniken. Andererseits prägen sie selbst als Ordnungsvorstellungen wünschenswert angenommene technologische Entwicklungen (vgl. Ernst und Schröter 2020). Die Bedeutung der begleitenden Diskurse um den Einsatz und die Gestaltung KI-gestützter Technologien zeigt sich beispielsweise darin, dass diese durchaus den Umgang mit KI beeinflussen – indem etwa politische Maßnahmen damit legitimiert und begründet werden (vgl. Bareis und Katzenbach 2021).

Naheliegende Quellen für die diskursive Aushandlung von Narrativen um Kommunikationsfähigkeit und -rollen kommunikativer Maschinen bieten sowohl populärkulturelle Produkte wie Science-Fiction, die seit jeher die Rolle und Abgrenzung von Technik und künstlicher Intelligenz mit dystopischen und utopischen Narrativen verbinden (vgl. Hudson et al. 2021). Medienberichterstattung über kommunizierende Maschinen und KI, aber auch Werbekommunikation digitaler Assistenzen transportieren Imaginationen zur Mensch-Maschine-Kommunikation (vgl. Natale und Ballatore 2020). Die Analyse von Werbespots rund um Amazons „Alexa“ zeigt beispielsweise, welche Visionen von Sozialbeziehungen zwischen Mensch und Maschine in Werbespots inszeniert werden – insbesondere auch mit Blick auf die Zuschreibung der Kommunikationsfähigkeit von Alexa, die „zuhört“, Mitteilungen „versteht“ und auf diese „antwortet“ (vgl. Dickel und Schmidt-Jüngst 2021, S. 361).

Solche Narrative und Inszenierungen von Mensch-Maschine-Interaktionen bieten nur bedingt realistische Sichtweisen auf die zukünftige Entwicklung und die Auswirkungen von Technologien für Alltag und Gesellschaft – prägen aber gleichwohl die individuellen Vorstellungen über Technologien und KI (vgl. Cave und Dihal 2019). Studien zum (Laien-)verständnis von Internetnutzer:innen über Algorithmen zeigen etwa, dass Medien und populärkulturelle Inhalte als Quelle für das Verständnis algorithmischer Prozesse genannt werden (vgl. Dogruel et al. 2020).

Zudem weisen Arbeiten aus dem Bereich der Sprachwissenschaft darauf hin, dass die Vermenschlichung (und, so vermuten wir, auch Kommunikativierung) von Maschinen durch das Sprechen über Technologien mitgeprägt wird (vgl. Kopp 2020). Ein sprachliches Framing sozialer Roboter, etwa durch Namensgebung und Bezeichnungen von Nähe („Kollege“), beeinflussen unsere Erwartungen und Zuschreibung der (Kommunikations-)fähigkeiten der Maschine, die wiederum auf die Interaktion mit ihr einwirken (vgl. Kopp 2020).

4 Schlussfolgerungen

Die zeitgenössischen Tendenzen in der computervermittelten Kommunikation, die unter Begriffen wie „communicative AI“ (Guzman und Lewis 2020), „communicative Robots“ (Hepp 2020, 2021) oder „companion technologies“ (Biundo et al. 2016) gefasst werden, demonstrieren eine steigende Kommunikativierung von Maschinen, d. h. eine Behandlung maschineller Schrift- und Lauterzeugnisse als Kommunikation. Die Bedingungen dafür werden, wie in unserem Beitrag dargelegt, durch die abnehmende Kontrolle von Menschen über die Kommunikation in mediatisierten Kontexten, die Simulation menschlicher Bedeutungsvermittlung sowie kulturelle Narrative kommunizierender Maschinen geschaffen.

Die Kommunikationswissenschaft kann (und sollte!) bei der Analyse dieses Prozesses im stark interdisziplinär geprägten Forschungsfeld der Mensch-Maschine-Kommunikation eine Schlüsselposition einnehmen. Während Studien zur MMK aus Computerwissenschaft oder Psychologie Zugänge auf die Wahrnehmung und Wirkungen menschlicher Interaktionen als verbal-sprachliche Bedienoberflächen konzentriert sind und MMK damit auf die Analyse technisch-menschlicher Schnittstellen reduzieren, kann die Kommunikationswissenschaft mit ihrem Schwerpunkt auf der Analyse individueller und vor allem gesellschaftlich-vermittelter Kommunikation hier einen zentralen und eigenständigen Beitrag leisten. Wir sehen daher die Analyse der individuellen und gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses um die Kommunikativierung der Maschine als wesentliche Erweiterung bestehender Forschung. Neben Medienberichterstattung, strategischer (Marketing‑)Kommunikation und populärkulturellen Aushandlungen bilden dabei insbesondere Special-Interest-Communities und -medien relevante Quellen und Bezugspunkte, um die Zuschreibung von Kommunikationsfähigkeiten (und -grenzen) bei Maschinen zu analysieren. Eine solche Analyse könnte nicht nur Bedingungen für „gelungene“ Kommunikativierung aufzeigen, sondern gleichzeitig auch Hinweise geben, wann ein Scheitern von Kommunikation wahrscheinlicher wird – und das nicht nur aus bekannten Gründen wie etwa dem Fehlen eines gemeinsamen Zeichenvorrats, geteilten Wahrnehmungen, Erfahrungen oder Weltbezügen und Sozialisationserfahrungen, sondern eben auch aufgrund einer nicht zugebilligten Zuschreibung von Kommunikationsfähigkeiten bzw. -kompetenzen. Die Analyse dieser Diskurse bietet eine Reihe von Erkenntnissen, was die Identifikation von Triebkräften für die Kommunikativierung von Maschinen betrifft: Sie kann aufdecken, welche (ressourcenstarken) politischen, ökonomischen aber auch wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure auf die Deutung künstlicher Kommunikation einwirken. Es lassen sich zudem Deutungsverschiebungen bzw. alternative Deutungen der Kommunikativierung in den Blick nehmen, wenn digitale Assistenten wie Alexa entgegen der Marketing-Inszenierung als hilfreiche Alltags-Assistentin vielmehr als (vorläufiger) Höhepunkt von Amazons Überwachungsaktivitäten (West 2019, S. 28) zur Machtakkumulation eines globalen Konzerns beitragen, wie Turow (2021) es u. a. auf Basis der Auswertung von Patentdokumenten beschreibt. Denn es ist gerade der private Bereich, der besonders durch die Dominanz monopolistischer globaler Digitalkonzerne geprägt ist, die einen erheblichen Einfluss auf die Ökosysteme künstlicher Kommunikation ausüben (vgl. Fortunati und Edwards 2022).

Zudem ermöglicht es die vergleichende Betrachtung gesellschaftlicher Diskurse um die Aushandlung der Kommunikationsfähigkeit und Rollen von KI als Kommunikator:innen neben ökonomischen und politischen Triebkräften auch kulturelle Unterschiede und Spezifika in der Deutung künstlicher Kommunikation zu identifizieren. Hinweise darauf zeigen sich bereits an medialen Diskursen um KI in der Medienberichterstattung (vgl. u. a. Zeng et al. 2022 sowie Köstler und Ossewaarde 2022) sowie zur Akzeptanz von autonomen Systemen bzw. Robotern in verschiedenen kulturellen Kontexten (vgl. Gnambs und Appel 2019; Dang und Liu 2021).

Das Zusammenspiel der identifizierten Triebkräfte der Kommunikativierung von Maschinen ermöglicht zudem den Blick auf den möglichen Wandel des Machtverhältnisses zwischen Mensch und Maschine, das – wie Fortunati und Edwards (2022) es in ihrem Editorial herausstellen – noch klar zugunsten des Menschen ausgerichtet ist.

Die aktuelle Dynamik der MMK berührt die gesellschaftheoretischen Grundfragen nach den Grenzen des Sozialen (vgl. Lindemann 2005). Falls Maschinen als vollwertige Kommunikationspartner:innen betrachtet werden, könnte dies die institutionelle Ordnung der Moderne ins Wanken bringen: Müssen wir bald mit Liebesbeziehungen zu sprechenden Artefakten rechnen, wie sie Spike Jonzes Film „Her“ prototypisch vorführt? Wird es irrelevant, ob wir auf Twitter mit einem Menschen oder einem Bot interagieren? Werden wir Alexa als Zeugin in Gerichtsprozessen auftreten lassen? Solche spekulativen Fragen scheinen bereits nahezulegen, dass technische Artefakte früher oder später als vollwertige Kommunikationspartner:innen gelten könnten. Eben dies ist jedoch noch empirisch offen. Unser Argument ist, dass es gegenwärtig wenig ergiebig ist, theoretisch festzulegen, ob es sich bei dem, was sich zwischen Mensch und Maschine abspielt, um Kommunikation handelt oder nicht. Stattdessen erscheint es fruchtbarer, den Blick auf diejenigen Triebkräfte und Bedingungen zu lenken, die eine solche Zuschreibung gesellschaftlich wahrscheinlicher machen – statt einer Mensch-Maschine-Kommunikation also die Kommunikativierung von Maschinen zu untersuchen.