1 Einleitung: Das Berufsfeld Datenjournalismus als teilautomatisierte Form des Journalismus

Mit der fortschreitenden Entwicklung digitaler Datenverarbeitung hin zum Megatrend der künstlichen Intelligenz hat sich der Begriff „Datenjournalismus“ im Sprachgebrauch von Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen etabliert. Indes hat sich bislang – wie bei Phänomenen in frühen Entwicklungsstadien üblich (vgl. Gynnild 2014, S. 717) – noch keine Definition über die Grenzen diverser Diskurse hinweg durchsetzen können (vgl. Coddington 2019, S. 225; Hermida und Young 2019, S. 33). So wird in der deutschsprachigen Praktiker-Literatur und auf Praktiker-Workshops nach wie vor der „data driven journalism“ häufig als Synonym verwendet und bei Bedarf mit Bradshaw (2012, S. 2) als „journalism done with data“ definiert. Zeitgleich hat sich im wissenschaftlichen Diskurs keine Definition durchsetzen können; stattdessen haben sich die Konstruktion und die Dekonstruktion von Definitionstypologien (vgl. z. B. Royal und Blasingame 2015; Stalph 2020, S. 3–25) zu einer weit verbreiteten Praxis entwickelt. Vor diesem unklaren begrifflichen Hintergrund sollen im Folgenden die von Stalph (vgl. 2020, S. 21) anstelle einer Definition verdichteten Charakteristika des Datenjournalismus – Fluidität, datenbasierte Argumentation, Transparenz, Visualisierung und feldübergreifende Hybridität – als konzeptionelle Grundlage begriffen werden. Dadurch steht der Datenjournalismus auch im Referenzrahmen der Automatisierung des Journalismus. Deshalb verwenden wir im Folgenden eine Begriffsabgrenzung von anderen Automatisierungsformen als Grundlage zur Eingrenzung des Berufsfeldes, das letztlich in diesem Beitrag beschrieben werden soll.

Vor diesem Hintergrund kann der Datenjournalismus als Berufsfeld gelten. In Deutschland lässt sich dabei zweifelsfrei eine zunehmende Zahl von Stellenausschreibungen mit dem Titel „Datenjournalist:in“ beobachten. Doch was kennzeichnet Menschen, die sich selbst als „Datenjournalist:in“ bezeichnen? Wie kann anhand ihrer soziodemographischen Merkmale, ihrer Tätigkeiten, ihres Rollenverständnisses sowie ihrer Perspektive auf den künftigen Datenjournalismus in Deutschland das Berufsfeld der Datenjournalist:innen beschrieben werden?

Die Frage ist relevant für Arbeitgeber:innen, die sich fragen müssen, welche Mitarbeiter:innen solch eine Ausschreibung anzieht. Die Frage ist ferner relevant für Nachwuchsjournalist:innen, die nach individuellen Profilierungsmöglichkeiten suchen. Schließlich ist die Frage relevant für Forscher:innen, weil sich aus einer Berufsfeldstudie im besten Fall einer längsschnittlichen Betrachtung nicht nur a) ableiten lässt, ob eine gesonderte Betrachtung der Datenjournalist:innen in Abgrenzung von anderen Journalist:innen grundsätzlich sinnvoll ist, sondern auch b) beschreiben lässt, ob und wie sich dieses nach bisherigen Erkenntnissen spezielle Berufsfeld entwickelt hat.

Die Studie soll daher einen Beitrag zur Kommunikatorforschung, speziell zur Berufsfeldforschung rund um den Journalismus leisten. Als „Studie zum datenjournalistischen Rollenverständnis“ ist sie auch in den vier von Stalph (vgl. 2020, S. 17) identifizierten Bereichen der bisherigen Forschung zum Datenjournalismus verortet. Dementsprechend verfolgt der Beitrag nicht das Ziel, ein theoretisches Konzept oder eine Revision der bisherigen Berufsfeldforschung zu erreichen. Er will vielmehr im Rahmen einer Längsschnittanalyse einen Überblick über das aktuelle Berufsfeld des Datenjournalismus in Deutschland liefern.

Entsprechend ordnen wir im Folgenden zunächst das Phänomen des Datenjournalismus unter anderen Phänomenen der Automatisierung des Journalismus ein. Daraufhin werden für die berufsfeldanalytische Betrachtung des Datenjournalismus die Analysekriterien aus der allgemeinen Berufsfeldforschung hergeleitet. Es folgt eine methodische Skizze der daraus hervorgegangenen Befragungsstudie. Schließlich beschreiben wir die Studienergebnisse zum Berufsfeld des Datenjournalismus in Deutschland anhand der soziodemographischen Merkmale, Tätigkeiten und Rollenverständnisse sowie der Perspektiven auf den künftigen Datenjournalismus. Die Ergebnisse können zum einen verglichen werden mit den allgemeinen Daten über Journalist:innen in Deutschland (vgl. Steindl et al. 2017) und zum anderen mit Ergebnissen einer eigenen Befragung, die wir sieben Jahre vorher unter Datenjournalist:innen in Deutschland erhoben haben (vgl. Weinacht und Spiller 2014, erhoben 2012).

2 Theoretische Fundierung

Als erster Schritt zur Beschreibung des Berufsfelds „Datenjournalismus“ sei das semantische Feld des Begriffs skizziert. Es wird abgeleitet aus wissenschaftlichen Arbeiten, die sich unter anderem mit der begrifflichen Abgrenzung verwandter Phänomene beschäftigt haben (vgl. Flew et al. 2011; Gynnild 2014; Coddington 2015, S. 334; Berger et al. 2015). Dabei haben die Autoren den Datenjournalismus kontextualisiert durch übergeordnete Phänomene wie „digital journalism“ (z. B. De Maeyer et al. 2015), „online journalism“ (vgl. z. B. Lewis und Usher 2013), „investigative journalism“ (vgl. Ausserhofer et al. 2020, S. 955) oder in jüngeren Studien durch Automatisierungsphänomene (Lindén 2017, S. 62; Dörr 24,25,a, b). Deshalb soll zur Beschreibung des semantischen Felds der Anteil der Automatisierung an den Arbeitsschritten im journalistischen Arbeitsprozess als eine Dimension verwendet werden. Als zweite Dimension entwickeln wir eine nahe liegende und bereits aus unterschiedlichen Perspektiven von Berger et al. (vgl. 2015, S. 23) sowie Lewis und Westlund (vgl. 2016) skizzierte Unterscheidung weiter: den Anteil der Automatisierung am journalistischen Endprodukt. Führt die jeweilige Journalismus-Form zur Produktion einzelner Artikel oder am anderen Ende der Skala zu einem kompletten Angebotbündel? Abb. 1 zeigt den Datenjournalismus im Feld der Automatisierungsformen des Journalismus auf dem technischen Entwicklungsstand von 2021. Wobei zu bedenken ist, dass die Begriffsarbeit in diesem sich erst entwickelnden Feld der Automatisierung im Journalismus längst nicht abgeschlossen ist. Deshalb finden sich aktuell in einzelnen Beiträgen inkonsistente und auch gar nicht definierte Termini. Entsprechend kann der folgende Überblick nur das Begriffsverständnis verwenden, das 2021 am weitesten verbreitetet ist.

Abb. 1
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Datenjournalismus im semantischen Feld der Automatisierung im Journalismus

Demnach stellt „data-driven journalism“ heute zunehmend einen Überbegriff dar, wie bereits Coddington (vgl. 2015, S. 337–343) für CAR „data journalism“ und „computational journalism“ vorgeschlagen hat. Denn unter diesem vergleichsweise häufig verwendeten Begriff werden je nach Kontext und Autor alle Formen vom rein manuellen, aber an empirischen Daten interessierten „precision journalism“ bis zum vollautomatisierten Medienprodukt des „robotic journalism“ verstanden (z. B. Aitamurto et al. 2011; Parasie und Dagiral 2012; Weinacht und Spiller 2014; Uskali und Kuutti 2015).

Im zweiten Schritt zur begrifflichen Beschreibung des Berufsfeldes wird der Datenjournalismus im engeren Sinne definiert und von verwandten Begriffen abgegrenzt. Das ist angesichts der bereits beschriebenen terminologischen Unschärfe in Wissenschaft und Praxis notwendig, um eine Vorstellung davon zu haben, auf welcher Basis unter Umständen die später beschriebenen empirischen Daten entstanden sind.

Der Datenjournalismus im engeren Sinne kennt bereits zahlreiche Definitionen und wird vereinzelt auch als „big data journalism“ bezeichnet (z. B. Zanchelli und Crucianelli 2012; Stavelin 2013, Kap. 3.1.2; Tandoc und Oh 2017; Tabary et al. 2016; Loosen et al. 2017; Hermida und Young 2019; Zhang und Feng 2019). Weit verbreitet ist z. B. die branchentaugliche Definition als „journalistic use of data for stories“ (Coddington 2015, S. 337). Der vorliegenden Berufsfeldstudie soll eine am Arbeitsablauf datenjournalistischer Projekte orientierte Definition zugrunde liegen. Demnach ist der Datenjournalismus im engeren Sinne die Sammlung, Analyse und Aufbereitung von digitalisierten Informationen mit dem Ziel einer journalistischen Veröffentlichung. Somit kann der Begriff 1) als Rechercheform, 2) als statistische Interpretationstechnik, 3) als häufig grafische Datenaufbereitung und 4) vereinzelt als Bündel von journalistischer Veröffentlichung und Bereitstellung von Open Data verstanden werden (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 418).

Die Abgrenzung vom „precision journalism“ (vgl. Meyer 2002) liegt darin, dass sowohl der von Meyer zu Grunde gelegte Fokus auf sozialwissenschaftliche Methoden wie auch der Blick auf einzelne Artikel zu eng sind für den umfassenderen Begriff des Datenjournalismus.

Das „Computer Assisted Reporting“ (CAR; vgl. z. B. Garrison 1999; Davenport et al. 2000; Parasie und Dagiral 2012; Stavelin 2013; Gynnild 2014, S. 718; Howard 2014; Coddington 2015, S. 333–337; Felle 2016) legt zwar bereits den Schwerpunkt auf die technischen Möglichkeiten, die bei der Datensammlung und -auswertung zur Verfügung stehen. Aber immer noch geht es vor allem um die Produktion einzelner journalistischer Veröffentlichungen. Zudem betont Coddington in seiner Literaturschau (vgl. 2015, S. 335) a) den Einsatzbereich auch jenseits des investigativen Journalismus, b) die Verwendung nicht nur sozialwissenschaftlicher, sondern interdisziplinärer Methoden wie der Darstellungstechniken aus dem Design oder themenabhängiger Forschungsmethoden, sowie c) die Option der Einbindung von Lesern auf allen Produktionsstufen der Erstellung journalistischer Produkte (vgl. Palomo et al. 2019).

Die meisten Ausprägungen kennt der Begriff des „computational journalism“ (vgl. z. B. bei Cohen et al. 2011; Diakopoulos 2011; Flew et al. 2011; Anderson 2013a; Lewis und Usher 2013; Stavelin 2013; Gynnild 2014; Karlsen und Stavelin 2014; Young und Hermida 2015; Hannaford 2015; Berger et al. 2015, Parasie 2015; Tabary et al. 2016). Nach Coddington (2015, S. 335) handelt es sich um „a strand of technologically oriented journalism centered on the application of computing and computational thinking to the practices of information gathering, sense-making, and information presentation“. Somit lassen sich auch „Scraping“, „Aggregation“, „Curation“, „Visualization“, „Interacitivity Algorithm as demand predictor“ unter diesem Begriff zusammenfassen. Daher gibt es durch die auf Mehrfachverwertung spezieller Produktionsschritte angelegten Programmierungen Überschneidungen zum Datenjournalismus. Zugleich kann aber der Schwerpunkt auf Abstraktion zur Erstellung von „computable models“ als Differenzierung vom Datenjournalismus verstanden werden.

Schließlich lässt sich der „robotic journalism“ (seltener auch „Robo-Journalism“, „machine-written journalism“, „robot journalism“; vgl. z. B. Dawson 2010; van Dalen 2012; Anderson 2013b; Howard 2014; Haim und Graefe 2017; Reichelt 2017; Weber 2019; oder als „automated journalism“ vgl. z. B. Carlson 2015, S. 416; Thurman et al. 2017; oder als „algorithmic journalism“ vgl. z. B. Anderson 2013a und 2013b; Dörr 2016b) vom Datenjournalismus unterscheiden, weil er bei maximaler Automatisierung für Artikelserien oder komplette Medienprodukte nach der Programmierung keinerlei menschlich-redaktionellen Eingriff kennt. Bei Verfügbarkeit von automatisiert verwertbaren Daten fragt er auch nicht mehr nach der Art der Informationssammlung.

Bei der späteren Interpretation der empirischen Daten zum Berufsfeld des Datenjournalismus wird wegen der begrifflichen Überschneidungen zu bedenken sein, dass einzelne Teilnehmer:innen nicht mit Blick auf den hier beschriebenen Datenjournalismus im engeren Sinne geantwortet haben könnten, sondern vielmehr verwandte Formen wie zum Beispiel den „precision journalism“ oder den „robotic journalism“ vor Augen hatten.

3 Berufsfeldstudien zum Datenjournalismus

Stalph (vgl. 2020, S. 17) gliedert die bisherige Forschung zum Datenjournalismus in vier Bereiche: Neben Inhaltsanalysen zur Beschreibung des datenjournalistischen Outputs (vgl. z. B. Knight 2015; Appelgren 2018; Reimer und Loosen 2018; Ojo und Heravi 2017; Young et al. 2018; Loosen et al. 2017; unterdessen zu ergänzen um Zamith 2019) gruppiert er zweitens meist nationale Fallstudien zur Integration von Datenjournalist:innen in Medienorganisationen (vgl. z. B. De Maeyer et al. 2015; Fink und Anderson 2015; Lewis und Westlund 2015; Borges-Rey 2016; Hermida und Young 2017) und drittens Literaturarbeiten und Fallstudien zur Nutzung und Produktion datenjournalistischer Artefakte (vgl. z. B. Parasie und Dagiral 2012; Gynnild 2014; Coddington 2015, 2019; Parasie 2015; Splendore 2016; Borges-Rey 2017). Als vierte Gruppe identifiziert er Studien zum datenjournalistischen Rollenverständnis (z. B. Weinacht und Spiller 2014; Appelgren und Nygren 2014; Usher 2016; Hermida und Young 2017; unterdessen zu ergänzen um Beiler et al. 2020). Mit Appelgren et al. (2019) und Ausserhofer et al. (2020) liegen mittlerweile als fünfter Typus auch Metastudien zur Erforschung des Datenjournalismus vor.

Eine der zentralen Fragen aus der Perspektive von Wissenschaftlern ist, ob der Datenjournalismus als Berufsfeld Eigenheiten in sich trägt und gegebenenfalls welche. Um hierauf Antworten finden zu können, bedarf es erstens eines Blickes auf die bislang vorliegenden Studien zum Berufsfeld des Datenjournalismus in Deutschland (z. B. Weinacht und Spiller 2014; Beiler et al. 2020) und zweitens eines Vergleichs mit Berufsfeldstudien zum Journalismus allgemein (z. B. Weischenberg et al. 2006; Steindl et al. 2017; Hanitzsch et al. 2019a).

Daher sollen hier die in allgemeinen Journalismus-Studien zum Einsatz kommenden Indikatorenbündel als Vergleichskriterien dienen. Sie sind hergeleitet aus der ersten Berufsfeldstudie zum „Datenjournalismus in Deutschland“ von Weinacht und Spiller (vgl. 2014), die hier fortgeschrieben werden soll, weshalb möglichst alle Variablen zu übernehmen und möglichst alle Operationalisierungen beizubehalten sind. In dieser Studie haben wir die Indikatoren abgeleitet aus der damals noch aktuellen „Journalismus in Deutschland“-Studie (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 97–119). Auf deren Methodik fußt auch die derzeit aktuellste Berufsfeldstudie „Worlds of Journalism“ (WJS) (vgl. Hanitzsch et al. 2019a). Mit dem Ziel der Vergleichbarkeit wurden daher die in der Journalismusforschung etablierten Operationalisierungen übernommen. Dementsprechend untersuchen wir hier 1) soziodemographische Merkmale, 2) Tätigkeiten, 3) Rollenverständnis und 4) die Vorstellungen von der Zukunft des (Daten‑)Journalismus (vgl. z. B. Hanitzsch et al. 2019b).

Während die soziodemographischen Merkmale und die Frage nach der Zukunft des Datenjournalismus wie schon in anderen Berufsfeldstudien zum Journalismus nicht theoretisch, sondern in den Konstrukten vorangegangener empirischer Studien fundiert sind, können die Variablen zum Rollenverständnis und zu Tätigkeitsfeldern zum Teil aus der struktur-funktionalistischen Rollentheorie hergeleitet werden.

Letzere wurde von amerikanischen Soziologen wie Linton (1965), Merton (1949), Parsons (1951) und anderen entworfen sowie unter anderem von Dahrendorf (2010) in Deutschland aufgegriffen. Eine Rolle wird demnach beschreibbar u. a. durch Muss-Erwartungen wie rechtliche Rahmenbedingungen (vgl. Dahrendorf 2010, S. 39), die im vorliegenden Fall gleicher Rechtsgrundlagen aber nicht zur Abgrenzung von Journalismus und Datenjournalismus taugen. Hilfreicher sind Soll-Erwartungen (vgl. Dahrendorf 2010, S. 40), also in berufsständischen Regularien festgelegte Rahmenbedingungen des Handelns. In deren Auslegung können sich unterschiedliche Rollenbilder zeigen: Sehen sich Datenjournalist:innen wie alle Journalisten mehrheitlich als Informationsvermittler:in oder eher als Service- und Unterhaltungsdienstleister:in?

Schließlich gibt es Kann-Erwartungen (vgl. Dahrendorf 2010, S. 40), die im Alltag gelten, ohne dass sie schriftlich fixiert sind, z. B. Regeln für situativ angemessenes Verhalten, das sich im Berufsleben in Tätigkeitsfeldern arbeitsteiliger Organisationen niederschlagen kann, wie zum Beispiel dem Tätigkeitsfeld der Journalist:in oder der Programmierer:in. Deshalb lässt sich auch die Untersuchung von Tätigkeitsfeldern aus der Rollentheorie herleiten.

Auf Basis der Rollentheorie unterscheiden wir hier also zwischen Soll-Erwartungen, mit Blick auf die angestrebte Berufsfeldstudie verdichtet auf die Rollenbilder von Datenjournalist:innen (Information & Vermittlung etc.), und den Kann-Erwartungen, verdichtet auf die Tätigkeiten von Datenjournalist:innen (Programmier:in etc.). Von „Selbstbildern“ wird im Folgenden nur in der Kombination aus Tätigkeiten und der Selbstbezeichnung als „Datenjournalist:in“ gesprochen.

Diese vier Indikatorenbündel sollten auch geeignet sein, Besonderheiten des Datenjournalismus identifizieren zu können. Einige der Forschungsfragen lauten daher: Sind Datenjournalist:innen mit ihrer anzunehmenden Technikaffinität jünger als die anderen Journalist:innen? Erledigen sie andere Tätigkeiten? Haben sie ein anderes Rollenverständnis, weil sie womöglich andere Lebenswege in den Journalismus genommen haben als ihre Kolleg:innen?

Als soziodemographische Merkmale wurden in Berufsfeldstudien zum Datenjournalismus in Deutschland bislang abgefragt: Alter (2012 im Durchschnitt 35,6 Jahre), Geschlecht (fast ausschließlich männlich), journalistische Aus- und Vorbildung (ein Drittel Quereinsteiger, ein Drittel berufspraktische Ausbildung, ein Drittel fachspezifisches Studium), höchster Bildungsabschluss (80 % Akademiker), Anstellungsverhältnis (ein Drittel fest angestellt) und die Mediengattung des Hauptarbeitgebers (überwiegend überregionale Printmedien) (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 224–225). All diese Variablen haben auch die Berufsfeldstudien zum Journalismus in Deutschland allgemein abgefragt. Wegen der damit gegebenen Vergleichbarkeit wurden sie auch in dieser Studie wiederverwendet. Ergänzt haben wir sie aus dem Fragenkatalog der WJS durch Fragen nach der Position im Medienhaus und dem am häufigsten mit datenjournalistischen Produkten belieferten Ressort, um das Bild vom Beruf der Datenjournalist:innen abzurunden.

Das Tätigkeitsfeld ließ sich zwar als relevanter Indikator zur Beschreibung eines Berufsfeldes aus der Rollentheorie herleiten. Die Operationalisierung für das zu untersuchende Berufsfeld muss indes wieder aus vorliegenden empirischen Studien hergeleitet werden. Die Tätigkeitsfelder im Datenjournalismus wurden im Rahmen einer Befragungsstudie auf Basis einer Sammlung der einzelnen Tätigkeiten im zuletzt umgesetzten datenjournalistischen Projekt verdichtet auf die Tätigkeitsbündel als Journalist:in (Ideenfindung, Konzeption, Recherche von Datensätzen und Begleittext), Programmierer:in (Datenauswertung, Zusammenhänge finden, Interaktivität gewährleisten) und als Designer:in/Grafiker:in (Visualisierung und Usability gewährleisten) (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 425–427). Dieses qualitativ entstandene Ergebnis sollte nun, verbunden mit der Frage nach der Selbstbezeichnung als „Datenjournalist:in“, quantitativ untersucht werden.

Für das Rollenverständnis von Journalist:innen gilt wie bereits beim Themenfeld, dass die Operationalisierung aus vorliegenden empirischen Studien zum spezifischen Berufsfeld abzuleiten sind. Es kann also der Vergleichbarkeit wegen wie auch schon bei der ersten Berufsfeldstudie zum Datenjournalismus die Systematik der allgemeinen Berufsfeldstudien zum Journalismus in Deutschland verwendet werden. Demnach gibt es drei typische Rollen im deutschen Journalismus: die der Information und Vermittlung, die der Kritik und Kontrolle sowie die von Service und Unterhaltung (vgl. Weischenberg et al. 2006). Im internationalen Kontext sind zudem die Rollen der Mobilisation sowie der regierungsnahen Informationsverbreitung bekannt (vgl. Steindl et al. 2017). Zum Rollenverständnis der Datenjournalist:innen in Deutschland ist bislang dokumentiert, dass sie in unserer qualitativen Befragung 2012 eher die Funktion „Kritik und Kontrolle“ als die unter allen Journalist:innen am weitesten verbreitete Idee von Information und Vermittlung erfüllen wollten. Die Service- und Unterhaltungsfunktion lehnten sie damals weitestgehend ab (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 421–423).

Die Zukunft des Datenjournalismus wurde 2012 im Rahmen einer qualitativen Befragung operationalisiert durch eine begründete Prognose für die kommenden fünf Jahre, durch einen internationalen Vergleich des Entwicklungsstandes in Deutschland sowie durch eine Diskussion der Integration des Datenjournalismus in die journalistischen Curricula (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 428–430). Hier wurde die Frage nach der 5‑Jahres-Prognose operationalisiert durch zwei Fragen: 1) ob die Befragungsteilnehmer von einer Zunahme der Zahl der veröffentlichten datenjournalistischen Projekte „in deutschen Medien insgesamt“ ausgehen und 2) ob sie bei ihrem Hauptauftraggeber von geplanten Stellen für Datenjournalist:innen wissen. Die 2012 wenig ergiebige Frage nach dem internationalen Vergleich haben wir diesmal fallen lassen. Und die Frage nach den Curricula wurde operationalisiert durch Fragen nach dem Datenjournalismus allgemein und der Programmierung im Speziellen. Beide Variablen wurden auf einer bipolaren, quasi-metrischen 5er-Likertskala von „stimme überhaupt nicht“ bis „stimme voll und ganz zu“ abgefragt. Zuletzt stimmte in einer Befragung von Beiler et al. (vgl. 2020, S. 1583–1584) die relative Mehrheit der Befragten den folgenden Aussagen zu: „Datenjournalismus ist ein Trend, an dem wir teilhaben sollten“, „Wir erwarten durch datenjournalistische Projekten mehr Leser und Hörer“ und „Datenjournalismus ist von großer Bedeutung“. Da diese Studie zum Zeitpunkt unserer Erhebung noch nicht veröffentlicht war, konnten die Items nicht übernommen werden.

4 Methode

Die erste „Datenjournalismus in Deutschland“-Studie war explorativ-qualitativ angelegt. Im Erhebungszeitraum konnten wir 2012 lediglich 35 Datenjournalist:innen in Deutschland für Interviews rekrutieren (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 415–417). In einer jüngeren Studie haben 105 Zeitungen und 12 Broadcaster an einer Befragung zum Datenjournalismus in Deutschland teilgenommen (vgl. Beiler et al. 2020, S. 1578). Bis zum Start der nunmehr vorliegenden Erhebung im Februar 2019 wurde mit einer deutlich gewachsenen Grundgesamtheit gerechnet. Dies ergab eine Vorabrecherche. Dadurch eröffnete sich die Möglichkeit einer Quantifizierung bisheriger Erkenntnisse, weshalb eine quantitative Befragung angestrebt wurde. Die Suche nach Datenjournalisten in Deutschland ergab dann Ende 2018 auch 273 mögliche Kontakte in Deutschland. Zur Ermittlung dieser Zahl hatten wir auf die Liste der Kontakte aus der „Datenjournalismus in Deutschland 1“-Studie, auf das „Who-is-who“ des deutschen Datenjournalismus der TU Dortmund (https://wissenschaftsjournalismus.tu-dortmund.de/datenjournalismus/who-is-who/) und auf ein Praktikerverzeichnis (http://katalog.datenjournalismus.net/#/) zurückgegriffen. Dabei bezeichneten sich die Personen aus dem Sample entweder selbst als Datenjournalist:innen oder wurden von externen Personen als solche eingeschätzt. Auf jeden Fall waren sie wesentlich involviert in die Produktion datenjournalistischer Beiträge. Sie sind daher zum Kernbereich des Datenjournalismus zu zählen. Freilich ist es eine Definitionsfrage, was zum Kern und was eher zur Peripherie gehört, da in es in Redaktionen zunehmend Rollen gibt, die sowohl journalistische als auch technische Fähigkeiten verlangen. In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob Datenjournalist:innen in klassischen Newsrooms eher als Eindringlinge („intralopers“) oder als „change agents“ wahrgenommen werden (vgl. Holton und Belair-Gagnon 2018; Eldridge 2019).

Im Ergebnis nahmen 57 Befragte an der Studie teil; dies entspricht einer Rücklaufquote von 21 %. Eine Kontrollfrage im Fragebogen bat um eine Schätzung der Zahl ihrer Kolleg:innen deutschlandweit. Die Expert:innen vermuten für 2019 im Schnitt 168 Datenjournalist:innen in Deutschland (n = 50, 7 missing), bei einer bemerkenswerten Streuung (SD = 225,088; in Zahlen: 15–1500). Angesichts dieser Streuung ist nur mit gebotener Vorsicht anzunehmen, dass die hier Befragten 34 % der Grundgesamtheit abdecken. Da die Grundgesamtheit aber letztlich unbekannt ist, kann keine Aussage über den Grad der erreichten Repräsentativität gemacht werden.

Im vorangegangenen Kapitel haben wir die vier Indikatorenbündel zur Beschreibung des Berufsfelds der Datenjournalist:innen in Deutschland hergeleitet. Zudem wurden die einzelnen Variablen aus vorliegenden empirischen Studien entnommen. Bei der Konstruktion des Fragebogens wurde nach Anschreiben und Instruktion im Fragenblock zunächst eine Trichterfrage zur Identifikation der Zielpersonen an den Anfang gestellt („Haben Sie im vergangenen Jahr an mindestens einem datenjournalistischen Projekt mitgearbeitet?“). Inhaltlich anknüpfend folgten Fragen zu Tätigkeitsfeldern im letzten Projekt und zur Selbstbezeichnung als „Datenjournalist:in“. Daran wiederum anknüpfend wurden die Itembatterien zum Rollenverständnis platziert. Es folgten die Fragen zur Zukunft des Datenjournalismus in Deutschland mit der eingeschobenen Bitte um eine Einschätzung, wie viele Datenjournalist:innen es in Deutschland aktuell gibt. Diese diente dem Bild von einer Grundgesamtheit. Am Ende standen die soziodemographischen Merkmale und darunter – nach Empfehlungen der um Datensicherheit besorgten Datenjournalist:innen im Pretest – die Frage nach dem Einkommen.

Der so entstandene Fragebogen wurde einem Feldpretest unterzogen. Dafür befragten wir fünf Testpersonen (knapp 10 % des späteren Sample-Umfangs) während eines Branchentreffs auf der SciCAR-Tagung 2018 in Dortmund, die sich a) als Datenjournalist:in bezeichneten, b) im letzten Jahr an mindestens einem datenjournalistischen Projekt beteiligt waren und c) an der Erstellung des Fragebogens in keiner Weise mitgewirkt hatten. Sie füllten den (als „computer assisted self interview“ [CASI] angelegten) Fragebogen auf einem Tablet in Anwesenheit eines der Autoren aus, der nach den Empfehlungen von Prüfer und Rexroth (2005) zum lauten Denken aufforderte, bei Bedarf nachfragte und alle Anmerkungen dokumentierte. Die Pretests dauerten 15–45 min. Das Ergebnis waren achtzehn umgesetzte Empfehlungen v. a. zu Antwortalternativen im Interesse der sozialen Erwünschtheit und zur besseren Fragenbogenprogrammierung.

Die Befragung fand schließlich als vollständig standardisierte Einzelbefragung statt, und zwar schriftlich über Online-Medien mit der CASI-Technik des „unipark“-Tools (vgl. Brosius et al. 2012, S. 99–102, 106–108, 111; Lamnek 1995, S. 56–57; Reinecke 2014, S. 615). Erhebungszeitraum war vom 21.02.2019 bis 05.09.2019. Die vergleichsweise lange Feldphase ist einer schleppenden Rekrutierung geschuldet. Sie erfolgte über individuelle Anschreiben mit mehrmaligem Nachhaken und über den Verteiler der Wissenschafts-Pressekonferenz. Dahinter steht die unklare Frage nach der Grundgesamtheit. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Längsschnittstudie in Form einer Trendstudie, zum Teil auch unechtes Panel oder „replicatory survey“ genannt (vgl. Schnell et al. 2008, S. 246). Dabei werden Variablen durch dieselben Operationalisierungen zu verschiedenen Zeitpunkten gemessen – jedoch an anderen Personen. Die Teilnehmer werden durch das gleiche Auswahlverfahren ermittelt. Bei Trendstudien sind lediglich Veränderungen zwischen den Gesamtheiten der Befragten ermittelbar, Unterschiede auf Individuumebene können nicht identifiziert werden (vgl. Scherer und Naab 2013, S. 108).

Die Datenauswertung beschreibt 1) soziodemographische Merkmale, 2) Tätigkeiten, 3) Rollenverständnis und 4) die Vorstellungen von der Zukunft des (Daten‑)Journalismus. Zunächst geben wir rein deskriptiv die beobachteten Häufigkeiten im Sample der vorliegenden Studie an. Dafür wurden neben den Segmenten, die bei den einzelnen Variablen inhaltlich sinnvoll erscheinen, grundsätzlich auch Unterscheidungen nach Anstellungsverhältnis und Geschlecht geprüft, aber nur dann thematisiert, wenn signifikante Unterschiede festgestellt worden sind.

Für die Einordnung und Interpretation der Ergebnisse können aufgrund der übernommenen Items und Frageformulierungen die 2014/15 für Deutschland quantitativ erhobenen Ergebnisse der Worlds of Journalism Study (WJS) sowie die 2012 qualitativ erhobenen Ergebnisse unserer Studie Datenjournalismus in Deutschland 1 (DiD) als Referenzwerte dienen. Gerechnet wurden jene Mittelwertvergleiche, deren Voraussetzungen jeweils erfüllt waren. Dabei wurde unter anderem auf die Notwendigkeit bestimmter Datenmengen geachtet. Demnach spricht nichts grundsätzlich gegen die Anwendung parametrischer Tests. Allerdings gilt, dass aufgrund der geringen Fallzahlen und der fehlenden Repräsentativität der Studien zum Datenjournalismus von 2012 (n = 35) und 2019 (n = 57) im Vergleich zur WJS-Studie (n = 775) die Ergebnisse zurückhaltend zu interpretieren sind.

Neben den Häufigkeitsauszählungen und Mittelwertvergleichen wandten wir zur tieferen Beschreibung der Heterogenität der deutschen Datenjournalist:innen eine Clusteranalyse an. Dafür waren die Voraussetzungen erfüllt (vgl. Bacher 1989, S. 10–13; Schendera 2011, S. 10–18), weil die Stichprobe mit 57 Personen zwar nicht groß war, aber – wie bereits beschrieben – einen bemerkenswerten Anteil von etwa einem Drittel der mutmaßlich kleinen Grundgesamtheit abdeckte. Der Analyse zugrunde lagen die Variablen zum Selbstverständnis der Befragten. Diese lagen für alle Teilnehmer:innen vor, weshalb keine Bereinigung erfolgen musste. Die Variablen waren einheitlich mit derselben quasi-metrischen Skala erhoben, weshalb sie weder hinsichtlich des Skalenniveaus noch hinsichtlich der Wertebereiche transformiert wurden. Als Proximitätsmaß für die quasi-metrischen Variablen diente die quadrierte Euklidische Distanz. Gerechnet wurde eine hierarchische Clusteranalyse nach Ward-Verfahren (vgl. Schendera 2011, S. 22–28). Aufgrund des größten Zuwachses der Heterogenität im Dendrogramm entschieden wir uns für eine Drei-Cluster-Lösung. Für die maximale Zustimmung und Ablehnung wurden die Extremwerte bestimmt. Im Falle der Überschneidung mit einem Extremwert in einem anderen Cluster wurden sie verworfen und der nächstgelegene Extremwert identifiziert, bis eine Clusterbenennung nach überschneidungsfreien Extremwerten möglich war.

Zur Absicherung der externen Validität wurden die Studienergebnisse in einem Panel der SciCAR 2019 mit Datenjournalist:innen diskutiert. Einzelne Interpretationsansätze sind in diesen Aufsatz eingeflossen.

5 Ergebnisse und Interpretationen

5.1 Soziodemographische Merkmale

Datenjournalist:innen sind vergleichsweise jung. Die Befragungsteilnehmer:innen gaben ein Alter von 25 bis 72 Jahren an, mit einem Durchschnittswert von 37,96 (n = 56, 1 missing; SD = 7,975) und einem Median bei 37,5 Jahren. Was zunächst nach einer alternden Population aussieht, weil in der DiD-Studie von 2012 das Durchschnittsalter noch unter 36 Jahren lag (MW = 35,6; SD = 6,32; vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 424), bildet in Wirklichkeit eine leichte Verjüngung der Population ab, weil die Teilnehmer:innen von 2012 ja 2019 im Schnitt knapp 43 Jahre alt sein müssten. Im Vergleich mit den Journalist:innen in Deutschland allgemein sind die Datenjournalist:innen ohnehin überdurchschnittlich jung (MW = 45,58, SD = 10,50; vgl. Steindl et al. 2017, S. 414). Das gilt für beide Geschlechter (männlich: n = 43, MW = 39,12, SD = 8,060; weiblich: n = 13, MW = 34,15, SD = 6,606), wobei die männlichen Datenjournalisten bei gegebener Varianzhomogenität signifikant älter sind als die weiblichen (T = −2,020, df = 54, p = 0,048*).

Geschlecht

Unter den 57 Proband:innen haben sich 44 dem männlichen und fast ein Viertel (n = 13) dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Das ist eine deutliche Zunahme der Datenjournalistinnen, die 2012 noch 3 von 35 befragten Personen stellten. Die aktuellen Anteile können zusammen mit dem überdurchschnittlich geringen Alter als Abbild der Teilnehmer:innen von journalistischen Fortbildungs- und Studiengangsangeboten interpretiert werden, die im vergangenen Jahrzehnt sehr viel mehr weibliche Teilnehmer hatten als männliche. Allerdings liegt der Frauenanteil unter den befragten Datenjournalist:innen deutlich unter dem Branchenschnitt (40,1 %; vgl. Steindl et al. 2017, S. 413).

Job: Anstellungsverhältnis, Medium, Position, Ressort

Zwei Drittel der befragten Datenjournalist:innen sind fest angestellt (37 von 55; 2 missing). Das sind deutlich mehr als in der ersten Erhebung von 2012 (damals ca. ein Drittel: 12 von 35; vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 425), was als Entwicklung zur Institutionalisierung des Datenjournalismus in Deutschland gedeutet werden kann. Gleichwohl liegt dieser Wert deutlich unter den 82,4 % in Voll- und Teilzeit fest angestellten Journalist:innen in Deutschland, die an der WJS-Studie teilgenommen haben. Datenjournalistinnen sind deutlich häufiger fest angestellt (10 von 12 im Sample) als Männer (27 von 43), wobei der Anteil fest angestellter Frauen nicht deutlich über dem Anteil der Frauen im Sample mit Angabe zum Anstellungsverhältnis liegt (12 von 55). Aufgrund dieser geringen Fallzahlen von Probandinnen im Sample wird bei den folgenden Auswertungen in der Regel auf eine Segmentierung nach Geschlecht verzichtet.

Datenjournalist:innen sind in Deutschland zumeist für Online-Ableger von Medienmarken tätig (siehe Abb. 2). Daneben zählen Tageszeitungen, Fernsehen, Hörfunk und eigenständige Online-Medien zu den häufigen Auftraggebern. Sonntags‑/Wochenzeitungen und Zeitschriften gehören ebenso selten zu den Arbeitgebern wie Nachrichtenagenturen/Mediendienste, von denen es aber nur wenige gibt. Anzeigenblätter sind 2019 keine Auftraggeber für Datenjournalist:innen in Deutschland.

Abb. 2
figure 2

Mediengattungen als Auftraggeber 2019. Frage: Für welchen Typ Medium sind Sie als Datenjournalist überwiegend tätig? (Mehrfachantworten möglich). n = 57 (92 Nennungen)

Auch hier ist eine Veränderung des Datenjournalismus in Deutschland zu beobachten: 2012 waren noch überregionale Tageszeitungen der häufigste Auftraggeber (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 425), während nun die Online-Ableger von Medienmarken sowie Rundfunk und eigenständige Online-Medien die Hauptauftraggeber sind. Vergleicht man diese Daten mit denen für den Journalismus im Allgemeinen (vgl. Steindl et al. 2017, S. 416–417), zeigt sich ein geringerer Anteil bei Tageszeitungen und v. a. Zeitschriften und ein deutlich größerer Anteil bei Online-Medien aller Art.

Auf die Frage nach der Position in der Medienorganisation haben die 18 freiberuflichen Proband:innen keine Antworten gegeben. Da in kleineren Organisationen häufig eine Person mehrere Positionen übernimmt, wurden Mehrfachantworten ermöglicht, so dass 39 fest angestellte Datenjournalist:innen 53 Positionen angegeben haben. Keine:r der befragten Datenjournalist:innen hat sich als geschäftsführende:r Redakteur:in, Volontär:in oder Trainee eingestuft (siehe Abb. 3). Unverändert zu den Ergebnissen der ersten DiD-Studie ist der Umstand, dass Datenjournalist:innen ihre Fähigkeiten als Bündel mit anderen Spezialkenntnissen in die Medienorganisationen einbringen: So wurden unter den neun „sonstigen Positionen“ folgende Spezifikationen angegeben: Vernetzer, Projektmanager (2), Dokumentationsjournalist, Teamleiter Infografikredaktion, Korrespondent, Redakteur, Redakteur Investigativ und Daten, Mediengestalter. Diese neun Fälle werden aus den weiteren Analysen ausgeklammert, so dass die Basis bei 44 Fällen angegebener Positionen liegt. Darunter sind die 18 Selbsteinstufungen als „Datenjournalist:in“ bemerkenswert, da noch 2012 lediglich eine von 35 Proband:innen diese Bezeichnung ihrer Position in der Organisation selbst gewählt hatte. Auch das kann als Indikator für eine zunehmende Institutionalisierung des Datenjournalismus gedeutet werden. Zudem wird nun deutlich, dass zwei Drittel der befragten Datenjournalist:innen als Fachkräfte arbeiten (Senior-Redakteur, Producer, Nachrichten-Redakteur, Datenjournalist, Reporter, Autor). Ihr Anteil liegt mit 30 von 44 Fällen etwas über dem Schnitt im Journalismus allgemein (59,9 % bei Steindl et al. 2017, S. 417–418). Überdurchschnittlich ist der Anteil von Datenjournalist:innen mit Teilleitungsfunktion (Ressortleiter, CvD; Newsroom-Chef), der im Journalismus allgemein bei 19,9 % (vgl. Steindl et al. 2017, ebd.) und im Datenjournalismus bei 13 von 44, also etwa einem Drittel liegt. Und weit unterdurchschnittlich ist der Anteil von Datenjournalist:innen mit Gesamtleitungsfunktion (Chefredakteur, Herausgeber, Programmdirektor, Redaktionsleiter), der allgemein bei 20,6 % liegt (vgl. Steindl et al. 2017, ebd.) und im Datenjournalismus nur eine von 44 Proband:innen umfasst.

Abb. 3
figure 3

Position in Medienorganisationen 2019. Frage: Welche der folgenden Bezeichnungen beschreibt Ihre aktuelle Position in ihrer Redaktion? (Mehrfachantworten möglich). n = 39 (53 Nennungen)

Schließlich wurde nach der Ressortzugehörigkeit gefragt. Abb. 4 zeigt, dass die Hälfte der Datenjournalist:innen im Investigativ- oder einem eigenständigen Datenressort arbeitet. Diese Angaben können nicht mit dem Datenjournalismus in 2012 verglichen werden, da das Item damals nicht abgefragt wurde. Aufgrund der damals überwältigenden Selbstzuordnung zum Investigativjournalismus als Betätigungsfeld und der in den vergangenen Jahren eingeführten Datenressorts wurden beide Ausprägungen in diese Studie zum Datenjournalismus als Spezifikum aufgenommen. Da beide Ressorts in der WJS-Studie aber nicht als Antwortmöglichkeiten vorgesehen waren, ist auch hier kein Vergleich möglich.

Abb. 4
figure 4

Ressortzugehörgkeit 2019. Frage: In welchem Ressort bzw. Themenfeld sind Sie normalerweise überwiegend tätig? n = 57. Sonstiges: Diverse, Gesellschaft

Bildung: Journalistische Aus- und Vorbildung, Bildungsabschluss

Gut ein Viertel der befragten Datenjournalist:innen (15 von 57) sind 2019 Quereinsteiger und/oder Autodidakten ohne journalistische Aus- und Vorbildung, wie Abb. 5 illustriert. Das zeigt eine markante Abnahme des Anteils von Menschen ohne journalistische Ausbildung im Datenjournalismus seit 2012. Damals gab fast die Hälfte der Befragten an, keine journalistische Aus- oder Vorbildung zu haben (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 425). Das kann nur als Professionalisierung im Bereich der journalistischen Fähigkeiten und des journalistischen Wissens im Datenjournalismus interpretiert werden. Ein Vergleich mit entsprechenden Daten zum Journalismus im Allgemeinen ist nicht möglich, da in der WJS-Studie nur nach dem Studium gefragt wurde (vgl. Hanitzsch et al. 2016).

Abb. 5
figure 5

Festanstellungen und freie Tätigkeit nach journalistischer Aus- und Vorbildung 2019. Frage 1: Welche journalistische Aus- und Vorbildung haben Sie? (Mehrfachantworten möglich). n = 55 (91 Nennungen). Sonstiges: u. a. div. Fortbildungen, spezifische Journalismus-Studiengänge (4). Quereinstieg/Autodidakt: u. a. Interaction Design, Informationsdesign. Frage 2: Bitte beschreiben Sie jetzt Ihre Einbindung in die Medienlandschaft, damit ein Bild von der aktuellen Institutionalisierung des Datenjournalismus in Deutschland entstehen kann. Sind Sie derzeit in Ihrem Betrieb fest angestellt oder arbeiten Sie als freie(r) Mitarbeiter(in)? n = 55 (91 Nennungen)

Betrachtet man die Daten zum Anstellungsverhältnis (n = 55, 2 missing), so zeigt sich zunächst, dass zwei Drittel der befragten Datenjournalist:innen (37 von 55) zum Zeitpunkt der Befragung fest angestellt waren. Nimmt man die Aus- und Vorbildung hinzu, zeigen sich Unterschiede: Menschen mit Hospitanz/Praktikum, Volontariat, Journalistenschule und auch Quereinsteiger/Autodidakten sind überdurchschnittlich häufig fest angestellt, während Menschen mit Studienabschluss in Journalistik und verwandten Studiengängen oder sonstiger journalistischer Aus- und Vorbildung überdurchschnittlich häufig frei arbeiten, gemessen am Anteil der Freien im Sample mit einem Drittel. Die Interpretation, dass ein Studium für Datenjournalist:innen in die freie Mitarbeiterschaft führt, ist aufgrund der möglichen Mehrfachnennungen nicht zulässig.

Nur sechs von 57 Datenjournalist:innen gaben an, als höchsten Bildungsabschluss keinen Studienabschluss zu haben. Damit hat das Bildungsniveau weiter zugenommen, weil schon 2012 28 von 35 Befragten ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen hatten. Die Datenjournalist:innen liegen damit über dem Schnitt der Journalist:innen im Allgemeinen (75,5 %; vgl. Steindl et al. 2017, S. 414). Das entspricht den analytischen Fähigkeiten und Interessen, die zum Anforderungsprofil datenjournalistischer Arbeit gehören. Eine leichte Veränderung zeigt sich unterdessen bei der disziplinären Ausrichtung: Während 2012 als Studienfächer nur sozialwissenschaftliche und informatiknahe Fächer angegeben worden waren (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 423–425), tauchen 2019 daneben auch als Ausnahmen die Studienfächer Germanistik/Literaturwissenschaft, Stadtplanung und molekulare Biomedizin auf. Ein Vergleich mit den Daten für den Journalismus im Allgemeinen ist nicht möglich.

Einkommen

Unter den befragten Datenjournalist:innen verdienen die meisten (15 von 57) zwischen 2401 und 3000 € netto im Monat (siehe Abb. 6). Damit liegt der Modalwert über dem häufigsten Wert in der WJS-Referenzstudie für Deutschland (1801–2400 €: 24,5 %; vgl. Steindl et al. 2017, S. 415). Diese leichte Abweichung kann methodisch der geringen Fallzahl oder inhaltlich dem Expertenstatus von Datenjournalist:innen geschuldet sein, der wiederum auf die noch nicht zum Standardrepertoire der deutschen Journalist:innen gehörenden Spezialkompetenzen zurückgeführt werden kann. Zudem fällt der weit überdurchschnittliche Anteil von sieben Proband:innen mit einem Nettomonatseinkommen zwischen 4801 und 6000 € (4,8 %) ebenso auf wie der Umstand, dass keine befragte Person die höchsten Gehaltsstufen über 6001 € angegeben hat. Geht man davon aus, dass mit dem Alter die Berufserfahrung, die Karrierestufen (siehe Abb. 3 zur Position in Medienorganisationen) und damit das Einkommen zunehmen, könnte das unterdurchschnittliche Alter der befragten Datenjournalist:innen die fehlenden Fälle in den höchsten Gehaltsgruppen erklären.

Abb. 6
figure 6

Nettoeinkommen 2019. Frage: In welche der folgenden Kategorien fällt Ihr monatliches Einkommen nach Abzug aller Steuern und Abgaben? Wenn Sie es nicht genau wissen, schätzen Sie bitte. n = 57

Eine Auswertung nach Geschlecht zeigt Unterschiede: Frauen sind, gemessen an Ihrem Anteil im Sample, in den unteren Einkommenskategorien (601–2400 €) über- und in den höheren Einkommensgruppen unterrepräsentiert. Median und Modus liegen bei den Frauen (n = 11) in der Kategorie 1801–2400 €, während sie bei den Männern (n = 39) in der Kategorie 2401–3000 € liegen. Der Mittelwertvergleich zeigt ein signifikantes Ergebnis (z = −2,434, p = 0,015*) bei mittlerem Effekt (r = 0,34). Der Unterschied kann womöglich durch das Alter erklärt werden: Die Frauen im Sample sind signifikant jünger. Die Option „Teilzeit“ wurde als mögliche Erklärvariable nicht abgefragt.

Zusammengefasst sind Datenjournalist:innen in Deutschland 2019 nach dem vorliegenden Sample im Durchschnitt männlich, 38 Jahre alt, Akademiker mit journalistischer Ausbildung und einem Monatsnettoverdienst zwischen 2400 und 3000 €.

5.2 Tätigkeiten

Die rollentheoretischen Kann-Erwartungen wurden hier operationalisiert durch die Frage nach ihren Tätigkeiten im Rahmen des letzten datenjournalistischen Projekts, an dem die Expert:innen mitgearbeitet hatten. Sie brachte in der qualitativen Referenzstudie DiD1 von 2012 drei Kernbereiche datenjournalistischer Tätigkeiten hervor: Journalist, Programmierer und Webdesigner/Infografiker (siehe Abb. 7). Vereinzelt wurden auch sonstige Tätigkeitsfelder wie die der Statistiker:innen, Hacker:innen oder begleitenden Redakteur:innen besetzt. Ein O‑Ton aus den damaligen Interviews beschrieb den Fokus auf Teamarbeit: „Alles kann ja eh keiner, also müssen wir im Team arbeiten.“ (Weinacht und Spiller 2014, S. 426) Damals fanden sich nur zwei „One-Man-Show-Datenjournalisten“ unter 35 Befragten und wenige Personen, die in ihrem letzten Projekt zwei der drei Arbeitsbereiche abgedeckt hatten. Das steht im Widerspruch zu den Befragungsergebnissen von Beiler et al. (vgl. 2020, S. 1578–1579), die in fast der Hälfte der Fälle nur eine Person als Mitarbeiterzahl bei datenjournalistischen Projekten feststellten.

Abb. 7
figure 7

Tätigkeitsfelder von Datenjournalist:innen. Quelle: Erweiterte Darstellung nach Weinacht und Spiller (2014, S. 426–427)

2019 nun haben sich 57 Proband:innen selbst 88 Tätigkeitsfelder in ihrem letzten datenjournalistischen Projekt zugeschrieben. Dominant sind dabei die Tätigkeiten der Journalist:innen (47 von 88). Aber immerhin zu je rund einem Viertel haben die Proband:innen auch die Tätigkeiten der Programmierer:innen (n = 23) und Grafiker:innen (n = 18) übernommen. Somit hat fast die Hälfte der befragten Personen (27 von 57) in ihrem letzten Projekt zwei oder mehr Tätigkeitsfelder abgedeckt; acht Personen waren gar als „One-Man/One-Woman-datenjournalistisches Komplettpaket“ unterwegs. Im Vergleich zu 2012 arbeitet man nun also breiter, was nur daran liegen kann, dass die Qualifikation unter den Datenjournalist:innen in gleichem Maß zugenommen hat.

Herrschte 2012 noch große Zurückhaltung bei der Selbstbezeichnung als „Datenjournalist:in“ (5 von 35; Weinacht und Spiller 2014, S. 425), nennen sich nun 30 von 57 selbst „Datenjournalist:in“. Das Selbstbewusstsein hat demnach zugenommen. Gleichwohl haben immer noch 27 von 57 Personen an datenjournalistischen Projekten mitgearbeitet, die sich selbst nicht als „Datenjournalist:in“ bezeichnen würden. Es liegt nahe, zunächst an Programmierer:innen und Grafiker:innen zu denken. Aber Abb. 8 zeigt, dass sich Programmierer:innen recht selbstverständlich als Datenjournalist:innen verstehen und nur manche Grafiker:innen im Selbstverständnis als Datenjournalist:innen zurückhaltend sind. Den größten Skrupel, sich selbst als „Datenjournalist:in“ zu bezeichnen, haben diejenigen, die allein in der Rolle der Journalist:innen am letzten datenjournalistischen Projekt teilgenommen haben.

Abb. 8
figure 8

Tätigkeitsfelder/Selbstverständnis von Datenjournalist:innen 2019. Frage 1: In welcher Rolle [Branchenjargon für Tätigkeiten, SW&RS] haben Sie an ihrem zuletzt abgeschlossenen datenjournalistischen Projekt mitgewirkt? (Mehrfachantworten möglich). Frage 2: Würden Sie sich als Datenjournalist:in bezeichnen? n = 57 Personen, nicht Tätigkeitsfelder

Offen bleibt an dieser Stelle der quantitativen Untersuchung, welche Gründe die Teilnehmer:innen davon abgehalten haben, sich selbst als Datenjournalisten:innen zu bezeichnen. Die Diskussion dieser Ergebnisse mit den Expert:innen auf der SciCAR-Tagung brachte zwei mögliche Argumentationslinien hervor. Die weniger unterstützte sieht eine Sorge vor der Etikettierung als minderwertige Journalist:innen: „Normalen Journalist:innen“ könnten demnach die umfangreicheren Fähigkeiten und Fertigkeiten im Sinne eines „Volljournalisten“ zugeschrieben werden, während „Datenjournalist:innen“ als hochgradig spezialisiertes Fachpersonal eingestuft werden könnten, das für keine anderen Aufgaben einsetzbar wäre. Die von Praktikern deutlich bevorzugte Argumentationslinie geht dagegen davon aus, dass die Befragten nicht das Journalistische als Kern der datenjournalistischen Arbeit sehen, sondern die Arbeit mit den Daten und die Visualisierung, weshalb die „reinen“ Journalist:innen sich das Label nicht anheften wollen. Die Selbstbezeichnung als „Datenjournalist:in“ könnte zudem Erwartungen im Berufsumfeld fördern, dass Servicearbeiten von der Datenbeschaffung bis zur Computerreparatur erbracht werden könnten. Diese Abgrenzung wird von Datenjournalist:innen als „täglicher Kampf im Medienhaus“ beschrieben, wobei das Ausmaß sehr stark von den verschiedenen Medienhäusern im allgemeinen und der Entstehung der Teams abhänge (zur wahrgenommenen Fremdeinschätzung vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 427–428). Schließlich gelten zwar einerseits die Fähigkeiten der Datenjournalist:innen als „heiß begehrt in den Redaktionen“, andererseits wird aber von einer „Angst ab Excel aufwärts“, also insbesondere vor der Datenanalyse und -aufbereitung gesprochen. Wird die Selbstbezeichnung als „Datenjournalist:in“ vermieden, können demnach soziale Spannungen unter gleichrangigen Kolleg:innen vermieden werden, so die Expert:innen.

5.3 Rollenverständnis

Mit Blick auf die rollentheortischen Soll-Erwartungen ist das Rollenverständnis der Datenjournalist:innen in Deutschland sehr stabil. Sie sehen sich in erster Linie der „Information und Vermittlung“ verpflichtet (siehe Abb. 9). Im Vergleich mit 2012 sind die Ergebnisse nahezu identisch, und zwar sowohl in der Gewichtung zwischen den Bereichen Information und Vermittlung, Kritik und Kontrolle sowie Service und Unterhaltung wie auch in der Zustimmung zu den einzelnen Items (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 421–423). Allenfalls ist zu erkennen, dass die Zustimmungsanteile für die ohnehin schon starken Items („Dinge so zu berichten, wie sie sind“; „Komplexes erklären“; „Kritik an Missständen“) noch weiter zugenommen haben. Weniger Zustimmung als in der ersten Befragung von 35 Datenjournalist:innen entfällt auf die Items „Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren“ sowie „eigene Ansichten vermitteln“.

Abb. 9
figure 9

Rollenverständnis von Datenjournalist:innen 2019, Teil 1. Frage: Zu Beginn interessiert uns Ihr Selbstverständnis als Datenjournalist. In meinem Beruf geht es mir darum … Antwortskala von +2 „trifft voll und ganz zu“ bis −2 „trifft überhaupt nicht zu“; hier ausgewiesen: alle Antworten „trifft voll und ganz zu“ oder „trifft überwiegend zu“. n = 57

Vergleicht man die Daten mit den für alle Journalist:innen in Deutschland repräsentativen WJS-Studie (vgl. Steindl et al. 2017, S. 419–421), so ist die bei allen Journalist:innen dominante Rolle der Information und Vermittlung bei den Datenjournalist:innen sogar überdurchschnittlich ausgeprägt (mit Ausnahme des Indikators „für die breite Masse“). Auch die Kritik- und Kontroll-Funktion ist im Rollenverständnis der Datenjournalist:innen überdurchschnittlich vorhanden (allerdings bei nur zwei vergleichbaren Indikatoren; der dritte Indikator, „Menschen die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu artikulieren“, wird weit unterdurchschnittlich bedient). „Service und Unterhaltung“ zählt dagegen überhaupt nicht zu den Zielen der Datenjournalist:innen.

Die WJS-Studie hat zudem die international zu beobachtenden Rollen der „Mobilisator:innen“ und der „regierungsnahen Informationsverbreitung“ abgefragt (vgl. Steindl et al. 2017, S. 419–421). Datenjournalist:innen beurteilen die Rolle der Mobilisator:innen sehr widersprüchlich: Das Item „Toleranz und kulturelle Vielfalt fördern“ erfährt unterdurchschnittliche Zustimmung, „zur Teilhabe zu motivieren“ wird von den Datenjournalist:innen und allen Journalist:innen fast identisch eingestuft, während das „Gegengewicht zur Regierung“ von den Datenjournalist:innen überdurchschnittlich betont wird. Die Rolle des Staatsfunks lehnen Datenjournalist:innen genauso grundlegend ab wie alle Journalist:innen in Deutschland. Ein Vergleich dieser Items mit der DiD-Studie von 2012 ist nicht möglich, weil die Items damals noch nicht abgefragt worden sind. (Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Rollenverständnis von Datenjournalist:innen 2019, Teil 2. Frage: Zu Beginn interessiert uns Ihr Selbstverständnis als Datenjournalist. In meinem Beruf geht es mir darum … Antwortskala von +2 „trifft voll und ganz zu“ bis −2 „trifft überhaupt nicht zu“; hier ausgewiesen: alle Antworten „trifft voll und ganz zu“ oder „trifft überwiegend zu“. n = 57

Demnach zeichnen Datenjournalist:innen von sich selbst das Bild der Lehrbuch-Journalist:innen, die allen gängigen Idealen an deutschen Journalistenschulen und Journalismus-Studiengängen entsprechen. Angesichts der in Abb. 4 beschriebenen überwiegenden Ressortzuordnung im Bereich der Investigativ‑, Daten- und Politikressorts dürfte auch die Sozialisation „on the job“ zur Erklärung dieses Musters beitragen (vgl. Engelmann 2012).

Diese Ergebnisse deuten durch die geringe Anzahl von Items, die nahezu volle Zustimmung oder Ablehnung erhalten haben, auf eine Heterogenität der Population hin. Und tatsächlich zeigt eine Clusteranalyse drei deutlich unterscheidbare Typen von Datenjournalist:innen in Deutschland (siehe Abb. 11): Die analytischen Kontrolleur:innen, die schnellen Vermittler:innen und die neutralen Informant:innen. In Abb. 11 kennzeichnen kursive und nicht gefettete Ergebnisse Extremwerte, die für die Clusterbildung verworfen worden sind, weil sie auch in anderen Clustern Extremwerte darstellten. Die überschneidungsfreien Extremwerte sind in Abb. 11 durch Kreise markiert. Demnach bilden die analytischen Kontrolleure die größte Gruppe unter den befragten Datenjournalist:innen in Deutschland, die geprägt ist durch ein geringes Interesse an einer möglichst schnellen Informationsvermittlung und ein hohes Interesse an der Kontrolle gesellschaftlicher Akteure. Diese Ergebnisse beschreiben eine normativ geprägte und gesellschaftlich engagierte Gruppe. Im Gegensatz dazu steht eine vergleichsweise kleine Gruppe der schnellen Informationsvermittler, für die eben jene Geschwindigkeit zu ihren Top-3-Interessen zählt, während viele Ziele, die auf Interessen des Publikums gerichtet sind, unter den schnellen Informationsvermittlern auf gar kein Interesse stoßen. Das könnte Datenjournalist:innen beschreiben, die von Technik fasziniert und wenig an der Nachfrage interessiert sind. Schließlich verfolgen die neutralen Informanten in besonderem Maße das Ziel der neutralen und präzisen Information, während sie wenig Interesse an der journalistischen Kontrollfunktion in der Gesellschaft haben. Womöglich ist hier das Ideal der Suche nach einer „absoluten“ Wahrheit prägend für die Arbeit mit Daten.

Abb. 11
figure 11

Typen von Datenjournalist:innen 2019. Daten aggregiert auf Zustimmung vs. keine Zustimmung: Antwortskala von 0 (keine Zustimmung) bis 1 (volle Zustimmung); n = 57

Das Ergebnis lässt sich als Bestätigung der vorangegangenen Analysen interpretieren: Die Datenjournalist:innen in Deutschland sind keine homogene Gruppe. Sie arbeiten zwar mehrheitlich mit dem Ziel der Information und Vermittlung. Aber sie zeigen innerhalb dieses Rahmens sehr unterschiedliche Rollenverständnisse.

5.4 Zukunft des Datenjournalismus in Deutschland

Um die Zukunftsprognosen der Branchenkenner:innen zu skizzieren, stellten wir Fragen zur universitären Ausbildung, der Zahl der datenjournalistischen Veröffentlichungen und der Zahl der Stellen für Datenjournalist:innen.

Mit Blick auf die Ausbildung von Datenjournalismus an den Universitäten lässt sich zusammenfassend sagen: Datenjournalismus soll an die Universitäten, Programmieren vielleicht. 43 von 57 Befragten sind der Meinung, Datenjournalismus sollte ein Pflichtfach in den journalistischen Curriculae sein (sieben „unentschieden“, fünf „trifft nicht/überhaupt nicht zu“, zwei gaben keine Antwort). Die Zustimmung ist insofern bemerkenswert, als 2012 nur grundsätzlich nach einer Aufnahme gefragt wurde (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 429–430), während 2019 nach einer Aufnahme als Pflichtfach gefragt wurde. Ein wenig mehr Zurückhaltung im Vergleich zu 2012 zeigte sich dagegen beim Vorschlag, das Programmieren für Datenjournalist:innen als Pflichtfach in die allgemeinen journalistischen Curriculae aufzunehmen: 27 Befragte sind der Meinung, Programmieren gehört heute in die journalistische Ausbildung an Universitäten (elf „unentschieden“, 18 „trifft nicht/überhaupt nicht zu“, eine Person gab keine Antwort). Ungeachtet dessen gilt wie schon 2012: Wenn Datenjournalisten nach der Aufnahme ihres Spezialgebietes in die universitäre Lehre gefragt werden, ist nicht mit Ablehnung zu rechnen. Zumal es wahrscheinlich ist, dass damals wie heute zahlreiche Befragte ein Zusatzeinkommen in der Aus- und Fortbildung von Nachwuchs-Datenjournalisten verdienen, weshalb sie von dieser Entscheidung unter Umständen direkt selbst profitieren können (vgl. Weinacht und Spiller 2014, S. 429–430). Ein Vergleich mit der in der WJS-Studie festgehaltenen Meinung aller Journalist:innen in Deutschland ist nicht möglich, weil die Ausbildungsoptionen dort nicht abgefragt wurden.

Als zweiter Indikator für die Zukunftsperspektive des Datenjournalismus in Deutschland wurde nach der Zahl der zu erwartenden datenjournalistischen Beiträge gefragt. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten (n = 49) nimmt an, dass in den kommenden fünf Jahren mehr datenjournalistische Veröffentlichungen von den Medienhäusern publiziert werden (vier unentschieden, vier „trifft nicht/überhaupt nicht zu“). Und nahezu ebenso viele (n = 47) berichten, dass in den Medienhäusern, in denen sie selbst zuletzt am meisten veröffentlicht haben, künftig mehr datenjournalistische Beiträge veröffentlicht werden sollen (sieben unentschieden, drei „trifft nicht/überhaupt nicht zu“). Die Konstanz der Antworten bei beiden Indikatoren spricht gegen ein von Eigeninteressen im Sinne der Eigen-PR getriebenes Antwortverhalten. Ein Vergleich mit der Datenjournalismus-Studie von 2012 und der WJS-Studie von 2019 ist nicht möglich.

Schließlich sollte das Wissen über absehbar ausgeschriebene Stellen als Indikator für die Zukunftsaussichten des Datenjournalismus in Deutschland dienen. Wiederum befragt nach der Situation in der Medienorganisation, in der zuletzt am meisten veröffentlicht worden ist, gaben 31 von 57 Befragten an, dass sie von der konkreten Planung „mindestens einer weiteren Stelle für eine:n Kolleg:in mit datenjournalistischen Fähigkeiten“ wissen (neun „weiß nicht“/keine Antwort, 17 „nein“). Ein systematischer Vergleich mit der DiD-Studie von 2012 und der WJS-Studie von 2019 ist nicht möglich. Aber den Autoren ist aktuell kein vergleichbar prosperierender Teilbereich des Journalismus bekannt, ob man Datenjournalismus nun als Ressort neben Sport‑, Kultur‑, Politikjournalismus begreift oder als ressortübergreifende Kompetenz wie Fotojournalismus oder Moderation.

6 Fazit

Fasst man die wichtigsten Ergebnisse zusammen, dann gilt: Datenjournalist:innen sind in der Tendenz …

… überwiegend fest angestellt bei audiovisuellen- oder Online-Medien als Fachkräfte in Investigativ- oder Datenressorts.

… im Schnitt 38-jährige, männliche Akademiker mit journalistischer Ausbildung.

… Erwerbstätige mit einem Durchschnittseinkommen von 2401–3000 € netto/Monat.

… mit Blick auf die rollentheoretischen Kann-Erwartungen und somit ihre Tätigkeiten in datenjournalistischen Projekten mehr als nur Journalist:innen (Grafiker:innen, Programmierer:innen), aber nicht unbedingt „Datenjournalist:in“.

… mit Blick auf die Soll-Erwartungen und somit ihr Rollenverständnis vor allen Dingen Information und Vermittlung verpflichtet, wobei die drei Typen „analytische Kontrolleure“, „schnelle Vermittler“ und „neutrale Informanten“ zu unterscheiden sind.

… von einer eher positiven Zukunft des Datenjournalismus in Deutschland überzeugt.

Somit sind Datenjournalist:innen in Deutschland im Vergleich mit den für alle deutschen Journalist:innen repräsentativen Daten der Worlds of Journalism-Studie nennenswert …

… seltener fest angestellt.

… überdurchschnittlich häufig durch Online-Medien als Hauptauftraggeber finanziert.

… häufiger Fachkräfte oder mit Teilleitungsfunktionen und seltener in Gesamtleitungsfunktionen.

… jünger.

… häufiger männlich.

… überdurchschnittlich oft akademisch gebildet.

… mit Blick auf die rollentheoretischen Soll-Erwartungen stärker im Rollverständnis der Informations- und Vermittlungsfunktion sowie der Kritik- und Kontrollfunktion verankert, während sie Service und Unterhaltung weit unterdurchschnittlich als ihre Aufgaben annehmen.

Wobei nicht vergessen werden darf, dass hier die Ergebnisse von 57 Datenjournalisten ohne Repräsentativitätsanspruch verglichen werden mit den Ergebnissen von 775 Journalist:innen mit Repräsentativitätsanspruch (vgl. Steindl et al. 2017, S. 412).

Im Vergleich mit den 2012 für Datenjournalist:innen in Deutschland erhobenen Werten – und damit einer sehr frühen Entwicklungsphase dieses Phänomens und bei geringen Fallzahlen für beide Erhebungszeitpunkte – zeigen sich Entwicklungen …

… im Anteil der Festangestellten: Er hat von rund einem Drittel auf rund zwei Drittel zugenommen.

… in der Verbreitung unter den Mediengattungen: War Datenjournalismus einst ein Thema nur für überregionale Printmedien, arbeiten Datenjournalist:innen heute in allen Mediengattungen.

… mit Blick auf die rollentheoretischen Kann-Erwartungen, hier also in den Tätigkeitsfeldern: Der Anteil von Menschen, die den Tätigkeitsfeldern der Journalist:in, Programmierer:in und Designer:in/Grafiker:in mehr als eine für sich in Anspruch nehmen, hat leicht zugenommen.

Als stabil im Datenjournalismus haben sich – nach wie vor bei geringen Fallzahlen – dagegen herausgestellt …

… das junge Alter der Datenjournalist:innen: In den sieben Jahren zwischen den Erhebungen ist das Durchschnittsalter nur um gut drei Jahre gestiegen, was darauf schließen lässt, dass erstens die Kohorte nicht gemeinsam gealtert ist, zweitens nur wenige ältere Kolleg:innen sich den neuen Trend zu eigen gemacht haben und drittens jüngere Kolleg:innen dazugekommen sind.

… die Dominanz männlicher Akademiker mit journalistischer Ausbildung unter den Datenjournalist:innen. Der Anteil der Kolleg:innen hat aber zugenommen.

… die Umsetzung der Kann-Erwartungen in Form von Teamarbeit durch Journalist:innen, Programmierer:innen und Designer:innen/Grafiker:innen auf Projektbasis ebenso wie die Zurückhaltung bei der Selbstbezeichnung als „Datenjournalist:in“.

… mit Blick auf die rollentheoretischen Soll-Erwartungen das deutlich überwiegende Rollenverständnis als „Erklärer“ und „Neutrale Informierer“ bei mehrheitlicher Abgrenzung zu Unterhaltungs- und Anwaltsfunktionen.

… das große Vertrauen in die künftige Rolle des Datenjournalismus in Deutschland.

Die befragten Datenjournalist:innen empfehlen in großer Mehrheit, dass Datenjournalismus ins Pflichtprogramm der journalistischen Ausbildung an Universitäten aufgenommen wird. Ob auch das Programmieren Teil der Curriculae sein soll, ist dagegen deutlich umstrittener.

In künftigen Berufsfeldstudien könnte zusätzlich erstens mit Blick auf die aktuelle Diskussion rund um die Diversitätsforderung nach möglichen Migrationshintergründen gefragt werden, was sich neben dem allgemein anstrebenswerten Ziel der Abbildung von Vielfalt in einer Gesellschaft nach Einschätzung einzelner Datenjournalist:innen auch auf die Themenwahl, die Zusammenstellung möglicher Items in datenjournalistischen Befragungen oder die Dateninterpretation auswirken könnte. Allerdings ist zu dieser für den allgemeinen Journalismus vielfach vor normativem Hintergrund gestellten Forderung kein empirischer Beleg bekannt, dass sich ein Migrationshintergrund tatsächlich auf die journalistische Themenselektion auswirken würde, was unter Umständen an der gleichen Ausbildung und Sozialisation in den Redaktionen liegen könnte. Ebenso könnte zweitens neben die Frage nach der Ressortzugehörigkeit auch eine Frage nach bevorzugten Themenfeldern treten. Allerdings berichten Datenjournalist:innen aus der Praxis, dass sie in ihren aktuellen Rollen in den diversen Medienorganisationen derzeit „sehr bewusst querfeldein und eben gerade nicht in Ressortkategorien denken“ sollen. In spezialisierten Datenressorts stelle sich am Ende der Arbeit auch häufig die Frage, in welchem der passenden Ressorts ein Stück am besten veröffentlicht werden könne. Zusätzlich könnten drittens die spezifisch für den Datenjournalismus notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse in Python, R und JavaScript als unumgängliche Voraussetzungen für datenjournalistische Arbeit abgefragt werden. Dieses Wissen könnte wiederum für die künftige Gestaltung der Ausbildung von Datenjournalist:innen fruchtbar sein. Und schließlich könnte viertens eine zusätzliche Frage nach Voll- oder Teilzeitbeschäftigung zur möglichen Klärung der Einkommensunterschiede nach Geschlecht beitragen.

In einem größeren Rahmen beantwortet die vorliegende Studie noch nicht die Frage nach dem Entwicklungsstand des Datenjournalismus in Deutschland. Erst aus dieser Einstufung des Berufsfeldes ließen sich auch weiterführende medienpolitische Konsequenzen ableiten. Allerdings fehlt dafür ein geeignetes Modell, da die den Autoren bekannte Innovationsforschung vereinzelt auf der Mikro- und dominant auf der Mesoebene ansetzt, um die Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Diffusion von Innovationen in Organisationen zu erklären. Um nun medienpolitische Weichenstellungen für eine demokratiestützende Entwicklung des Datenjournalismus in Deutschland vor dem Hintergrund eines internationalen Vergleichs ableiten zu können, müsste ein Modell mit empirisch messbaren Indikatoren entwickelt werden. Mögliche Aspekte könnten sein:

  • Erfinderphase: Einzelpersonen experimentieren mit Fragestellungen, technischen Mitteln und Arbeitsprozessen; anschließend organisiert sich ein kleiner Kreis von Erfindern zum Zwecke des Informationsaustauschs;

  • Institutionalisierungsphase: Ausschreibung spezialisierter Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten;

  • Reflexionsphase: Praktiker-Events und wissenschaftliche Tagungen diskutieren neben dem How-to vermehrt auch das Selbstverständnis, die gesellschaftliche Rolle und den Entwicklungsstand der Innovation;

  • Machtphase: Interessenverbände werden gegründet und von der Politik gehört;

  • Erneuerungsphase: Veränderte technische, wirtschaftliche oder kulturelle Rahmenbedingungen verändern Fragestellungen, Arbeitsprozesse und dadurch das Anforderungsprofil, das für Arbeitsplätze hinterlegt wird, die zunehmend unter neuen Job-Bezeichnungen ausgeschrieben werden (und sich somit mit einer neuen Erfinder- und späteren Institutionalisierungsphase überschneidet).

Ein derartiges Modell, das aufbauend auf der Beobachtung der Entwicklung des Datenjournalismus zusammengestellt wird, könnte schließlich auch bei der Förderung künftiger Innovationen im Journalismus hilfreich sein. Erste Gedanken dazu finden sich bei Lowrey und Gade (2012), die sich mit den organisationellen und institutionellen Strukturen auseinandersetzen, die das zunehmend technologisch geprägte Feld des Journalismus maßgeblich beeinflussen.