1 Einleitung

Internationale Unternehmensübernahmen und -fusionen (Mergers & Acquisitions, M&As) stellen die bedeutendste Form ausländischer Direktinvestitionen (ADIs)Footnote 1 dar. ADIs sind als grenzüberschreitende Kapitalflüsse Ausdruck der globalen Standortstrategie multinationaler Konzerne und haben als „vehicle of economic globalisation“ (Wu und Radbone 2005, S. 276) strategische Bedeutung für die Organisation globaler Wertschöpfungsketten – und dadurch auch beträchtliche Effekte auf die Beschäftigungsdynamik und Wirtschaftsstruktur einer Region. Sie sind letztlich Ausdruck der globalen Bedeutung eines Unternehmens, aber auch der jeweiligen Region. Deshalb und weil Unternehmen wichtige regionale Identitätsanker bilden (vgl. Waxell 2016, S. 744), kann man vermuten, dass grundlegende Veränderungen bei den Eigentümern auch öffentlich wahrgenommen und diskutiert werden. Dies legen jedenfalls die wenigen vorhandenen empirischen Untersuchungen zur Frage der Medienrezeption von M&As aus regionaler Perspektive nahe (vgl. etwa Golinski und Henn 2015).

Während mögliche Auswirkungen der Medienberichterstattung auf den Vollzug von M&As und der Erfolg oder Misserfolg der damit zusammenhängenden PR-Strategien von Unternehmen in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit erfahren (vgl. u. a. Ahern und Sosyura 2014; Jayasuriya und O’Neill 2021; Kräussl und Mirgorodskaya 2017; Liao et al. 2021; Persson et al. 2014; Yang et al. 2019), finden die in den Medien vermittelten Implikationen und Konsequenzen internationaler Unternehmensübernahmen für die agierenden bzw. betroffenen Firmen und ihre Standorte in der Forschung nur geringe Beachtung. Dies ist umso erstaunlicher, als diese Konsequenzen infolge ihres identitätsbildenden Potentials über den Wirtschaftssektor hinausweisen. Grenzüberschreitenden Investitionen ist schon deshalb eine „Wir versus sie“-Perspektive inhärent, weil zwischen aktiven (von der jeweiligen Region ins Ausland) und passiven (vom Ausland in die Region) ADIs zu differenzieren ist. Dadurch ist a priori ein Kontrapunkt zu den transnationalen Unternehmensübernahmen häufig zugrundeliegenden Internationalisierungsstrategien gegeben. Dazu kommt, dass in der Wirtschaftsgeographie keineswegs ein Konsens hinsichtlich der Implikationen von M&As auf die regionale Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur existiert, an den Wirtschaftsjournalismus anschließen könnte. Hier bilden orthodoxe bzw. marktliberale und heterodoxe Ansätze entgegengesetzte Pole mit deutlich abweichenden Aussagen, die sich auch in der öffentlichen und politischen Debatte widerzuspiegeln scheinen: Einerseits ruft die Schließung von Produktionsstätten Skeptizismus und Ablehnung gegenüber neuen ausländischen Eigentümern lokaler Unternehmen hervor (vgl. Musil 2011, S. 5), andererseits werden transnationale Investitionen lokaler Unternehmen als prestigeträchtig oder als Symbol regionaler Bedeutung gesehen (vgl. Bandelj 2003, S. 381).

Wenig verwunderlich, sind auch die wenigen empirischen Studien zur medialen Rezeption internationaler M&As widersprüchlich. Die Ergebnisse verweisen einerseits auf eine von Sachthemen dominierte (vgl. Muñiz et al. 2015), wenn auch auf Effizienzkriterien eingeengte mediale Darstellung (vgl. Hellgren et al. 2011), die andererseits von Stereotypen (vgl. Risberg et al. 2003), Feind- und Bedrohungsszenarien (vgl. Golinski und Henn 2015) und Metaphern – wie beispielsweise conquistadores oder armada für spanische Investoren in Lateinamerika (vgl. Vandenberghe 2014, S. 337) – geprägt ist. Das Problem der meisten Studien liegt darin, dass sie einen „Diskurs“ beschreiben, dessen Konstruktionsmerkmale und journalistische Darstellungsmittel im Untersuchungskonzept unbeachtet bleiben, oder – ungleich seltener – auf journalistische Darstellungsmittel zielen, ohne den Inhalt des Dargestellten theoretisch zu verorten und damit einschätzen zu können. Vor diesem Hintergrund versucht der vorliegende Beitrag regionalökonomische und kommunikationswissenschaftliche Ansätze zu verbinden und auf dieser interdisziplinären Basis der Frage nachzugehen, wie Medien im Spannungsfeld zwischen marktliberaler Internationalisierung und einer identitätsbezogenen, gewissermaßen „regional-schizophrenen“ „Wir versus sie“-Haltung agieren. Wir fragen also, welche Erklärungsmuster und Argumente sie in der Darstellung aktiver und passiver M&As im regionalen Kontext verwenden und ob sich diese Erklärungsmuster und Argumente in ihrer Quantität und Qualität im Zeitverlauf verändern (vgl. Golinski und Henn 2015, S. 8 und S. 13). Die Bedeutung dieser Fragen wird deutlich, wenn man bedenkt, dass „die meisten Bürger nur über ein geringes Wissen über politische und ökonomische Themen verfügen und diese Themen darüber hinaus eine hohe Komplexität und Ambiguität aufweisen“ (Kühne 2014, S. 306). Den Medien als oft einzige Orientierungs- und Bewertungsquelle in ökonomischen Angelegenheiten kommt dadurch ein hohes Potential zu, die Ausrichtung und Entwicklung der öffentlichen Debatte zu beeinflussen.

Aus mehreren Gründen fiel die Wahl für den Gegenstand der Studie auf den Wiener Bankensektor. Erstens wurde die Internationalisierung Wiens seit den frühen 1990er-Jahren durch Unternehmensübernahmen – also M&As – dominiert; das Gesamtvolumen der ADIs stieg von 4,4 (1993) auf 112,7 Mrd. € im Jahr 2018, als der M&A-Anteil bei ungefähr 75 % lag. Zweitens zeigen aktive und passive ADIs in Wien ein divergierendes räumliches Muster: Während die aktiven ADIs stark auf die osteuropäischen Volkswirtschaften konzentriert sind, stammen die passiven ADIs hauptsächlich aus Westeuropa. Drittens weisen Wiener ADIs eine starke Konzentration auf den Bankensektor auf, wobei dies für aktive ADIs noch mehr gilt als für passive.Footnote 2 Insgesamt zeigen die Wiener ADIs eine ausgeprägte Divergenz zwischen aktiven und passiven ADIs, die sowohl räumliche als auch sektorale Aspekte aufweist (vgl. Musil 2009, S. 259). Der Zeitraum von 1999 bis 2016 wurde gewählt, weil er einen globalen Boom-Krisen-Zyklus abdeckt und von ADIs generell anzunehmen ist, dass sie dazu tendieren „to react sharply to global business cycles“ (Claes und Knutsen 2011, S. 25). Aufgrund des rudimentären Forschungsstandes haben wir bewusst einen theoriegeleiteten, aber explorativen Zugang gewählt, um mit einem Mixed-Methods-Ansatz möglichst vertieftes, empirisch abgesichertes Wissen zu gewinnen.

2 Die regionalen Auswirkungen von ADIs: ökonomische Perspektiven und mediale Interpretationsmuster

Um die mediale Vermittlung der regionalen Auswirkungen internationaler Unternehmensübernahmen und -fusionen zu untersuchen, führen wir die unterschiedlichen theoretischen Perspektiven der orthodoxen, heterodoxen und relationalen Ökonomie zur Beurteilung wirtschaftlicher Vorgänge mit dem kommunikationswissenschaftlichen Framing-Konzept zusammen, das den Anspruch erhebt, jene „Interpretationsmuster“ zu erfassen, „die helfen, neue Informationen sinnvoll einzuordnen und effizient zu verarbeiten“ (Scheufele 2003, S. 46).

ADIs sind Ausdruck vielfältiger grenzüberschreitender Unternehmensstrategien. Diese Vielfalt spiegelt sich in den zahlreichen existierenden Unterscheidungen und Klassifizierungen wider (für einen Überblick vgl. Dicken 2003, S. 52f.; Neumair und Werneck 2006, S. 55). Abgesehen von Wirtschaftssektoren können ADIs beispielsweise nach ihren Motiven (etwa Kosten‑, Effizienz- oder Marktorientierung), nach der Position in globalen Wertschöpfungsketten oder nach der Investitionsform – Unternehmensneugründungen (Greenfield Investments) versus Unternehmensübernahmen/-fusionen (M&As) – differenziert werden (vgl. Smeets 2008). Angesichts der vielfältigen Formen von ADIs erweist sich eine generelle Bewertung regionaler Auswirkungen als schwierig. Während manche Autoren die Relevanz von Ausstrahlungs- oder regionalen Entwicklungseffekten betonen, die zu positiven regionalen Wohlstands- und Einkommenseffekten führen (vgl. Buckley et al. 2004, S. 221; De Mello 1997, S. 30), interpretieren andere ADIs als Motor regionaler oder globaler Entwicklungsunterschiede (vgl. Hill und Fujita 2003, S. 207f.; Jacobs 2017, S. 815; Lipsey und Sjöholm 2004, S. 40).

Im Folgenden ordnen wir die regionalökonomische Debatte über ADIs anhand zweier Faktoren: einerseits danach, ob in den Ansätzen das neoklassische Marktmodell akzeptiert oder abgelehnt wird; andererseits nach dem zugrundeliegenden Unternehmenskonzept, wonach ein Unternehmen entweder als „Black box“ verstanden und somit rein nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen bewertet wird oder als ein offenes Netzwerk, das aus zahlreichen internen und externen Kapital‑, Wissens- und Güterverflechtungen besteht (vgl. Glückler 2006, S. 376). Diese beiden Faktoren kombinierend, lassen sich drei Ansätze unterscheiden, die regionalen Auswirkungen von M&As zu bewerten: eine orthodoxe Perspektive, die als dazugehörige Antithese zu verstehende heterodoxe Perspektive und die in jüngerer Zeit entwickelte relationale Perspektive.

Eine orthodoxe Perspektive interpretiert ADIs gemäß der neoklassischen Theorie als Mobilität des Produktionsfaktors Kapital, die zu einer optimalen Kapitalallokation und damit zur Angleichung der Kapitalausstattung bzw. der regionalen Zinsniveaus führt. Darüber hinaus kommt es zu positiven Effekten sowohl für die Herkunfts- als auch für die Zielregion, da die Expansion eines Unternehmens in ausländische Märkte zu einer generellen Steigerung der Effizienz und der Unternehmensprofite und damit auch zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze beiträgt (vgl. Barzotto et al. 2016; Ietto-Gillies 2012). Ebenso würden die steigenden Profite zu höheren regionalen Einkommen und Löhnen in den Herkunfts- wie auch in den Zielregionen führen, sodass ADIs als essentieller, grenzüberschreitender Multiplikator wirtschaftlicher Prosperität gelten (vgl. Dunning 1994; Dunning und Lundan 2008). Das Potential einer Stadt oder Region, ADIs anzuziehen (also ein hoher Bestand an passiven ADIs), wird hier primär als Ausdruck der globalen Wettbewerbsfähigkeit interpretiert (vgl. Begg 1999; Thornley 2000).

Eine heterodoxe Perspektive beruht auf der Ablehnung des neoklassischen Marktmodells („regionale Orthodoxie“; Zeller 2003, S. 218) und rückt die negativen Folgen der externen Abhängigkeit von ausländischen Investoren in den Vordergrund (vgl. Crevoisier und Quinquerez 2005; Jacobs 2017). Die heterodoxe Perspektive knüpft an marxistische und dependenztheoretische Ansätze an, die ungleiche Außenbeziehungen als den Hauptgrund für Unterentwicklung sehen (vgl. Hill und Fujita 2003; Scholz 2004). In diesem Zusammenhang argumentieren Rugman und Waverman (1991), dass die Wettbewerbsfähigkeit einer Region nicht nur auf der Fähigkeit beruht, Fremdkapital anzuziehen (passive ADIs), sondern auch auf dem Vorhandensein „regionaler Champions“, die ihrerseits wiederum in anderen Regionen ADIs tätigen. Da extern kontrollierte Unternehmen häufig Entscheidungskompetenzen und höherwertige Aufgaben (z. B. Forschung und Entwicklung) an ausländische Konzernzentralen verlieren, werden einseitige, also überwiegend passive ADIs als Hindernis für langfristige, innovationsbasierte Wachstumsdynamiken gesehen – insbesondere im Fall des östlichen Europas (vgl. Lane 2012; Pavlínek 2012). Die durch ADIs geschaffenen Hierarchien zwischen den Standorten multinationaler Konzerne (insbesondere zwischen Konzernzentrale und Tochterunternehmen) führen somit auch zu Hierarchien zwischen den Regionen (vgl. Hymer 1975, S. 125). Die heterodoxe Perspektive lehnt ADIs nicht grundsätzlich ab, vielmehr richtet sie die Aufmerksamkeit auf ungleiche Kapitalbewegungen, die das Gefälle regionaler Einkommensniveaus und Innovationspotentiale perpetuieren oder gar verstärken (vgl. Barrell und Pain 1997; Young und Hood 1993).

Eine relationale bzw. wissensbasierte Perspektive konzentriert sich auf die Verflechtungen eines Unternehmens mit seinen Zulieferern, Kunden und strategischen Partnern. Im Sinne des sog. Uppsala-Modells wird ein Unternehmen als Netzwerk innerhalb des Netzwerks eines regionalen und/oder globalen Produktionssystems gesehen (vgl. Yeung 2005). Diese relationale Perspektive richtet ihr Augenmerk zum einen auf soziale Netzwerke und auf den Wissenstransfer als Treiber für die Internationalisierung eines Unternehmens (vgl. Glückler 2006; Karreman et al. 2017). Zum anderen fragt sie nach den Auswirkungen von ADIs auf Lern- und Innovationsprozesse (Spillover-Effekte) in der Herkunfts- und Zielregion einer ADI. Demnach werden grenzüberschreitende Investitionen – idealerweise – als eine Quelle für regionale Lernprozesse verstanden, die regionales Wachstum fördern (einen kritischen Überblick bietet Smeets 2008). Diese Perspektive impliziert, dass die Internationalisierung nicht von gleichgewichtsorientierten Marktmechanismen oder räumlich-organisatorischen Hierarchien bestimmt wird, sondern von der Einbettung eines Unternehmens in ein Wissensnetzwerk, das als Brücke zu ausländischen Märkten dient (vgl. Sharma und Johanson 1987). Zudem geht dieser Erklärungsansatz davon aus, dass ökonomische Wertschöpfung nicht per se auf prosperierende Zentren beschränkt ist, da Innovationen auch in abhängigen Tochterunternehmen bzw. in Regionen mit hoher Außenabhängigkeit entstehen können (vgl. Vahlne und Johanson 2013).

Diese drei regionalökonomischen Perspektiven auf ADIs bzw. M&As weisen in ihrer Intention der Erklärung und Evaluierung wirtschaftlichen Geschehens Parallelen zu den von Journalist*innen zur Kontextualisierung und Bewertung von Fakten und Ereignissen eingesetzten „Frames“ in der Berichterstattung auf. In der für die kommunikationswissenschaftliche Forschung primär relevanten, auf Erving Goffman zurückgehenden soziologischen Tradition bezeichnet Framing einen Prozess, durch den Menschen ihre soziale Wirklichkeit aufbauen, indem sie aus kulturell, sozial und individuell verfügbarem Wissen schöpfen, um Geschehnisse und Phänomene sinnvoll einordnen und dieser Einordnung entsprechend handeln zu können. Das gilt in der Medienkommunikation sowohl für die Rezeptions- als auch für die Produktionsseite. Medien spielen allein dadurch eine nicht zu unterschätzende Rolle, dass sie bestimmte Aspekte eines Ereignisses oder Themas (auch wertend) hervorheben, während andere Aspekte heruntergespielt oder sogar ignoriert werden. Diese Selektion und Salienz von Aspekten ergibt ein bestimmtes Interpretations- und Klassifikationsmuster, das bei den Mediennutzer*innen dazu beitragen kann, bestimmte Deutungsschemata auf Kosten anderer zu aktivieren und mit dem berichteten Geschehen zu assoziieren (vgl. zusammenfassend: de Vreese und Lecheler 2012; Kühne 2014; Tewksbury und Scheufele 2019). Das wurde auch für den Bereich der Wirtschaftsberichterstattung gezeigt, wenngleich die einschlägigen Studien eher rar sind (vgl. de Vreese 2010; Hetherington 1996; Peter und Semetko 2001; Sheafer 2008). Auch Unternehmensübernahmen und -fusionen wurden bislang nur punktuell in Untersuchungen, die sich auf das Framing-Konzept stützen, thematisiert (vgl. Golinski und Henn 2015; Hellgren et al. 2011; Kweon 2000; Muñiz et al. 2015; Risberg et al. 2003; Vaara and Tienari 2002; Waxell 2016). Auf ihren Ergebnissen aufbauend, sollen im Folgenden Forschungsfragen formuliert werden, die den bisherigen Forschungsstand zu systematisieren versuchen und regionalökonomische und kommunikationswissenschaftliche Prämissen so aufeinander beziehen, dass ein themenadäquat auf beiden Disziplinen aufbauendes theoriegeleitetes Vorgehen ermöglicht wird.

Die wenigen vorliegenden Studien weisen darauf hin, dass sich Journalist*innen gerade bei den eher „sperrigen“ Wirtschaftsthemen bemühen, sie in „specific discursive frames“ einzubetten, dabei aber dazu neigen „commonly held views“ zu reproduzieren – dies schon aus Zeitdruck, aber auch um „the uncertainty of how the story will be received and interpreted by the reader“ zu reduzieren (Risberg et al. 2003, S. 124). Das legt die Vermutung nahe, dass vor allem die beiden Hauptströmungen, die orthodoxe und heterodoxe Ökonomie (weniger ein relationaler Ansatz), zumindest in ihren gängigen Mainstream-Interpretationen mit einiger Wahrscheinlichkeit als theoretischer Background für die „Rahmung“ von M&As dienen. Auch Vaara and Tienari (2002, S. 285) haben in ihrer qualitativen Analyse des Framings von Unternehmensübernahmen in finnischen Medien beobachtet, dass ein der „mainstream business rhetoric“ entsprechender Diskurs die Wirtschaftsberichterstattung dominiert. Die Einbettung von M&As in solcherart ausgestaltete Frames entspricht durchaus deren Funktion, nicht nur als Interpretations-, sondern auch als Klassifikationsmuster zu fungieren (vgl. Löblich 2014, S. 63), das eine mehr oder minder intuitive Zuordnung zu bestimmten Typen erlaubt (vgl. Risberg et al. 2003, S. 124). Wir fragen daher, inwieweit Nachrichtenmedien im Framing von M&As theoretischen Erklärungsmustern folgen (FF1).

An diese Überlegungen schließen zunächst zwei weitere, zum Teil entgegengesetzte Überlegungen an. Zum einen könnte bei einer schablonenhaften Einordnung von M&As die in internationalen Studien beobachtete Tendenz des professionellen Journalismus zum Tragen kommen, neoliberale Instrumente wie Effizienzsteigerung, Privatisierung und Deregulierung prinzipiell zu unterstützen (vgl. u. a. Berry 2019; Lamoureux 2019; Preston und Silke 2011). Hellgren und Kollegen (2011, S. 24) sowie Vaara und Tienari (2002, S. 295) konnten am Beispiel Schwedens und Finnlands zeigen, dass eine solche Tendenz auch im Hinblick auf die Erklärung und Legitimierung von M&As die Medienberichterstattung dominiert. Dementsprechend lautet die zweite Forschungsfrage, ob Nachrichtenmedien M&As vorrangig in einen marktorthodoxen Rahmen stellen (FF2).

Andererseits ist zu vermuten, dass die oft beträchtliche Bedeutung von M&As für eine Region einen hohen Stellenwert in der medialen Darstellung einnimmt, zumal Medien eine Arena für die Konstruktion kollektiver Identitäten bieten, die sich auch in der Art des Framings von Ereignissen und Sachverhalten niederschlagen (vgl. Polletta und Ho 2006; Waxell 2016). Kollektive Identitäten werden insbesondere dann aktiviert, wenn – wie eine schwedisch-finnische Vergleichsstudie (vgl. Risberg et al. 2003) belegt – einander widersprechende Interessen auf dem Spiel stehen, wie es bei transnationalen Unternehmensübernahmen häufig der Fall ist. Eine mögliche Folge davon wäre eine Art „regionale Schizophrenie“ in der Darstellung aktiver und passiver Übernahmen, die der generellen Geltung einer marktorthodoxen Perspektive entgegenwirken würde. So weist etwa Bandelj (2003, S. 387) auf Widersprüchlichkeiten im politischen Umgang mit M&As in Slowenien hin, indem sie eine Diskrepanz zwischen allgemeinen neoliberalen Globalisierungsdiskursen einerseits und Strategien zur Sicherung nationaler Eigentümerverhältnisse andererseits feststellt. In diesem Sinn ist danach zu fragen, ob aktive Übernahmen eher marktorthodox und passive Übernahmen eher heterodox geframt werden (FF3).

Das Fehlen einer verbindlichen wissenschaftlichen Expertise, auf die Journalist*innen zurückgreifen und so Analyse und Bewertung an akademische Diskurse delegieren könnten (vgl. Huber 2014), macht die mediale Vermittlung zweifellos offener für die Einbeziehung externer Faktoren. Hier sind zunächst die beobachtbaren regionalen Auswirkungen aktiver und passiver Übernahmen, vor allem aber mögliche Einflüsse der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu nennen, die insbesondere dann die mediale Aufmerksamkeit wie das Medienframing beeinflussen könnten, wenn sie krisenhaften Charakter annehmen. Dies trifft im Untersuchungszeitraum zweifellos zu, da nach 2009 die globale Finanzkrise, die zwei Jahre zuvor in den USA ihren Ausgang genommen hatte, die europäische Wirtschaft erschütterte und in der Eurokrise mündete. Wir fragen daher, ob sich das Framing aktiver und passiver M&As über die Zeit verändert (FF4).

Eine letzte Forschungsfrage bezieht sich schließlich auf die Art und Weise, wie kollektive Identitätskonstruktionen in die Medienberichterstattung einfließen. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass der Blick auf die eigene Region lediglich im Falle passiver Übernahmen einem marktorthodoxen Framing entgegenwirken sollte. Nun haben aber frühere Studien gezeigt, dass Identitätskonstruktionen vor allem den „strategic demands of making claims effectively“ dienen, sodass sie durchaus im Dienst unterschiedlicher ideologischer Zielsetzungen stehen können (vgl. Polletta und Ho 2006, S. 192). Das heißt, dass eine identitätsbildende „Wir versus sie“-Dichotomie durchaus in jedem rationalen, regionalökonomischen Perspektiven folgenden Diskurs eingebettet sein kann, ohne die Grundannahmen der jeweiligen Perspektive anzutasten (vgl. Risberg et al. 2003, S. 126) – im Gegenteil: sie könnte sogar dazu beitragen, deren Geltungsanspruch zu untermauern. Das kann durch Argumente geschehen, die einen Sachverhalt in einem orthodoxen, heterodoxen oder relationalen Sinn interpretieren und zugleich explizit oder implizit identitätsbildende Aspekte – etwa durch den gewählten geographischen Bezugspunkt der Interpretation (vgl. Waxell 2016, S. 750) – einbringen. Aus regionalökonomischer Sicht entsteht dadurch ein Bias in der Berichterstattung. Wir gehen daher der Frage nach, ob und wenn ja welche identitätsbildenden Argumente im Framing der M&As verwendet werden (FF5).

3 Methode

3.1 Auswahl der M&As, Medien und Medienbeiträge

Gegenstand der Studie sind zwei passive und drei aktive M&As, die in Wien zwischen 1999 und 2016 stattgefunden haben. Die beiden passiven M&As, die Übernahme der Bank Austria durch die Bayerische HypoVereinsbank (HVB; und später durch die UniCredit) und jene der Bawag P.S.K. durch den US-Fonds Cerberus, gelten als die zwei wichtigsten M&As im Wiener Bankensektor seit 1990. Die drei untersuchten aktiven M&As – die Übernahme der Banca Comercială Română (BCR) durch die Erste Bank und die Übernahmen der ukrainischen Bank Aval und der Polbank durch die Raiffeisen Bank International (RBI) – gehören zu den am häufigsten berichteten Banken-Übernahmen in diesem Zeitraum.Footnote 3

Die Medienanalyse beruht auf der Wirtschaftsberichterstattung der beiden auflagenstärksten österreichischen Qualitätstageszeitungen Der Standard und Die Presse. Beide Zeitungen sind in Wien angesiedelt und werden auch hauptsächlich dort verbreitet und gelesen. Während des Untersuchungszeitraums hatten sie einen durchschnittlichen landesweiten Marktanteil von 6 bzw. 4 %; innerhalb Wiens kamen sie auf beachtliche 13 bzw. 11 %.Footnote 4 Als sogenannte Meinungsführer-Medien bleibt ihre Berichterstattung nicht ohne Auswirkungen sowohl auf politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger als auch auf andere Medien (vgl. Schenk und Mangold 2011). Der Standard versteht sich als liberale Zeitung, die von politischen Parteien, Institutionen und Interessensgruppen unabhängig ist. Gleichwohl kann seine politische Orientierung als mitte-links eingestuft werden. Eigentümer der Presse ist eine katholische Stiftung; die Zeitung kann als konservativ-liberal mit einer starken Betonung der freien Marktwirtschaft beschrieben werden.

Wir verwendeten die Suchmaschine des APA Online ManagersFootnote 5 für die Ermittlung der Medienberichte über M&As im Bankensektor. Dafür wurde in mehreren Suchläufen das Stichwort „Übernahme“ in Verbindung mit den Namen der involvierten Geldinstitute eingegeben. Für die fünf genannten Übernahmen konnten so im Untersuchungszeitraum von 1999 bis 2016 insgesamt 4959 Berichte und Kommentare gefunden werden. Selbst nach Ausschluss von primär faktenorientierten Kurzberichten (von weniger als 30 Zeilen) verblieben noch 1614 Beiträge, von denen zu erwarten war, dass sie die Übernahmen in einen größeren Kontext stellten. Tab. 1 zeigt, dass ein erheblicher Unterschied im Umfang zwischen der Berichterstattung über aktive und passive M&As besteht. Von den 1614 Beiträgen befassten sich 57 % mit der Übernahme der Bank Austria durch die HypoVereinsbank und 32 % mit der Übernahme der Bawag durch Cerberus. Demgegenüber bezogen sich nur 11 % auf die drei aktiven Übernahmen.

Tab. 1 Grundgesamtheiten und Samplegrößen der Medienbeiträge (> 30 Zeilen)

Um Veränderungen in der Berichterstattung im Zeitverlauf untersuchen zu können, ordneten wir in einem nächsten Schritt die Beiträge drei Phasen zu, die sich einerseits aus der Literatur ableiten lassen (für einen Überblick vgl. Calipha et al. 2010, S. 7) und andererseits der Entwicklung der Weltwirtschaft im Untersuchungszeitraum Rechnung tragen: Phase 1 umfasst die Zeit vor – d. h. seit der (medialen) Ankündigung – und während der Übernahme (pre-merger und merger phase), Phase 2 beschreibt den Zeitraum nach der Übernahme, in dem sich die regionalen Auswirkungen bemerkbar zu machen beginnen (post-merger phase), und Phase 3 bezieht sich auf langfristige Effekte. Nur wenige Phasengliederungen von M&As nehmen diese Differenzierung der post-merger phase vor, und wenn, dann verraten die Bezeichnungen wie „efficient implementation“ (Farley und Schwallie 1982; zit. nach Calipha et al. 2010, S. 7) oder „stabilization“ (Napier et al. 1989, S. 121) eine a priori gegebene affirmative Sicht. In Bezug auf den Zeitraum unserer Studie lassen jedoch empirische Arbeiten vermuten, dass die globale Finanzkrise die Evaluierung von Unternehmensübernahmen beeinflusst hat (vgl. Golinski und Henn 2015, S. 12), weshalb wir sie mit 2009 ansetzen, dem Zeitpunkt des Beginns der Finanzkrise, die europaweit gravierende soziale und sozioökonomische Folgen hatte und die öffentlichen Rufe nach mehr Kontrolle des Bankensektors lauter werden ließ. Eine Ausnahme bildet die Bank Austria, deren Übernahme durch die HypoVereinsbank bereits 2005 langfristige Effekte in der Übernahme der HVB durch die italienische UniCredit zeitigte. Nachdem die Übernahme der Polbank durch die Raiffeisen Bank International während der Finanzkrise stattfand, fallen hier die Phasen 2 und 3 zusammen. Die zeitliche Verteilung der Medienbeiträge zeigt in den meisten Fällen eine Zunahme der medialen Aufmerksamkeit in der dritten Phase gegenüber der zweiten, im Fall des osteuropäischen Engagements der RBI sogar gegenüber der ersten Phase (Tab. 1).

Tab. 2 Operationalisierung der M&A Frames

Angesichts der unterschiedlich hohen medialen Aufmerksamkeit für die fünf M&As und da wir die Framingmuster von aktiven und passiven Übernahmen im Zeitverlauf untersuchen wollen, haben wir für die Inhaltsanalyse aus der Grundgesamtheit von 1614 Beiträgen eine disproportional geschichtete Zufallsstichprobe, basierend auf logarithmischer Proportionalität, gezogen (vgl. Riffe et al. 2019, S. 82). Dieses Verfahren zielt darauf ab, Gruppen mit kleinen Populationen im Sample zu überrepräsentieren. Dadurch erreichten wir annähernd große Stichproben für die beiden Formen von Unternehmensübernahmen und ausreichend große Stichproben für alle fünf Fälle und die drei definierten Phasen, sodass Vergleiche zwischen den jeweiligen Einheiten möglich sind. Mit Hilfe des in SPSS implementierten Pseudozufallsgenerators Mersenne-Twister wurde insgesamt 150 Medienberichte ausgewählt (Tab. 1).

3.2 Der Framing-Ansatz

Unter Berücksichtigung der Forschungsfragen erfolgt die Operationalisierung des Frames im Sinne eines Mixed-Methods-Ansatzes sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Weil wir nach dem bisherigen Forschungsstand erwarten, dass Medien in der Interpretation und Evaluierung von M&As bestimmte, den ökonomischen Hauptströmungen entsprechende Perspektiven einnehmen, schlagen wir theoretisch fundierte Frames vor. Sie operationalisieren die drei Perspektiven auf die regionalen Auswirkungen von M&As – orthodox, heterodox und relational. Dieser Ansatz entspricht dem Konzept themenspezifischer Frames, die im Gegensatz zu generischen Frames ein hohes Maß an Spezifizierung und Detailliertheit in Bezug auf das untersuchte Ereignis oder Thema (vgl. de Vreese und Lecheler 2012, S. 295) erlauben. Die Operationalisierung von themenspezifischen Frames beruht auf der Annahme, dass ein Frame aus (vorab definierten) Elementen der wahrgenommenen Realität besteht, die gemeinsam eine kohärente Argumentationskette bilden, „a narrative that highlights connections among them to promote a particular interpretation“ (Entman 2007, S. 164; vgl. auch Seethaler und Melischek 2011, S. 104). Diese den konzeptionellen Inhalt eines Frames transportierenden Elemente können – im Unterschied zu den auf die sprachliche Ausgestaltung eines Frames bezogenen „framing devices“ – als „reasoning devices“ bezeichnet werden (vgl. Gamson und Modigliani 1989, S. 3). Definiert als Ursachen, Folgen und normative Wertungen eines potenziell konflikthaltigen Sachverhalts (vgl. u. a. Gamson und Modigliani 1989, S. 3–4; Van Gorp 2007, S. 64; Brugman et al. 2017, S. 182; Dan 2018, S. 13), erfüllen sie die Framing-Funktionen, die Entman (1993, S. 50) in seinem „für die Untersuchung von konfliktbehafteten Themen oder politischen Debatten“ besonders geeigneten Konzept (Löblich 2014, S. 67) beschrieben hat, nämlich „problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation“. In unserer Studie zu den medial vermittelten Deutungsmustern aktiver und passiver Unternehmensübernahmen beziehen sich

  • Ursachen auf die Motive und Aktionen, die zur Unternehmensübernahme geführt haben;

  • Folgen auf die durch die Übernahme erwarteten oder bereits beobachteten Konsequenzen für die Wirtschaft der Herkunfts- und Zielregion wie auch für das Unternehmen generell und die Konzernzentrale im Besonderen und

  • normative Bewertungen auf die Gesamtbeurteilung der Unternehmensübernahme, die in der Regel Ursachen- und Folgenzuschreibung als vorteilhaft oder nachteilig resümiert.

Diese Frame-Elemente können, so unsere Annahme, Aussagen enthalten, die einer orthodoxen, heterodoxen oder relationalen Perspektive entsprechen. Tab. 2 fasst ihre für die quantitative Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung vorgenommene Operationalisierung gemäß den drei Perspektiven zusammen. Die der Studie zugrundegelegten Medienbeiträge wurden nach Aussagen gegliedert, die auf das Vorhandensein von Frame-Elementen, also von Ursachen, Folgen und Bewertungen von M&As, geprüft wurden. Ursachen und Folgen (auf Unternehmens- und regionaler Ebene) wurden, wenn möglich, den drei theoretischen ökonomischen Perspektiven zugeordnet, Bewertungen gemäß einer siebenstufigen Skala codiert. Gemeinsam in einem Beitrag auftretende Elemente wurden dann als ein kohärentes Frame identifiziert, wenn sie in ihrer Gesamtheit ein spezifisches, einer der theoretischen Perspektiven entsprechendes Muster bildeten. Dieser auf die ersten vier Forschungsfragen bezogene Teil der Analyse untersucht erstens, ob sich in der Berichterstattung über M&As Frames finden lassen, die ein konsequentes Narrativ entwickeln, das einer dieser Perspektiven entspricht. Sie untersucht zweitens, ob sich ein dominierendes Frame beobachten lässt, drittens, auf welche M&As welche Frames angewendet werden, und viertens, ob sich das jeweilige Framing im Zeitverlauf ändert.Footnote 6

Im Unterschied zu diesen vier Forschungsfragen bedarf die Beantwortung der Frage nach strategisch eingesetzten regionalen Identitätskonstruktionen einer qualitativen Analyse. Wie Löblich (2014, S. 67) darlegt, kann eine qualitative Frame-Analyse dann besonders gut an eine quantitative Analyse anschließen, wenn diese framedefinierende Elemente als Untersuchungskategorien benutzt hat. Die bereits definierten Kategorien können so innerhalb einer kohärenten Konzeption um weitere, aus anderen theoretischen Ansätzen kommende Kategorien erweitert werden. Demnach beschäftigt sich der qualitative Teil der Codierung insofern mit den Narrativen als „expression of a frame in a „storified“ structure“ (Aukes et al. 2020), als er anhand der identifizierten Frame-Elemente danach fragt, ob Aspekte thematisiert werden, die explizit oder implizit identitätsbildenden Charakter haben und gegen die globale Geltung einer Argumentationslinie sprechen.Footnote 7

4 Quantitative Ergebnisse

4.1 Aufmerksamkeit und generelle Framingmuster für M&As

Wie bereits angemerkt, wurde in den ausgewerteten Zeitungen über passive M&As bedeutend mehr berichtet als über aktive. 89 % aller Beiträge in der Grundgesamtheit behandeln die Übernahmen der beiden großen Wiener Banken durch ausländische Unternehmen. Die Medienberichterstattung erreichte besonders in der ersten Phase, d. h. vor und während der Übernahme, einen Höhepunkt: Fast 40 (Bawag/Cerberus) bzw. 25 % (Bank Austria/HVB) aller Berichte über diese beiden Fälle erschienen in diesem im Vergleich zu den anderen beiden Phasen relativ kurzen Zeitraum von ein bzw. zwei Jahren (Tab. 1) – was die den passiven Übernahmen zugeschriebene Bedeutung deutlich unterstreicht. Doch die mediale Aufmerksamkeit blieb auch in den darauffolgenden Jahrzehnten hoch. Im Falle der Bank Austria sorgte dafür schon allein die Übernahme ihres Eigentümers, der HVB, durch die italienische UniCredit, durch die der „Vertrag der Regionen“ zwischen HVB und Bank Austria in Frage gestellt wurde. Er hätte garantieren sollen, dass die Osteuropazentrale in Wien bleibt. 2015 kündigte die UniCredit diesen Vertrag tatsächlich und verlegte den Hauptsitz von Wien nach Mailand. Unter den aktiven M&As war es nur die Übernahme der rumänischen BCR durch die Erste Bank, die größte damalige Auslandsinvestition eines österreichischen Unternehmens, die anfänglich einen kleinen Höhepunkt der Aufmerksamkeit erreichte. Die anderen beiden aktiven Übernahmen wurden zwar im Zuge der Transaktion kaum wahrgenommen, aber die Zeitungen schenkten ihnen während der globalen Finanzkrise zunehmend Aufmerksamkeit.

Es ist bemerkenswert, dass 145 der 150 Beiträge in der Stichprobe Ursachen, Folgen und Bewertungen der M&As anbieten; diese Elemente ergeben in ihrer überwiegenden Mehrheit zusammen ein kohärentes Frame, dessen Argumente sich einer der drei ökonomietheoretischen Perspektiven zuordnen lassen. Nur zehn Prozent aller untersuchten Beiträge vermitteln das, was wir als „gemischtes Frame“ („mixed frame“; vgl. Peng et al. 2017) bezeichnen, d. h. dass die angebotenen Argumente zumindest auf theoretischer Ebene in sich widersprüchlich sind. Insgesamt ist dieses überraschend eindeutige Ergebnis (FF1) nicht nur ein Indiz für die Stringenz der Argumentation in den Medien, sondern auch für die Relevanz der vorgeschlagenen Operationalisierung des Framing-Ansatzes bei der Analyse von M&As.

Vergleicht man die Verteilung der Frames in den beiden untersuchten Zeitungen, so lassen sich kaum Abweichungen feststellen (Abb. 1). Beide Zeitungen bevorzugen generell heterodoxe Frames gegenüber orthodoxen, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß, und greifen selten zu relationalen Frames. In beiden Zeitungen entsprechen die dazugehörigen Bewertungen weitgehend den theoretischen Erwartungen: Orthodoxe Perspektiven werden erwartungsgemäß im Durchschnitt positiv und heterodoxe Perspektiven negativ evaluiert. Relationale Frames werden in der Presse meist neutral, im links-liberalen Standard jedoch eher negativ dargestellt. Insgesamt ist die Berichterstattung weitgehend kongruent, was gegen eine vorherrschende, nicht differenzierende marktorthodoxe Orientierung spricht (FF2) und insofern überrascht, als die beiden Zeitungen unterschiedlichen redaktionellen Linien folgen Sie schlagen sich lediglich in einer – nicht signifikanten – Differenz der Anteile orthodoxer und heterodoxer Frames nieder, die in der konservativen Presse geringer ist als im links-liberalen Standard. Aufgrund dieser hohen Übereinstimmung des Framings in beiden Zeitungen wird in der folgenden Darstellung nicht zwischen ihnen differenziert.

Abb. 1
figure 1

Framing von M&As in der Wiener Qualitätspresse. (Verteilung der Frames: χ2(3, 145) = 2,61; n. s./Bewertungen (MANOVA): F(2, 142) = 0,91; p = n. s.; partielles η2 = 0,01; Wilk’s Λ = 0,99/N = 145)

Im Gegensatz zum deutlichen Unterschied in der Medienaufmerksamkeit für aktive und passive M&As liefert die Analyse der Framingmuster zunächst auf den ersten Blick weniger klare Ergebnisse (Abb. 2). Für beide Kategorien von M&As finden sich heterodoxe Frames in mehr als der Hälfte der Berichte, was darauf hindeutet, dass die Wiener Qualitätspresse in der Einschätzung von M&As eher vorsichtig und nicht allzu optimistisch ist. Sie bewirken, dass die durchschnittliche Bewertung für beide Übernahmeformen mit 4,33 auf einer siebenstufigen Skala eher negativ (wenn auch überraschenderweise nur geringfügig negativ) ausfällt. Bei passiven Übernahmen ist jedoch im Vergleich zu den aktiven der Anteil der orthodoxen Frames signifikant geringer. Die ebenfalls signifikanten Unterschiede in den Bewertungen gehen primär darauf zurück, dass die (erwartete) positive Bewertung orthodoxer Perspektiven und die negative Bewertung heterodoxer Perspektiven weiter auseinanderklaffen als im Falle aktiver Übernahmen. Passive M&As weisen überdies einen vergleichsweise hohen Anteil an relationalen und gemischten Frames auf, was als Indiz für eine größere Unsicherheit bezüglich der Implikationen dieser Investitionen für die Wiener Region verstanden werden kann. Man kann also von einem unterschiedlichen Framing der beiden Übernahmeformen sprechen (FF3), allerdings ist in beiden Fällen das Gesamtbild heterodox geprägt.

Abb. 2
figure 2

Generelles Framing aktiver und passiver M&As. (Verteilung der Frames: χ2(3, 145) = 10,440; p < 0,05/Bewertungen (MANOVA): F(2, 142) = 3,68; p < 0,05; partielles η2 = 0,05; Wilk’s Λ = 0,95/N = 145)

4.2 Die Transformation des Framings im Laufe der Zeit

Ein differenzierter Eindruck ergibt sich, wenn man den Zeitverlauf berücksichtigt. Eine vergleichende Analyse der drei Phasen zeigt zunächst für passive Übernahmen, dass sich das Framing nicht wesentlich ändert (Abb. 3). Alle drei Phasen weisen ein mehr oder minder überwiegendes, leicht negativ evaluiertes heterodoxes Framing auf, auch wenn sich in der zweiten Phase das Angebot an unterschiedlichen (und damit widersprüchlichen) Frames auffächert. In dieser Phase treten üblicherweise die regionalen Effekte der M&As deutlich zutage, woraus sich offenkundig eine stärker kontroverse öffentliche Debatte entwickelt.

Abb. 3
figure 3

Framing der aktiven und passiven M&As im Zeitverlauf. (Verteilung der Frames: Passiv – Craddock-Floods χ2(6, 75) = 3,28; n. s.; Aktiv – Craddock-Floods χ2(4, 70) = 32,05; p < 0,001/Bewertungen: Passiv – F(2, 72) = 0,04; n. s.; Aktiv – F(2, 67) = 30,25; p < 0,001/N = 145)

Demgegenüber verändert sich das Framing von aktiven M&As markant. In der ersten Phase, d. h. vor und während der Übernahme, werden sie im Unterschied zu der auf passive M&As überwiegend angewendeten heterodoxen Perspektive orthodox – und zwar fast ausschließlich orthodox – geframt und entsprechend positiv evaluiert. Für diese erste Phase gibt es also offenbar Grund zur Annahme einer „regionalen Schizophrenie“, die wir zunächst mit Blick auf den gesamten Untersuchungszeitraum nicht diagnostiziert hatten. Ähnlich dem Framing der passiven M&As gerät das Bild in der zweiten Phase jedoch auch hier ins Wanken, weil negative Effekte für die Wiener Zentralen infolge steigender Risiken in den Tochterunternehmen thematisiert werden, was sich in einer Zunahme heterodoxer Frames ausdrückt. Diese kontroverse Einschätzung der aktiven M&As mündet in der dritten Phase schließlich in einer radikalen Abkehr vom anfänglichen orthodoxen hin zu einem heterodoxen Framing, dessen Dominanz nicht nur deutlicher ausfällt als im Falle der passiven M&As, sondern auch mit einer stärker negativen Bewertung einhergeht. Die globale Finanzkrise, welche die meisten Volkswirtschaften in Zentral- und Osteuropa stark getroffen hatte, könnte dabei eine Rolle gespielt haben, zumal nur außergewöhnliche Ereignisse imstande sind, ein Geschehen in dieser späten Phase der Übernahmen in der öffentlichen Diskussion zu halten.

Da die bisherigen Ergebnisse die Bedeutung eines Zeitvergleichs untermauern (FF4), soll im nächsten Schritt ergänzend das Framing der einzelnen M&A-Fälle im Zeitverlauf betrachtet werden (Abb. 4). Für die passiven Übernahmen wird deutlich, dass trotz des mehrheitlich heterodoxen Framings Unterschiede in der Darstellung existieren. So finden sich in der Berichterstattung über die Bawag-Übernahme zunächst häufiger als bei der Bank Austria-Übernahme relationale und – eher auf Unsicherheiten in der Interpretation deutende – gemischte Frames. In der letzten Phase dagegen gewinnen orthodoxe Frames an Bedeutung und schwächen die ursprünglich negative Bewertung ab. Die (zweite) Übernahme der Bank Austria durch UniCredit führte hingegen zu einer zunehmend heterodox-negativen Einschätzung. Die Unterschiede im Framing der beiden passiven Übernahmen weisen darauf hin, dass in der medialen Rezeption die historischen Unternehmensspezifika (Gewerkschaftsbank versus Traditionsbank) sowie die Rahmenbedingungen des Übernahmeprozesses eine Rolle spielen (vgl. dazu Kapitel 5).

Abb. 4
figure 4

Framing der passiven Übernahmen im Zeitverlauf. (Verteilung der Frames: Bank Austria/HBV/UniCredit – Craddock-Floods χ2(6, 41) = 4,48; n. s.; Bawag/Cerberus – Craddock-Floods χ2(6, 34) = 6,74; n. s./Bewertungen: Bank Austria/HBV/UniCredit – F(2, 38) = 1,01; n. s.; Bawag/Cerberus – Craddock-Floods F(2, 31) = 0,92; n. s./N = 75)

Im Gegensatz dazu fällt das Framing der aktiven Übernahmen einheitlicher aus. Der für sie insgesamt beobachtbare Wandel von einem dominierend orthodoxen zu einem dominierend heterodoxen Framing trifft auf alle untersuchten Fälle zu (Abb. 5). Alle drei aktiven M&As zeigen eine deutliche Verschiebung hin zu einer kritischen Darstellung und negativen Bewertung der ursprünglich positiv-orthodox geframten Ostaktivitäten der Wiener Großbanken. Sie unterscheidet sich nur in der Stärke: Bei den beiden M&As der Raiffeisen in Polen und der Ukraine zeigt sich der Wandel stärker als bei der Übernahme des rumänischen Bankinstituts BCR durch die Erste Bank. Angesichts des optimistischen Anfangs vermittelt dieses Medienframing einen tiefen Sturz von „Erfolg“ auf „Misserfolg“.

Abb. 5
figure 5

Framing der aktiven Übernahmen im Zeitverlauf. (Verteilung der Frames: Erste/BCR – Craddock-Floods χ2(4, 22) = 10,81; p < 0,05; Raiffeisen/Bank Aval – Craddock-Floods χ2(4, 23) = 12,41; p < 0,05; Raiffeisen/Polbank – Craddock-Floods χ2(2, 25) = 9,72; p < 0,01/Bewertungen: Erste/BCR – F(2 19) = 2,84; p < 0,10; Raiffeisen/Bank Aval – F(2 20) = 16,74; p < 0,001; Raiffeisen/Polbank – F(1, 23) = 23,40; p < 0,001/N = 70). (*Da die Übernahme der Polbank während der Finanzkrise stattgefunden hat, fallen die zweite und dritte Phase zusammen)

5 Qualitative Ergebnisse

Die quantitative Analyse lässt einige Punkte offen. Sie laufen auf die Frage nach einer regionalen Identitätskonstruktion hinaus, die den Mediendiskurs zur Internationalisierung des Wiener Bankensektors gewissermaßen untergräbt (FF5). Erstens: Wie unterscheiden sich die Argumentationen bei aktiven und passiven M&As, deren Framing sich besonders in der ersten Phase deutlich unterscheidet? Spricht dieses unterschiedliche Framing tatsächlich für doppelte Standards, die wir als „regionale Schizophrenie“ bezeichnen? Zweitens: Impliziert die Entwicklung hin zu einer Dominanz von heterodoxen Frames in der dritten Phase gleichzeitig eine Konvergenz der Argumentationen? Finden auch für aktive M&As (einer heterodoxen Perspektive gemäß) die negativen sozialen und wirtschaftlichen Implikationen für die Ökonomien Zentral- und Osteuropas Erwähnung, was als Auflösung einer „regionalen Schizophrenie“ interpretiert werden könnte, oder wohnt den Argumentationen lediglich ein Selbstschutzmechanismus inne, dem es nur um die eigene Region geht? Wir konzentrieren daher die qualitative Analyse auf die Anfangs- und Schlussphase des Untersuchungszeitraums und beleuchten die Argumentationen, die hinter den Elementen der Frames stehen.

5.1 Anfangsphase: Regionale Schizophrenie – „wir“ und „sie“

Passive Übernahmen wurden in der ersten Phase mehrheitlich aus einer heterodoxen Perspektive wahrgenommen. Die Argumente der Zeitungsberichte lassen sich dabei unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen zuordnen: global, national und regional. Auf der globalen Ebene sind die Aktivitäten von (insbesondere in den USA ansässigen) Hedgefonds von Interesse und werden besonders kritisch bewertet. Im Rahmen der Cerberus-Bawag-Übernahme wird der Hedgefond als „Agent des Heuschreckenkapitalismus“ bezeichnet (Der Standard, 16.12.2006), der nur an einer kurzfristigen Profitmaximierung interessiert ist, mit negativen langzeitlichen Folgen für die regionale Wirtschaft:

Während drei Jahrzehnten seiner Kauftouren von heruntergekommenen Unternehmen auf drei Kontinenten wandte Cerberus Capital Management stets die gleiche Strategie an: Streichen, streichen und nochmals streichen. [Der Standard, 16.05.2007]

Finanzinvestoren wie Cerberus oder Lone Star sind „Zwischenhändler“ und halten ein Objekt nur auf Zeit. [Die Presse, 21.11.2006]

Die meisten (negativen) Evaluierungen betreffen allerdings die regionale Ebene, mit Betonung zweier Argumente: der negativen sozialen Implikationen für den Wiener Arbeitsmarkt aufgrund von Umstrukturierungen und Arbeitsplatzverlusten und, damit zusammenhängend, des Verlustes an Kompetenzen für Wien als strategischen Hauptsitz für Zentral- und Osteuropa. Das zuletzt genannte Argument wurde auf beide passiven M&As angewendet: die Bawag, die nach der Übernahme durch Cerberus alle osteuropäischen Töchter verkauft hat, und die Bank Austria, deren CEE-Hauptsitz sich mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten konfrontiert sah (während die Zentrale 2012 schließlich nach Mailand verlegt wurde). Insgesamt wurden beide passiven Übernahmen als eine Infiltration in den Wiener Bankensektor wahrgenommen, wobei die ursächliche Interpretation primär auf globaler Ebene und die Folgenzuschreibung primär auf regionaler Ebene geschah (z. B. der Verlust an strategischen Entscheidungskompetenzen). Medienberichte meldeten auch insofern Bedenken an, als sie diese passiven Investitionen als „Schuhlöffel“ für weitere Übernahmen bezeichneten.

In der Bankenbranche würde ein Bawag-Eigner Cerberus nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Die Konkurrenten [Anm.: Wiener Banken] fürchten, die hungrigen US-Investoren würden die ÖGB-Bank gleichsam als Schuhlöffel für weitere Übernahmen maroder Unternehmen nützen. [Der Standard, 10.11.2006]

„HypoVereinsbank lauert weiter auf günstige Akquisitionen“ …. „Die Bank Austria ist zwar für das operative Geschäft in Osteuropa zuständig, aber die Strategie für die HVB-Gruppe legt der Konzernvorstand fest.“ [Der Standard, 29.12.2000]

In einem Land ohne funktionierende Börse und ohne großen privaten Kapitalmarkt wird eben mehr vom Ausland aufgekauft als umgekehrt. Die Bank Austria wird eine wichtige Rolle in der Osteuropa-Strategie der bayrischen HypoVereinsbank spielen. Das ist schön. Es wäre noch schöner, wenn irgendein österreichisches Unternehmen … die Strategie bestimmen könnte. [Der Standard, 28.07.2000]

Die vergleichsweise selten vermittelten orthodoxen Argumente beschäftigten sich hauptsächlich mit den Implikationen der Übernahmen für Aktionäre und Aktienkurse, während ebenso seltene relationale Argumente den positiven Wissenstransfer von einem marktorientierten Investor (Cerberus) auf eine wenig wettbewerbsfähige, ineffiziente Bank in Gewerkschaftsbesitz (Bawag) betonten:

… bessere Nutzung des Synergiepotentials mit der CAFootnote 8 … resultierende Einsparungen … eine Milliarde Schilling pro Jahr. [Der Standard 20.07.2000]

„Die Amis werden in der Bawag den Staub aus den Ecken wedeln“, ätzt man in der Branche. [Die Presse, 03.02.2007]

Wie im Falle der passiven M&As können auch die für aktive Übernahmen in überwältigendem Ausmaß verwendeten orthodoxen Frames auf verschiedenen räumlichen Ebenen angesiedelt werden. Anstelle der globalen Ebene steht jedoch der regionalen Ebene die nationale Ebene der Zielmärkte gegenüber: Deren unterentwickelter Bankensektor würde den Wiener Banken ein enormes, wenn auch umkämpftes Wachstumspotential bieten, während die von Wiener Banken geleisteten Investitionen eine Aufwertung und Verbesserung der Bankeninfrastruktur der osteuropäischen Volkswirtschaften bedeuteten. Mögliche Jobverluste in den osteuropäischen Ländern werden kaum erwähnt, und wenn, erscheinen sie als Notwendigkeit.

„Rumänisches Finale: Erste Bank gegen Portugal.“ … „Spannend gestaltete sich das Rennen um die BCR bis zur letzten Minute. Während die Erste-Banker an ihrer Wachstumsstory weiterschreiben wollen, müssen die Portugiesen in Südosteuropa erst Fuß fassen.“ [Der Standard, 12.12.2005]

Die sprudelnden Ostgewinne österreichischer Konzerne sind einer der Hauptgründe, warum der Wiener Aktienmarkt seit 1000 Tagen einen Höhenflug hinlegt. [Die Presse, 02.08.2005]

„Das ausschlaggebende Argument für viele Unternehmen, in den polnischen Markt einzutreten, ist nicht gerade schmeichelhaft: Das Land hat in vielen Bereichen Aufholbedarf.“ … „Bei der Filialdichte gebe es noch viel Potential – selbst gegenüber anderen Staaten in Zentraleuropa.“ [Die Presse, 21.07.2011]

Auch die auf der regionalen Ebene angesiedelte Argumentation ist eindeutig dem orthodoxen Frame zugeordnet und betont stark die positiven Implikationen für den Wiener Bankensektor mit Verweisen auf steigende Markteffizienz, Profit und das sich daraus ergebende Wachstumspotential. Umgekehrt wird das Scheitern geplanter Übernahmen als eine Gefahr für Wiens Rolle als bedeutendes Zentrum für Zentral- und Osteuropa gesehen. Auch die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber westeuropäischen Banken wird in diesem Kontext thematisiert: Wiener Banken würden ihren Nimbus als erfolgreiche Akteure auf dem Markt verlieren.

Bietet er weniger als die Portugiesen, bekommt er die Bank nicht, und die Erste [Bank] käme an die Grenzen ihrer Wachstumsfantasie und ihr Nimbus wäre beschädigt. [Der Standard, 12.12.2005]

Erste-Bank-Töchter in fünf Ländern in Ost- und Südosteuropa stieg stärker als der Gewinn in Österreich. Mittlerweile stammen 67 % des Gewinns aus dem Osten. [Die Presse, 02.08.2005]

Die Kosteneinsparungen aufgrund von Synergieeffekten sollen sich auf jährlich 5 Mio. € ab dem Jahr 2008 belaufen. [Die Presse, 21.10.2005]

Die qualitative Analyse der Argumente bestätigt somit die aufgrund der divergierenden Frames für aktive und passive M&As während der ersten Phase naheliegende Annahme einer „regionalen Schizophrenie“ der Medienberichterstattung. Wir fanden kein Argument, das die negativen Implikationen von Wiens Internationalisierung durch Übernahmen im Bankensektor für Zentral- und Osteuropa in Betracht zog. Gewissermaßen wird dadurch die Ungleichheit der Kapitalflüsse zwischen Wien und den osteuropäischen Märkten durch eine ungleiche Medienberichterstattung perpetuiert oder zumindest argumentativ begleitet.

5.2 Schlussphase: Konvergenz aufgrund der Krise?

Die Medienrezeption in der späten Phase der M&As ist durch eine Konvergenz der Frames gekennzeichnet: Die quantitative Analyse hat ergeben, dass aktive wie passive M&As vor allem aus heterodoxer Perspektive, also generell viel kritischer als in der Eingangsphase, beurteilt werden. Erneut stellt sich die Frage, ob die jeweils vorgebrachten Argumente einen identitätsbildenden Bias aufweisen (FF5).

Für die passiven M&As unterscheiden sich die Argumente weitgehend nicht von jenen der ersten Phase. In beiden Fällen stehen die ausländischen Konzernzentralen sowie die Übernahme selbst unter Beschuss. Cerberus wird für seine intransparente Kommunikationsstrategie, für spekulative Finanzprodukte und für den Einsatz von Offshore-Finanzzentren kritisiert.

„Viele Engagements der US-Beteiligungsfirma haben sich als Fehlgriffe erwiesen.“ … „Das Minus hängt in erster Linie mit riskanten Finanzprodukten zusammen.“ [Die Presse, 16.03.2010]

Kritik riefen auch die hohen Dividenden für die Eigentümer sowie der beträchtliche Abbau von Arbeitsplätzen hervor, weil Umstrukturierungen, Sparprogramme und die Reduzierung des Branchennetzwerks nach der Übernahme zur Alltagspraxis wurden. Obwohl die Mediendarstellung vor allem auf heterodoxer Argumentation beruhte, die beispielsweise gesellschaftliche Implikationen oder den Umgang mit Arbeitnehmern hervorhebt, relativierten schon in der zweiten Phase relationale Frames, vor allem aber die auf die Zeit des Gewerkschaftsbesitzes der BAWAG Bezug nehmenden orthodoxen Frames in der dritten Phase die anfängliche negative Bewertung.

Die frühere Gewerkschaftsbank hat die Verlustzone nach vier Jahren verlassen. Der US-Mehrheitseigentümer, Cerberus, denkt derzeit nicht an einen Rückzug aus dem Institut. [Die Presse, 17.03.2011]

Die Amerikaner, die übrigens nicht gerade für einen pfleglichen Umgang mit ihren Mitarbeitern in Österreich bekannt sind, bekamen erstmals eine Dividende ausbezahlt – und zwar 325 Mio. €. [Der Standard, 21.10.2016]

Im Unterschied dazu verfestigte sich im Falle der Bank Austria-Übernahme die heterodox-negative Grundhaltung. So erweiterte sich das Spektrum der Folgenzuschreibungen über soziale Härtefälle und negative Implikationen für den Arbeitsmarkt hinaus: Der Transfer von Wissen und Kompetenzen sowie die Abführung von Unternehmensgewinnen an die Konzernzentrale wurden in ihren negativen Konsequenzen nicht nur für die Bank, sondern auch für Wien als Bankenzentrum dargestellt. Insbesondere die Aufkündigung des „Vertrags der Regionen“ und die Verlegung des Osteuropa-Zentrums durch die UniCredit von Wien nach Mailand im Jahr 2015 geriet angesichts des Verlusts von Entscheidungsfunktionen und der negativen Folgen für Wien als West-Ost-Drehscheibe ins Zentrum der Kritik. Insgesamt markiert diese Übernahme das Ende einer Ära in der Wirtschaftsgeschichte Wiens (vgl. Hampel 2005).

„Bilanztechnisch ressortiert CEE künftig nach Mailand – die Kuh ist sozusagen aus dem Stall.“ … „Die Bank Austria wird entthront: Die Italiener nehmen ihrer Tochter in Wien deren zentrale Aufgabe, die Zuständigkeit fürs gewinnträchtige Geschäft in Osteuropa. Um die Struktur der Unicredit „einfacher“ zu machen und die Steuerungsfunktionen zu bündeln, wird das CEE-Geschäft (mitsamt 47.800 Mitarbeitern) bis Ende 2016 nach Mailand übersiedelt.“ [Der Standard, 12.11.2015]

Während die Wirtschaftskrise in den Framing-Argumenten passiver M&As keine Rolle spielt, dominiert sie sehr wohl die Darstellung der aktiven M&As, besonders zwischen 2012 und 2015. Übernahmen im Allgemeinen, und besonders im Bankensektor, werden nun kritischer betrachtet, worin auch einer der Erklärungsfaktoren für die deutliche Verschiebung von einem orthodoxen zu einem heterodoxen Framing liegen könnte. Die Ostexpansion der Wiener Banken, lange Zeit eine Erfolgsgeschichte, und jene Topmanager, die dabei eine Schlüsselrolle einnahmen (wie beispielsweise Herbert Stepic), standen zunehmend in der Kritik:

„RBI-Chef Herbert Stepic ließ sich von den Raiffeisen-Generälen in den Bundesländern nicht viel sagen. Er war auch während der Finanzkrise bei der Osteuropa-Expansion nicht zu stoppen. Die Bank bekam Staatshilfe von 1,75 Mrd. € und kaufte trotzdem in Zentral- und Osteuropa zu, was nicht alle goutierten.“ … „Stepic ging damit einen anderen Weg als die Bank Austria oder die Erste Group, die sich aus Teilen Osteuropas zurückzogen.“ [Die Presse, 29.05.2013]

Auf welchen Argumenten beruht diese Kritik? Erstens wurden die M&As nun als Fehlentscheidungen eingeschätzt, weil die Wiener Banken mit den Übernahmen auch die Risiken der ausländischen Märkte gekauft haben – und dies noch dazu zu einem überhöhten Preis. Die damit verursachten hohen Folgekosten sowohl für die Wiener Banken (etwa durch die Abschreibung uneinbringbarer Kredite) als auch für den Staat, der die Ostexpansion mit Haftungsgarantien unterstützt hat, untergraben, so hieß es in der dritten Phase, die Stabilität des Finanzmarktes sowie des Finanzzentrums Wien.

„Die Talfahrt der Erste-Aktie ist allerdings kein Einzelfall. Praktisch alle Finanzwerte weisen massive Verluste auf.“ … „Analysten von Sal. Oppenheim werfen im Zuge der Finanzkrise die Frage auf, ob sich neben Raiffeisen International auch die Erste Bank in Osteuropa ein relativ hohes Risiko eingekauft hat.“ [Die Presse, 21.01.2009]

Die Notenbanker bestehen darauf, dass die Eigenkapitalquote der RBI nicht unter 14,2 % sinkt; … im Kern geht es dabei um die Erhaltung der Finanzmarktstabilität. [Der Standard, 26.04.2014]

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der die Veränderungen im Framing beeinflusst haben dürfte, war die massive Aufstockung von Fremdwährungskrediten, die ein wichtiger Grund für die hohe Rentabilität von Wiener Banken in Osteuropa war (vgl. Musil und Eder 2015), jedoch eine Zunahme in Forderungsausfällen zur Folge hatte. Jedenfalls wurde die Raiffeisen-Polbank-Übernahme nunmehr insbesondere deshalb kritisiert, weil Polbank der größte Gläubiger von Fremdwährungskrediten in Polen war. Auffällig ist jedoch, dass die negativen Folgen der M&As für die Zielländer (wie Stellenabbau, Filialschließungen und die Gefahr eines Kapitalabzugs von den Märkten Osteuropas) nur nebenbei Erwähnung fanden und größtenteils als Notwendigkeit erschienen.

„Vor allem in Polen, Ungarn und Kroatien wurden vor Krisenausbruch 2008 besonders viele Frankenkredite vergeben. Das rächt sich nun …“ … „Die RBI hat 2011 in Polen zugekauft und die polnische Polbank erworben. Das Institut war im riskanten Geschäft mit Fremdwährungskrediten besonders aktiv.“ [Der Standard 19.01.2015]

In Ungarn hat die RBI heuer im ersten Halbjahr neuerlich rund 83 Mio. € Verlust geschrieben. … tiefgreifende Restrukturierung… von rund 4000 Mitarbeitern im Jahr 2008 wurde der Personalstand auf mittlerweile 2770 reduziert. [Der Standard 20.11.2013]

Obwohl sich das Framing aktiver und passiver M&As in der späten Phase zu einer heterodoxen Perspektive hin wandelt, besteht also die regionale Schizophrenie in Form von deutlich auseinandergehenden Argumentationen fort. Die ungleiche Mediendarstellung beruht offenkundig darauf, dass die Implikationen für Wien, seinen Arbeitsmarkt, seine Position als Bankenzentrum und damit die Rentabilität lokaler Banken den bedeutungsvollsten Bezugspunkt für die Wahrnehmung der beiden Formen von M&As bildeten.

6 Diskussion

Obwohl die Folgen der Internationalisierung von Unternehmen bis in die Lebensbereiche vieler Menschen hineinreichen und zumindest die großen Übernahmen auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden, befassen sich nur wenige Studien mit der Rolle der Medien in diesen Prozessen. Sie ist aber schon deshalb nicht zu unterschätzen, weil die wenigsten Menschen Einblick in wirtschaftliche Vorgänge und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen haben und auf die Vermittlungsleistung der Medien angewiesen sind. Die Brisanz der medialen Vermittlung von M&As liegt darin, dass Journalist*innen auf keine allgemein anerkannte wissenschaftliche Expertise zurückgreifen können, sodass sich die Frage aufdrängt, ob sie einem der traditionellen theoretischen Erklärungsmuster zwischen Globalisierungseuphorie und -kritik oder vielleicht sogar einem neueren, wissens- und netzwerkbasierten Ansatz folgen und ob sie aktive und passive Übernahmen nach ähnlichen Kriterien darstellen oder nach den Erfordernissen der eigenen Region differenzieren. Eine Ungleichbehandlung im Sinne einer identitätsbildenden „Wir versus sie“-Dichotomie bezeichnen wir als „regionale Schizophrenie“, für die wohl über den ökonomischen Bereich hinausreichende Auswirkungen auf das kollektive Selbstverständnis angenommen werden müssten.

Die vorliegende Studie untersucht die Medienberichterstattung über Unternehmensübernahmen in einem Zeitraum von mehr als 25 Jahren – einem Zeitraum, der einen globalen Boom-Krisen-Zyklus abdeckt (1999 bis 2006), um mögliche, nicht zuletzt durch globale Faktoren bedingte Veränderungen in der medialen Vermittlung dieser Internationalisierungsprozesse auf Unternehmensebene berücksichtigen zu können. Gegenstand der Studie ist der Wiener Bankensektor, der seit den frühen 1990er-Jahren zahlreiche Übernahmen erlebte. Für die Langzeitanalyse der Wirtschaftsberichterstattung in der Wiener Qualitätspresse entwickelten wir im Sinne eines Mixed-Methods-Ansatzes ein Framing-Modell, in dem quantitative und qualitative Analysen ineinandergreifen. Konkret wurden für die quantitative Analyse mit Ursachen, Folgen und Bewertungen Elemente von drei themenspezifischen Frames definiert, die den unterschiedlichen – orthodoxen, heterodoxen und relationalen – ökonomischen Perspektiven auf M&As entsprechen und als Ausgangspunkte für die in der qualitativen Analyse ermittelten identitätsbildenden Argumente dienten. Medien-Frames beziehen sich auf die Art und Weise, wie ein Sachverhalt oder ein Geschehen „gerahmt“ wird, d. h. auf die Auswahl jener Aspekte, die hervorgehoben und zueinander in Beziehung gesetzt werden, um einem Geschehen einen bestimmten Sinn zu geben. Sie können damit in der individuellen Rezeption eine entsprechende Interpretation hervorrufen und auf gesellschaftlicher Ebene einen Sachverhalt im öffentlichen Interesse – und dem der politischen Entscheidungsträger – verankern (vgl. Kühne 2014, S. 306).

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen eine deutliche „asymmetrische“ Darstellung aktiver und passiver Übernahmen. Sie entspricht insofern einer „regionalen Schizophrenie“, als die Implikationen für Wien, seinen Arbeitsmarkt, seine Position als Bankenzentrum und die Rentabilität lokaler Banken für beide Formen von Übernahmen den bedeutungsvollsten Bezugspunkt bilden. Aktive M&As werden anfangs wesentlich positiver beurteilt als passive M&As, die allerdings – möglicherweise aufgrund ihrer höheren Bedeutung für den Alltag des Medienpublikums – größere Medienaufmerksamkeit genießen. Die unterschiedlichen Bewertungen korrespondieren mit unterschiedlichen theoretischen Frames: Trotz eines prinzipiell breiteren Repertoires an vermittelten Frames wird die Darstellung passiver M&As von heterodoxen Frames dominiert, welche die auf den Wiener Markt bezogenen regionalökonomischen und sozialen Implikationen in Betracht ziehen. Demgegenüber beurteilen die Medien aktive M&As anhand einer klar marktorthodoxen Argumentation, die mögliche negative Auswirkungen der Übernahmen für die Zielregionen ausblendet. Diese Linie entspricht der in früheren Untersuchungen beschriebenen neoliberalen Haltung von Mainstream-Medien, die freilich vor allem dann zum Tragen kommt, wenn die eigene Region – und das eigene Publikum – nicht von negativen Folgewirkungen bedroht zu sein scheint. Argumente, die im Sinne einer relationalen Perspektive auf Wissensnetzwerke verweisen, spielen kaum eine Rolle: Hier beobachten wir eine erhebliche Lücke zwischen aktuellen wissenschaftlichen und medialen Debatten, wobei letztere primär einem Schwarz-Weiß-Schema von orthodoxen versus heterodoxen Perspektiven folgen.

Im Laufe der Zeit zeigt sich eine Konvergenz im Framing aktiver und passiver Übernahmen, für die – wie die qualitative Analyse nahelegt – die Finanzkrise, welche die Märkte in Osteuropa besonders stark getroffen hatte, eine wichtige Triebkraft war. Während passive M&As weiterhin, wenn auch zunehmend, aufgrund von Umstrukturierungen und des Verlustes von Arbeitsplätzen sowie strategischer Entscheidungsbefugnisse kritisch gesehen werden, kippt das positive orthodoxe Framing der aktiven M&As ins Gegenteil. Der Grund dafür liegt jedoch nicht in der Thematisierung der übermäßigen Abhängigkeit des in ausländischem Besitz befindlichen Bankensektors der CEE-Region, sondern in einer nun kritischen Sichtweise der Rückwirkungen auf die Wiener Banken, auf den Stellenwert Wiens als Finanzzentrum und die finanzielle Stabilität in Österreich. Daher ist es keine Überraschung, dass Wiens Funktion als Bankenzentrum für Osteuropa, das auf ungleichen Investitionsflüssen und damit auf der Abhängigkeit der osteuropäischen Märkte beruht, in keinem der analysierten Artikel thematisiert wurde. Diese „asymmetrische“ Darstellung zeigt erneut einen auf die Auswirkungen auf die eigene Region gerichteten journalistischen Schwerpunkt. Während sich das Framing beider Formen von Übernahmen letztlich unter einer dominierenden heterodoxen Perspektive annähert, legen die dahinterliegenden Argumente eine regionale Schizophrenie offen.

Unsere Studie macht deutlich, dass die beiden ausgewählten Tageszeitungen in fast allen ihrer Beiträge (mit einer Länge über 30 Zeilen) über M&As voll entwickelte Frames verwendeten, die Ursachen, Folgen und Bewertungen zu einem bündigen Narrativ verknüpfen. Die Ergebnisse der quantitativen Analyse belegen, dass es das – wechselvolle – Zusammenspiel dieser Elemente ermöglicht, die vielschichtige und dynamische öffentliche Wahrnehmung und Bewertung wirtschaftlicher Prozesse zu bestimmen. Die qualitative Analyse ermöglicht es, die dahinterliegenden Argumente offenzulegen: in der vorliegenden Studie die identitätsbildende und die „regionale Schizophrenie“ untermauernde Unterscheidung zwischen „uns“ und „ihnen“.

Das für die Framing-Analyse gewählte Vorgehen, theoriegeleitete themenspezifische Frames zu entwickeln, hat sich in einem überraschend hohen Ausmaß bewährt. Lediglich in fünf der 150 zufällig ausgewählten Beiträge (das sind drei Prozent) fanden sich keine oder nicht den definierten Frame-Elementen zuordenbare Aussagen zu Ursachen, Folgen und Bewertungen der berichteten M&As. Da die der Operationalisierung zugrundeliegenden regionalökonomischen Perspektiven über den Bereich der Unternehmensübernahmen hinaus anwendbar sind (vgl. Bontrup und Marquardt 2021), würde unseres Erachtens der Versuch lohnen, das Verfahren auf andere Bereiche der Wirtschaftskommunikation zu übertragen. Allerdings wäre eine breitere Untersuchungsbasis, als sie in dieser Studie aus forschungsökonomischen Gründen verwirklicht werden konnte, ebenso wünschenswert wie ein vielfältiges, insbesondere diverse Online-Formate umfassendes Medienspektrum und internationale Vergleiche. In diesem Sinn umfassender angelegte Studien würden es auch ermöglichen, den Framing-Ansatz mit einer von den Ergebnissen unserer Untersuchung nahegelegten News-Bias-Perspektive oder einer Gatekeeping- versus Gatewatching-Perspektive zu verbinden. Denn in der angebotsseitigen Framing-Forschung stellt sich vor allem die Frage, warum Journalist*innen spezifische Frames präferieren, während sie andere unterschlagen oder zumindest herunterspielen, und wieso es im Zeitverlauf zu Veränderungen im Framing kommt (vgl. Shoemaker und Reese 2014, S. 176). Hier treffen zweifellos journalistische Routinen und weltanschauliche Orientierungen der Journalist*innen mit einer Reihe anderer Faktoren zusammen, zu denen Scheufele (1999, S. 109) soziale Werte und Normen, Auflagen und Zwänge innerhalb der Medienorganisation sowie Einflüsse, wenn nicht sogar Druck involvierter Interessensgruppen zählt. Um Teil der öffentlichen Agenda zu werden, muss ein Thema in einen Rahmen gestellt werden, in dem sich Bedeutungen verhandeln lassen und Interpretationen sich entwickeln und durchsetzen können, bevor neue Umstände ein Re-Framing des Themas erforderlich machen. Wie das Beispiel unserer Studie zeigt, spielt in diesen Prozessen des „Frame-Building“ der Rückgriff auf dem Publikum vertraute kognitive Schemata und Wertvorstellungen (vgl. Kühne 2014, S. 306f.) ebenso eine Rolle wie die Strategie, ein Thema mit emotional aufgeladenen Symbolen (wie Identität) zu verknüpfen, um es innerhalb eines gesellschaftlich akzeptierten Rahmens zu verankern (vgl. Seethaler 2017, S. 1541). Die Kommunikationsaktivitäten der von der damit verbundenen Interessenaggregation profitierenden Akteure in diesen Prozessen zu untersuchen wäre ein lohnender Forschungsgegenstand – von Wirkungsfragen ganz zu schweigen.

In seiner Breite kann der Framing-Ansatz zweifellos helfen zu verstehen, wie Medien wirtschaftliche Dynamiken erklären und vermitteln und wie sie dadurch die öffentliche Meinung beeinflussen können – was wiederum dazu drängt, nach den Bruchlinien und Schwachstellen in unserem Verständnis der regionalen wirtschaftlichen Sachverhalte zu fragen.