Jedes Wort sehe sich zuerst nach allen Seiten um, ehe es sich von ihm niederschreiben lasse, sagte Franz Kafka. Das war vernünftig von den Wörtern. Sie gaben nicht dem ersten Impuls ihres Urhebers nach, sondern erforschten und prüften zunächst einmal ihre Umgebung. Sie ergründeten Zusammenhänge, sie sicherten ihre Aussagekraft ab, sie bedachten ihre Wirkung. Eigentlich gingen die Wörter Kafkas wie gute Wissenschaftler vor.

Oft hätte ich mir in den vergangenen Jahren im Stillen gewünscht, dass auch die Wörter von Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sich so umsichtig gäben. Dass sie sich mehr stemmten gegen das, was in „Publish or Perish“-Hektik so fix aufs Papier drängt. Denn Schreiben, weiß auch Heiner Müller, ist ein Kampf gegen den Text, der entsteht. Müller war Schriftsteller. Aber was er da zur Maxime erhob, ist für jede Textarbeit gültig. Nach fast zwei Jahrzehnten als Redakteur der Publizistik ist es jedenfalls Zeit für einen Seufzer.

Ein Seufzer, kein Rundumschlag. Keine Pauschalkritik an der Sprachlosigkeit der akademischen Welt. In den vergangenen Jahren habe ich für diese Zeitschrift mit Gewinn viele Forschungsberichte, Essays und Kolumnen redigieren dürfen, deren Substanz mich fasziniert und deren sprachliche Klarheit mir zu bereichernder Einsicht verholfen hat. Und doch bin ich auch immer wieder verzweifelt an der Sprache von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die mitnichten stets so genau und zwingend schreiben, wie sie selbst glauben. Ihre Sprache stellt sich mir nach all den Jahren eher dar als ein Amalgam von Präzision und Unbedachtheit. Sie will auf keinen Fall von gestern sein und schleppt doch Altmodisches weiter. Sie will die Köpfe erreichen und bleibt doch auch verkopft, formelhaft und unattraktiv. Sie schaut sich keineswegs immer um nach allen Seiten, um sich abzusichern gegen den ersten bequemen Schreibimpuls. Sie will zum Verständnis der Welt beitragen und blockiert sich häufig genug selbst in Unverständlichkeit. Sie pocht auf politische Korrektheit und Gendergerechtigkeit und verweist mit Recht auf den Wandel von Gesellschaft und Sprache. Doch lässt sie andere Formen des Sprachwandels und der „Unkorrektheit“ oft genug außer Betracht.

Ein bisschen Polemik darf also heute sein.

1 Töpfe und Tonnen

Sprache in der Wissenschaft ist eine Sprache der Beweisführung. Sie dient in der Regel der Vermittlung von Forschungsergebnissen, die auf wissenschaftsintern eingeführten und anerkannten Verfahren beruhen. Bis zu einem gewissen Grad kann sie darum gar nicht anders, als sich auch eingeführter Sprachformen, ja -formeln zu bedienen. Ihre „Argumentationsbausteine“ unterliegen einer „mehr oder weniger strengen Gliederung“ (Hribal und Jarren 2001, S. 132). Sie braucht, wie jede andere Sprachvarietät, einen Bestand an Fachbegriffen, mit dem sie die interne Verständigung sichert. Ebenso braucht sie, da Wissenschaft nach theoretischer Komprimierung strebt, ein gewisses Maß an Abstraktion.

Die Frage ist nur, wie groß der „gewisse Grad“, wie maßvoll das „gewisse Maß“ sein muss. In einer Fachzeitschrift darf es zweifellos ein bisschen mehr sein als in der allgemeinen Medienberichterstattung. Die „Ästhetik sprachlicher Formen“ steht hier hinter dem wissenschaftlichen „Wahrheitsgehalt“ zurück (Hribal und Jarren, S. 131). Und doch gelten auch für das Gespräch unter Experten die Erkenntnisse der Verständlichkeitsforschung (die im Übrigen ein Verdienst unseres Faches sind; vgl. u. a. Früh 1980; Langer et al. 2019; Ballstaedt 2019). Dazu gehört: Texte die anregend geschrieben sind, die rhetorische Stilmittel bewusst einsetzen, die Satzbau und Satzlänge umsichtig kontrollieren, die nicht auf die immer gleichen Formeln zurückgreifen, die Fachbegriffe erhellend und nicht bloß als Katzengold einsetzen, um Eindruck zu schinden – solche Texte gefallen auch akademisch Gebildeten besser und sind auch für sie leichter und besser zu verstehen. Denn ob Menschen bereit sind, kognitive Anstrengung in die Lektüre eines Textes zu investieren, hängt erheblich davon ab, ob sie den Eindruck haben, er sei angenehm zu lesen. Das gilt erst recht für die Handvoll nicht-wissenschaftlicher Leserinnen und Leser unserer Journals wie zum Beispiel Medienjournalisten, die wir doch als Vermittler in die Gesellschaft dringend brauchen.

Auf gefällige Sprache hat also auch der Redakteur einer Fachzeitschrift zu achten. Damit komme ich zu den Töpfen und Tonnen, die neben meinem Schreibtisch stehen. Sie haben sich im Laufe der Jahre gefüllt mit all den Formeln, den Umständlichkeiten, den modischen und den altmodischen Begriffen, die ich glaubte streichen und ersetzen zu müssen. Einiges sei hier exemplarisch herausgefischt und, zugegeben, mit pädagogischem Zeigefinger kommentiert.

Das erste Gefäß neben meinem Schreibtisch ist das größte. Es ist ein riesiges altes Ölfass mit der Aufschrift Passiv (in Klammern darunter, rot, das Wort durchführen). Passivsätze sind Sprachstatistikern zufolge in der Schriftsprache ungleich seltener als Aktivsätze, weil unser Denken offenbar weit mehr auf das Handeln von Subjekten als auf die Behandlung von Objekten ausgerichtet ist. Das Verhältnis ist etwa 9 (Aktiv) zu 1 (Passiv) (vgl. Braun 1998, S. 139). Passivsätze häufen sich allerdings in den Texten aus Bürokratie und Wissenschaft. Dort scheint man es mit eigenständig handelnden Akteuren nicht so zu haben. Wobei in der Wissenschaft offensichtlich der Mythos objektiver Forschungsprozesse weiterlebt. Auf Vortragspodien, vor Fernsehkameras und in Gremien aller Art geben sich Forscherinnen und Forscher zwar gern als herausragende und verdienstvolle Subjekte; in ihren Texten aber verstecken sie ihre Subjektivität formelhaft in endlosen Passivketten. Da wird untersucht, wird ausgewählt, wird befragt, wird berechnet und wird, natürlich, davon ausgegangen, dass … – manchmal in zehn, zwölf Sätzen hintereinander, was die Methodenteile der Forschungsberichte zu einer Sprachwüste macht, in der alle Handelnden verdurstet zu sein scheinen. Dabei wissen wir doch, dass Wissenschaft eben kein objektiver Prozess ist, sondern ein Wettbewerb forschender Individuen, der zwar zu intersubjektiver Vergleichbarkeit führen kann, aber niemals individuelle Interessen und Bewertungen auszuschalten vermag. Wäre es also nicht redlicher, in den Methodenkapiteln zu sagen, ich habe oder wir haben die Probanden ausgewählt, unser Team hat den Versuch angeordnet, wir bewerten dieses Ergebnis so und so – und nun ordne du, subjektiver Leser, subjektive Leserin, mein/unser subjektives Vorgehen ein? Um zu vermeiden, dass der Text allzu „ich-bezogen“ wird, kann man im Übrigen immer auch auch auf andere Satzkonstruktionen zurückgreifen, die ohne Passiv auskommen. Aktivisch formulierte Aussagesätze, alle können es an ihren Texten selbst erproben, erlauben jedenfalls eine sehr viel lebendigere, variantenreichere und menschlich zugewandte Sprache.

Damit sind wir bei durchführen – dem Wort, das da in roter Farbe auch auf dem Ölfass steht. Es klebt nämlich nahezu immer an den Passivformen fest. Und es findet sich, behaupte ich, in jedem Methodenkapitel unserer empirischen Arbeiten. Eine Befragung, eine Inhaltsanalyse, eine teilnehmende Beobachtung … wurde durchgeführt. Punkt. Anders scheint man das nicht ausdrücken zu können. Ist uns, die wir so sehr auf politische Korrektheit pochen und aus gutem Grund bestimmte Wörter nicht mehr in den Mund nehmen bzw. auf Wandel drängen, eigentlich klar, wer dieses deutsche Wort bis zum Exzess als inhumane Tarnvokabel missbraucht und damit unbrauchbar gemacht hat? Vor noch gar nicht langer Zeit nämlich wurden in diesem Land Verhaftungen, Deportationen, Erschießungen durchgeführt – immer im Passiv, ohne verantwortliche Täter (aber mit vielen Opfern), als gleichsam unausweichliche, maschinelle und bürokratisch ablaufende Vorgänge. Im Wörterbuch des Unmenschen, jener berühmten Sammlung von Redewendungen und Vokabeln der Gewaltherrschaft, die nach der NS-Diktatur erstmals in der Zeitschrift Die Wandlung erschien, heißt es zur Charakterisierung des Begriffs:

Im „durchführen“ der vielen Erlasse oder Befehle steckte […] weniger das „Ausführen“ als das „Durchgreifen“ der oft bemühten eisernen Faust. Diese untergründige Beimischung gab dem Wort etwas Klirrendes, und dieses Geräusch wurde damals gern, oft gedankenlos hervorgebracht: es gehörte zum neuen Stil der Waffenröcke und Stiefel […]. Die Führer waren eines Tages verschwunden, aber das Durchführen blieb […]. Kein Imperator klirrt und droht mehr, [aber] ein hilfloser und eilfertiger Hantierer klappert [auch heute noch, G.R.] unfroh auf überkommener unverstandener Maschine. (Sternberger et al. 1986, S. 47–49)

Natürlich verdächtige ich niemanden, der das Wort durchführen heute in seinen Text einbaut, mit den Stiefeln und Waffenröcken unserer unseligen Geschichte zu sympathisieren. Aber müssten wir nicht auch mehr darüber nachdenken, mit welchen inhumanen Sprachtraditionen wir unbewusst noch hantieren und klappern?

2 Bedeutsamkeitsparfum

Nicht inhuman, aber seltsam lebensleer, steril und abweisend erscheinen die Begriffe aus dem Topf daneben. Plastikwörter steht darauf. So hat der Freiburger Germanist Uwe Pörksen (2011) Vokabeln genannt, die aus der Wissenschaft stammen, dann in die Alltags- und Werbekommunikation geflossen sind, dort aber nichts Substanzielles mehr bedeuten und sich nur noch wichtigtuerisch spreizen. Beispiele sind etwa Struktur, Konzept, Strategie, Synergie oder System. Entleert und zur sprachlichen Allzwecklösung geworden, wandern sie nun, so scheint es mir, wieder zurück in unsere wissenschaftlichen Texte: Da verändern sich Medienstrukturen durch neue Organisationsstrukturen und Personalstrukturen in den Redaktionen, ein Wandel, der strukturiert zu erforschen sei … Müssen wir wirklich so schreiben? Muss es wirklich immer und überall Struktur sein? Ließen sich nicht hier und da auch einmal Alternativen finden, die klarer und farbiger machten, welche Bedeutungsnuancen ein Begriff wie Struktur jeweils transportieren kann – Aufbau, Ordnung, Beschaffenheit, innerer oder äußerer Zusammenhang, übergeordnete Bedingungen oder Zwänge, gesellschaftliche im Gegensatz zu individuellen Gegebenheiten usw.? Und müssen wir die Plastikwörter auch noch miteinander verkleben und von Diskurskonzepten, von strategischen Synergieeffekten oder Rekontextualisierungslogik sprechen?

Während sich die Begriffe hier im Ungefähren verlieren, habe ich in Topf drei Wörter gesammelt, die man in aller Regel auch in der Wissenschaft nicht braucht, aber bewusst einsetzt, um eine Aussage „akademisch“ aufzuputzen. Man könnte es Hochstapelei mit Begriffen nennen. So wird aus der „Rufschädigung“ die Reputationsdestruktion, aus dem schlichten „sichtbar machen“ wird visibilisieren, aus „nachvollziehbar gestalten“ wird plausibilisieren und so fort. Da dürfen wir nun keinen Geringeren als den Kollegen Georg Christoph Lichtenberg, Professor für Experimentalphysik in Göttingen, um sein Gutachten bitten: „Die simple Schreibart ist schon deshalb zu empfehlen, weil kein rechtschaffener Mann an seinen Ausdrücken künstelt und klügelt.“ (Lichtenberg 1994, S. 157).

Nach Bedeutsamkeitsparfüm duften auch die Wörter in Topf vier. Sie sind oft der Leitsprache der Wissenschaft, dem Englischen, entnommen oder mehr schlecht als recht nachgebildet, meist aus reiner Bequemlichkeit, mitunter aber auch aus Imponiergehabe. Dann erinnern Autorinnen und Autoren an jene Zeitgenossen, die nach einem dreimonatigen Praktikum in den USA beim „Small Talk“ so tun, als hätten sie schon einen amerikanischen Akzent oder als fiele ihnen das deutsche Wort nicht mehr ein. Dieses Phänomen existiert natürlich nicht nur in der Sprache der Wissenschaft, und natürlich plädiere ich nicht für die Sprachschrebergärten deutschtümelnder Puristen. Ich frage mich nur, ob es wirklich die Wissenschaftlichkeit eines Textes erhöht, wenn wir ununterbrochen Wörter wie Agenda,Footnote 1 Disruption, generieren oder konnektiv benutzen. Müssen wir denn wirklich immer und immer wieder, was wir näher darstellen wollen, fokussieren oder einen Fokus darauf legen? Wir könnten ja auch einmal Schwerpunkte setzen, das Augenmerk auf etwas richten, etwas in den Mittelpunkt rücken, eingehender betrachten, unter die Lupe oder in Augenschein nehmen usw. Aber überall wird gleich ein Fokus gelegt.

In der Wissenschaft liest man viele amerikanische Aufsätze. Und, ja, ohne eine Vielzahl englischsprachiger Begriffe kommt man in den Sozialwissenschaften schlecht aus. Aber müssen wir dann auch noch schreiben, sie argumentiert, dass (she argues that), müssen wir unbedingt etwas adressieren (to address something)? Ganz oben in der Beliebtheitsskala der gedankenlos hingeworfenen Anglizismen, vor allem in Forschungsberichten mit viel Statistik, steht übrigens die schlecht übersetzte Formel basierend auf (based on).

3 Holzböcke

Man will mit der Mode gehen, will modern sein auch in der Sprache der Wissenschaft. Und so schwirren Wörter wie Dystopie, volatil oder kuratieren, die noch vor wenigen Jahren völlig ungebräuchlich waren, genauso durch die Manuskripte, die der Publizistik angeboten werden, wie auch schon durch Artikel in Tages- und Wochenzeitungen. Vielleicht verbergen sich darin ja noch Spurenelemente von wissenschaftlichem Denken. Diese Spuren finden sich aber bestimmt nicht mehr in Tonne fünf. Aus ihr dringen lediglich die Klopfzeichen der Holzwürmer, die sich vor Jahrhunderten in die Dielen von Schreib- und Kanzleistuben gebohrt und seitdem in der Gelehrtenwelt (die doch eine Welt des Fortschritts sein sollte) überlebt haben. Ich spreche von jenen Unbeholfenheiten und Archaismen, welche die Sprache in der Wissenschaft auch prägen.

Das war gerade so eine Form: das Fragepronomen welcher/e/es als Relativpronomen. Ein Demokratieverständnis, welches … – ja, welches denn? Warum nicht „ein Demokratieverständnis, das …? Mag sein, dass auch hier die ständige Lektüre amerikanischer Forschungsliteratur durchschlägt („which“). Ich vermute aber eher, dass wir hier unreflektierten und seit Generationen im Deutschunterricht weitergeschleppten Stilidealen anhängen, die sich längst überlebt haben. Vielleicht soll diese Ausdrucksweise auch besonders „elaboriert“ wirken. Tatsächlich wirkt sie nur umständlich und gestrig. Welcher als Relativpronomen hat sich vermutlich zur Zeit Martin Luthers nach lateinischem Muster (qui) im Deutschen verbreitet. Und in der Sprache des Reformators und Bibelübersetzers klingt diese alte Form als Botschaft aus alter Zeit ja auch durchaus schön: „Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ Das wirkt weihnachtlich vertraut. Aber so können wir doch heute nicht mehr schreiben. „Stilistisch unschön“ und „Papierdeutsch“ vermerkt das Duden-Stilwörterbuch zu den Versuchen, welcher/e/es als Relativpronomen in der Moderne weiterleben zu lassen.

Aus der Kanzleistubenzeit stammen auch jene Präpositionen, von denen die Sprache der Wissenschaft nicht lassen will: seitens zum Beispiel. Das Wort führt automatisch in einen Stil hinein, vor dem die eigene Verständlichkeitsforschung warnt: Seitens der Gebührenkommission … Nun braucht man fast immer ein Passiv: Seitens der Gebührenkommission wurde … Und schnell noch einen Anglizismus drangehängt: Seitens der Gebührenkommission wurde argumentiert, dass … Fertig ist der ungestalte, halb altmodische, halb modische Wissenschaftssatz. Viel einfacher wäre es dagegen gewesen, seitens gleich in die Tonne zu werfen (man braucht das Wort tatsächlich nicht) und subjektbezogen zu schreiben: „Die Gebührenkommission vertrat die Auffassung, dass …“

Ich wühle weiter in der Tonne mit den Holzböcken: zwecks (in knarzendem Nominalstil: zwecks Prüfung der Daten, statt verbal: „um die Daten zu prüfen“), betreffs („Amtssprache“ laut Duden), bezüglich („Papierdeutsch“ heißt es ebenda), ausweislich oder, unausrottbar in den Methodenteilen unserer Aufsätze: mittels. „Papierdeutsch“ lautet auch hier das Urteil der Stilwörterbücher und macht damit erneut die Nähe von bürokratischer und wissenschaftlicher Sprache deutlich. Mittels soll auf Untersuchungsinstrumente und Methoden verweisen, aber das leistet das staubfreie und schlichte mit natürlich ebenso. Warum benutzen wir es dann nicht einfach, statt den Holzbock zu füttern? Schlagen wir denn auch einen Nagel mittels eines Hammers in die Wand? „Mit einer Inhaltsanalyse wollten wir herausfinden“ klingt jedenfalls lebensnäher als Mittels einer Inhaltsanalyse wurde untersucht …

4 Zum guten Ende

Immerhin: Behufs ist mir beim Redigieren noch nicht begegnet. Doch genug polemisiert. Nur ein kleiner Knuff noch: Natürlich findet sich auch in unseren wissenschaftlichen Texten, wozu gehobene Sprache immer schon neigte: die Scheu vor kurzen Sätzen, das Bedürfnis, möglichst viel in einer Satzperiode unterzubringen, um bloß nicht „banal“ zu wirken. Auch hier gilt aber: Übertriebene Satzkomplexität führt (genauso übrigens wie ein extrem kurzatmiger „Asthmastil“) zu einer negativen Anmutung beim Lesen und beeinträchtigt am Ende die Verständlichkeit von Texten, selbst bei geübten Lesern. Schlicht heißt in der Verständlichkeitsforschung eben nicht einfach schlecht. Es kommt auf Variation, Rhythmus, Gliederung des Satzbaus an.

Doch hier fällt meine subjektive Bilanz nach zwei Jahrzehnten Redaktionsarbeit gar nicht so negativ aus: Die Zeit der Monstersätze über 10 bis 15 Zeilen, der ineinandergeschobenen Nebensätze, der gehäuften Attributkontruktionen, die aus den Massenmedien schon lange verschwunden sind – diese Zeit scheint auch in Wissenschaftsbeiträgen abzulaufen. Vom Passiv abgesehen, entkrampft sich die Syntax unserer Aufsätze und Forschungsberichte allmählich.

Da darf der Redakteur zum guten Ende den erhobenen Zeigefinger endlich wieder senken.