1 Einleitung

Seit der Nachkriegszeit beschäftigt sich die Entwicklungskommunikation (Development Communication) mit der Frage, wie Kommunikation und Informationstechnologien so eingesetzt werden können, dass sie eine positive Entwicklung der Gesellschaft fördern. In der Praxis waren dies anfänglich verschiedene internationale Hilfsprogramme von wirtschaftlich starken Nationen – insbesondere Ländern Westeuropas und Nordamerikas –, die wirtschaftlich gering entwickelte Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens bei der Modernisierung ihrer traditionellen Kulturen unterstützen sollten (vgl. Höivik und Luger 2009, S. 322). Seitdem hat sich das Feld jedoch durch Paradigmenwechsel und Kritik aus Wissenschaft und Praxis weiterentwickelt.

Entwicklungskommunikation (EK) wird als Sammelbegriff für diverse Ansätze in dem Bereich verstanden.Footnote 1 Infolge der Kritik am normativ geprägten Begriff „Entwicklung“ wird der Bereich seit den 2000er Jahren auch als Communication for Social Change (C4SC) bezeichnet. Hier liegt das Augenmerk nicht mehr auf dem ökonomischen und technologischen Fortschritt, sondern auf strukturellen Determinanten sozialer und gesellschaftlicher Veränderungsprozesse sowie auf etablierten Ungleichheiten und Formen von Marginalisierung (vgl. Tufte 2017, S. 15).Footnote 2 Marginalisierung bezeichnet die Positionierung bestimmter Personengruppen am Rand einer Gesellschaft, die mit ökonomischen Defiziten und oftmals sozialer Isolierung und Diskriminierung einhergeht (vgl. Reutlinger 2010, S. 212). Infolgedessen bedeutet Marginalisierung wenig oder kein Mitspracherecht in öffentlichen Kommunikationsprozessen (vgl. Melkote und Steeves 2015, S. 69; Ratkovic 2018, S. 241; Servaes 2019a, S. 8), was die Randstellung wiederum verstärkt.

Die im Titel verwendete Bezeichnung Kommunikation für Sozialen Wandel (KSW) ist bisher lediglich die Übersetzung des Terminus C4SC, der im englischen Sprachraum etabliert ist, und nicht das konzeptionelle Pendant, da in der deutschen Akademia zur EK nur vereinzelt Veröffentlichungen erschienen, obwohl der Bereich in angrenzenden Disziplinen sowie international zunehmend an Bedeutung gewinnt (vgl. Servaes 2017, S. 10). Wir schlagen aber vor, den Terminus Kommunikation für Sozialen Wandel (KSW) beizubehalten, da er den westlich konnotierten Begriff der „Entwicklung“ vermeidet, in Anlehnung an den Ansatz der C4SC sämtliche Formen von Marginalisierung betrachtet und die partizipative Einbeziehung der Bürger*innen anstrebt.Footnote 3

Das Forschungs- und Praxisfeld um KSW ist auch heute noch anhaltender Kritik ausgesetzt. Ausgangslage für diesen Beitrag ist, dass sich die meisten Beiträge immer noch auf ökonomisch schwache Nationen und Länder des globalen Südens beziehen, obwohl spätestens seit der Jahrtausendwende in der akademischen Auseinandersetzung mit EK darauf aufmerksam gemacht wird, dass eine gesellschaftliche Transformation in allen Nationen, auch Industrienationen, relevant ist (vgl. Hamidi und Mielke Möglich 2019, S. 7). „Development is no longer a process reserved for ,developing countries’; all societies are developing as part of a global process, making the dichotomy of ’first’ and ’third’ worlds obsolete – at least in the geopolitical sense.“ (Hemer und Tufte 2005, S. 15) Wissenschaftler*innen kritisieren die in der westlichen Forschung weiterhin gepflegte „traditionelle“ Auffassung von Entwicklung, die von westlichen Idealen geprägt ist und technologischen Fortschritt als primären Weg zur Transformation und Stärkung einer Gesellschaft deutet (vgl. Mansell und Manyozo 2018, S. 325; Patel 2019, S. 4). Dies geht einher mit einem historisch geprägten Verständnis inhärenter Machtgefälle zwischen Geber- und Nehmerakteuren von Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Kannengießer 2014, S. 187; van Hoof 2016, S. 13), beziehungsweise zwischen Definierenden und Definierten oder zwischen Betrachtenden und Betrachteten. Es wird durch den anhaltenden Blick auf Nationen des globalen Südens und wirtschaftlich schwache Nationen verstärkt (vgl. Mansell und Manyozo 2018, S. 235; Patel 2019, S. 4).

Um das Verständnis von Entwicklung und gesellschaftlicher Transformation zu „ent-westlichen“ und gleichzeitig die empirische Forschung zu „verwestlichen“ (vgl. Ngomba 2013, S. 8), indem der Schwerpunkt auf Industrienationen gelegt wird, beschäftigt sich dieser Beitrag mit folgenden Fragen: Inwiefern eignet sich der Ansatz der KSW für die Erforschung des Zusammenhangs von Kommunikation und gesellschaftlicher Entwicklung in Ländern des globalen Nordens? Welche Aspekte einer gesellschaftlichen Transformation sind aktuell für die Gesellschaft in Deutschland relevant? Welche Formen von Ungleichheit und Marginalisierung treten in Industrienationen des globalen Nordens auf? Und warum sollte sich KSW diesen Formen von Ungleichheit und Marginalisierung widmen?

Der Beitrag legt zunächst Ursprung und Wandel des Feldes dar, vergleicht aktuelle Definitionen führender Wissenschaftler*innen und gibt einen Einblick in den deutschsprachigen Forschungsstand. Daraufhin werden aktuelle und anhaltende Kritiken und Forderungen beleuchtet und darauf aufbauend ein aktueller Ansatz der KSW formuliert, der diese Forderung einbezieht und auf Deutschland anwendbar ist. Im vierten Kapitel wird zusammenfassend betrachtet, wie das Forschungs- und Praxisfeld der KSW im globalen Norden und spezifisch in Deutschland aktuell zu betrachten ist und welche Aspekte von (struktureller) Marginalisierung in Deutschland für die Forschung relevant sein könnten. Der Beitrag plädiert abschließend sowohl für mehr empirische Forschungen als auch für die Etablierung eines Studienganges KSW in Deutschland.

2 Ursprung und Wandel des Feldes

Die westliche und lange Zeit dominierende Seite des kommunikationswissenschaftlichen Forschungsfeldes der EK entstand in der postkolonialen Zeit ab Mitte des 20. Jahrhunderts (vgl. Manyozo 2012, S. 224). Sie untersuchte Möglichkeiten, wie man Kommunikation strategisch einsetzen kann, um Problemen wie Hunger, Armut und struktureller Ungleichheit sowie infrastrukturellen und technischen Defiziten entgegenzuwirken. Dabei lag das Augenmerk auf wirtschaftlich schwachen Nationen – woraus ein defizitärer Blick auf Länder des globalen Südens entstand, der teilweise noch bis heute vorherrscht (vgl. Kannengießer 2014, S. 187; van Hoof 2016, S. 13).

Lange Zeit herrschte im Wesentlichen eine geografische Trennung in den globalen Norden und den globalen Süden vor. Dabei begriff man EK weitestgehend als Problem des globalen Südens und beförderte so irrtümlicherweise die Annahme, dass der globale Norden keine Kommunikation für Sozialen Wandel brauche (vgl. Manyozo 2012, S. 12). Entwicklung und sozialer Wandel wurden demnach lange Zeit im Zusammenhang mit der westlichen Ideologie als linearer Prozess durch technisch-wirtschaftliche Errungenschaften und ökonomischen Erfolg betrachtet (vgl. Mansell und Manyozo 2018, S. 325; Patel 2019, S. 4), obwohl die Problemursachen wie auch die Transformationsprozesse in komplexen Zusammenhängen stehen (vgl. Servaes 2019b, S. 1).

Inzwischen gelten nicht mehr nur US-amerikanische und britische Forschungen als Ursprungsort der KSW, wie es lange Zeit die geläufige Annahme war,Footnote 4 sondern es werden verschiedene Schulen beschrieben, die zum Teil parallel entstanden sind. Linje Manyozo (2012) sieht den Ursprung etwa in dem Praxisfeld der Initiativen und Organisationen, die von Bürger*innen selbst gebildet wurden, um vorhandene Probleme anzugehen: „The field did not emerge as a homogenous intellectual tradition, nor did it originate in the West (…). The field originated on the activities of practitioners in Asia, Latin America, Africa and much of the global south, as they grappled with making sense of growing poverty and inequality.“ (Manyozo 2012, S. 224)

2.1 Der Wandel des Forschungsfeldes KSW

Im Zuge mehrerer Paradigmenwechsel (vgl. dazu Manyozo 2012; Servaes und Malikhao 2007; Tufte 2017; Wilkins et al. 2014) veränderte sich das Verständnis der Kommunikation von einem Top-down-Modell zu einem Bottom-up-Modell (vgl. Waisbord 2011, S. 18). Interpersonale, dialogische Kommunikation spielte seit etwa Mitte der 1980er-Jahre eine fundamentale Rolle bei der „partizipatorischen Entwicklung“ (vgl. Hamidi und Mielke Möglich 2019, S. 4; Servaes und Malikhao 2007, S. 1). Dies bedeutete die Einbeziehung der Bürger*innen mit ihren Perspektiven, Ansichten und ihrem Wissen. Damit zusammenhängend wird die Ermächtigung der Bürger*innen („Empowerment“) angestrebt. Positive Veränderung wurde seitdem nicht mehr als eine von außen einer Zielgruppe auferlegte Idee verstanden, sondern als ein aus der Zielgruppe selbst heraus entstehender Wandel (vgl. Höivik und Luger 2009, S. 322). Bürger*innen gelten nun zunehmend selbst als Expert*innen für notwendige Veränderungen. Jan Servaes beschreibt 2008 Development Communication daher als sozialen Prozess, in dem sowohl interpersonale Kommunikation als auch verschiedene Kommunikationsmedien genutzt werden, um die im Konsens formulierten Ziele zu erreichen (vgl. Servaes 2008, S. 15): „[…] in essence development communication is the sharing of knowledge aimed at reaching a consensus for action that takes into account the interests, needs and capacities of all concerned.“ (Servaes 2008, S. 15)

Jan Servaes und Patchanee Malikhao weiten die 2002 vom „Roundtable of Communication for Development“ genannten drei Strategieebenen des Feldes zu fünf Ebenen aus (vgl. Servaes und Malikhao 2007, S. 32–33):

  1. 1.

    behavioral change communication, will Verhaltensänderungen bei Individuen und Gemeinschaften bewirken;

  2. 2.

    mass communication, setzt bei Bürger*innen-Medien, Massenmedien und Informations- und Kommunikationstechnologien an;

  3. 3.

    advocacy communication, versucht durch das Erstellen oder Ändern von Richtlinien, Gesetzen und Vorschriften eine Verteilung von Ressourcen zu bewirken, die sich auf das Leben der Bürger*innen auswirken;

  4. 4.

    participatory communication, plant gemeinsam mit Zivilbürger*innen gesellschaftliche Gestaltungsprozesse setzt sie um und evaluiert sie;

  5. 5.

    communication for structural and sustainable social change, setzt bei der Veränderung in der Gesellschaft und in sozialen und politischen Institutionen an.

Der fünften Strategieebene liegt die Annahme zugrunde, dass nachhaltige Veränderungen nur in Kombination mit und unter Einbeziehung von Faktoren erreicht werden können, die einen strukturellen und nachhaltigen sozialen Wandel im jeweiligen Kontext bewirken. Hier werden also neben Bildungssystemen auch soziodemografische, politische, ökonomische und kulturelle Faktoren betrachtet (vgl. Servaes und Malikhao 2007, S. 38).

Mit dem zentralen Ziel der sozialen Gerechtigkeit (equity oder social justice) durch Gleichberechtigung (vgl. Quebral 2012, S. 3; Enghel 2014, S. 119; Wilkins 2014a, S. 142) liegt ein Schwerpunkt des Forschungsfeldes vermehrt auf strukturellen Ungleichheiten und damit der Marginalisierung und Diskriminierung von Personengruppen. Strukturelle Marginalisierung bezieht sich auf die Benachteiligung von Menschen, die keine Möglichkeit haben, an der Gestaltung der Gesellschaft teilzunehmen und auf sie einzuwirken. Sie führt zu einer ungleichen Machtverteilung zwischen Gruppen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, und Gruppen der „Mehrheitsgesellschaft“ (vgl. Melkote und Steeves 2015, S. 69). Der Ansatz der C4SC bzw. KSW untersucht soziale Determinanten gesellschaftlicher Entwicklungen und strebt eine Veränderung der Machtverteilung in sozialen und politischen Institutionen an (vgl. Tufte 2017, S. 14–15). Durch die Einbeziehung der Bürger*innen als Expert*innen soll ein Wandel aus der Bevölkerung selbst in Gang kommen, um so schließlich nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Die Bürger*innen haben somit – im Optimalfall – die Kontrolle über die Problemdefinition sowie die Entwicklung notwendiger Lösungsstrategien.

Ungleichheiten innerhalb von Gesellschaften zeigen sich in verschiedenen Formen von Marginalisierung, also der Benachteiligung bestimmter Individuen oder Personengruppen. Hierbei sind biologisches bzw. soziales Geschlecht zu nennen, biografischer oder ethischer Hintergrund, sexuelle Orientierung, religiöse Ansichten, körperliche oder geistige Beeinträchtigungen etc. Auch digitale Ungleichheiten, im Zusammenspiel mit weiteren Dimensionen sozialer Ungleichheiten wie Alter, Bildungsgrad, Sozialkapital und finanziellem Kapital, die unterschiedliche Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten mit sich bringen, führen zu unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten und damit zu Spaltungen in der Gesellschaft (vgl. Marr und Zillen 2019, S. 17). Dabei hängen sie oftmals miteinander zusammen und beeinflussen sich wechselseitig – eine Betrachtungsweise, die im Konzept der Intersektionalität beschrieben wird (vgl. Winker und Degele 2009, S. 10).

Marginalisiert sind alle Gruppen, die zu „Objekten des öffentlichen Diskurses“ (Wimmer 2007, S. 174) werden, ohne ein Mitspracherecht zu haben. „Wenngleich die Gruppen, die als randständig bezeichnet werden, sich im Verlauf der Zeit ändern, so scheint für alle charakteristisch zu sein, dass sich bei ihnen […] Defizite und Benachteiligungen kumulieren und dass sie dadurch von den gesellschaftlich geltenden Regeln und Normen abweichen.“ (Reutlinger 2010, S. 212) Marginalisierten Gruppen fehlt zudem oft die Möglichkeit zur Teilhabe an öffentlichen Kommunikationsprozessen (vgl. Ratkovic 2018, S. 250; Servaes 2019b, S. 10) und damit auch die Möglichkeit zur Interessenvertretung in Form von „politischer Partizipation“ (vgl. Donges 2020, S. 287). In öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen sehen sich diese Personengruppen dann nicht repräsentiert, was die Marginalisierung wiederum verstärkt (vgl. Ratkovic 2018, S. 22). „Somit wird sowohl in medial geführten Diskursen als auch wissenschaftlichen Arbeiten vor allem die Perspektive jener, die als Mehrheitsangehörige wahrgenommen werden, als relevant beschrieben und tradiert.“ (Ratkovic 2018, S. 241) Zudem konstruieren diese Diskurse eine Norm, wodurch auch die Idee der Andersartigkeit aufrechterhalten wird (othering) (vgl. Ratkovic 2018, S. 22).

Eine zentrale Aufgabe des Praxis- und Forschungsfeldes liegt also darin, marginalisierte Stimmen dazu zu befähigen, Kontrolle über die Inhalte im Prozess der Kommunikation zu übernehmen sowie Graswurzelbewegungen darin zu bestärken, Probleme selbst zu definieren und Lösungswege zu finden („empowering the voiceless“; Servaes und Liu 2007, S. 3).

Obgleich die Ziele gemeinsam mit und von den Bürger*innen einer Community formuliert werden sollen, bieten weiterhin normative Grundsätze wie Gleichheit, soziale Inklusion, Ermächtigung von sozial bzw. ökonomisch marginalisierten Personen(-gruppen), Partizipation und Menschenrechte eine Orientierung bei der Ausrichtung positiver Transformationsprozesse (vgl. Servaes und Lie 2015, S. 126). Auch die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG; ehemals Millenium Development Goals, MDG) der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, die im Jahr 2015 beim UNO-Gipfeltreffen von 150 Staats- und Regierungsvertreter*innen verabschiedet wurde, sind richtungsweisend für das Feld der KSW und sollen nachhaltig positive Veränderungen in ökonomischer, ökologischer, sozialer Hinsicht fördern und sicherstellen (vgl. Alvarez 2007, S. vi; Servaes und Lie 2015, S. 126).

Im Zuge aktueller globaler Entwicklungen ist neben Partizipation und Marginalisierung auch ökologische Nachhaltigkeit in vielen Ansätzen der KSW zentral, die lange Zeit nur nebensächlich schien. „The natural resource base is at the core of all human activity.“ (van de Fliert 2014, S. 127) Dabei haben Nachhaltigkeitsthemen viele von der Zivilbevölkerung ausgehende soziale Bewegungen mobilisiert, die für das Forschungsfeld von Interesse sind: „More than any other issue, environmentalism has provided new social movements with opportunities for reshaping the political order, challenging assumptions about economic growth and industrial development, and drawing attention to different types of values.“ (Schreuers und Papadakis 2009, S. xlviii) Schließlich ist ökologische Nachhaltigkeit ein zentrales Problem unserer Gesellschaft – auch in Hinblick auf den Zusammenhang mit sozialen Ungleichheiten, betrachtet man den großen Einfluss, den Industrienationen auf die Umwelt und den Klimawandel hatten und weiterhin haben (vgl. Kannengießer 2020) und die Tatsache, dass die Möglichkeit zum klimaneutralen Handeln auch eine Frage finanzieller Ressourcen ist.

2.2 Aktuelle Definitionen des Feldes

Nora Cruz Quebral, eine Pionierin des Forschungsfeldes (vgl. Manyozo 2012, S. xvii, 8),Footnote 5 überarbeitete 2012 ihre 1971 verfasste, ursprüngliche Definition und beschreibt Development Communication als „the science of human communication linked to the transitioning of communicates from poverty in all its forms to a dynamic, overall growth that fosters equity and the unfolding of individual potential“ (Quebral 2012, S. 3). Diese Transformation soll auf sozialer, kultureller und politischer Ebene einer Gesellschaft erreicht werden, in Hinblick sowohl auf soziale Determinanten, um eine Veränderung der Machtverteilung in sozialen und politischen Institutionen zu erreichen, als auch auf Wissen, Verhalten und Praktiken einzelner. Zentral stehen bei Quebral die Werte Gleichheit und Recht zur Entfaltung des individuellen Potenzials. Im Vergleich zu der ursprünglichen Definition von Quebral, die sich primär auf wirtschaftliches Wachstum bezog, wird hier der Aspekt der unterschiedlichen Formen von Armut ausgeführt, womit nicht mehr nur wirtschaftliche Armut, sondern auch Armut im Sinne fehlenden Zugangs etwa zu Bildung oder Mitsprache gemeint ist. Hier handelt es sich um Aspekte der Marginalisierung, die auch in reichen Nationen auftreten. Dennoch sieht Quebral ökonomische Entwicklung weiterhin als primären Weg, die allgemeine Lebensqualität zu verbessern: „Development begins with economic development. The take-off point is a certain degree of economic independence for both individuals and countries. It has to be accompanied by social, political and moral development as well.“ (Quebral 2012, S. 4)

Für Manyozo (2012) ist die politische Ebene der erste Ansatzpunkt, wenn er Communication for Development als „a group of method-driven and theory-based employment of media and communication to influence and transform the political economy of development in ways that allow individuals, communities and societies to determine the direction and benefit of development interventions“ (Manyozo 2012, S. 9) beschreibt. Nach Manyozo ist es die Veränderung der strukturellen Determinanten von Transformationsprozessen, die es Individuen und Gemeinschaften erst ermöglicht, sich selbst in die für sie wünschenswerte Richtung zu entwickeln. „The emphasis on political economy here is crucial. No matter how participatory or bottom-up development communication approaches can be, as long as the dominant political economy framework of development (that promotes inequality and underdevelopment) remains in place, there will be no sustainable positive changes in society.“ (Manyozo 2012, S. 9–10)

Auch Tufte (2017) sieht den Ansatz für Transformationsprozesse in den strukturellen und politischen Gegebenheiten: „[C4SC] emphasizes using communication strategically to address and often challenge the structural conditions that inform social change processes.“ (Tufte 2017, S. 14–15) Wilkins betont, dass es nicht nur um individuelle Veränderungen geht, sondern auch um eine Verschiebung der materiellen und immateriellen Ressourcen (Informationen, Entscheidungsmacht) zwischen gesellschaftlichen Gruppen. „Social justice allows us to foreground our concern with inequity in access to key resources and our interest in supporting resistance through advocacy communication. Advocacy communication works for social justice when attempting to shift social norms and change policies in ways that support marginalized communities and resist dominant agencies.“ (Wilkins 2014a, S. 142)

Neben der sozialen und politischen Dimension findet die Ebene der individuellen Persönlichkeitsentwicklung bzw. eine moralische Komponente etwa bei Quebral Erwähnung (vgl. Quebral 2012, S. 4). Im Buddhistic Sustainable Development (BSD) spielt die Entwicklung der Persönlichkeit der Menschen eine Rolle. „The concept ’evolvability’ means the potential of human beings to develop themselves into less selfish persons.“ (Servaes und Lie 2019, S. 5). Ein Kernaspekt nachhaltiger Entwicklung sei es, Individuen von einem harmonischen Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen zu überzeugen und sie dahingehend zu ermutigen (vgl. Servaes und Lie 2019, S. 5). So gilt etwa der Aspekt des „human mind development“ als ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg von Transformationsprozessen (vgl. Kittiprapas 2016, S. 3): „To achieve the goal of sustainable development successfully, human beings must be happy with moderation and be consciously willing to preserve environment and resources for future generations.“ (Kittiprapas 2016, S. 4)

2.3 Das deutsche Forschungsfeld um KSW

Zwar nimmt die Relevanz der Forschung über gesellschaftliche Transformationsprozesse unter globalen Bedingungen, die sich auch in Deutschland widerspiegeln, zu (vgl. Servaes 2017, S. 1), und in Deutschland setzen sich diverse Akteure, Institutionen, Initiativen, Regierungs- und Nichtregierungs-Organisationen für den sozialen Wandel und die nachhaltigen Ziele der „Agenda 2030“ ein. Jedoch sind bislang nur wenige Publikationen aus der Perspektive der EK bzw. KSW erschienen.

Zweifelsohne wurden einige wertvolle Forschungsarbeiten zu internationaler Kommunikation und Medien (u. a. Hafez 2002; Richter und Badr 2018; Schmidt und Arnold 2011), transkultureller Kommunikation (Hepp und Löffelholz 2002; Hepp 2006; Wessler und Brüggemann 2012), transnationalisierter Öffentlichkeit (Schäfer et al. 2018), Nachhaltigkeitskommunikation (Michelsen und Godemann 2005), internationaler Journalismusforschung (Hanitzsch 2007) oder der Ausbildung von Journalist*innen in Afrika und Asien (Fengler et al. 2009; Behmer et al. 2003; Hantel 2006) vorgelegt, um einige Beispiele zu nennen.

Ferner sind Arbeiten zur digitalen Ungleichheit als zentrale soziale Herausforderung digitaler Gesellschaften zu nennen (etwa Marr und Zillen 2019). Im journalistischen Kontext werden die Nachrichteninhalte mit ihrer Konstruktion von Zugehörigkeit untersucht (Wischermann und Thomas 2008) sowie das Berufsfeld mit seinen Zugangsvoraussetzungen (Geißler et al. 2009), der Repräsentanz von Minoritäten (neue deutsche Medienmacher*innen 2020) und der Vielfaltsentwicklung auf verschiedenen Ebenen des Journalismus (Horz 2020).

Auch zum Zusammenhang von sozialen Medien und politischer Partizipation lassen sich wertvolle Arbeiten nennen, die die Medienaneignung politischer Bewegungen (Kannengießer 2014) untersuchen und betrachten, inwiefern durch neue Medienformen neue politische Handlungsweisen entstehen (Hepp und Pfadenhauer 2014) und die politische Öffentlichkeit allgemein verändern (Sarcinelli 2011; Kannengießer 2014).

Die Nachhaltigkeitskommunikation (Kannengießer 2020; Neverla 2020) „als medienvermittelte oder Vis-à-vis-Kommunikation, der ökologische, ökonomische, soziale und/oder kulturelle Inhalte inhärent sind, die sich mit Fragen nach dem „guten Leben“ heutiger und zukünftiger Generationen beschäftigen“ (Kannengießer 2020, S. 7), ist hier ebenfalls zu nennen. Während Nachhaltigkeitskommunikation hauptsächlich Kommunikator*innen von Medieninhalten zur Nachhaltigkeit analysiert und dabei auch ökonomische, soziale und kulturelle Inhalte einbezieht (vgl. Kannengießer 2020, S. 7), untersucht die Perspektive der KSW die strukturellen Bedingungen von sozialen Ungleichheiten, im Zusammenspiel mit ökologischen, sozialen und kulturellen Faktoren, ebenso wie den Einsatz von Kommunikation und Medien verschiedener Akteure, um gesellschaftliche Transformationen zu bewirken (vgl. Servaes 2008, S. 18). Dementsprechend legt KSW einen intersektionalen Schwerpunkt auf gesellschaftliche Probleme und Veränderungspotenziale in ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht. Dabei wird, wie eben dargelegt, in Forschung und Praxis durch die Partizipation der Bürger*innen deren Selbstermächtigung angestrebt.

Neben diesen Beispielen aus thematisch angrenzenden Disziplinen der Politik- und Sozialwissenschaften finden sich nur wenige Studien, die sich explizit aus der Perspektive der KSW mit Kommunikation und gesellschaftlicher Transformation beschäftigen. Aus den 80er-Jahren stammen eine umfassende Abhandlung von Michael Kunczik (1985) und eine Studie des Schweizer Kommunikationswissenschaftlers Rene Grossenbacher (1988), der sich insbesondere mit dem Konzept des development journalism beschäftigt. Einzelne Arbeiten haben deutsche Autoren wie Oepen (1995), Wilke (2002), Rullmann (1996) und Krzeminski (1999) vorgelegt. Der letzte Beitrag von Kunczik und Zipfel (2005), der sich allgemein mit Medien und sozialem Wandel in wirtschaftlich armen Ländern des globalen Südens beschäftigt, vernsäumt es, den Begriff genauer zu differenzieren. Danach entzog sich der Bereich der KSW weitgehend den kommunikationswissenschaftlichen Diskussionen, oder er bezog sich auf Länder des globalen Südens (vgl. Sickinger 2008).

Die meisten Studien zu internationalen, inter- und transkulturellen oder international komparativen Fragestellungen haben Autor*innen aus englischsprachigen Ländern verfasst (vgl. Badr et al. 2020, S. 2). Im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum zeigen einige Handbücher und mehrere Meta-Studien exemplarisch, dass dort die internationale Auseinandersetzung mit den Begriffen „Kommunikation“, „sozialer Wandel“ und „Entwicklung“ nicht nur sehr intensiv, sondern auch vielfältig war. Hierbei ist The Handbook of Development Communication and Social Change (Wilkins et al. 2014) zu nennen, ebenso wie Media, Communication and Development von Linje Manyozo (2012), Communication for Development: Theory and Practice for Empowerment and Social Justice von Srinivas Raj Melkote und Leslie Steeves (2015), Communication and Social Change: A Citizen Perspective von Thomas Tufte (2017) sowie das kürzlich erschienene Handbook of Communication for Development and Social Change von Jan Servaes (2019c).

3 Kritiken und Desiderate des Feldes

Aus den aktuellen Kritiken des Forschungs- und Praxisfeldes um KSW werden hier kurz vier zentrale Desiderate angeführt, um diese auf einen aktuellen Ansatz der Kommunikation für Sozialen Wandel anzuwenden. Dieser lässt sich auch auf Deutschland übertragen.

3.1 Den globalen Norden mehr berücksichtigen

Internationale Forscher*innen distanzieren sich etwa seit den 1990er-Jahren von der westlichen Auffassung von „Entwicklung“ (vgl. Manyozo 2012, S. 7); dennoch sind gängige Narrative nach wie vor vom Modernisierungsparadigma dieser Zeit beeinflusst (vgl. Wilkins 2016, S. 5; Hemer und Tufte 2005, S. 15; Melkote und Steeves 2015, S. 4). Die „traditionelle“ Auffassung von Entwicklung, die von westlichen Idealen geprägt ist, gilt bis heute sowohl für die theoretische Auseinandersetzung als auch für die Praxis von Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Mansell und Manyozo 2018, S. 325; Patel 2019, S. 4).

Srinivas Melkote und Leslie Steeves (2015) stellen fest, dass bei vielen Ansätzen das Verständnis von Entwicklung auch aktuell noch eng mit der Idee von Modernisierung verwoben ist: „However, even now, many of the frameworks offered for understanding social change in newer approaches do not differ significantly from the earlier models in the modernization paradigm as they do not aim to alter the structures and processes that maintain power inequities in societies […].“ (Melkote und Steeves 2015, S. 70) So bezieht sich etwa die Rockefeller Foundation größtenteils auf westliche, nord- und lateinamerikanische Forscher*innen, lässt jedoch afrikanische und südostasiatische Forscher*innen außen vor, wie Manyozo (2012, S. 8) festhält.

Dieser Aspekt hängt mit der Tatsache zusammen, dass viele Projekte für sozialen Wandel von wirtschaftlich starken Nationen, oftmals des globalen Nordens, implementiert werden und die Expert*innen-Rolle meist europäischen und US-amerikanischen Akteur*innen zugeschrieben wird (vgl. Kannengießer 2014, S. 186). So besteht ein Machtgefälle fort, wenn etwa bestimmte Bedingungen an die Mittelvergabe geknüpft sind und „westliche“ Normen gelten(vgl. Kannengießer 2014, S. 185).

Viele Forscher*innen umgehen das Problem der westlich bestimmten Narrative, indem sie ausblenden, was Entwicklung bedeutet (vgl. Ngomba 2013, S. 10; Mihelji und Stanyer 2019, S. 13–14; Melkote und Steeves 2015, S. 15). „Although the importance of defining development should be obvious, relatively few studies bother to do so, leaving it to the reader to figure out the authors’ assumptions. Where definitions are provided, understandings vary greatly.“ (Melkote und Steeves 2015, S. 15)

Ein universelles Verständnis von Entwicklung gibt es nicht: „[…] [D]evelopment is not a known fact, it is not given, nor it is common sense. Rather, development is a problem that must be investigated using the social resources of both reason and experience.“ (Manyozo 2012, S. 13) Wie man Entwicklung definiert, hat jedoch großen Einfluss darauf, wie eine Situation betrachtet und wie an ein Problem herangegangen wird, folglich auch, welche Ergebnisse erzielt werden (vgl. Wilkins 2014a, S. 141). „[…] [T]he way in which we conceptualize phenomena has an impact on how we evaluate it.“ (Ngomba 2013, S. 13)

Karin Gwinn Wilkins nennt in dem Zusammenhang die politischen Implikationen des Begriffs: „The social construction of development relies on political legitimacy, contested as groups compete to promote their political agendas.“ (Wilkins 2014a, S. 141) Wer Entwicklung definiert, lange Zeit vordergründig Machthabende der westlichen Gesellschaften, insbesondere der USA, dem war so die Möglichkeit gegeben, auch die Entwicklung zur Replikation der eigenen wirtschaftlichen und politischen Ideale zu definieren (vgl. Höivik und Luger 2009, S. 322). Die Förderung von ökonomischem Wachstum hat indessen dem eigentlichen Ziel der KSW entgegenstehende Effekte ausgelöst. „[…] economic development aid has often contributed to corruption and large gaps between the wealthy elite and the masses in most countries. Charges of gender bias, ethnocentrism, and even racism abound in the literature of development studies and devcom.“ (Melkote und Steeves 2015, S. 4)

Aus diesem Grund ist es insbesondere für Forscher*innen aus dem globalen Norden notwendig, auch wirtschaftlich starke Nationen und hier auftretende Formen von Ungleichheiten und Marginalisierung zu betrachten und nach Veränderungspotenzialen zu forschen. Für das Forschungsfeld wird eine empirische „Verwestlichung“ (vgl. Ngomba 2013, S. 8) gefordert, also Untersuchungen zu vorhandenen Projekten der gesellschaftlichen Transformation in Deutschland. Genau das wird auch als eine wichtige Forschungslücke gesehen, die es in der Zukunft zu schließen gilt (vgl. Melkote und Steeves 2015). Aufgrund der stark variierenden Auffassungen oder gar fehlenden Begriffsbestimmungen in diesem Gebiet wird gefordert, „Entwicklung“ nicht zu pauschalisieren, sondern klare Auffassungen in dem jeweiligen Kontext zu definieren (vgl. Melkote und Steeves 2015, S. 15; Servaes 2008, S. 15; Manyozo 2012, S. 4). Für das Forschungsfeld ist hier zudem die Beachtung globaler Zusammenhänge relevant (vgl. Wilkins 2014a, S. 138), ebenso wie ein interdisziplinäres und internationales, inter- und transkulturelles Betrachten der komplexen Zusammenhänge von Problemursachen (vgl. Hemer und Tufte 2012, S. 233; Badr et al. 2020).

3.2 Partizipative Einbeziehung der Bürger*innen

Ist die Relevanz von Partizipation zur Ermächtigung der Bürger*innen theoretisch mittlerweile weitgehend anerkannt, so zeigt sich weiterhin eine fehlende Partizipation der Menschen, über die geforscht wird (vgl. Hemer und Tufte 2012, S. 234; Kannengießer 2014). Aus der Perspektive von Projektbetreibern bezieht sich Partizipation auf den Grad der Einbeziehung von Individuen oder Gruppen in die Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse; aus der Sicht der Bürger*innen bedeutet sie hingegen aktives und konstruktives Mitwirken an Gestaltungsprozessen der Gesellschaft (vgl. Schönhuth und Jerrentrup 2019, S. 1–2). Partizipation findet nach Straßburger und Rieger erst dann statt, wenn bei Aushandlungsprozessen eine Mitentscheidung von Bürger*innen zugelassen ist und diese auch aktiv an Entscheidungen mitwirken (vgl. Straßburger und Rieger 2014, S. 232). Der Einbezug von lokalem Wissen zivilgesellschaftlicher Akteure und Expert*innen sei hingegen nur eine Vorstufe von Partizipation, die eher einer Beteiligung gleichkomme, da die Entscheidungsmacht nicht geteilt wird (vgl. Straßburger und Rieger 2014, S. 231).

Einbeziehung der Bürger*innen bereits bei der Definition eines Problems und die Ermächtigung insbesondere marginalisierter Personengruppen zur Teilhabe an Entscheidungsprozessen (vgl. Ratkovic 2018, S. 250) stehen in Zusammenhang mit Nachhaltigkeit im Sinne langfristiger Veränderungen. Da die betroffenen Akteure mehr Einfluss gewinnen, nimmt auch ihr Bewusstsein für globale und politische Entscheidungen zu, und sie sind eher geneigt, ihr Verhalten anzupassen (vgl. Eberlei 2018, S. 89–91). „Empowerment and giving people a voice still address the de-marginalization of particular groups in society.“ (Servaes und Lie 2019, S. 6) Die Bedürfnisse aller Betroffenen einzubeziehen, umfasst auch Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Möglichkeiten zukünftiger Generationen (vgl. Servaes und Malikhao 2007, S. 18). Allerdings ist eine Abkehr vom Verständnis des Feldes als „strategische Kommunikation“ notwendig. Stattdessen soll das zumindest theoretisch etablierte Verständnis von dialogischer, partizipativer Kommunikation auch tatsächlich in Forschung und Praxis Verwendung finden.

3.3 Bürgerliche Selbstorganisationen

Neben der Einbeziehung insbesondere marginalisierter Bürger*innen ist für die Forschung auch die zivilbürgerliche Selbstorganisation in sozialen Bewegungen, Netzwerken, Kollektiven und Allianzen zunehmend relevant. Bürgerliche Selbstorganisationen sind autonom, unabhängig von institutioneller Beeinflussung (vgl. Straßburger und Rieger 2014, S. 230f.). Sie haben wachsenden Einfluss auf die politische Ebene und somit auch auf strukturelle Veränderungen der Gesellschaft (vgl. Tufte 2017, S. 23). Nach Obregón und Tufte (2017) ist es die Aufgabe der Forschung von C4SC, soziale Phänomene und Themen um gesellschaftliche Transformationsprozesse „through the lens of conceptual and applied communication theories and approaches“ (Obregón und Tufte 2017, S. 636) zu analysieren. Die Autoren unterscheiden in der Praxis drei verschiedene Forschungsrichtungen (vgl. Obregón und Tufte 2017, S. 636–637):

  1. 1.

    die strategische Nutzung von Kommunikation und Medien soll auf sozialer, kultureller und politischer Ebene Veränderungen bewirken, die grundlegend von globalen Entwicklungszielen angetrieben werden;

  2. 2.

    Kommunikation, die von Aktivist*innen zur sozialen Mobilisierung und politischen Transformation genutzt wird;

  3. 3.

    medienfokussierte Ansätze, die insbesondere durch alternative und von Bürger*innen erstellte Medieninhalte soziale und politische Veränderungen bewirken wollen, „that advocate for broader social and political change or serve as a means of resistance and affirmation of different types of identities“.

Auch Linje Manyozo (2012) teilt das Forschungsfeld in drei verschiedene Ebenen auf, wobei er eine explizit bürgerliche Kommunikation betrachtet:

  1. 1.

    den Ansatz Media for Development;

  2. 2.

    den Ansatz Media Development;

  3. 3.

    den Ansatz Participatory Communication.

Media for Development ist Manyozo zufolge der strategische Einsatz von Medien und Kommunikation als Mittel zur Information, Aufklärung und Sensibilisierung von Menschen über relevante soziale Themen (vgl. Manyozo 2012, S. 54). Der Ansatz Media Development bezieht sich auf extern oder in der Community selbst entwickelte, „organische“ Initiativen, die strategisch auf den Aufbau von Medien-Infrastrukturen, -Politik und -Kapazitäten ausgerichtet sind. Sie dienen der Festigung von verantwortungsvoller Regierungsführung (good governance), Redefreiheit, politischer Bürgerschaft (political citizenship) und nachhaltiger Entwicklung. Dies bezieht auch Industriestaaten mit ein (vgl. Manyozo 2012, S. 112). Participatory Communication betrachtet die Rolle von Kommunikation in Graswurzelbewegungen, also von Zivilbürger*innen ausgehende politische, soziale oder gesellschaftliche Bewegungen. Dieser Ansatz bezieht sich auf die organisierte Dezentralisierung von Entscheidungsstrukturen und -prozessen, die sich auf die lokale Gestaltung und Umsetzung von Politik konzentrieren (vgl. Manyozo 2012, S. 152–153).

Im Zusammengang mit dem Vorwurf des anglo-amerikanischen, des Euro- und Ethnozentrismus (vgl. Badr et al. 2020, S. 3; Melkote und Steeves 2015, S. 4) wurde jedoch ein Großteil der Forschungen dafür kritisiert, alternative und partizipative Ansätze von bürgerlicher Selbstorganisation lange Zeit aus der wissenschaftlichen Betrachtung herausgehalten zu haben (vgl. Melkote und Steeves 2015, S. 4). Soziale Bewegungen, die zum Teil starken Einfluss auf die politische Ebene von Gesellschaften haben, sind bisher wenig in konzeptuelle, theoretische und angewandte Perspektiven der westlichen Perspektiven der KSW einbezogen worden (vgl. Obregón und Tufte 2017, S. 637), obwohl diese als Graswurzelbewegungen eine sehr ursprüngliche Form von gesellschaftlicher Transformation darstellen und ihre Zahl weltweit zunimmt (vgl. Tufte 2017, S. 23). Angrenzende Disziplinen hingegen erkennen die Relevanz zivilbürgerlicher Selbstorganisation und politischer Protestbewegungen, die sich durch soziale Medien organisieren, zunehmend an (vgl. Cammaerts 2015, S. 2).

Dass es wichtig ist, hier auch in der KSW umzudenken, begründet Thomas Tufte mit drei Metaprozessen (vgl. Tufte 2017, S. 22):

  • das Aufkommen einer neuen Generation von sozialen Bewegungen, die materiell orientiert ist und z. B. mehr Arbeitsplätze, bezahlbaren Wohnraum, Nahrung und Bildung fordert und die zum Teil starke Auswirkungen auf politischer Ebenen hat (vgl. Tufte 2017, S. 23);

  • die zunehmende Kritik am westlichen, neoliberalen Entwicklungsparadigma und die Konkretisierung und Verbreitung von alternativen Betrachtungsweisen (vgl. Tufte 2017, S. 28);

  • neue Medienentwicklungen, insbesondere der Einbezug von digitalen Medien, die die Betrachtung von Medien in Transformationsprozessen wesentlich komplexer machen und starken Einfluss auf Individuen sowie soziale und politische Räume haben. Soziale Medien können als „Druck von unten“ fungieren: „With the advent of social media, the expansion of digital social networks, and the rapid emergence of social movements at a global scale, the role of media and communication in movements is more visible than ever.“ (Obregón und Tufte 2017, S. 636).

Tufte beschreibt bereits 2013 die Notwendigkeit neuer Definitionen der Disziplin, die alle vier Dimensionen – eine neue Generation sozialer Bewegungen, das Wachstum und die Expansion der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Zunahme der post-development-Diskurse und die Verbreitung neuer digitaler Medien – einbeziehen. Er fordert, dass sich dies auch in der Praxis der Kommunikation für Entwicklung und sozialen Wandel niederschlagen sollte (vgl. Tufte 2013, S. 23).

Nach Wilkins (2014b) bedeutet diese Verlagerung des Forschungsschwerpunktes auf sozialen Wandel innerhalb vorhandener Kommunikation – statt strategischer Kommunikation für sozialen Wandel – eine umfassendere Rahmung für das Forschungsfeld, „integrating the work of social movements and activists, as well as critical attention to what these processes communicate about our assumptions concerning the nature of problems and appropriate solutions“ (Wilkins 2014b, S. 105).

3.4 Ein fragmentiertes Feld

Ein weiteres Problem des Feldes, das sich auch in diesem Beitrag durch die verschiedenen Bezeichnungen (EK, C4SC, KSW) widerspiegelt, ist die Fragmentierung in diverse Ansätze. Aufgrund der weltweit unterschiedlichen Herangehensweisen variieren auch die theoretischen Hintergründe (vgl. Tufte 2013, S. 30).

Sabina Mihelji und James Stanyer vergleichen 2019 verschiedene Ansätze, die in Fachzeitschriften zwischen 1951 und 2015 veröffentlicht wurden (vgl. Mihelji und Stanyer 2019, S. 2). Die Autor*innen vermuten, die sich zunehmend ausdifferenzierenden begrifflichen Herangehensweisen von Wissenschaftler*innen und die diversen theoretischen Rahmungen seien ein wesentlicher Grund für die Fragmentierung des Feldes der KSW (vgl. Mihelji und Stanyer 2019, S. 13). Es fehle an Reflexionen auf der Makroebene, die interdisziplinär diverse Fachbereiche tangieren (vgl. Servaes und Malikhao 2007, S. 30–31; Hemer und Tufte 2012, S. 234) und Metaprozesse wie Demokratisierung, Kommerzialisierung, Transnationalisierung, Modernisierung und Mediatisierung in ihren reziproken Verhältnissen beachten. „Arguably, these blind-spots are all manifestations of a shared problem – namely the fragmented nature of the field, and the lack of shared conceptual language that would enable us to think of media, communication and social change across its varied temporal and social planes, and link together the processes involved in the reproduction of status quo with fundamental changes to social order.“ (Mihelji und Stanyer 2019, S. 13)

Hieraus ergibt sich die Anforderung an das Feld, vorhandenes Wissen in verschiedenen Ansätzen und Disziplinen zu kombinieren (vgl. de Sousa Santos 2016, S. 63; Servaes und Malikhao 2007, S. 39). Der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Traditionen und Theorien könnte schließlich auch dazu beitragen, die Trennung zwischen globalem Norden und globalem Süden aufzuheben, was Boaventura de Sousa Santos mit dem Begriff der „Ökologie des Wissens“ (ecology of knowledges) beschreibt: „[…] It is an imperative to start an intercultural dialogue and translation among different critical knowledges and practices: South-centric and North-centric, popular and scientific, religious and secular, female and male, urban and rural, and so forth.“ (de Sousa Santos 2016, S. 63)

Zusammengefasst ergeben sich somit aktuelle Anforderungen an den Forschungsbereich der KSW:

  1. a)

    das Loslassen der tradierten westlichen Ideologie von Entwicklung und damit zusammenhängend, dass Formen von struktureller Ungleichheit und Marginalisierung, die in Industrienationen des globalen Nordens auftreten, vermehrt fokussiert werden;

  2. b)

    Forschungen, die sowohl den spezifischen Kontext betrachten als auch die komplexen Zusammenhänge auf Mikro‑, Meso- und Makroebene, regional wie global;

  3. c)

    Forschung und Praxis, die die Partizipation der Bürger*innen fördern, bei Inklusion der Perspektiven, des Wissens, der Bedürfnisse und der Interessen marginalisierter Personengruppen;

  4. d)

    Forschung, die zivilbürgerliche Selbstorganisationen in sozialen Bewegungen, Allianzen, Kollektiven und Netzwerken als einflussreiche Agenten in Transformationsprozessen betrachtet, sowie

  5. e)

    klare Definitionen der Ansätze um KSW, die durch eine kontinuierliche Beschäftigung mit der Frage nach gewünschten Transformationen und Entwicklungen an den jeweiligen Kontext angepasst werden.

All diese Anforderungen sind auch für die Übertragung des Forschungsfeldes auf den globalen Norden und spezifisch für Deutschland relevant.

3.5 Ein Ansatz der KSW

Anschließend fassen wir einen eigenen Ansatz zusammen: KSW bezeichnet das Forschungs- und Praxisfeld, dass sich mit dem Zusammenhang von Kommunikation und Medien in gesellschaftlichen Transformationsprozessen beschäftigt. Die Präposition „für“ soll nicht die strategische Komponente des ursprünglichen Verständnisses des Feldes suggerieren, sondern ebendiesen Zusammenhang aus sozialem Wandel und Kommunikation bezeichnen, der in dem Feld untersucht wird.

Als Praxisfeld bezeichnet KSW jene Kommunikation, die in gesellschaftlichen Transformationsprozessen im Sinne der normativen Grundsätze in den nachhaltigen Entwicklungszielen der „Agenda 2030“ zum Einsatz kommt. Neben den tradierten Kategorien eines „positiven“ Wandels zählt hierzu die Kommunikation von Zivilbürger*innen, die, zu Kollektiven zusammengeschlossen, eigene Belange und Interessen vertreten und so Einfluss auf den Wandel der Gesellschaft ausüben. KSW wird sowohl individuell von Bürger*innen als auch von der professionellen, institutionellen und politischen Ebene initiiert und umgesetzt. Auf konzeptioneller Ebene bedeutet KSW einen partizipativen, dialogischen Kommunikationsprozess, in dem Bürger*innen aktiv in Interaktionen über Veränderungsprozesse einbezogen und so die Bedürfnisse, Interessen und das Wissen aller Beteiligten berücksichtigt werden. So wird angestrebt, bei notwendigen und erwünschten Veränderungen auf sozialer, politischer, ökonomischer und ökologischer Ebene eine Basis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erreichen.

Als Forschungsfeld widmet sich KSW jener Kommunikation, die zum Wandel der Gesellschaft beiträgt, wie auch dem sozialen Wandel, der sich innerhalb von Kommunikationsprozessen vollzieht. Dies bezieht sich auf diverse Kommunikationsformen von Akteuren wie auf soziale Bewegungen, Kollektive und Vereine bis hin zu institutionellen oder staatlichen Organisationen. Auch für das Forschungsfeld wird die partizipative Forschung verwendet, die die Einbeziehung der Menschen, über die geforscht wird, als Co-Forscher*innen beschreibt. Aus einer intersektionalen Perspektive untersucht die KSW strukturelle Formen von Teilhabe und Ausgrenzung an gesellschaftlichen Kommunikations- und Gestaltungsprozessen. Des Weiteren sind Aufgaben des Forschungsfeldes die Auseinandersetzung mit den komplexen Zusammenhängen von gesellschaftlichen Transformationsprozessen auf Mikro‑, Meso- und Makroebene ebenso wie eine kontinuierliche und selbstreflexive Beschäftigung mit dem Selbstverständnis des Feldes.

4 Kommunikation für einen sozialen Wandel in Deutschland

Die Welt entwickelt sich weiter und wird immer komplexer, wobei die Herausforderungen unter anderem durch den technologischen Fortschritt und die hohe Nachfrage nach Wohlstand geprägt sind. Gleichzeitig wächst die Ungleichheit, und es entstehen ständig neue soziale Herausforderungen in allen Ländern, einschließlich der wirtschaftlich reichen und armen Nationen. Internationale Konflikte, Klimawandel, wachsende Ungleichheit, Stadt-Land-Gefälle und globale Migration sind nur einige der aktuellen komplexen Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht. Auch in Deutschland finden zurzeit Debatten um die Grundlagen des Zusammenlebens unter struktureller und sozialer Ungleichheit statt, weshalb Aushandlungsprozesse hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung der Gesellschaft eine große Rolle spielen (vgl. Foroutan 2019, S. 12). Diese Aushandlungsprozesse sind jedoch nicht für alle zugänglich – vielmehr hauptsächlich für einflussreiche Eliten, Vertreter*innen der Mehrheitsgesellschaft sowie wirtschaftlich starke Unternehmen, die mitbestimmen können, wodurch oftmals „white, male, middle-class perspectives“ (Wilkins 2014b, S. 103) die Narrative von „Problem“ und „Lösung“ gestalten. Welche Kommunikationsstrategien und -praktiken existieren, um diesen hochkomplexen gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen? Wie können die Menschen in einem Dialog über schwierige Themen eingebunden werden?

In diesem Kontext sind Forschung und Praxis der KSW Schlüsselbausteine, da sie diese Fragen stellt. KSW ist mit ihren Theorien, Methoden und Praktiken auf die Befähigung von Menschen und die Erleichterung eines gerechten sozialen Wandels ausgerichtet. Sie erforscht und baut die Fähigkeit auf, die verschiedenen Möglichkeiten zu verstehen und anzuwenden, wie Kommunikation eingesetzt werden kann, um Einstellungen, Verhalten und Wissen bei Einzelpersonen, Gemeinschaften und Organisationen zu verändern und so auch strukturelle Gegebenheiten, Zugangsmöglichkeiten und Ressourcen. Forschungen der KSW in Deutschland könnten demnach beleuchten, welche Kommunikation verwendet wird, wie die Bürger*innen sich selbst ermächtigen und welche Strategien sie verwenden, um Werte wie Gleichheit, Inklusion, die Ermächtigung von Marginalisierten, ökologische Nachhaltigkeit, weitere globale Ziele der Agenda 2030 oder eigens formulierte Ziele zu erreichen. Wie beleuchtet wurde, findet ein wesentlicher Teil der gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse in sozialen Bewegungen und zivilbürgerlichen (Selbst‑)Organisationen statt. Es gibt in Deutschland viele Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Initiativen, soziale Bewegungen, Netzwerke, Kollektive, Vereinen etc., die sich für einen sozialen Wandel in Richtung dieser Belange und der nachhaltigen Ziele der „Agenda 2030“ einsetzen. Diese in der Praxis vielfältig vertretenen Organisationsformen gilt es aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht und spezifisch aus der Sicht der KSW zu untersuchen. Sie versucht, Fragen und Ansichten von Bürger*innen zu sammeln, um sie aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und die Bürger*innne sowohl in den weiteren Forschungsprozess als auch in Gestaltungsprozesse der Gesellschaft aufzunehmen.

Für das Forschungs- und Praxisfeld der KSW in Deutschland bleibt die internationale Forderung bestehen, Partizipation nicht nur als Scheinteilhabe zu gestalten, sondern tatsächlich dialogisch mit den Bürger*innen und den Organisationen, Bewegungen und Netzwerken in Kontakt zu treten und gemeinsam an der Problemdefinition und an möglichen Lösungen zu arbeiten. Die Basis hierfür ist partizipative Forschung, die „die soziale Wirklichkeit partnerschaftlich erforschen und beeinflussen“ (von Unger 2014, S. 1) kann. Das heißt, dass nicht mehr nur über Menschen geforscht wird, sondern diese in die Forschung einbezogen werden. Dies führt zu einer doppelten Zielsetzung: der Beteiligung von gesellschaftlichen Akteuren als Co-Forscher*innen sowie zu Maßnahmen zur individuellen und kollektiven Selbstbefähigung und Ermächtigung (vgl. von Unger 2014, S. 1). Das Thema ist gesellschaftlich höchst relevant, da die Ermöglichung partizipatorischer Kommunikation jenseits politisch-publizistischer Eliten eine bedeutsame Voraussetzung ist, um einen nachhaltigen sozialen Wandel zu ermöglichen. Durch den partizipativ und transparent gestalteten Prozess wird nicht nur auf Seiten der Communities und Selbstorganisationen das Vertrauen in den Prozess gefördert, sondern auch auf Seiten der Politik, die deren Empfehlungen aufnimmt. Die gezielte Einbeziehung von marginalisierten Personengruppen und Akteuren in Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse ebenso wie in die Forschung kann bei der Gestaltung der Gesellschaft eine Umverteilung der Machtverhältnisse bewirken, in der Reduktion der Marginalisierung resultieren – und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

International ist eine große Anzahl von akademischen Lehrgängen entstanden, die sich aus der Perspektive verschiedener Disziplinen mit dem Themenfeld beschäftigen (vgl. Servaes 2017, S. 3; Thomas 2014, S. 7–8). Wir plädieren daher für die Einrichtung eines Studienganges KSW in Deutschland, so wie er in anderen Ländern (etwa in den USA, Australien, Südafrika, Großbritannien, Schweden, Norwegen)Footnote 6 bereits seit Langem etabliert ist. Ziel ist (neben der akademischen Auseinandersetzung) Kommunikationsexpert*innen auszubilden, die sich den komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in Bereichen wie soziale Ungleichheiten, Ernährungssicherheit, Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, Frieden und Konflikt, Gesundheit und ökologischer Nachhaltigkeit aus (intersektionaler) Perspektive der KSW annehmen können. In Anbetracht der globalen Herausforderungen auf ökologischer, kultureller und sozialer Ebene gibt es auch für lokale gesellschaftspolitische Entscheidungen einen dringenden Bedarf an Expert*innen für die Kommunikation von Regierungen sowie Nichtregierungs- und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Expert*innen für KSW können dabei helfen, eine Basis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen, das öffentliche Verständnis zu erhöhen und Veränderungen herbeizuführen, indem sie die Bandbreite der verfügbaren Kommunikationsalternativen effektiv nutzen, sei es durch die Erleichterung eines Dialogs, der Partizipation oder die Gestaltung von Kommunikationsstrategien. Dabei ist die Ausbildung von kritischen Fähigkeiten und offenen Einstellungen für die Planung, Implementation und Evaluation partizipativer Kommunikation essenziell (vgl. University of Queensland online, 2021). Ein Studienschwerpunkt KSW kann auch einen Beitrag zu sozialpolitischen Fragestellungen wie der Integration von Minderheiten leisten oder die Vermittlung nachhaltiger Entwicklungsziele (sustainable development goals) verbessern. Darüber hinaus trägt die Etablierung des Schwerpunktes KSW der Tatsache Rechnung, dass international ein wachsender Markt an Dienstleister*innen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit entstanden ist. Während vor allem angelsächsische Studierende auf entsprechende Studiengänge zurückgreifen können, stehen diese deutschen Bewerber*innen nicht oder nur in geringerem Maße zur Verfügung. Viele Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland können aufgrund knapper Ressourcen kaum selbst in Forschung und Weiterbildung investieren. Mit der Etablierung eines Studiengangs der KSW kann vorhandene deutsche Expertise genutzt und weiter ausgebaut werden.