Mit ihrem „Handbook of Public Policy Evaluation“ wollen Frédéric Varone, Steve Jacob und Pirmin Bundi Forscher*innen unterstützen, welche Politikevaluationen zur Verbesserung von Politikgestaltung in Demokratien durchführen möchten (S. 13). Dafür konnten die drei Herausgeber ein internationales Team von Expert*innen gewinnen.

Das Handbuch gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil wird das Instrument der Politikevaluation im politischen Prozess situiert. Dabei werden die Geschichte sowie unterschiedliche epistemologische Perspektiven auf Politikevaluation dargestellt, es wird der Zusammenhang zwischen Politikevaluation und politischem Lernen erörtert, und Vergleiche zu anderen Instrumenten wie etwa der Leistungsprüfung werden angestellt. Auch auf die Rolle von Politikevaluation in Rechenschaftszusammenhängen wird eingegangen.

Der zweite Teil befasst sich mit dem Verhältnis von Politikevaluation zu Deliberation, Partizipation und Inklusion – sprich Konzepten, die zur Stärkung des sogenannten guten Regierens sowie für das Funktionieren einer Demokratie insgesamt zentral sind. Hier wird insbesondere auf den Trend steigender sozialer Ungleichheiten eingegangen – einer außerordentlichen demokratiepolitischen Herausforderung, der sich gegenwärtig viele Länder ausgesetzt sehen.

Im dritten Teil werden die Institutionalisierung und Professionalisierung von Politikevaluation in unterschiedlichen politischen Systemen thematisiert. Die Kapitel diskutieren sowohl die Rolle von Politikevaluation für nationale Parlamente, Verwaltungen, Gerichte und für den öffentlichen Diskurs im Rahmen direktdemokratischer Abstimmungen als auch das Funktionieren von Politikevaluation im Kontext der Europäischen Union, in internationalen Organisationen sowie in Nichtregierungsorganisationen und Entwicklungs- und Schwellenländern. Das letzte Kapitel dieses Teils geht auf Dynamiken sowie Vor- und Nachteile der Professionalisierung von Politikevaluation ein.

Der letzte Teil verweist auf jüngste Erkenntnisse aus der verhaltensorientierten Politikforschung. In diesem Zusammenhang präsentieren zwei Kapitel die Einbindung von randomisierten Kontrollstudien und Feldexperimenten in die Politikevaluation. Des Weiteren wird diskutiert, inwiefern Digitalisierungstrends sowie künstliche Intelligenz für Politikevaluation nutzbar gemacht werden können. Schließlich werden die zentrale Rolle von sogenannten Street-Level Bureaucrats besprochen, sprich öffentlicher Angestellter im direkten Kontakt mit der Bevölkerung, sowie das Phänomen des Non-Take-Ups, sprich der Nichtbeanspruchung öffentlicher Dienstleistungen durch anspruchsberechtigte Bürger*innen.

In einem besonders spannenden Kapitel setzen sich Roberto Pires und Gabriela Lotta mit dem Risiko auseinander, dass Politikevaluationen soziale Ungleichheiten reproduzieren könnten. Dies könne beispielsweise geschehen, wenn eine Politikevaluation die Ziele einer Politik als gegeben annimmt und so darin verankerte, unter Umständen problematische Machtkonstellationen ignoriert. Basierend auf einem Forschungsprojekt, in dem 39 Fälle von Politikevaluation kritisch unter die Lupe genommen wurden, geben die Autor*innen Ratschläge, wie dieses Risiko minimiert werden kann. Ein ausführlicher Fragenkatalog hilft dabei Politikevaluator*innen, problematische Tendenzen wie etwa Rassismus oder Sexismus in der Umsetzung öffentlicher Politiken zu identifizieren.

Auch Simon St-Georges und Christine Rothmayr Allison widmen sich einer besonders relevanten und bisher kaum beleuchteten Frage: Finden Politikevaluationen in der Judikative Verwendung? Anhand von Fallbeispielen aus Europa und Nordamerika zeigen St-Georges und Rothmayr Allison, dass Politikevaluationen in Gerichtsprozessen durchaus eine Rolle spielen, wenn auch eher sporadisch. Inwiefern sich die Verwendung von Politikevaluationen durch Gerichte auch auf die Evaluationspraktik selbst auswirkt, wird als spannende Fragestellung für zukünftige Forschung in den Raum gestellt. Es gibt dazu erste, wenn auch noch zu substantivierende Hinweise, wonach es sich für Verwaltungsorganisationen strategisch lohnen kann, Evaluationsergebnisse unveröffentlicht zu lassen.

Insgesamt liefert das Handbuch einen umfassenden Überblick über Politikevaluation und die damit verbundene jüngere Forschung. Besonders hervorzuheben ist die Sensitivität, mit der alle Autor*innen die Frage von Macht im Kontext von Politikevaluation beleuchten. Durch das Ziel, öffentliche Politik und ihre Wirkung zu analysieren, hat sich Politikevaluation schon immer mit Fragen der Machtausübung auseinandergesetzt. Aus einer kritischen Perspektive gilt es aber auch zu reflektieren, dass Politikevaluation selbst ein Instrument der Machtausübung sein kann. Selbst wenn Politikevaluationsergebnisse manchmal ungenutzt bleiben (Kapitel von Bundi), sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass Politikevaluationen durch die Bewertung von öffentlicher Politik maßgeblich die Fortführung oder Beendigung derselben beeinflussen und damit starke Auswirkungen auf ganze Gesellschaftsschichten haben können. Die Handbuchautor*innen legen dieses Potenzial, welches von Evaluator*innen selbst teilweise mittels technisch-verklausulierter Sprache kaschiert wird, systematisch offen und diskutieren es eingehend.

Eine weitere Qualität des Handbuchs liegt in der Besprechung neuartiger gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, welche nicht nur das Feld der Politikevaluation in den kommenden Jahrzehnten prägen werden. So stellt sich etwa die Frage, welche Rolle Politikevaluation im sogenannten „postfaktischen Zeitalter“ noch spielen kann (Kapitel von John). Ferner gilt es abzuschätzen, inwiefern künstliche Intelligenz eine Chance oder eine Gefahr für den Erfolg von Politikevaluation darstellt (Kapitel von Cahlikova und Ballester). Dass dem Handbuch der Spagat gelingt zwischen verständlicher Darstellung von Basiswissen und differenzierter Präsentation neuartiger Dynamiken, ist als Alleinstellungsmerkmal zu werten.

Es gibt denn auch nicht viele Kritikpunkte gegenüber dem Handbuch. Wie die Herausgeber in der Einführung selbst anmerken, kann ein Werk mit derart umfassendem Anspruch kaum auf alle relevanten Fragestellungen eingehen. Gerade in Anbetracht des Fokus’ auf die Machtthematik wäre jedoch eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Frage angebracht gewesen, inwiefern Auftraggeber*innen von Politikevaluationen die Resultate einer Evaluation zu beeinflussen versuchen. Eine erste Umfrage in der Schweiz hat gezeigt, dass solche Beeinflussung durchaus existiert und relevant sein kann (siehe Pleger und Sager 2016, https://doi.org/10.31244/zfe.2016.01.03).

Abschließend betrachtet legen die Herausgeber und die Autor*innenteams ein überzeugendes neues Standardwerk zu Politikevaluation vor, welches als Referenzgröße sowohl in Forschung wie auch Lehre gewinnbringend eingesetzt werden kann. Dem selbst gesetzten Anspruch, Politikevaluator*innen zu unterstützen, die mit ihrer Arbeit die Politikgestaltung in Demokratien verbessern wollen, wird das Handbuch durchaus gerecht.