Der Sammelband „Politikwissenschaft trifft Politikdidaktik“ basiert auf Beiträgen von zwei Veranstaltungen der DVPW (Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft) zur Lehrerbildung. In der Einleitung betonen die fünf Herausgeber:innen nicht nur die Relevanz der Fachwissenschaften für die Fachdidaktik, sondern auch die der Fachdidaktik für die Fachwissenschaft. Wie schon die beiden Tagungen hat der Band das Ziel, „einen vertieften Austausch zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik zu befördern und Wege zur zukünftigen Aufstellung des Faches im Bereich der Lehrerbildung aufzuzeigen“ (S. 3). Das wird zutreffend zum einen damit begründet, dass die zunehmende Professionalisierung und Differenzierung die Verständigung erschwert, zum anderen aber auch mit der sich verändernden Stellung der politischen Bildung im Fächerkanon der Schulen, auf die die Politikwissenschaft bislang kaum reagiert hat. Angesichts der zahlreichen Baustellen bei der Verständigung wundert es nicht, dass der vorliegende Band nicht alle Baulücken schließen kann. Bedauerlich ist lediglich, dass die in der Einleitung geweckte Erwartung, auch die Relevanz der Politikdidaktik für die Politikwissenschaft aufzuzeigen, in den meisten Beiträgen zu kurz kommt.

Den ersten Teil des Bandes bilden vier Tandem-Beiträge, die von Autor:innenpaaren mit fachwissenschaftlichem und fachdidaktischem Schwerpunkt gemeinsam verfasst wurden. Zunächst plädieren Hans-Jürgen Bieling und David Salomon angesichts der krisenhaften Entwicklungen der Gegenwart für eine sozialwissenschaftliche Bildung „mit einem politökonomischen Kern“ (S. 25). Ausgehend von den Erfahrungen in einem gemeinsamen Seminar für künftige Lehrkräfte fordern Alexander Weiß und Christian Welniak, die „systematische Verbundenheit von demokratischem Denken und Pädagogik“ (S. 33) auf beiden Seiten wieder stärker in den Blick zu nehmen. Rolf Frankenberger und Gudrun Heinrich konstatieren eine mangelnde Vorbereitung der Lehrkräfte auf die Rechtsextremismusprävention. Als Ursachen dafür diskutieren sie u. a. die Interdisziplinarität der Rechtsextremismusforschung, die fortwährende Debatte um die relevanten Begriffe sowie die fehlende systematische Forschung zur Wirksamkeit politischer Bildung. Wilhelm Knelangen und Monika Oberle betonen die Bedeutung der EU-Bildung im Rahmen des Politikunterrichts und der Lehrerbildung. Das Ziel eines „europäischen Bewusstsein“ halten sie für zu diffus und plädieren stattdessen für eine „konstruktive EU-Skepsis“ als Bildungsziel. Bei der Einstellungsforschung sehen sie in der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung von Politikdidaktik und Politikwissenschaft Potenzial für gemeinsame Forschungsprojekte.

Die folgenden Beiträge sind in drei thematische Blöcke aufgeteilt. Zunächst geht es um die Reform der Lehrkräftebildung. Hier fordert Johannes Karl Schmees angesichts der Heterogenität der Studiengänge von der Politikwissenschaft die Erarbeitung klarer fachwissenschaftlicher Standards für das Lehramtsstudium, die nicht zuletzt eine Orientierungsfunktion für die Weiterentwicklung von Studiengängen haben könnten. Sodann konstatiert Helmar Schöne für die Politiklehrerbildung in Baden-Württemberg, dass an den Universitäten nicht zuletzt aufgrund fehlender Fachdidaktik-Professuren eine Integration der verschiedenen Studienanteile kaum stattfinde. An den Pädagogischen Hochschulen gelinge die Verknüpfung zwar besser, die fachliche Betreuung an den Schulen im Praxissemester sei jedoch – vor allem an den Grundschulen – nicht durchgehend gewährleistet.

Der Beitrag der Politikwissenschaft zur Lehrerbildung bildet den Fokus der folgenden fünf Beiträge: Anja Besand hat Tiefeninterviews mit Hochschullehrkräften und Studierenden geführt, aus denen sich die weiter zu untersuchende Frage ergibt, ob die „Rollenbilder, berufsethischen Vorstellungen und Habitusformen“ der Lehrenden in den fachwissenschaftlichen Veranstaltungen die Lehramtsstudierenden nicht stärker prägen, als die Inhalte selbst. Zudem stelle sich die Frage, ob der Fokus auf die Forschung, die nicht das künftige Berufsfeld der Lehramtsstudierenden darstelle, zu einer Unzufriedenheit führe, die dann von den Hochschullehrkräften als mangelndes Interesse ausgelegt werde. Solchen und ähnlichen überaus relevanten „wechselseitigen Blinden Flecken im hochschuldidaktischen Vermittlungsprozess“ (S. 125) widmet sie sich im Projekt „Sylber“. Die zentrale Bedeutung der politischen Theorie im Lehramtsstudium betont Karl-Heinz Breier, da Lernende so eine „eigene Landkarte politischen Denkens“ (S. 138) entwickeln könnten. Hannes Fuchs, Matthias Heil und Alexander Wohnig beschäftigen sich mit der Bedeutung von Gesellschaftstheorien und -diagnosen für die politische Bildung. Deren Relevanz wird mittels der Resonanztheorie von Hartmut Rosa und der Theorie der Abstiegsgesellschaft von Oliver Nachtwey überzeugend illustriert. Allerdings fehlt eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage, wie man mit konkurrierenden Theorieangeboten und Diagnosen in der politischen Bildung umgehen kann. Bei der Auseinandersetzung mit Menschenrechten im Unterricht plädiert Inken Heldt für die Berücksichtigung von Konzepten aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Ausgehend vom Modell der didaktischen Rekonstruktion argumentiert sie, dass wissenschaftliche und lebensweltliche Perspektiven gleichwertig seien und „in ein Aushandlungsverhältnis gestellt werden“ (S. 158) sollten. Letztlich erscheint dieses Aushandlungsverhältnis jedoch einseitig, wenn es Heldt darum geht, Schülervorstellungen mithilfe wissenschaftlicher Differenzierungen zu erweitern, nicht umgekehrt. Bernt Gebauer widmet sich der Frage, wie angesichts der Forderung nach einer Stärkung der Demokratiebildung das Verhältnis von demokratiepädagogischen und politikwissenschaftlichen Studienanteilen in der Lehrerbildung aussehen sollte. Dies diskutiert er nicht nur für den Politikunterricht, sondern auch für die anderen Fächer und die Schule als Institution. Wünschenswert wäre es gewesen, hätte er auch die Frage der Verortung der Demokratiepädagogik in der Lehramtsausbildung diskutiert: Sollten hier die Bildungswissenschaften zuständig sein oder sollte es verpflichtende politikwissenschaftliche Seminare für alle Lehramtsstudierenden geben?

Die drei letzten Beiträge verorten die Herausgeber:innen als Situierung des Politikunterrichts „im gesellschaftlichen Kräftefeld“ (S. 11). Detlef Sack und Patrick Kahle stellen in ihrer Analyse des Datenkorpus aus dem Projekt KoWiMa fest, dass vor allem in Schulbüchern das „Politische“ in Form nichtinstitutioneller Konflikte nicht ausreichend zum Tragen komme. Damit belegen sie empirisch, was in der Politikdidaktik schon länger als Fehlen der Politics-Dimension kritisiert wird. Der Beitrag von Marlon Barbehön und Michael Haus fragt nach den Implikationen des Postpositivismus für die politische Bildung. Sie fordern, „mittels einer reflexiven Schleife eine Form politischen Lernens zu ermöglichen, die die Konstruiertheit der Welt ernst nimmt und produktiv verarbeitet“ (S. 202). An drei Beispielen aus Schulbüchern verdeutlichen sie, was das für die drei zentralen Kompetenzbereiche politisches Wissen, politisches Urteilen und politisches Handeln bedeutet. Eine wichtige Diskussion im Anschluss an diese Ergebnisse könnte sich der Frage widmen, wann in der Praxis herausfordernde metareflexive Schleifen zum Status des Wissens mit den Schüler:innen sinnvoll wären und unter welchen Bedingungen bereits eine fachlich differenziertere didaktische Reduktion, die dem Kontroversitätsgebot besser gerecht wird, ausreicht, um inhaltliche Verkürzungen wie die im Beitrag skizzierten zu vermeiden. Im letzten Beitrag fordert Benjamin Ewert, der Interaktion in der Schule, „ein Konzept multipler Identitäten zur differenzierten Adressierung von Schüler/innen“ (S. 223) zugrunde zu legen. Welche Rolle die Politikwissenschaft hier spielen könnte, thematisiert er nicht, der Beitrag verdeutlicht aber, dass politische Bildung neben der Politikwissenschaft zahlreicher weiterer Bezugswissenschaften bedarf.

Nach der Lektüre des lesenswerten Bandes bleibt zu hoffen, dass er dazu beiträgt, die Kooperation zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft weiter zu stärken. Das gilt für die Forschung, für die Lehre und – so Helmar Schöne – nicht zuletzt auch für gemeinsame bildungspolitische Forderungen: „Alle gemeinsam sind aufgerufen, sich stärker als Lobbyist/innen für das eigene Fach zu verstehen und von der Bildungspolitik ein deutlicheres Augenmerk auf die schulische Politische Bildung einzufordern“ (S. 114).