Was passiert, wenn populistische Parteien und Führungspersonen an die Macht kommen und Regierungen bilden? Diese Frage ist im Laufe der vergangenen Jahre zunehmend wichtig geworden, nachdem in einer ganzen Reihe von Ländern weltweit – von Ungarn bis Indien, von Bolivien bis zur Türkei, von Brasilien über Trumps USA bis zu den Philippinen – populistische Regierungen gebildet wurden. Der von Wolfgang Muno und Christian Pfeiffer herausgegebene Sammelband nimmt sich dieser Frage an, indem er insbesondere nach den Auswirkungen populistischer Machtausübung auf demokratische Institutionen und auf die Qualität von Demokratie fragt. Hierzu wählt der Sammelband einen analytischen Rahmen, der sich an der Arbeit von Takis Pappas orientiert und tatsächlich in den Beiträgen konsequent angewendet wird. Dabei wird argumentiert, dass Populismus an der Macht sich in einer charismatischen Führung, einer starken politischen Polarisierung, in der Etablierung von Patronagenetzwerken und in der Schwächung aller Institutionen, die zwischen populistischer Führung und dem sogenannten wahren Volk stehen, manifestiert. Nun sind nicht all diese Aspekte in der Literatur unumstritten – so wird häufig die Notwendigkeit der charismatischen Führung infrage gestellt – und die Herausgeber selbst verbinden unterschiedliche theoretische Ansätze der Populismusforschung miteinander. Wichtig ist aber die Tatsache, dass populistische Regierungen sich in einer eigentümlichen Position befinden: Nachdem sie an die Macht kommen, werden sie selbst zur politischen Elite und sie brauchen somit neue Möglichkeiten, Legitimität zu erzeugen. Sie werden also in eine Art permanenten Wahlkampfmodus wechseln. Gleichzeitig ist der Anspruch, den angenommenen bzw. konstruierten Volkswillen regelrecht zu verkörpern, der erste Schritt hin zur Delegitimierung jeglicher Opposition, und somit der Kern des Antipluralismus, der laut einigen Autor*innen eine wichtige Eigenschaft des Populismus darstellt.

Der Sammelband setzt sich aus einer Reihe von Fallstudien zusammen, die die Prozesse der Schwächung demokratischer Institutionen unter populistischen Regierungen nachzeichnen und nach den anderen Elementen in Pappas analytischem Rahmen fragen. Die Fallstudien decken unterschiedliche Weltregionen ab und bieten einen hilfreichen Überblick der Auswirkungen populistischen Regierens auf die Qualität von Demokratie. Eine quantitative Analyse im ersten Teil des Buchs zeigt auf, dass populistische Regierungsführung der Qualität von Demokratie erheblichen Schaden zufügt. Und auch die Fallstudien, die sowohl links- als auch rechtspopulistische Regierungen abbilden, bestätigen diesen Befund. Zu den interessanteren Beiträgen zählt die Diskussion des Falls Venezuela, für den aufgezeigt wird, wie sich der Chavismo durch eine gezielte (auch institutionelle) Verankerung linkspopulistischer Ideologie auch weit über Hugo Chávez’ Tod hinaus durchsetzen konnte. Besonders spannend ist der Beitrag von Christian Pfeiffer zu „urbanem Populismus“ an der Macht in Spanien. Hier werden die populistischen Wahlbündnisse untersucht, die 2015 in Madrid und Barcelona an die Macht kamen und jeweils die Bürgermeisterin stellten. Die Analyse populistischer Regierungsführung auf lokaler Ebene – ein bisher in der Populismusforschung deutlich unzureichend untersuchtes Phänomen – führt zu interessanten Ergebnissen. Grundsätzlich scheinen die Handlungslogiken populistischer Lokalregierungen jenen von populistischen Regierungen auf nationaler Ebene zu ähneln, auch wenn es ganz andere (institutionelle) Einschränkungen gibt, die z. B. dazu führen, dass wir hier keine Aushöhlung demokratischer Institutionen, sondern vereinzelt eher jene Aspekte beobachten, die von den Fürsprecher*innen des Populismus betont werden – unmittelbarere Möglichkeiten demokratischer Partizipation und dadurch eine Verbesserung der Qualität von Demokratie. Solche subnationalen Formen populistischen Regierens sollten jedenfalls in der Populismusforschung in Zukunft viel stärker beachtet werden. Das abschließende Kapitel des Sammelbands, in dem die Erkenntnisse aus den Fallstudien zusammengefasst werden, zeigt noch weitere Forschungslücken auf, u. a. die Analyse der Auswirkungen populistischer Regierungen auf die Außenpolitik. Dies ist tatsächlich ein rapide wachsendes Forschungsfeld, in dem noch viel Potenzial für neue Erkenntnisse besteht. Ich würde aber noch weiter gehen und argumentieren, dass wir noch viel zu wenig über die tatsächlich von populistischen Regierungen implementierte Politik wissen – im Sinne tatsächlicher Policy-Forschung. Mit anderen Worten: Wie wirkt sich die Bildung populistischer Regierungen nicht nur auf die Außenpolitik, sondern auch auf die Wirtschafts‑, Sozial‑, Bildungspolitik usw. einzelner Staaten aus? Die ausgezeichnete Arbeit von Nadia Urbinati, „Me the People. How Populism Transforms Democracy“, die in dem Sammelband erstaunlich selten erwähnt wird, liefert hier wichtige Ansatzpunkte. So argumentiert Urbinati, dass Populist*innen an der Macht durch ihren Anspruch, den Volkswillen nicht nur zu repräsentieren, sondern nahezu physisch zu verkörpern, letztendlich viel weniger Wert auf den Erfolg ihrer Politikmaßnahmen legen als nichtpopulistische Regierungen: Da populistische Anführer*innen quasi das Volk „sind“, können sie paradoxerweise nie falschliegen. Schlechte Politik wird somit gewissermaßen normalisiert bzw. auf konspirierende Eliten zurückgeführt und populistische Führungspersonen müssen nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Dies würde z. B. erklären, wieso die Umfragewerte von populistischen Regierungschefs wie Narendra Modi oder Jair Bolsonaro trotz ihres katastrophalen Pandemiemanagements erstaunlich gut blieben. Mit anderen Worten: Neben dem wichtigen, aber auch schon länger etablierten Befund des „democratic backsliding“ unter populistischen Regierungen gibt es noch eine ganze Reihe von Auswirkungen populistischer Politik, die es zu untersuchen gilt. Es bleibt zu hoffen, dass dies von einer diverseren Autor*innenschaft getan werden wird als jener des hier rezensierten Sammelbands, – dass unter 16 Autor*innen nur ein weiblicher Name zu finden ist, passt leider nicht ins Jahr 2021.