Es erscheinen immer wieder Einführungsbände zu den Grundlagen politischer Bildung, insofern man je nach Schwerpunktsetzung auch immer wieder neu ansetzen kann. So gibt es unterschiedliche pädagogische Ausgangspunkte – etwa eine bildungs- oder lerntheoretische Perspektive. Überdies lassen sich politikwissenschaftliche, soziologische oder sozialphilosophische bzw. normative sowie theoretische Orientierungspunkte unterschiedlich kartieren. Schließlich gibt es erhebliche Abweichungen im Verständnis davon, worin die Aufgabe einer Didaktik der politischen Bildung besteht: Das Spektrum reicht vom engen Fokus auf die Beschäftigung mit schulischen Lehr- und Lernprozessen bis zu einem historisch-epistemologischen Horizont, vor dem die Bedingungen, Praktiken und die Mittel reflektiert werden, mit deren Hilfe politische Wissensobjekte entstehen.

Massing konzentriert sich in seinem Text auf die schulische politische Bildung. Er beabsichtigt dabei, sich „mit den normativen und theoretischen Grundlagen sowie mit den Grundbegriffen der politischen Bildung auseinanderzusetzen“ (S. 7) und sich auf die Politik als „Kern der Politischen Bildung“ (S. 8) zu beziehen. Damit wird eine Grenze zu Ansätzen markiert, die weitere Bereiche des Sozialen in der politischen Bildung mitberücksichtigen. Der Bezugspunkt liege in der politischen Bildung, die von den Konzepten der Sozialisation und der politischen Erziehung abzugrenzen sei. Obwohl es Massing erklärtermaßen vor allem um eine konzeptionelle Zuspitzung geht, pflegt er einen auffällig großzügigen Umgang mit zentralen Begrifflichkeiten. So wird „politische Bildung“ häufig synonym für „politische Erziehung“ verwendet und sowohl als Containerbegriff für institutionalisierte Praxen als auch als Konzept eingesetzt. Überdies werden die Begriffe Lernen und Bildung unzureichend gegeneinander abgegrenzt, sodass „politische Bildung“ am Ausgang der „Begriffsklärungen“ (S. 10) nicht als Konzept, sondern eher als programmatischer Rahmen skizziert ist.

In den weiteren Überlegungen geht es dann darum, die politische Bildung um einen fachdidaktischen bzw. fachwissenschaftlichen Kern zu konturieren. Entsprechend rekonstruiert Massing die Chronologie der politischen Bildung entlang des Verhältnisses „zur Demokratie und zur Politikwissenschaft“ (S. 14). Dabei zeichnet er das Bild einer Politikdidaktik, die sich zunächst im Fahrwasser der neu gegründeten Politikwissenschaft erfolgreich von einem „politikfreien Konzept der Gesinnungs- und Gemeinschaftserziehung“ (S. 15) abgrenzen konnte. Obwohl sich Politikwissenschaft und Politikdidaktik im Laufe der Jahre im Wissenschaftsbetrieb fremd geworden seien, blieben sie aufeinander angewiesen: Die Politikdidaktik könne sich etwa vom „unkritischen Interesse an Zeitdiagnosen“ (S. 28) dadurch abgrenzen, dass sie die Politikwissenschaft als zentrale Referenzdisziplin einbinde. Politikwissenschaft behalte ihre Existenzberechtigung ihrerseits nur dann, wenn sie erkennbar zur „gesellschaftlichen Vermittlung von Wissen über das Politische“ (S. 30) beitrage.

Folgerichtig entfaltet Massing die Grundlagen der politischen Bildung rund um den „Sinngehalt der Politik“ (S. 31). Nur so könnten „chaotische Missverständnisse“ und „willkürliche Ausblendungen“ (S. 33) vermieden werden. Massing orientiert sich dabei am didaktisch gängigen Dreischritt Beschreiben-Analysieren-Beurteilen. Es geht ihm jeweils darum, das spezifisch Politische der einzelnen Schritte herauszustellen. Das gelingt allerdings nur leidlich. Denn auffällig ist, dass trotz der immer wieder erklärten Absicht, einen Kern des Politischen herausstellen zu wollen, der Politikbegriff so vielgestaltig im Umfang angereichert wird, dass er im Laufe der Ausführungen immer weiter an Kontur verliert.

Ähnliches lässt sich beim Versuch beobachten, aus dem Bezug zur Demokratie eine normative Orientierung für die politische Bildung zu gewinnen. Zwar bewertet Massing die Versuche der Demokratiepädagogik, normative Aspekte aus der Lebensform zu generieren, mit einer gewissen Schärfe als „unpolitisch“ (S. 64). Seine eigenen Überlegungen zu den normativen Bezugspunkten des politischen Systems und des Individuums kommen aber über das Referat vorliegender Positionen, die Rekonstruktion eines sehr allgemeinen, systemischen Demokratiebegriffs und den Rückbezug auf die Rollen von Bürgerinnen und Bürgern kaum hinaus. Wie über diese Konstruktionen „die schnelle Veränderung der politischen Wirklichkeit und ihre immens gewachsene Bedeutung für das alltägliche Leben der Menschen“ (S. 30) didaktisch greifbar gemacht werden kann, bleibt unklar.

Entsprechend abstrakt bleibt auch die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen für die Demokratie und die politische Bildung. Massing bezieht sich hier auf die Felder Politikverdrossenheit, Globalisierung und Autokratie. Aus ihnen ergebe sich für die politische Bildung die Aufgabe der Beseitigung von Wissensdefiziten, um die Bürgerinnen und Bürger auf die Zukunft vorzubereiten. Mittel der Wahl sei dabei die Vermittlung konzeptuellen Wissens, das in Form von Basis- und Fachkonzepten aufbereitet würde. Die entscheidende Frage, welche politischen Bildungsprozesse durch die Bereitstellung konzeptionellen Wissens ausgelöst werden, welche politischen Positionierungen und Haltungen sich ergeben, wird dabei nicht weiter beleuchtet. Für die Schülerinnen und Schüler scheint nur die Position des engagierten Rezipierens in einer Ordnung des Erklärens vorgesehen.

Das ist kennzeichnend für die gesamten Überlegungen, die von einem mehr oder weniger expliziten Reflex gegen alles Pädagogische durchzogen sind, insoweit es als bedrohlich für das Proprium des Faches erscheint. Bemerkenswert ist das deshalb, weil die Didaktik letztlich eine pädagogische Praxis bleibt, in der es um die Entwicklung demokratischer Subjektivität, die Artikulation eines politischen Selbst-Welt-Verhältnisses geht. Dieser zentrale Prozess der politischen Bildung wird aber konsequent ausgeblendet.

Für einen Titel, der beansprucht, die Grundlagen der politischen Bildung in Deutschland darzustellen, sind überdies trotz einer sicher notwendigen Schwerpunktsetzung größere Rezeptionslücken auffällig. So findet die gesamte Diskussion der kritischen politischen Bildung nicht einmal Erwähnung, obwohl sie im fachspezifischen Diskurs der politischen Bildung in Deutschland mit ihren unzähligen Publikationen, Handbüchern und Konferenzen eine unübersehbar starke Strömung darstellt. Auch werden die aktuellen Diskussionen aus der Politikwissenschaft und der Demokratietheorie, obwohl sie als zentrale Referenzdiskurse ausgewiesen werden, nur sehr selektiv berücksichtigt. So greift Massing selbst im Kapitel zu radikal-demokratischen Demokratiekonzeptionen nicht auf einen einzigen Beitrag aus dieser inzwischen wirkmächtigen Debatte zurück. Am Ende bleiben erhebliche Zweifel, ob die Ausführungen so der „Politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland“ gerecht werden können.