Kuhlmann et al. haben einen interessanten Band vorgelegt, welcher die Frage behandelt, wie es um die Handlungsfähigkeit der kommunalen Ebene in Europa bestellt ist. In den Blick genommen werden in Kapitel 2 zunächst fünf zentrale Aspekte, die mit dem Begriff der Handlungsfähigkeit verbunden sind: Autonomie, Aufgabenprofile, Stellung im Mehrebenensystem, territoriale Fragmentierung und politische-institutionelle Konfiguration. Die Kapitel 3 und 4 widmen sich der finanziellen Ausgestaltung der kommunalen Ebene sowie den herrschenden Reformtrends.

Statt eines groß angelegten Vergleichs über alle europäischen Länder beschränken sich die Autor/innen auf fünf mit Bedacht ausgewählte europäische Länder (Frankreich, Italien, Schweden, Ungarn, Vereinigtes Königreich). Diese stehen jeweils stellvertretend für einen Ländertyp der hergebrachten Klassifizierung von Verwaltungssystemen. Zu Beginn darf man durchaus skeptisch sein, wie gewinnbringend diese Stichprobe vor dem Hintergrund der Tatsache ist, dass sich trotz der konzeptionell und historisch überzeugend begründeten Klassifizierung erhebliche Unterschiede und Entwicklungspfade zwischen Ländern der gleichen Gruppe finden. Allerdings ist die Diskussion über die Einordnung der Länder aus der Perspektive der lokalen Politikforschung insgesamt in vielerlei Hinsicht nicht abgeschlossen, sodass dieser Band einen wertvollen Beitrag zur weiteren Diskussion in vielen behandelten Einzelfragen darstellt. Zudem bietet die Verengung auf die fünf Stellvertreter die Möglichkeit, sich eingehender mit den ausgewählten Fällen zu beschäftigen statt oberflächlich alle Länder durchzuhecheln. Gelegentlich wird die Perspektive ohnehin durch demonstrative Vergleiche mit einer größeren Zahl von Ländern erweitert. Zudem wird Deutschland im Stile eines verdeckten Referenzfalles durch den gesamten Band hindurch mitgenommen, d. h. bestimmte Verhandlungsgegenstände (kommunaler Finanzausgleich, institutionelle Reformen der horizontalen Machtverteilung in den Kommunen, etc.) werden kursorisch auch mit der Empirie zur Bundesrepublik angereichert, was insbesondere für die/den deutschlandkundige/n Leser/in interessante Einsichten mit sich bringt.

Das Kapitel zur lokalen Finanzautonomie stellt einen soliden Vergleich der makro-quantitativen Kennzahlen dar, der sich dadurch wohltuend von den üblichen Betrachtungen abhebt, dass er zum einen immer wieder Besonderheiten der fünf Untersuchungsfälle nicht nur antippt, sondern sich auch die Zeit nimmt, diese etwas breiter zu thematisieren, wie z. B. das französische System der Aufteilung von Steuereinnahmen auf die staatlichen Ebenen (S. 60). Sehr interessant ist Unterabschnitt 3.2, welcher die Rolle der EU-Strukturfonds auf die Einnahmesituation der Kommunen thematisiert – eine Geldquelle, die in der Standardliteratur zu Kommunalfinanzen häufig nicht oder nur am Rande besprochen wird. So wird deutlich, dass in manchen Ländern mehr als die Hälfte (!) der von den Kommunen getätigten öffentlichen Investitionen aus Strukturfondsmitteln stammt. Man kann sich im Umkehrschluss die Frage stellen, wie hoch die kommunale Handlungsfähigkeit in diesen Ländern ausgeprägt wäre, wenn es dieses Instrument der Europäischen Union nicht gäbe.

Besonders erkenntnisreich ist die Darstellung und Diskussion der Reformtrends. Kuhlmann et al. gelingt es hier auf knapp 30 Seiten, vier Spielarten von Kommunalreformen (Re‑/Dezentralisierung, Territorialreformen, New Public Management und Privatisierung sowie Re-Kommunalisierung) über die fünf Länder hinweg darzustellen, zu analysieren und zu bewerten. Dabei wird jeweils die Ausgangslage referiert, die durchgeführten Reformen skizziert sowie die Ergebnisse dargestellt (ggf. mehrfach). Das Kapitel wartet mit einer Fülle von Details zu einzelnen Ländern auf, spannt aber auch immer wieder den großen Bogen über mehrere Länder hinweg zu den Verwaltungstypen oder zur Gesamtheit aller europäischen Länder. Wieder finden sich zahlreiche Referenzen auf Länder, die zwar nicht zu den Fallstudien gehören, die aber jeweils unterstreichen, wie typisch das ausgewählte Land für seine Gruppe ist bzw. wo es tatsächlich einen Ausreißer darstellt.

Besonders gut gelungen ist die Zusammenfassung der Befunde im Schlusskapitel. Kuhlmann et al. stellen die Kernbefunde deutlich heraus. So sind die Länder der nordeuropäischen Gruppe insgesamt am leistungs- und handlungsfähigsten (S. 99). Die Autor/innen präsentieren zudem eine Zehn-Punkte-Liste, die als Handlungsempfehlungen für die Steigerung der kommunalen Leistungs- und Handlungsfähigkeit dienen können. Diese Liste bildet das Destillat der Einzelbefunde aus den fünf Fallstudien. Zugleich bietet sie für die/den Leser/in eine gute Möglichkeit, mit dieser Liste im Hinterkopf weitere Fallbeschreibungen zu lesen, um Vergleichbarkeit mit den hier präsentierten Fällen herzustellen. Und schließlich ist die Liste auch der Schlüssel für die zusammenfassenden Erläuterungen, die Kuhlmann et al. zu den fünf Ländern anbieten. Pointiert und knackig führen die Autor/innen die Ausgangssituation, die institutionellen Arrangements, die eingeschlagenen Reformpfade und den Status quo vor Augen und sparen auch nicht mit deutlichen Aussagen. Am eindringlichsten bleibt der jähe Absturz des Vereinigten Königreichs bei der/dem Leser/in hängen: Einst Vorzeigeland für eine vitale, ressourcenstarke, kreative und schlagkräftige kommunale Ebene, ist das Land als Ergebnis mehrerer Territorial- und Finanzreformen der Konservativen sowie der beispiellosen Privatisierungswelle im öffentlichen Sektor zu einem der Schlusslichter in puncto Gestaltungsspielraum und Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene in Europa geworden (S. 99).

Inhaltlich ist das Buch gut aufgebaut. Es hält vollständig, was es in der Einleitung verspricht und arbeitet die zentralen Punkte der Analyse überzeugend und mit sehr gut gewähltem Detailgrad ab. Leider ist das Buch an einigen Stellen technisch unglücklich gestaltet; so sind die Legenden der Abbildungen teilweise so winzig, dass sie kaum zu erkennen sind (z. B. auf S. 62). Hier wäre die Umwandlung in das Querformat vielleicht besser gewesen. Manchmal tauchen kleinere Fehler auf, z. B. wird auf S. 57 im Text vom hohen Anteil kommunaler Steuern in Dänemark gesprochen und dabei auf Abb. 11 verwiesen, in der das Land aber nicht auftaucht. Diese kleineren Fehler sollten aber nicht den Blick auf die Tatsache verstellen, dass das von Kuhlmann et al. vorgelegte Buch inhaltlich sehr spannend ist. Es enthält für Einsteiger/innen in das Thema der kommunalen Handlungsfähigkeit zahlreiche Einzelbefunde und einen systematischen Überblick. Die Autor/innen kombinieren so die Vorteile von qualitativen Fallstudien zu einzelnen Ländern mit den Vorteilen rein variablengetriebener Untersuchungen. Aber auch für alte Hasen im Bereich der Kommunal- und Verwaltungsforschung bietet der Band Gelegenheit, bestehende Einschätzungen vor dem Hintergrund des vorgelegten Vergleichs zu hinterfragen bzw. das eigene Wissen zu bestimmten Details zu aktualisieren. Der Band ist – auch angesichts seiner nur knapp 100 Textseiten – für die kurze Lektüre zwischendurch sehr geeignet und auch als Nachschlagewerk für bestimmte Kennzahlen durchaus zu empfehlen.