Die in der Festschrift anlässlich des 65. Geburtstags von Ruth Zimmerling versammelten Beiträge spiegeln in ihrer thematischen Vielfalt das akademische Schaffen Zimmerlings in den Bereichen Vergleichende Politikwissenschaft, Internationale Beziehungen und Politische Theorie wider. Die Beiträge verbindet ein gemeinsames Verständnis analytischen Vorgehens, das unter dem Begriff der Analytischen Politischen Theorie relativ breit gefasst wird. Der Band gliedert sich in drei thematische Blöcke: 1. Die Bedeutung von Begriffen; 2. Normative Politische Theorie; sowie 3. Positive Politische Theorie.

Den Auftakt bilden fünf Beiträge zur Bedeutung von Begriffen. Marlies Ahlert präsentiert ein wunschbasiertes Modell individuellen Entscheidens, das unter der Annahme beschränkter Rationalität unter anderem die Bedeutung unterschiedlicher Grade der Wunscherfüllung sowie den Einfluss sozialer Normen in einem sequenziell verlaufenden Entscheidungsprozess berücksichtigt. Kai Arzheimer zeigt auf der Basis einer von ihm erstellten Bibliografie zur Extremen Rechten in Westeuropa auf, inwiefern Zimmerlings Begriff eines „bicycle concepts“ auf die Kernbegrifflichkeiten der politikwissenschaftlichen Teildisziplin zutrifft, die sich mit der Erforschung der Extremen Rechten befasst. Nach Zimmerlings Verständnis funktioniert die Verwendung von „bicycle concepts“ analog zum Fahrradfahren – sobald man genauer darüber nachdenke, wie das Ganze funktioniere, entstünde Konfusion. Für Arzheimer hat die fehlende begriffliche Schärfe innerhalb der untersuchten Teildisziplin nicht nur Nachteile, sondern biete gerade für ein im Entstehen begriffenes Forschungsfeld auch einen Grad an begrifflicher Flexibilität, der hilfreich sein könne – letztlich aber den Weg zu präziseren Definitionen bereiten müsse. Der Beitrag von Jürgen Falter setzt sich kritisch mit dem Begriff des „Politischen Extremismus“ von Backes und Jesse auseinander, während Susanne Hahn anhand der Frage „What is important?“ zeigt, inwiefern sich diese Frage relativ zu ihrem Kontext in unterschiedlicher Weise stellt, aber letztlich auf gesellschaftliche Klärungs- und Aushandlungsprozesse verweist. Jürgen Sirsch und Doris Unger greifen Zimmerlings Auseinandersetzung mit Philip Pettits Konzept der Freiheit als Nichtdominierung auf und zeigen, unter welchen Annahmen sich die neo-republikanische Idee von Freiheit gegen Zimmerlings Kritik verteidigen lässt.

Der zweite thematische Block umfasst zehn Beiträge zur Normativen Politischen Theorie. Während der Beitrag von Michael Becker das Ziel verfolgt, die Okzidentalismus-These von Ian Buruma und Avishai Margalit zu erhärten, vergleichen Geoffrey Brennan und Hartmut Kliemt die Rechtfertigung staatlicher Zwangsmaßnahmen in Robert Nozicks „Anarchy, State, Utopia“ und James Buchanans und Gordon Tullocks „The Calculus of Consent“. Ernesto Garzón Valdés untersucht die Beziehung der Begriffe Menschenwürde, Menschenrechte und Demokratie. Die Frage der Legitimität nichtmajoritärer ExpertInnengremien steht im Zentrum des Beitrags von Claudia Landwehr. Sie verweist auf die zentrale Bedeutung des institutionellen Designs und die Möglichkeit, die Legitimation von ExpertInnengremien auf dem Wege einer demokratischen Deliberation über Verfahrensfragen auf der Metaebene sicherzustellen. Die moralische Rechtfertigung politischen Handelns, das unter die Kategorie der „schmutzigen Hände“ fällt, steht im Zentrum des Beitrags von Susan Mendus. Ebenso wie Mendus nimmt Annette Schmitt Michael Walzers „Political Action: The Problem of Dirty Hands“ zum Ausgangspunkt, um zu diskutieren, mit welcher Art von Problem man es hier eigentlich zu tun hat – einem moralischen, metaethischen oder psychologischen – wobei sie für Letzteres plädiert. Kerstin Pohl zeigt in ihrem Beitrag auf, welche politischen Theorien und Gesellschaftstheorien zur Begründung der Ziele politischer Bildung herangezogen werden und in welcher Form dies geschieht. Während die Bekämpfung globaler Armut im Zentrum einer Reihe normativer Theorien steht, verweist Eduardo Rivera-López darauf, dass die normativen Festlegungen, die diesen Theorien zugrunde liegen, häufig nicht explizit gemacht werden. Aus dieser Diagnose heraus entwickelt er methodologische Hinweise für Theorien globaler Gerechtigkeit, die die Bedeutung des Konzepts der Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen. Kann man Menschen moralische Verantwortung für ihr individuelles Handeln in Bezug auf globale Phänomene wie Klimawandel und globale Armut zuweisen, auch wenn auf der Ebene des Einzelnen argumentiert werde, dass die individuelle Handlung hier keinen Unterschied mache? Diese Frage steht im Zentrum des Beitrags von Christine Tiefensee. Albert Weale nimmt Zimmerlings Unterscheidung zwischen Einfluss und Macht zum Ausgangspunkt, um zu diskutieren, inwiefern die Ungleichheit von Macht in kontraktualistischen Theorien gerechtfertigt wird.

Der dritte Block umfasst fünf Beiträge. Michael Baurmann untersucht die Bedeutung von Gewohnheit für die Stabilität demokratischer Ordnungen, während Dominik Klein, Johannes Marx und Simon Scheller auf der Basis der Erkenntnisse aus zwei Computersimulationen (agentenbasierter Modellierung) zu Asymmetrien im Erwerb von Informationen in komplexen Interaktionen Rückschlüsse auf den Begriff rationalen Handelns präsentieren. Karl Markers Beitrag widmet sich dem Phänomen des Wahlversprechens. Handelt es sich bei dieser Art von Sprechakten überhaupt um echte Versprechen und wie ist damit umzugehen, dass Wahlversprechen, wenn man sie als „unechte Versprechen“ identifiziert, häufig mit anderen Sprechakten wie etwa reinen Absichtserklärungen verwechselt werden? Während José Luis Martí in seinem Beitrag „Ruth Zimmerling’s Globalization and Democracy, fifteen years on“ die weiterhin bestehende Relevanz und Aktualität des Beitrags von Zimmerling herausarbeitet und zu neuerer Forschung der letzten 15 Jahre in Beziehung setzt, wenden Arne Niemann und Friedrich Plank das Prinzipal-Agenten-Modell auf die EU-Konfliktbearbeitung nach dem Vertrag von Lissabon an und entwickeln es durch die Einführung einer Unterscheidung von strukturbedingter und interessenbedingter „discretion“ (S. 360) weiter.

Der Band soll nach Aussagen der HerausgeberInnen einerseits unter dem Motto „Einheit in Vielfalt“ (Klappentext) Einblicke in den Facettenreichtum der Analytischen Politischen Philosophie geben, andererseits aber auch die Vielfalt des Schaffens von Zimmerling widerspiegeln. Wie der Überblick über die einzelnen Beiträge zeigt, erfolgt die explizite Bezugnahme auf die Arbeiten Zimmerlings in sehr unterschiedlich starker Weise, was aber nicht unbedingt als Kritikpunkt erscheint. Etwas weniger einleuchtend ist jedoch der Zusammenhang der einzelnen Beiträge und der beiden zentralen Begrifflichkeiten, die den Haupttitel des Bandes bilden: Demokratie und Entscheidung. Während einige Beiträge einen klaren Bezug beispielsweise zur Entscheidungstheorie oder zu demokratietheoretischen Fragestellungen aufweisen, ist in anderen Fällen schon ein gewisses Maß an „concept stretching“ erforderlich, um sie einem der beiden Kernbegriffe zuordnen zu können. Auch wenn das Spektrum der Beiträge beeindruckend ist, geht daher der Blick am Ende der Lektüre unweigerlich an die Stelle zurück, an der Arzheimer in seiner Diskussion der Implikationen von „bicycle concepts“ für den wissenschaftlichen Diskurs Zimmerlings unermüdliches Eintreten für präzise Begriffsdefinitionen hervorhebt. Diese Präzision sollte, trotz fließender Übergänge zwischen wissenschaftlicher Sprache und Alltagssprache, auch für vermeintlich allumfassende Begriffe wie Demokratie und Entscheidung gelten.