Die Privatisierung wirtschaftlicher Aktivität hat seit den 1980er-Jahren zumindest bis zur Finanzkrise ab 2007 zunehmend an Bedeutung gewonnen, rund um den Globus ist in unterschiedlichen Regimen und vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ideologien privatisiert worden. Diese Tatsache nimmt Detlef Sack zum Anlass, sich diesem Phänomen umfassend anzunehmen und es für fortgeschrittene Studierende und alle anderen Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Dabei macht der Autor von Beginn an deutlich, dass es in seiner Perspektive um mehr geht als den Verkauf von Anteilen an vormals im Staatsbesitz befindlichen Unternehmen an Private. Vielmehr wird insbesondere auch die funktionale Privatisierung mit in den Blick genommen, also die Erledigung öffentlicher Aufgaben durch Private.

Der Lehrbuchcharakter des Buches wird insbesondere in den einführenden Kapiteln deutlich, in denen eher technische Fragen abgehandelt werden wie Privatisierungsdefinitionen und Verfahren der Veräußerung von Staatsunternehmen oder in denen einschlägige theoretische Perspektiven auf Privatisierung aus den Wirtschaftswissenschaften und der Politologie vorgestellt werden. Auch ein kurzes Kapitel zur Datenlage fehlt nicht. Anschließend wird ein Blick in die Empirie geworfen, wobei hier zunächst Deutschlands Privatisierungsgeschichte rekonstruiert wird, bevor die Untersuchung auf Europa und anschließend auf verschiedene andere Weltregionen mit einem gewissen Schwerpunkt auf China erweitert wird. Neben dem Ländervergleich wird aber auch der sektorale Vergleich nicht ausgespart, wobei exemplarisch die Bereiche innere Sicherheit, Telekommunikation, Wasser und Krankenhäuser untersucht werden. Hier finden sich u. a. Fallstudien zur Wasserprivatisierung in Ghana und zur Krankenhausprivatisierung in Hamburg. Das folgende Kapitel wendet sich dann dem Verhältnis zwischen Privatisierung und Regulierung zu, bevor ökonomische, soziale und politische Effekte von Privatisierung erkundet werden. Ebenso bleibt Sack nicht verborgen, dass es auch weiterhin bedeutende Staatsunternehmen gibt und es (nicht nur) in Deutschland auf kommunaler Ebene einen gewissen Trend zur Rekommunalisierung gibt. Beides wird in seinem Buch ebenfalls angesprochen.

Schon dieser Überblick macht eine große Stärke des zu besprechenden Bandes deutlich: Der Leserin und dem Leser wird ein breiter Überblick über die Thematik von theoretischen Überlegungen in verschiedenen Sozialwissenschaften bis zu vergleichsweise kleinteiligen Analysen lokaler Wasserprivatisierung geboten. Der Autor kennt sich in seinem Thema sehr gut aus und hat neben der politikwissenschaftlichen auch die wirtschaftswissenschaftliche Literatur im Blick. Obwohl als Lehrbuch geschrieben und entsprechend mit vielen Erklärungen für Studierende versehen, enthält der Band auch eigene Forschung des Autors. Insofern lohnt sich auch für Privatisierungsforscherinnen und -forscher durchaus ein Blick in Sacks Buch.

Dass ein derart ambitioniertes Werk nicht an allen Stellen jede Rezensentin und jeden Rezensenten überzeugen kann, ist selbstverständlich. Den Autor dieser Zeilen hat etwa die Darstellung des theoretischen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Nachdenkens über Privatisierung nicht vollständig überzeugt, die etwas unglücklich über vier Kapitel verteilt ist (Kap. 3 und 5–7) und etwas hätte gestrafft werden können. Wäre es bspw. nicht sinnvoll gewesen, zunächst über Theorien zum Marktversagen die Rolle (und – aus neoklassischer Sicht – die möglichen normativen Grenzen) von Staatsunternehmen zu diskutieren, die nämlich aus dieser Perspektive zumindest dazu da sind, Marktversagen zu korrigieren? In diesem Zusammenhang wäre auch die Theorie der öffentlichen Güter besser verständlich geworden. In einem nächsten Schritt hätte man dann zeigen können, dass letztlich die Rolle des Staates in der Wirtschaft aber natürlich nicht solchen ökonomischen Theorien, sondern politischen Entscheidungsprozessen gehorcht, die anschließend hätten beleuchtet werden können.

Auch die Darstellung der politikwissenschaftlichen Theorieansätze ist sehr breit, aber nicht an allen Stellen überzeugend. Die Diskussion von Regierungssystemen und Vetospielern etwa bleibt oberflächlich und ignoriert die privatisierungsspezifischen Überlegungen zu verfassungsrechtlichen Schranken und zum Wahlrecht. Ebenso scheinen mir die Beiträge von Nikolaos Zahariadis unter der Überschrift von Akteursnetzwerken nicht allzu glücklich aufgehoben, da sie wesentlich breiter sind und mit dem Multiple-Streams-Ansatz einen eigenständigen Ansatz der Policy-Forschung geprägt haben. Letzterer hätte beispielsweise im Zusammenhang mit ideenorientierten Ansätzen besser diskutiert werden können. Dies sind Beispiele dafür, dass die theoretischen Darlegungen nicht an allen Stellen so stringent und überzeugend sind, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte.

Dass Sacks Lehrbuch auch die Frage behandelt, wo Interessierte denn relevante Daten herbekommen, halte ich für eine große Stärke. Bedauerlich ist allerdings, dass gleich mehrere in der Literatur prominent vorkommende Datenquellen, die auch öffentlich zugänglich sind, nicht genannt werden. Dabei handelt es sich zum einen um die Daten der OECD zu Privatisierungserlösen, die zwar schon lange nicht mehr aktualisiert werden, die aber für bestimmte Fragestellungen nach wie vor relevant sind. Zum anderen fehlt ein Verweis auf die Daten des Bremer Forschungsprojektes zum Rückzug des Staates aus unternehmerischer Tätigkeit (REST-Daten), die ebenfalls frei verfügbar sind. Schließlich kann noch auf die Daten zum Staatsbesitz in Infrastruktursektoren verwiesen werden, die von einer Forschergruppe um Volker Schneider in Konstanz gesammelt wurden, sowie auf die damit eng verknüpften sektoralen Daten der OECD. Hier wären gerade Studierende, die empirisch arbeiten möchten, womöglich dankbar für eine breitere Auswahl der Daten gewesen, wenngleich alle genannten Datenquellen nur die OECD-Staaten in den Blick nehmen.

Ein wenig enttäuscht wird zudem diejenige Leserin sein, die sich einen systematischen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu den Privatisierungsursachen wünscht. Sack nimmt die Literatur zwar in bemerkenswerter Breite zur Kenntnis, doch die präsentierten empirischen Befunde beziehen sich überwiegend auf einzelne Fallstudien. Zwar werden durchaus auch Befunde einzelner Studien mit größerer Fallzahl in den Text eingeflochten, aber diese Studien werden nicht wirklich systematisch ausgewertet. Hier legt der Autor einen klaren Fokus auf eine qualitative Herangehensweise. Das ist legitim, aber es führt an dieser Stelle die vorhandene Forschung doch etwas eng.

Auch mag es Leser geben, denen die Auswahl der untersuchten Fälle nicht immer einleuchten wird. Ein Fokus auf die Bundesrepublik ist zwar durchaus naheliegend, aber dass bei der Beleuchtung der Entwicklung in Europa für eine Phase ein Land (Großbritannien) betrachtet wird, dann eine Ländergruppe (postsozialistische Transformationsländer) ausgewählt wird und schließlich eher auf einzelne Länder verwiesen wird, die aber nicht mehr detailliert untersucht werden, ist gelegentlich verwirrend. Ebenso wird bei der Analyse unterschiedlicher Sektoren wiederum sehr stark auf die Bundesrepublik geschaut, wobei es zumindest teilweise mehr um die Effekte von Privatisierung geht, die eigentlich in einem anderen Kapitel angesprochen werden, als um eine Erklärung der unterschiedlichen Privatisierungsverläufe. Etwas verblüffend ist dann aber, dass auch der Fall der Wasserprivatisierung in Ghana miteinbezogen wird. Das leuchtet mir nicht recht ein. Hier wäre ein Rückgriff auf die systematisch vergleichende Literatur womöglich hilfreicher gewesen.

Trotz dieser Kritikpunkt ist aber festzuhalten, dass Sack mit seinem Buch Einsteigern in die Privatisierungsforschung, aber auch Privatisierungsforscherinnen einen – an vielen Stellen der Privatisierung gegenüber kritischen – Überblick über sein Thema bietet, der in der Literatur bisher schmerzlich vermisst wurde.