Was heißt es eigentlich, politikwissenschaftlich zu arbeiten? Was wird von Studierenden erwartet, die sich für ein Studium der Politikwissenschaft entscheiden? Und was können sie tun, um einen möglichst großen Lerngewinn zu erzielen und gleichzeitig mit guten Noten zu glänzen? Diese Fragen beantwortet Petra Stykow unter Mitarbeit ihres Studenten Tihomir Vrdoljak in ihrem neuen UTB-Band.

Das Lehrbuch versteht sich weder als sozialwissenschaftliches Methodenpropädeutikum noch als Einführung in die fachlichen Inhalte der Politikwissenschaft, sondern setzt früher an, indem es die grundlegenden Arbeitstechniken eines sozialwissenschaftlichen Studiums anhand von zahlreichen Beispielen aus dem Alltag von Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftlern illustriert und vermittelt. Damit ist der Band sehr empfehlenswert für Studierende in den ersten Fachsemestern und eignet sich auch gut als Leseempfehlung für junge Menschen, die sich noch überlegen, ob ein Studium der Politikwissenschaft das Richtige für sie ist. Er ist bewusst so verfasst, dass auch nur einzelne Kapitel gelesen werden können und ein Springen zwischen den Abschnitten jederzeit möglich ist. Angereichert ist das Buch durch zahlreiche Illustrationen, Kurzzusammenfassungen und konkrete Beispiele aus allen Teildisziplinen des Faches. Es besticht zudem durch die sehr studierendenfreundliche Schreibweise der Autorin, die ihre Leserinnen und Leser direkt anspricht, ohne dabei in den Stil eines Kochbuches zu verfallen.

In einem ersten Schritt nähert sich Stykow dem Wesen der Politikwissenschaft als Grenzgängerin zwischen empirischer Sozialforschung und politischer Philosophie an und zeichnet einen Überblick des Perspektivenpluralismus des Faches. Daraus leitet sie dann Hinweise zum Studium der Politikwissenschaft ab, die im Gegensatz zu berufsqualifizierenden Studiengängen ein hohes Maß an Selbstorganisation einfordert, damit aber auch zahlreiche Möglichkeiten der persönlichen Schwerpunktsetzung eröffnet.

Nach dem einführenden Kapitel stellt die Autorin drei basale Teilbereiche des politikwissenschaftlichen Studiums vor: (1) Das Lesen, Auswerten und Analysieren von Fachtexten, (2) das Vorbereiten und Bestehen der gängigen Prüfungsformate vom Referat über die Klausur und die mündliche Prüfung bis hin zu Essays, Haus- und Abschlussarbeiten und schließlich (3) das Konzipieren, Durchführen und Niederschreiben politikwissenschaftlicher Forschung, dem der größte Teil des Buches gewidmet ist.

Dabei vermittelt Stykow zahlreiche praktische Handreichungen, die etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vielleicht banal erscheinen, gerade aber für solche Studierende eine große Bereicherung darstellen, die aus einer Familie stammen, in der die Lektüre der Tageszeitung und die gut bestückte Hausbibliothek keine Selbstverständlichkeit sind: Wie erarbeite ich mir einen Text? Wie erfasse ich seine Struktur? Welche Lesestrategien sollte ich beherrschen? Wie verinnerliche ich, was ich gelesen habe? Und wie finde ich überhaupt geeignete Literatur? Aus welchem Grund werden in der Politikwissenschaft Prüfungen abgenommen? Wie bereite ich mich darauf vor und was zeichnet eine gute Prüfung aus? Dies sind nur einige der Fragen, die Stykow gut nachvollziehbar und pointiert beantwortet. Das Buch profitiert dabei sehr von der Sichtweise des Studenten Vrdoljak, der an vielen Stellen den geschulten Blick seiner Professorin ergänzt.

Größte Stärke des Lehrbuches sind die zahlreichen Tipps zur Planung und Durchführung politikwissenschaftlicher Forschung, die auch noch für Studierende in Masterstudiengängen hilfreich sind. Die Autorin legt sehr anschaulich dar, wie Forschungsarbeiten zu verschiedenen Fragestellungen sinnvoll gegliedert werden sollten, welche Phasen ein Schreibprojekt durchläuft und verrät Tricks zur Verbesserung politikwissenschaftlicher Texte. Im Fokus steht dabei die Stärkung der Analysefähigkeit und Eigenleistung von Studierenden, die mithilfe von Gegenüberstellungen gelungener und misslungener Texte erreicht werden soll. Zudem enthält das Buch eine gut gelungene Einführung in die gebräuchlichen Zitiertechniken der Disziplin. Als Dozent mit langjähriger Lehrerfahrung würde ich mir deshalb sehr wünschen, dass sich möglichst viele Studierende in Bachelorstudiengängen frühzeitig mit Stykows Band auseinandersetzen.

Für eine zweite Auflage wäre die Erweiterung des Buches um zwei weitere Aspekte der Politikwissenschaft denkbar: Zum einen wären Ratschläge für das Arbeiten in Gruppen hilfreich. Stykow präsentiert das Fach bislang vor allem als Einzelkämpferdisziplin. In der Praxis gewinnt das Arbeiten in Gruppen jedoch an Bedeutung und persönlich mache ich in meinen Lehrveranstaltungen häufig die Erfahrung, dass viele Studierende erhebliche Schwierigkeiten damit haben, sich in der Peergroup zu organisieren, Konfliktsituationen selbstständig zu bewältigen und Teamstrategien zu entwickeln. Hier haben Sozialpsychologie und Organisationssoziologie in jüngerer Zeit zahlreiche Hinweise entwickelt, die sich auf das Studium der Politikwissenschaft übertragen ließen.

Zum anderen würde das Buch weiter an Relevanz für Studierende gewinnen, wenn es auch auf den Kompetenzerwerb von Studierenden für den außeruniversitären Arbeitsmarkt fokussieren könnte. Die Autorin ist zweifellos mit Leib und Seele Wissenschaftlerin und ihr gelingt es hervorragend, Studierende für das politikwissenschaftliche Arbeiten an der Hochschule zu sensibilisieren. Allerdings verbleiben nicht einmal fünf Prozent eines Jahrgangs nach dem Studium im Wissenschaftsbetrieb, die meisten finden in außeruniversitären Einrichtungen ihren Broterwerb. Deshalb würde das Lehrbuch einen Gewinn erfahren, wenn es Hinweise zum Erlernen politikwissenschaftlicher Schlüsselqualifikationen vermitteln könnte, beispielsweise das interdisziplinäre Arbeiten, das Springen zwischen Textsorten und der Umgang mit unterschiedlichen Zielgruppen.

In der Zusammenschau hat Stykow ein Lehrbuch vorgelegt, das unter den deutschsprachigen politikwissenschaftlichen Propädeutika eine Lücke schließt, das studierendenfreundlich geschrieben ist und aus dem einzelne Kapitel sehr gut in Orientierungswochen und Einführungskursen verwendet werden können.