Themen wie Klimawandel, Ungleichheit und Einwanderung verschärfen die Bedingungen, unter denen Politik wissensbasiert gestaltet und zugleich ein breites Spektrum von Interessen im politischen Prozess vertreten werden kann. Vor diesem Hintergrund versuchen Regierungen zunehmend, Interessenorganisationen in beratende bzw. kooperative Gremien einzubinden. Doch selbst eine ausgewogene deskriptive Vertretung muss nicht zu einem fairen Einfluss der relevanten Akteure auf die Ergebnisse der Gremienarbeit führen. Die von Maximilian Schiffers vorgelegte Monografie verspricht, einen Beitrag zur Erforschung politischen Einflusses im Zusammenhang derartiger Gremien zu liefern. Dies ist umso begrüßenswerter, als zwischen den zahlreichen Versuchen, theoretisch begründete Erwartungen zu den Grundlagen und Modi politischer Einflussname empirisch zu erhärten einerseits und Resignation angesichts der methodologischen Schwierigkeiten andererseits, viel Raum für produktive Beiträge verbleibt.

Schiffers’ 2018 an der Universität Duisburg-Essen vorgelegte Dissertation geht der Frage nach, welchen Einfluss Interessengruppen auf politische Entscheidungen und Prozesse haben. Konkret möchte der Autor herausfinden, wie die beteiligten Akteure (Landesregierungen und Interessengruppen) verschiedene „Koordinierungsoutcomes“ (S. 17) erreichen. Darüber hinaus geht Schiffers der Frage nach, welcher der beiden gewählten theoretischen Ansätze – akteurszentrierter und diskursiver Institutionalismus – das Verständnis von Politikkoordination und politischem Kontext für Interessengruppeneinfluss verbessert. Aufgrund der bereits erwähnten Schwierigkeiten bei der Untersuchung politischen Einflusses verfolgt der Autor eine „indirekte“ (S. 60) Forschungsstrategie. Ein drittes Ziel der Arbeit besteht daher in der theoriegeleiteten Klassifikation von „Einflussmustern“ (S. 21) sowie in der Verortung des Interessengruppenhandelns entlang einer Skala, die von kooperativen zu konfrontativen Strategien reicht. Unter politischem Einfluss wird die Fähigkeit verstanden, an Prozessen der Politikkoordination prägend teilzunehmen. Ein Akteur ist dabei umso einflussreicher, je koordinierter und verbindlicher das Ergebnis der Gremienarbeit ist. Das Ergebnis kann von einem hohen („positiven“) Grad an Politikkoordination hin zu einem geringen („negativen“) reichen. Der Autor argumentiert, dass Koordinierung zwischen Regierung und Interessengruppen Konflikte reduziert, was im besten Fall gemeinsame Richtungsentscheidungen und Politikempfehlungen ermöglicht. Anhand von fünf Fallstudien zu Koordinierungsgremien von Landesregierungen und Interessengruppen im Zusammenhang der Energiewende in mehreren Bundesländern ergründet Schiffers den Zusammenhang von politischen Zielen (Bewahrung versus Veränderung des Policy-Status quo), Strategiewahl (kooperativ versus konfrontativ) und „Einflusserfolg“ (positive versus negative Politikkoordination, S. 302). Im Ergebnis befindet der Autor, dass Akteure, die eine Veränderung des Policy-Status quo anstreben, in der Politikkoordination dann erfolgreich sind, wenn sie kooperative Strategien wählen und diese erfolgreich im Koordinierungsgremium durchsetzen. Hingegen sind Akteure, die den Policy-Status quo erhalten wollen, dann erfolgreich, wenn sie konfrontative Strategien verfolgen und diese erfolgreich im Gremium durchsetzen.

Trotz der betont „theoretisch-konzeptionellen Perspektive“ (S. 13) weist die Arbeit einige konzeptuelle Unklarheiten auf. So bleibt etwa der zentrale Begriff des „Einflussmusters“ undefiniert. Auch die Forschungsstrategie der indirekten Bestimmung des Interessengruppeneinflusses wird nur unzureichend erläutert. Zwar enthält das Werk viele Querverweise auf eine genauere Darstellung; letztlich unterbleibt eine solche jedoch. Dies deutet auf eine tieferliegende Problematik bei der Unterscheidung von direkten und indirekten Forschungsstrategien zur Erfassung von politischem Einfluss hin. Wenngleich Beispiele für Untersuchungen mit direkten Forschungsstrategien nicht direkt benannt werden, legt der Zusammenhang nahe, dass die auf S. 35 zitierten Arbeiten von Baumgartner et al. (2009) und McKay (2012) als Vertreter dieser direkten Strategie betrachtet werden. Problematisch ist hierbei, dass diese Arbeiten keineswegs beanspruchen, die Mechanismen politischen Einflusses durch Interessenvertreter direkt sichtbar machen zu können. Vielmehr versuchen die genannten AutorInnen gerade auf indirektem Wege Schlussfolgerungen über das Ob und Wie politischer Einflussnahme zu treffen, indem sie beobachtbare Implikationen theoretischer Argumente über kausale Zusammenhänge, die selber nicht direkt beobachtetet werden, empirisch überprüfen. Indem Schiffers’ Vorgehensweise „Einflussmuster“ in der Interaktionspraxis der Koordinierungsgremien aufzudecken sucht, ist sie „direkter“ als die Vorgehensweisen der Studien, denen gegenüber sie als „indirekt“ positioniert wird.

Indirekt fällt hingegen die Antwort auf die Frage des Einflusses der Interessengruppen auf die Gremienarbeit aus. Zwar arbeitet der Autor im Schlusskapitel „Eckpunkte“ des Interessengruppeneinflusses heraus (S. 302), wonach für den Lobbyerfolg neben der Wahl der richtigen (also im institutionellen Kontext zu den eigenen Präferenzen passenden) Strategie die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie auschlaggebend ist. Trotz einer ausführlichen Literaturauswertung zu Beginn der Arbeit werden jedoch kaum Bezüge zwischen den Ergebnissen der Fallstudien und dem Stand der Forschung zu Lobbystrategie und -erfolg hergestellt, was den Beitrag der Arbeit zur Ergründung des Ob und Wie von Interessengruppeneinfluss schmälert. Die Frage nach der jeweiligen Verständnisleistung der Theorieansätze wird am Ende nicht wieder aufgegriffen. Die Art und Weise, in der akteurszentrierte und diskursive institutionalistische Perspektiven komplementär zur Anwendung kommen, legt jedoch nahe, dass der Autor beide für in etwa gleich fruchtbar hält.

Die Stärke der Studie liegt in der detaillierten und systematischen empirischen Untersuchung von Interessengruppenstrategien in beratenden und kooperativen Politikgremien. Der durch Schiffers unternommene Perspektivwechsel von verbindlichen Entscheidungen hin zur Rolle von Diskursen und Framing in den frühen Phasen der Politikformulierung ist in der Interessengruppenforschung lange überfällig gewesen. Mit ihm leistet das Buch zugleich einen wertvollen Beitrag zum Verständnis von Interessenvermittlung in der gegenwärtigen deutschen Verhandlungsdemokratie.