1 Einführung

Die Frauenbewegung gehört mit ihren vielfältigen Formen und Anliegen zu den ältesten sozialen Bewegungen der Moderne und ist vielleicht eine ihrer erfolgreichsten.Footnote 1 Sie ist angetreten, die traditionelle Geschlechterordnung zu verändern, die lange Zeit die Exklusion von Frauen aus vielen gesellschaftlichen Bereichen wie Erwerbsarbeit, politischer Mitbestimmung, universitärer Wissensproduktion und männliche Übergriffe auf den weiblichen Körper als selbstverständlich legitimierte. Die Frauenbewegung wurde dabei seit ihren Anfängen von antifeministischen Protesten begleitet, die sich gegen den angestrebten sozialen Wandel richteten.

Auch aktuell finden sich Feminist*innen immer wieder mit antifeministischen, sexistischen und anti-genderistischen Angriffen konfrontiert. Diese äußern sich in Statements von Politiker*innen, in den Kommentarspalten von Online-Medien, in Tweets und #‑KampagnenFootnote 2 und in persönlichen, alltäglichen Interaktionen. Sie lassen sich als öffentlicher Ausdruck mobilisierter individueller antifeministischer Einstellungen verstehen.

Der vorliegende Beitrag widmet sich dem Phänomen des Antifeminismus in Deutschland und beleuchtet seine Verbreitung und kognitive Einbettung in weiter gefasste Weltanschauungssysteme. Forschungsleitend sind die beiden Fragen, wie verbreitet antifeministische Einstellungen sind und mit welchen anderen Einstellungen und Weltinterpretationen sie verknüpft sind.

Dazu werden im ersten Teil des Artikels theoretische Überlegungen zur Gegenmobilisierung von feministischen Bewegungen (Abschnitt 1) sowie bisherige Erkenntnisse zum Antifeminismus in Deutschland (Abschnitt 2) referiert. Im dritten Abschnitt werden weltanschauliche Einbettungsprozesse des Antifeminismus diskutiert und im vierten eigene Daten vorgestellt, die auf einer standardisierten Online-Befragung aus dem Jahr 2016 (n = 1202) basieren und vorliegende qualitative Arbeiten zum Antifeminismus ergänzen sollen. Unsere Untersuchung zeigt, mit welchen personenbezogenen Merkmalen antifeministische Einstellungen zusammenhängen und mit welchen Weltanschauungsbestandteilen sie verknüpft sind.

2 Gegenmobilisierung und Feminismus

Soziale Bewegungen, denen es gelungen ist, ihre Anliegen öffentlich sichtbar zu machen, müssen in der Regel mit Gegenmobilisierung rechnen. Dies gilt auch für feministische Anliegen. Ob Antifeminismus bereits als eigenständige soziale Bewegung bezeichnet werden kann, ist eine offene Frage (Kaiser 2020, S. 79 ff.), dennoch lassen sich die damit verbundenen Einstellungen, politischen Positionen und weltanschaulichen Perspektiven am ehesten verstehen, wenn sie im Rahmen der Erkenntnisse der Bewegungsforschung analysiert werden, befasst sich diese doch mit dem Wer, Was und Warum der sozialen Mobilisierung von Einstellungen und daraus resultierenden Protesthandlungen. Im Folgenden sollen einem Artikel angemessen kurz bewegungssoziologische Erkenntnisse zu Gegenmobilisierung, feministischen Bewegungen und Antifeminismus vorgestellt werden, um anschließend die empirischen Erkenntnisse zu antifeministischen Einstellungen zu kontextualisieren.

Verglichen mit der wissenschaftlichen Beschäftigung mit sozialen Bewegungen ist die Auseinandersetzung mit Gegenmobilisierung derzeit noch wenig ausgeprägt. Im Rahmen des „dynamics of contention“-Ansatzes (McAdam et al. 2001) geraten allerdings in jüngerer Zeit vor allem konservative Parteien, Organisationen und Bewegungen mehr und mehr als Verteidiger des Status quo in den Blick (z. B. Krause et al. 2015; Hawley 2017; Reuband 2017).Footnote 3

Gegenmobilisierung richtet sich gegen durch soziale Bewegungen (vermeintlich) erfolgreich angestoßenen sozialen Wandel: Während soziale Bewegungen Gruppen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie höher stehen, herausfordern, richtet sich Gegenmobilisierung gegen solche Veränderungsbestrebungen „von unten“ (Mottl 1980, S. 621). Allerdings ist nicht jede Gegenmobilisierung schon eine Gegenbewegung. Gegenmobilisierung findet statt, wenn individuelle Einstellungen öffentlich – z. B. über soziale Medien – sichtbar, geteilt und artikulierbar werden. Ob daraus eine Bewegung mit einem organisierten Kern werden kann, entscheidet sich in Abhängigkeit verschiedener individueller und gesellschaftlicher Faktoren.Footnote 4 Bisherige Untersuchungen zeigen, dass Gegenmobilisierungen jenseits ihres Organisationsgrades bestimmte strukturelle Eigenheiten aufweisen und dass ihre Interessent*innen einige einstellungsrelevante Eigenschaften teilen.

Mottl argumentiert, dass Gegenmobilisierung ein bewusster Versuch sei „to resist or to reverse social change“ (Mottl 1980, S. 620). Hinsichtlich der Mobilisierungsgründe kommt Tilly (1976; [1964]) zu dem Ergebnis, dass zu schnelles Wachstum im Zuge sozialen Wandels und die damit einhergehende Umverteilung von Ressourcen einen solchen Widerstand hervorrufen könnten. Inwieweit dies auch für die Mobilisierung antifeministischer Einstellungen gilt, ist eine noch zu klärende Frage.

Über die soziodemografische Verortung von Gegenmobilisierung gibt es unterschiedliche Hypothesen: Während Tilly feststellt, dass sich nicht nur Verlierer gegen sozialen Wandel wenden, konstatiert Mottl (1980, S. 621 [Herv. d. Autor.]), Gegenmobilisierung sei „related to social divisions resulting from socioeconomic decline, threatening the position of those who mobilise“. Auch dies wird für die Mobilisierung von antifeministischen Einstellungen zu untersuchen sein.

Jenseits der Fragen nach Gründen und Merkmalen der Protagonist*innen weist die Bewegungsforschung auf die kontextuelle Einbettung von Gegenmobilisierung hin: Gegenmobilisierung findet im Dreiecksverhältnis zwischen sozialer Bewegung und staatlichen Policies statt (Mottl 1980; Rucht 1991; Meyer und Staggenborg 1996): Gegenmobilisierung ist unwahrscheinlich, wenn soziale Bewegungen ein politisches Feld nicht erfolgreich besetzen können oder wenn die durch die soziale Bewegung angestoßenen Policy-Änderungen als irreversibel wahrgenommen werden, da es dann an einer für die Gegenmobilisierung vorteilhaften „political opportunity structure“ (Eisinger 1973, S. 11) fehlt. Verbreitung und Sichtbarkeit von Gegenmobilisierung hängt zudem von ihrer ideologischen Einbettung ab: Mottl (1980, S. 622) sowie Meyer und Staggenborg (1996, S. 1639) stellen hierzu fest, dass Gegenmobilisierungen erfolgreicher sind, wenn ihre Anliegen entlang eines aktuellen Wertekonflikts positioniert sind.

Antifeministische Gegenmobilisierung bezieht sich konkret auf Feminismen als gesellschaftsverändernde Kraft. Antifeminismus spiegelt sich in allen öffentlich beobachtbaren Statements gegen vermeintliche und reale feministische Erfolge, in entsprechenden sozialen Normierungen und Praktiken und realisiert sich, wie später zu zeigen sein wird, in individuellen Einstellungen, auch wenn viele Menschen, die solchermaßen antifeministische Einstellungen teilen, diesen Bezugspunkt nur vage umreißen können. Für antifeministische Weltbilder und Handlungskonsequenzen ist es jedoch unerheblich, ob antifeministische Wahrnehmungen feministische Anliegen angemessen oder „richtig“ reflektieren, da es bereits hinreicht, dass diese Wahrnehmungen subjektiv relevant und sozial geteilt sind, um „real in their consequences“ (Thomas und Thomas 1928) zu sein.Footnote 5

Feministische Anliegen, gegen die sich auch der moderne Antifeminismus richtet, werden seit den 1840er-Jahren in vielfältiger Weise vertreten: Es haben sich verschiedene Wellen und Strömungen ausdifferenziert, die teils sogar einander widersprechende Zielsetzungen verfolgen,Footnote 6 sodass umstritten ist, ob überhaupt von einer einheitlichen Bewegung gesprochen werden kann. Aus Sicht der Bewegungsforschung ist dies nicht überraschend, da es sich um ein allgemeines epistemologisches Problem handelt, das sowohl Mitglieder einer sozialen Bewegung als auch Bewegungsforscher*innen gleichermaßen haben: In sozialen Bewegungen werden üblicherweise Situationsdefinitionen, Ziele und Strategien beständig neu verhandelt und dadurch wird die Einheitlichkeit des Phänomens infrage gestellt.

Dies kann nicht bedeuten, dass gänzlich auf die begriffliche Synthese verzichtet werden müsste, auch wenn mit einer solchen Suche nach dem gemeinsamen Nenner die Dynamiken der feministischen Anliegen zunächst gewissermaßen stillgestellt werden. Mit diesen Einschränkungen kann Feminismus analytisch als Weltdeutung und soziale Bewegung umrissen werden, „die alle Bereiche des Menschlichen betrifft und den patriarchalen Gehalt aller kulturellen Hervorbringungen des Mannes (der sich traditionell als Mensch schlechthin definiert) bloßlegt und kritisiert“ (Pusch 1983, S. 14). Dabei steht die Analyse der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse, also nicht nur der Beziehungen zwischen Frauen und Männern, im Vordergrund: „Das Ziel des Feminismus ist […] die gesellschaftliche Behandlung des Frau-Seins zu verbessern, unter der einzelne Frauen heute als Frauen leiden“ (Radcliffe Richards 1983, S. 20). Diese „transformative Politik“ ist „darauf gerichtet, gesellschaftliche Institutionen zu verändern, jede Form von Unterdrückung zu überwinden“ (List 1989, S. 10). Damit einher geht die explizite feministische Forderung, die gültige Geschlechterordnung infrage zu stellen, welche sich nicht allein in die öffentliche Sphäre der Erwerbsarbeit oder politischen Mitbestimmung erstreckt, sondern auch in die Privatsphäre der Familie und Partnerschaft.

3 Forschungsstand zum Antifeminismus

Antifeminismus richtet sich explizit gegen alle Formen von Feminismus und gegen die politischen und sozialen Errungenschaften der Geschlechtergerechtigkeit (Schmincke 2018, S. 28; Herrmann 2015, S. 79). Antifeminismus ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Frauenfeindlichkeit oder Sexismus, da beides historisch lange vor dem Antifeminismus entstanden ist (Schenk 1981, S. 163). Des Weiteren ist der Begriff des Antifeminismus von jenem des „Anti-Genderismus“ zu unterscheiden. Letzterer bezeichnet laut Hark und Villa (2015a, S. 20 ff.) die Ablehnung der wissenschaftlichen und politischen Infragestellung des alltagsweltlichen Verständnisses von Zweigeschlechtlichkeit. Anti-Genderismus kann Bestandteil antifeministischer Überzeugungen sein (Schmincke 2018, S. 28), muss dies aber nicht, wie das Beispiel der sogenannten TERFS (trans-exclusionary radical feminists) zeigt (Williams 2016).

Chafetz und Dworkin legten 1987 eine der ersten wissenschaftlich-theoretischen Analysen zu Antifeminismus vor. Sie konnten zeigen, dass feministische Anliegen seit Beginn der Frauenbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts antifeministische Reaktionen wie Anti-Suffragette‑, Pro-life- oder Väter-Bewegungen auslösten. Chafetz und Dworkin (1987, S. 35) folgern aus der anti-institutionellen Haltung feministischer Bewegungen, dass Antifeminismus „proinstitutional in character“ sei. Als potenzielle Akteur*innen machen sie Gruppen mit starken Interessen („vested interest groups“) wie z. B. Vertreter*innen der Kirchen, aber auch Frauen aus, die befürchteten, durch die Öffnung der öffentlichen Sphäre für Frauen an Ansehen als „Managerinnen“ des Häuslichen zu verlieren, sei es, weil der Status ihrer Ehemänner oder ihr eigener Hausfrauenstatus einer Abwertung unterworfen sein könnte. Die damit verbundenen antifeministischen Einstellungen seien jedoch in bekannte Einstellungsmuster eingebettet: „A conspicuous backlash does not reflect a significant change in public attitudes, but a coalescence of diffuse opposition that was always present“ (Chafetz und Dworkin 1987, S. 42). Antifeminismus erscheine in Bezug auf seine Anliegen und Sympathisant*innen weit weniger ausdifferenziert als die heterogenen und variantenreichen feministischen Strömungen: Die meisten der von den Autor*innen untersuchten antifeministischen Initiativen leiteten ihre Legitimation aus einem traditionellen, essentialistisch begründeten Geschlechterbild ab, das Männern die Rolle des Familienoberhaupts und Ernährers, Frauen jene der, für reproduktive Haushaltstätigkeiten prädestinierten, Mutter zuweisen (Chafetz und Dworkin 1987, S. 42 f.).Footnote 7

Im Gegensatz zum Feminismus ist Antifeminismus weniger systematisch wissenschaftlich erschlossen, aber die Zahl der Studien wächst auch in Deutschland kontinuierlich. Historische Untersuchungen zum deutschen Antifeminismus konzentrieren sich bisher vor allem auf das Kaiserreich: die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist die Periode, in der naturwissenschaftlich legitimierte Erklärungsgrundlagen für misogyne PerspektivenFootnote 8 immer stärker an Relevanz gewinnen (Amlinger 2015, S. 2). Eine der wichtigsten Typologien antifeministischer Ideologien aus dieser Zeit stammt von Hedwig Dohm (1902),Footnote 9 die zeigt, wie ausdifferenziert das Feld des Antifeminismus damals schon gewesen ist, und dass häufig auch Frauen entsprechende Positionen vertraten.

Für Volkov (1978) ist die Wilhelminische Zeit durch einen starken antimodernen Impuls geprägt, der sich in überzogenem Nationalismus, imperialen Bestrebungen, Kriegsbegeisterung, aber auch einer konservativen Perspektive auf die Familie ausdrücke. Antifeminismus trete häufig gemeinsam mit antisemitischen Ressentiments auf, die sich ebenfalls gegen eine als bedrohlich wahrgenommene Moderne richteten. Antisemitismus sei dabei zu einem Kürzel für ein ganzes Einstellungssyndrom geronnen: „Women, like Jews, ran the argument, lacked the required ethical consciousness and moral vigour characteristic of German men. Antisemitism and antifeminism were almost invariably combined in Imperial Germany. Both were integral elements of the anti-emancipatory culture of a majority of Germans in the pre-war years“ (Volkov 1978, S. 34).Footnote 10

Planert (1998) wiederum kann belegen, dass Antifeminismus im Kaiserreich eine gut vernetzte Gegenbewegung war, die vor allem als Folge der gesellschaftlichen Infragestellung etablierter Geschlechterverhältnisse durch feministische Forderungen nach politischer, ökonomischer und sozialer Teilhabe gelesen werden könne.

Die meisten Erkenntnisse zum aktuellen Antifeminismus basieren auf qualitativen Untersuchungen. Darunter finden sich in jüngerer Zeit Analysen, die sich mit der Modernisierung antifeministischer Positionen in der Gegenwart beschäftigen (Hark und Villa 2015a; Lang und Peters 2018; Schmincke 2018), oder organisierte Formen des Antifeminismus analysieren (Rosenbrock 2012; Kemper 2012). Andere Studien untersuchen das Thema Antifeminismus diskurs- und inhaltsanalytisch in den Printmedien (Möller 1999) oder im Internet (Drüeke und Klaus 2014; Drüeke und Peil 2015; Drüeke und Zobl 2016).

Als Kampffelder der aktuellen antifeministischen Debatten werden insbesondere familienbezogene Themen identifiziert: Das durch die Emanzipation von Frauen vermeintlich gefährdete Kindswohl, die rechtliche Benachteiligung von Scheidungsvätern und das Bild männlicher Bildungsverlierer werden in der Literatur als wichtige Topoi genannt (Klaus 2008, S. 177ff.; Lang und Peters 2018; Schmincke 2018, S. 30). Mit Bezug auf die Präsenz von Antifeminismus in Internetportalen stellt Drüeke (2016, S. 9f.) fest, dass die Betonung traditioneller Geschlechterbilder und biologischer Erklärungsansätze den Kern der Auseinandersetzungen darstellen. Darüber hinaus finden sich Hinweise auf eine Verschränkung mit homophoben und nationalistischen Diskursen in den Internetportalen (Gesterkamp 2010; Rosenbrock 2012; Kemper 2011).

Organisatorisch spielen vor allem die seit den 1980er-Jahren etablierten Männergruppen eine große Rolle (Rosenbrock 2012). Das antifeministische Themenspektrum scheint eng verbunden mit der Überzeugung, dass die rechtliche Gleichheit von Männern und Frauen längst hergestellt sei und weitere Gleichstellungsansprüche von Frauen unweigerlich zur Benachteiligung von Männern führen. Damit wird der Kampf gegen staatliche Gleichstellungs- und Bildungspolitiken begründet (Rosenbrock 2012; Lang und Peters 2018, S. 20; Laumann und Debus 2018). Legitimiert wird die gesellschaftliche (Zurück‑)Verweisung von Frauen in die häusliche Reproduktionssphäre über die kategorische Ablehnung aller (sozialwissenschaftlichen und rechtlichen) Denkansätze, die Geschlecht als anti-essentialistisch verstehen und damit verschiedene gesellschaftliche Positionierungen von Frauen und Männern nicht länger als Ergebnis biologischer Differenzen anerkennen (Lang und Peters 2018, S. 13). In diesem Kontext wird Antifeminismus als Kritik an den Gender-Studies untersucht, deren Infragestellung der Naturhaftigkeit der Zweigeschlechtlichkeit in den letzten Jahren heftige anti-genderistische Reflexe hervorgerufen hat (Hark und Villa 2015b; Wimbauer et al. 2015).

Diese Befunde zeigen, dass auch aktuelle antifeministische Positionen in breitere gesellschaftliche Diskurse eingebunden sind. Insbesondere betrifft dies das vorgebliche Verschwinden traditioneller Geschlechterordnungen, d. h. von „klassischen“ Väter- und Mütterrollen. Die mit dieser Geschlechterordnung verbundenen Machtverhältnisse seien durch feministische Bewegungen nachhaltig infrage gestellt und würden als strukturell prekär erlebt.

Während für die Wilhelminische Zeit die Einbindung des Antifeminismus in antimoderne Weltanschauungssysteme nachgewiesen wurde, gilt der moderne Antifeminismus zwar als hochgradig anschlussfähig an aktuelle konservative und rechts-populistische Diskurse (Petchesky 1981; Keskinen 2013; Grigat 2017; Hentges und Nottbohm 2017; Schmincke 2019; Kaiser 2020), entsprechende empirisch-quantitative Analysen existieren jedoch bisher kaum. Insbesondere die Frage, inwiefern diese Diskurse der Verunsicherung und der Wunsch nach Restitution traditioneller Geschlechter- und damit verbundener Welt-Ordnungen auf etablierten Einstellungsclustern beruhen, ist derzeit noch wenig untersucht.

4 Antifeminismus und seine Einbettung in weltanschauliche Perspektiven

Die bisherigen Studien legen nahe, dass antifeministische Positionen in umfassendere Einstellungscluster eingebettet sind. Um diese Konstellation näher zu bestimmen, greifen wir auf ein an Karl Mannheim (2002; [1936], S. 2f.) angelehntes Konzept der Weltanschauung zurück.Footnote 11 Soziologisch lassen sich Weltanschauungen als sozial geteilte Überzeugungssysteme auffassen (Beyer und Schnabel 2019). In Anlehnung an Mannheim nehmen wir an, dass Weltanschauungen Wahrnehmungen, Erleben, Bewertungen und Handlungsdispositionen mit sozial anschlussfähigem Sinn verbinden. Weltanschauungen sind Überzeugungssysteme, die nicht nur bestimmte Lebensbereiche, sondern alle Sphären des Lebens durchdringen. In Erweiterung von Mannheim verortet Schütz (Schütz und Luckmann 2003; [1973/84], S. 29ff.) Weltanschauungen in der sozial geteilten Alltagswelt – „der Welt in Reichweite“. In dieser Alltagswelt begegnen wir den Mitmenschen, die unsere Ansichten teilen und mit uns in einem gemeinsamen kulturellen Rahmen interagieren (Schütz und Luckmann 2003; [1973/84], S. 35). Weltanschauungen sind relativ stabil. Wenn sich keine Unterbrechungen ereignen, prozessieren Akteur*innen auf der Basis von Routinen quasi-automatisch situative Informationen und hinterfragen sie nicht (Schütz und Luckmann 2003; [1973/84], S. 156ff.). Dadurch bestätigen und stützen Akteur*innen gleichzeitig ihre Weltanschauungen.Footnote 12 Weltanschauungen, könnte man sagen, transzendieren Interpretationen von Situationen und bieten fundamentale Orientierungsschemata.

Im Folgenden wird empirisch untersucht, ob antifeministische Einstellungen auch in solche umfassenderen Orientierungsschemata eingebunden sind. Unsere Studie hat stark explorativen Charakter, sodass die empirischen Analysen nicht als strenger Hypothesentest zu verstehen sind. Wir knüpfen aber an bisherige Studienergebnisse an, die zum einen die Nähe des Antifeminismus zu rechtspopulistischen Positionen mit qualitativen Untersuchungen nachweisen (s. oben) und zum anderen in Bezug auf den verwandten (aber nicht identischen) Komplex des Sexismus die Nähe zu Dominanzorientierungen, autoritären Orientierungsmustern und Anomiewahrnehmungen mit standardisierten Daten ermittelt haben (Endrikat 2003).

Wir destillieren aus dieser Forschung fünf Bestandteile einer konservativ-traditionalistischen Weltanschauung: Wahrnehmungen und Überzeugungen bezüglich (i) der Geschwindigkeit des sozialen Wandels und der individuellen Kontrolle seiner Folgen (Anomia), (ii) dem Stellenwert politischer Führungspersönlichkeiten (Autoritarismus), (iii) der eigenen Kraft, Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können (Selbstwirksamkeit), (iv) der Überlegenheit bestimmter sozialer Gruppen (Soziale Dominanzorientierung) sowie (v) der Vertrauenswürdigkeit fremder Menschen (Vertrauen in Fremde). Diese fünf Weltanschauungsbestandteile durchziehen alle Sphären des Lebens; sie sind relevant dafür, wie Menschen den Anforderungen spätmoderner Gesellschaften begegnen und wie Alltagsphänomene und Interaktionen mit Mitmenschen sinnhaft gedeutet werden.

  1. I.

    Auf die Relevanz, die der Wahrnehmung der Geschwindigkeit und Kontrollierbarkeit sozialen Wandels zukommt, wies Srole (1956) bereits 1956 hin. Die von ihm entwickelte Anomia-Skala gilt inzwischen als reliables Messinstrument individuellen Anomie-Empfindens und als Erklärungsfaktor für Vorurteile und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (Hüpping und Reinecke 2007; Heyder und Gaßner 2012). Wir verwenden diese Skala, um zu testen, ob sich antifeministische Einstellungen gegen die Veränderung hierarchisch-binärer Geschlechterverhältnisse richten und mit der negativen Bewertung eines progressiven Gesellschaftswandels korreliert sind.

  2. II.

    Ähnlich sind individuelle Positionierungen zu Normbefolgung und autoritärer Führung wichtige Weltanschauungsbestanteile (Adorno et al. 1950). Auch in diesem Fall existiert eine über Jahrzehnte hinweg weiterentwickelte Skala, die Autoritarismus als individuelles Einstellungscluster erfassen soll (Beierlein et al. 2014). Autoritäre Einstellungen gelten als starke Prädiktoren für Vorurteile und Diskriminierung. Wir verwenden diese Skala, um zu ergründen, ob antifeministische Einstellungen demokratischen Gesellschaftsstrukturen und der damit verbundenen (institutionellen) Anerkennung von Differenzen entgegenstehen.

  3. III.

    Mit den beiden ersten Weltanschauungsbestandteilen hängt die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit eng zusammen. Rotter entwickelte (1966) eine Skala zur Messung des locus of control. Der locus of control bezeichnet die Überzeugung, dass das eigene Handeln die Zielerreichung beeinflussen kann. Diese Überzeugung gilt als Determinante für Erfolgserwartungen und damit für die Ausführungsbereitschaft für zielverwirklichende Handlungen (u. a. Lange und Tiggemann 1981; Reich und Infurna 2017). Wir verwenden die entsprechende Messskala und vermuten, dass antifeministische Einstellungen mit externalen Kontrollüberzeugungen verbunden sind, also mit Überzeugungen, dass Ereignisse der eigenen Kontrolle entzogen sind. So scheint etwa in der neuen Männerbewegung die Überzeugung zu dominieren, gegen die u. a. durch die Rechtsprechung gestützte Durchsetzung von „feministischen Interessen“ machtlos zu sein.

  4. IV.

    Eine ausgeprägte soziale Dominanzorientierung fordert, dass die Gesellschaft hierarchisch gegliedert sein soll. Zur Erfassung der Sozialen Dominanzorientierung wurde eine Skala entwickelt, um Einstellungen gegenüber Intergruppenbeziehungen zu erfassen (Pratto et al. 1994). Wir nutzen diese Skala, um zu ermitteln, inwiefern eine solche gruppenbezogene Dominanzorientierung mit antifeministischen Einstellungen zusammenhängt. Wir vermuten, dass die mit antifeministischen Einstellungen verbundene Biologisierung sozialer Positionierung Antifeminismus kognitiv mit sozialer Dominanz und Rassismus verknüpft.

  5. V.

    Sozialwissenschaftlich gesehen ist Vertrauen eine wichtige soziale Ressource, die Kooperation ermöglicht (Hardin 2002). Vertrauen kann in konkrete Andere oder generalisierte Andere in Form von Institutionen gesetzt werden. Die Messung des Vertrauens in Fremde ist ein valider Prädiktor für soziale Kooperationsbereitschaft und für die Akzeptanz gesellschaftlicher Institutionen. Wir verwenden hier eine ebenfalls bereits getestete Skala (Jagodzinski und Manabe 2004) und vermuten, dass fehlendes Vertrauen in Fremde auch mit Vorurteilen gegen Menschen mit anderen – z. B. feministischen – Überzeugungen korreliert ist. Den gemeinsamen Nenner stellt hier eine wahrgenommene und grundsätzlich abgelehnte Differenz zum Selbst dar.

Der folgende, empirische Teil des Artikels analysiert dementsprechend antifeministische Einstellungen in Deutschland und kontextualisiert diese im Rahmen solchermaßen spezifizierter Weltanschauungen.

5 Antifeminismus in Deutschland: Daten und Ergebnisse

5.1 Antifeministische Einstellungen

Die hier präsentierten Auswertungen liefern einen Überblick über die Verbreitung und weltanschauliche Einbettung antifeministischer Einstellungen. Einstellungen haben sowohl kognitive als auch affektive und konative Dimensionen, die potenziell handlungsrelevant werden können; daraus ergibt sich ihre soziologische und soziale Relevanz.

Die Stichprobe umfasst 1202 Befragte, die zwischen August und September 2016 in Form einer schriftlichen, standardisierten Online-Befragung interviewt wurden. Dafür haben wir mit einem professionellen Online-Panel-Anbieter zusammengearbeitet. Die Mitglieder des Panels werden sowohl online als auch offline aktiv rekrutiert. Die Qualität der Daten wird vonseiten des Anbieters basierend auf der ISO Norm 26362 garantiert. Die Befragten unseres Datensatzes wurden zufällig aus dem Mitglieder-Pool des Panel-Anbieters ausgewählt. Um die deutsche Gesamtbevölkerung einigermaßen verlässlich abzubilden, wurden Quoten hinsichtlich Geschlecht (49,8 % weiblich), Alter (m = 42,31; s = 13,73), Bildung (1,5 % kein Abschluss; 31,4 % Hauptschulabschluss; 34,9 % Realschulabschluss; 9,9 % Fachhochschulreife; 22,8 % allgemeine Hochschulreife) und Region (17,3 % Ostdeutsche) festgelegt. Aufgrund der Selektivität von Online-Samples kann jedoch nicht von einer „repräsentativen“ Stichprobe der deutschen Bevölkerung im strengen Sinne gesprochen werden.

Antifeminismus wurde über sieben Einzel-Items erfasst, die sich auf Feminismus als gesellschaftsverändernde Kraft beziehen.Footnote 13 Diese Items konnten auf einer Antwortskala von „1“ (stimme überhaupt nicht zu) bis „6“ (stimme voll zu) bewertet werden. Der Index selbst ist eine übersetzte und gekürzte Version eines bereits getesteten Befragungsinstruments (Fassinger 1994). Das Ziel des Messinstruments von Fassinger ist eine reliable und valide Messung der Einstellungen zum Feminismus. Eine negative Einstellung misst antifeministische Einstellungen in unserem Sinne, wobei die Stärke der Negativität sowohl durch die Abstufung der Einzelitems als auch die Abstufung der Bewertungsskala erreicht wird. Abb. 1 zeigt die Einzelitems und die jeweiligen Zustimmungswerte. Dafür wurden die drei Zustimmungs- bzw. Ablehnungskategorien zusammengefasst. Das Nichtvorliegen antifeministischer Einstellungen bedeutet jedoch nicht, dass die Befragten eine profeministische Haltung hätten; lediglich, dass antifeministische Einstellungen abgelehnt werden.

Abb. 1
figure 1

Deskriptive Verteilung antifeministischer Einstellungen. (Anmerkungen: prozentuale Häufigkeiten; Ablehnungs- und Zustimmungskategorien zusammengefasst)

Abb. 1 zeigt, dass den drei sich positiv auf den Feminismus beziehenden Items ca. 51,0 bis 55,9 % der Befragten (voll bis überwiegend) zugestimmt haben. Für die vier negativ formulierten Aussagen sind die Unterschiede der Zustimmungswerte deutlich größer: Der Aussage „es gibt bessere Möglichkeiten für Frauen für Gleichberechtigung zu kämpfen als den Feminismus“ stimmen 57,6 % zu, während lediglich 19,4 % finden, „der Feminismus [sei] eine Bedrohung für die gesellschaftliche Ordnung“.

Für die weiteren Analysen wurden die ursprünglichen intervallskalierten Werte zu einem additiven Gesamtindex zusammengefasst,Footnote 14 der auf einen Wertebereich zwischen 0 und 1 standardisiert ist („0“ = nicht antifeministisch; „1“ = sehr stark antifeministisch). Es ist diese Index-Variable, die letztlich antifeministische Einstellungen abbilden soll, nicht die jeweils isolierten Items. Die Variable ist normalverteilt (m = 0,58; s = 0,14; n = 1174). Knapp über 9 % der Befragten liegen im oberen Quartil, sind also vergleichsweise stark antifeministisch eingestellt.

5.1.1 Soziodemografische Verteilung antifeministischer Einstellungen

Wer sind die Personengruppen, die eine antifeministische Einstellung aufweisen? Hierfür werfen wir einen Blick auf relevante soziodemografische Merkmale: Tab. 1 zeigt Gruppenmittelwerte hinsichtlich des berichteten Geschlechts, des Alters, Bildungsabschlusses, Wohnorts (Ost- oder Westdeutschland), Konfession sowie des Familienstands. Laut den Ergebnissen einer einfaktoriellen ANOVA sind die Gruppenunterschiede jedoch nur für die Geschlechtergruppen (Eta2 = 0,077, p < 0,000), den Wohnort (Eta2 = 0,005; p < 0,015) und den Familienstand (Eta2 = 0,007; p < 0,017) signifikant: Männer, Personen aus Ostdeutschland und Geschiedene äußern demnach häufiger eine antifeministische Einstellung als die jeweiligen Vergleichsgruppen.

Tab. 1 Gruppenmittelwerte antifeministischer Einstellungen nach soziodemografischen Merkmalen

Die Untersuchung der Parteipräferenz (hier nicht aufgeführt) birgt wenig Überraschendes: Die Mittelwerte für antifeministische Einstellungen liegen bei CDU- und SPD-nahen Personen nah beieinander (m = 0,60 und m = 0,58), sie sind für Personen, die die Partei der Grünen präferieren, besonders niedrig (m = 0,53) und für AfD- und NPD-Sympathisanten besonders hoch (m = 0,64 und m = 0,65). Die Zwischengruppen-Differenzen der unterschiedlichen Parteien-Präferenzen sind signifikant (Eta2 = 0,008; p < 0,000).

5.1.2 Antifeminismus als Element einer hierarchisch-binären Geschlechterordnung

Wir argumentierten oben, dass Antifeminismus in Überzeugungen über die traditionelle, hierarchisch-binäre Geschlechterordnung eingebettet ist. Empirisch getestet wird dies, indem wir überprüfen, wie stark der Antifeminismus-Index mit Einstellungen zur Geschlechterordnung korreliert ist. Hierfür nutzen wir folgende Indices:

  • Index, der erfasst, ob Gleichstellung bereits erreicht ist (Eckes und Six-Materna 1998),

  • Index zur Einstellung zu Gleichstellungsgesetzen (Eckes und Six-Materna 1998),

  • Index zur individuellen Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften (Homophobie) (Heyder et al. 2005),

  • Index zur allgemeinen Einstellung gegenüber Frauen (Misogynie) (Eckes und Six-Materna 1999),

  • Index zur Überzeugung, dass es allein zwei Geschlechter gibt (Nagoshi et al. 2008),

  • Index zur Akzeptanz der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Familie (Braun 2014).Footnote 15

Tab. 2 zeigt eine Übersicht über die Zusammenhänge (Pearson’s r): Antifeminismus korreliert hoch mit einem stereotypen Frauenbild, demzufolge Frauen überempfindlich und schutzbedürftig, aber auch verführerisch und undankbar seien. Hierzu gehört die Überzeugung, dass in Deutschland die Gleichstellung von Männern und Frauen inzwischen erreicht und weitere Gesetzesinitiativen unnötig seien. Antifeministische Orientierungen hängen zudem mittelstark mit einer Präferenz für eine traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt zusammen sowie mit der Ablehnung von Homosexualität und der Zurückweisung der Position, es gäbe mehr als zwei (eindeutig disjunkte) Geschlechter.

Tab. 2 Korrelationen zwischen Antifeminismus und Elementen binär-hierarchischer Geschlechterordnungen

Bereits Chafetz und Dworkin (1987, S. 43) hatten festgestellt, dass sich antifeministische Einstellungen an der Ideologie der traditionellen Kleinfamilie mit der ihr typischen Aufteilung von männlicher – öffentlich sichtbarer – Erwerbsarbeit und weiblicher – im Intimbereich des Privaten geleisteter – Reproduktionsarbeit orientieren. Das wird auch von anderen Studien zum Antifeminismus belegt (Lang und Peters 2018, S. 14ff.). Auch die in unserer Erhebung ermittelten Personen mit einer antifeministischen Einstellung sympathisieren mit einer traditionellen Geschlechterordnung und der damit verbundenen Heteronormativität.Footnote 16 In diesem Zusammenhang muss die Frage nach den „Verlierern“ von sozialem Wandel gestellt werden: Auch wenn in Deutschland nicht primär die im ökonomischen Verteilungskampf Benachteiligten antifeministische Einstellungen zu äußern scheinen, so lassen sich doch in den hier berichteten Antwortmustern „Verlierer“ identifizieren: Es ist dies die Gruppe derer, die die traditionelle Geschlechterordnung als legitim erachtet und ihrer Selbstwahrnehmung nach durch deren Erosion (weniger monetäre als kognitive) Sicherheit, Ansehen und Privilegien zu verlieren scheint.

5.1.3 Antifeministische Einstellungen und ihre Einbettung

Um die Einbettung antifeministischer Einstellungen in eine umfassende konservativ-traditionalistische Weltanschauung zu prüfen, haben wir in einem zweiten Schritt multiple lineare Regressionsmodelle geschätzt, die die internen Zusammenhänge zwischen den Weltanschauungskomponenten konstant halten. Hohe Korrelationen zeigen einen hohen Grad der Einbettung an, keine Korrelationen würden darauf hindeuten, dass Antifeminismus eine eigenständige kognitive Struktur und damit Weltanschauung darstellen würde.

Modell 1 in Tab. 3 stellt das Basis-Modell dar, das lediglich die soziodemografischen Kontrollvariablen umfasst, die sich in der bi-variaten Analyse als signifikant herausgestellt haben. In Modell 2 fügen wir zwei Konstrukte hinzu, die das Vertrauen in politische Institutionen und die Presse messen. Chafetz und Dworkin (1987) vermuteten, dass antifeministische Bewegungen eher „pro-institutionell“ sind, da sie sich gegen anti-institutionell ausgerichtete feministische Anliegen richteten, während die Forschung zum aktuellen Antifeminismus nahelegt, dass sich Antifeminismus gegen staatliche Gleichstellungspolitiken richte, da diese vor allem Männer zu Verlierern mache. Diese Annahmen wollen wir im Folgenden testen. Weiterhin interessiert uns, inwiefern Weltanschauungsbestandteile mit antifeministischer Einstellung gekoppelt sind (Tab. 3, Modell 3).Footnote 17

Tab. 3 OLS-Regressionsmodelle zur Erklärung antifeministischer Einstellungen

Tab. 3 zeigt, dass die gemessene Stärke einer antifeministischen Einstellung für Männer um 7,8 Prozentpunkte höher ist als für Frauen. Während Alter einen schwach signifikanten Einfluss hat, zeigen Einkommen und Bildung keine signifikanten Einflüsse. Personen aus Ostdeutschland sind antifeministischer als Personen aus Westdeutschland, und Geschiedene eher als Ledige. Schwach signifikant sind auch die Effekte der Variablen „Mitgliedschaften in Organisationen“ und „politische Selbsteinschätzung“. Die Eingebundenheit in Organisationen, seien es politische oder Freizeit-Organisationen, zeigen den aus der Sozialkapital-Theorie seit Langem bekannten Effekt (Putnam 2000; Pickel und Gladkich 2012): Soziale Einbindung erhöht die Akzeptanz für die Anliegen anderer; in diesem Fall: feministischer Anliegen. Auch der Effekt der politischen Selbsteinschätzung stimmt mit gängigen Annahmen überein: Personen, die sich eher politisch „rechts“ einordnen, äußern sich stärker antifeministisch. Dies unterstützt die oben berichteten Befunde zur Parteien-Präferenz.

In Modell 2 werden die Variablen „Vertrauen in die Presse“ und in „politische Institutionen“ (Regierung, Parlament und Parteien) in den Blick genommen. Beide Variablen weisen negative Effekte auf: Je geringer das Vertrauen in Presse und in politische Institutionen, desto stärker werden antifeministische Einstellungen geäußert. Der Befund widerspricht auf den ersten Blick den Analysen von Chafetz und Dworkin (1987, S. 35) und bestätigt die Untersuchungen zum aktuellen Antifeminismus: Antifeminismus ist in Deutschland nicht pro-institutionell. Dies deutet darauf hin, dass Menschen mit antifeministischen Ansichten vermuten, dass feministische Belange „die Institutionen dominieren“. Auch die Anliegen der starken autonomen Frauenbewegung der 1970er- und 1980er-Jahre, die zunächst explizit gegen die bestehenden Institutionen lanciert wurden, scheinen nun im öffentlichen und politischen Mainstream angekommen zu sein.

Dieser teils imaginierte, teils reale institutionelle Wandel korrespondiert mit der Wahrnehmung der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse. Modell 3 zeigt, dass die eingeführten Indices ausgesprochen erklärungskräftig sind und dazu führen, dass nicht nur die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland insignifikant werden, sondern dass auch die Rolle der Mitgliedschaften in Organisationen sowie das Misstrauen in Presse und politische Institutionen durch diese Variablen mediiert werden.Footnote 18 Erwartungsgemäß hängen hohes Anomie-Empfinden, autoritäre Überzeugungen und eine ausgeprägte soziale Dominanzorientierung eng mit einer antifeministischen Einstellung zusammen. Das gilt auch für mangelndes Vertrauen in Fremde und mangelnde empfundene Selbstwirksamkeit (bzw. hohe „externale Kontrollüberzeugungen“; Rotter 1966). Antifeminismus ist demnach stark mit jenen fünf Bestandteilen einer konservativ-traditionalistischen Weltanschauung verknüpft, die wir oben eingeführt haben.

Diese Befunde zeigen, dass aktuelle antifeministische Überzeugungen in Deutschland nicht nur in ein umfassendes Einstellungscluster eines hierarchisch-binären Geschlechtermodells eingebettet sind, sondern sich auch als Reaktion auf als negativ empfundene Folgen des institutionellen und gesamtgesellschaftlichen Wandels – wie Kontingenz der Lebensläufe, gesellschaftliche Beschleunigung, Demokratisierung, Gleichstellung benachteiligter Gruppen – verstehen lassen.

6 Fazit und Diskussion

Wir argumentieren in diesem Beitrag, dass Antifeminismus seit Beginn der Frauenbewegung ein Phänomen von gesellschaftlicher Tragweite war und ist, und aktuell insbesondere auf die institutionellen Erfolge der Frauenbewegung reagiert. Die Bewegungsforschung zu Gegenmobilisierung zeigt, dass Antifeminismus dann aktiviert wird, wenn sich feministische Belange erfolgreich in politischen Arenen etablieren können. Antifeministische Initiativen galten lange als pro-institutionell und schienen ihre Aktivist*innen und Sympathisant*innen vor allem unter denjenigen zu finden, die befürchten, ihre gesellschaftliche Position durch die Emanzipation von Frauen zu verlieren (z. B. durch die Erosion der traditionellen Familienstruktur).

Die empirische Analyse unserer Umfragedaten ergab einige Besonderheiten des Antifeminismus in Deutschland: Auch wenn unsere Ergebnisse, wie die der meisten Online-Befragungen, keine Repräsentativität beanspruchen können, deuten sie doch darauf hin, dass sich in Deutschland kaum soziodemografische Gruppen identifizieren lassen, für die die Äußerung antifeministischer Einstellungen typisch wären. Antifeministische Einstellungen finden sich vielmehr in fast allen gesellschaftlichen Schichten. Dies legt nahe, dass Antifeminismus keine eigenständige Weltanschauung im Sinne einer gruppenspezifischen Bewusstseinsstruktur darstellt, sondern vielmehr Bestandteil einer umfassenderen konservativ-traditionalistischen Weltanschauung ist. Dies zeigt sich zum einen an dem sich bereits in anderen Studien (Lang und Peters 2018) andeutenden Zusammenhang mit konservativen Einstellungen zur Geschlechterordnung. Wir finden in unseren Daten starke Korrelationen, die zeigen, dass Antifeminismus hochgradig assoziiert ist mit fundamentaler Kritik an (institutionalisierten) Gleichstellungspolitiken sowie der normativen Überzeugung von der Richtigkeit eines traditionellen, hierarchisch-binären, heterosexuell geprägten Geschlechterverhältnisses, das als „natürlich“ und „richtig“ ontologisiert wird. In diesem Sinne ist Antifeminismus fester Bestandteil eines umfassenderen (geschlechter‑)konservativen Einstellungssyndroms.

Zum anderen fanden wir signifikante Zusammenhänge mit fünf Grundbestandteilen einer konservativ-traditionalistischen Weltanschauung. Antifeministische Einstellungen sind mit Empfindungen von Anomie und Ohnmacht, autoritären Positionen, mangelnder Selbstwirksamkeit, sozialer Dominanzorientierung und Misstrauen in Fremde verbunden.

Der solchermaßen konkretisierte Antifeminismus lässt sich damit als Ausdruck eines Abwehrmechanismus gegenüber „progressiv-liberalen“ Weltanschauungen begreifen. Auch wenn sich nicht bestätigt, dass es sich bei den Akteur*innen mit antifeministischen Einstellungen um „Modernisierungsverlierer“ handelt, kristallisiert sich hier eine Gruppe von Personen heraus, die sich durch den Wandel gängiger Interpretations- und Bewertungsmuster benachteiligt fühlt. Insofern Veränderungen durch die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen und durch die Inklusion von Frauen in alle gesellschaftlichen Teilbereiche Veränderungen gesellschaftlicher Interpretationen und Wertmaßstäbe nach sich ziehen, wird diesen Veränderungen mit Skepsis und Ablehnung begegnet, da als natürlich erscheinende Grundpfeiler der (geschlechtlichen) Gesellschaftsordnung scheinbar erschüttert werden und damit die soziale Unsicherheit (und die Unsicherheit über die eigene gesellschaftliche Position) steigt. Die politische Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit ist damit wichtiges „Kampfgebiet“, wenn es um Deutungshoheiten und die Verteilung von Deutungsmacht geht.

Der aktuelle Antifeminismus ist zudem mit einem grundlegend anti-institutionellen Impuls verknüpft, der indirekt für den wahrgenommenen institutionellen Erflog der Frauenbewegung spricht: Antifeminismus speist sich, basierend auf der Unterstellung, der Feminismus habe die politischen Institutionen und die Presse „unterwandert“, aus einem gegen die „politischen Eliten“ gerichteten Impuls. In diesem Zusammenhang bestehen erkennbare Anknüpfungspunkte zu rechts-populistischen und -radikalen Positionen (Krause et al. 2015; Hentges und Nottbohm 2017; Stögner 2017; Kaiser 2020).

Der deutsche Antifeminismus, wie er sich uns in den Befragungsdaten präsentiert, kann damit als weltanschaulich fundierte Reaktion auf die vorgeblich in „Unordnung“ geratenen Geschlechter- und Gesellschaftsverhältnisse verstanden werden. Er ist anschlussfähig für neurechte, aber aufgrund seines traditionell hierarchisch-binären Geschlechterbildes potenziell auch für religiös-fundamentalistische Bewegungen (Kinnvall 2004; Näser-Lather et al. 2019; für den internationalen Vergleich siehe Behrensen et al. 2019). Inwiefern die vorgestellten Ergebnisse sich für andere Länder-Kontexte bestätigen lassen, kann zu diesem Zeitpunkt nur vermutet werden. Der vorliegende Beitrag dürfte jedoch die Virulenz und Tragweite des Phänomens aufgezeigt haben und soll weitere Studien motivieren.