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Ein Amerikaner in Frankfurt

Everett C. Hughes’ nicht veröffentlichtes Buch über die Deutschen nach dem Ende des Nazi-Regimes

An American in Frankfurt

Everett C. Hughes' unpublished study on the Germans after the Nazi regime

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Österreichische Zeitschrift für Soziologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Everett C. Hughes (1897–1983) lehrte als einer der ersten US-amerikanischen Austauschprofessoren im Frühjahr 1948 in Frankfurt Soziologie. Während seines Aufenthalts führte er Tagebuch und plante, daraus ein Buch über die Deutschen nach Hitler zu machen. Der Verlag seiner eigenen Universität Chicago lehnte den Vorschlag ab und Hughes verfolgte den Plan nicht weiter. Dieser Aufsatz schildert, was und worüber Hughes schreiben wollte, und diskutiert daran anschließend Inhalt und Wirkung von „Good People and Dirty Work“, eines Essays, den Hughes 1962 veröffentlichte und der eine kondensierte Fassung seiner deutschen Feldforschung enthält.

Abstract

Everett C. Hughes (1897–1983) was one of the first exchange professors, teaching sociology in Frankfurt. During his stay in the spring of 1948 he wrote field notes and after his return to Chicago he submitted a book proposal to the University of Chicago Press. Its director rejected the proposed book and Hughes stopped working on it. This paper describes what Hughes wanted to write and discusses then the only published article on the topic, Hughes’ “Good People and Dirty Work”, which appeared in 1962.

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Notes

  1. Was folgt ist meine Zusammenfassung des Tenors der verschiedenen Beiträge zum Thema S&NS, die im DGS-Mitteilungsblatt Soziologie seit 2010 erschienen sind (siehe dazu nun auch: Christ und Suderland 2014).

  2. Stellvertretend für andere Studien, die ich in keinem der S&NS-Beiträge der letzten drei Jahrzehnte zitiert gefunden habe: Theodore Abel (1986 [1938]); Anna Pawełczyńska (1979); Michael Pollak (1988, 1990) und der verschiedene Disziplinen versammelnde Doppelband von Larsen und Hagtvet (1998).

  3. Für die Soziologie-Haltigkeit von Analysen unterschiedlicher Facetten des Nazismus aus der Werkstatt von Nicht-Soziologen siehe stellvertretend für andere: Kautsky (1946); Pingel (1978); Mann (1987) und Goldstein, Lukoff und Strauss (1991). Vgl. auch: Fleck (2007), Tab. 6.1, S. 355.

  4. Nicht dass ich dem Autor inhaltlich zustimmen würde, aber Nicholas Christakis listete jüngst auf, was seiner Meinung nach, die Sozialwissenschaften alles vers auf,hers a: http://www.nytimes.com/2013/07/21/opinion/sunday/lets-shake-up-the-social-sciences.html und http://www.timeshighereducation.co.uk/features/feature-do-the-social-sciences-need-a-shake-up/2016165.article, zuletzt besucht: 20. 10. 2014.

  5. Wiederum stellvertretend für andere Elster (2004, 2005).

  6. Zur indirekten Verarbeitung vgl. neben Renate Mayntz’ jüngstem Protest (2013) die beiden Sammelbände mit autobiografischen Texten dieser Generation: Fleck (1996); Bolte und Neidhardt (1998); weiters Dahrendorf (2002); Lepsius (Hepp und Löw 2008) und neuerdings die Habermas-Biografie von Müller-Doohm (2014).

  7. Zu den nichtveröffentlichten Studien vergleiche die Nachworte zu Goldstein et al. (1991) und Neurath (2004). Eine eingehende Schilderung der Publikationsumstände einer anschließend zu Berühmtheit gelangenden Studie findet sich bei Fleck und Müller (1997, 2006). Eine Recherche, die Zeitschriftenaufsätze, akademische Abschlussarbeiten und Nachlässe inkludiert, würde wohl noch einige weitere Texte zum Thema zu Tage fördern.

  8. Diese und alle folgenden Übersetzungen sind von mir.

  9. Dieses Probekapitel wurde mittlerweile veröffentlicht (Hughes 2010). Andreas Hess machte mich darauf aufmerksam, dass der Titel mit Mark Twains Buch über seine Europareise übereinstimmt, was angesichts der Belesenheit von Hughes kein Zufall sein dürfte. In den von mir eingesehenen Teilen des Hughes-Nachlasses gibt es aber keinen Hinweis auf Twains Buch.

  10. Guth (2010) setzt sich ausführlich mit diesem Text von Hughes auseinander.

  11. Hughes 1984, xv. Siehe: Sociology 6, Social Movements, notes, 1933–1937, box 74, folder 6, Hughes Papers.

  12. Über seinen ersten Arbeitstag am Boston College schrieb Hughes seinem langjährigen Freund David Riesman einen langen Brief, an dessen Beginn er sich dafür entschuldigt, dass das Nachfolgende vielleicht schlecht lesbar sei, aber es wäre nicht möglich gewesen, diese Notizen seiner neuen Sekretärin zu diktieren, komme sie selbst darin doch vor. S. David Riesman Papers, Everett Hughes Correspondence, 1960s, Harvard University Archives, Pusey Library, Cambridge, Massachusetts.

  13. Siehe den Nachruf der Chicago Tribune vom 15. Dezember 1988. Vgl. die Biographical Information der William T. Couch Papers der Wilson Library der University of North Carolina at Chapel Hill, http://www2.lib.unc.edu/mss/inv/c/Couch, William_T.html#d1e298.

  14. Hier kann man auf das Buch von A. Frank Reel, The Case of General Yamashita, Chicago: University of Chicago Press 1949 hinweisen, das eine scharfe Kritik an dem Prozess und der Hinrichtung eines japanischen Generals wegen Kriegsverbrechen war. Hughes hätte an diesem Buch eines der von Amts wegen bestellten Verteidigers Yamashitas allerdings auch das „Wir [Amerikaner, die gegen General Douglas MacArthur und seine selbstherrliche Art als Besatzer sind] gegen Ihr [die einen fairen Prozess missachtenden, MacArthur anhimmelnden Militaristen]“ am Werke sehen können.

  15. Andere Facetten der Hughes’schen Aufzeichnungen werden in Fleck (2007), Kap. 7, S. 447–455 und von Guth (2010) behandelt.

  16. Vgl. Hughes (1950 und 1969) sowie Fleck (2007) und Guth (2010). Bemerkenswerterweise schildert Hughes einige seiner deutschen Kollegen weitaus emphatischer als die S&NS-Literatur, insbesondere Leopold von Wiese wird von ihm als aufrichtiger Anti-Nazi geschildert, den er aus der Zeit seines ersten Deutschlandaufenthalts 1931 kannte und den er 1948 gemeinsam mit Talcott Parsons aufsuchte, während die „conventional wisdom“-Darstellung der nachgeborenen Deutschen von Wiese als Opportunisten und Obskurantisten porträtiert. Siehe dazu die verschiedenen Erwähnungen und Charakterisierungen in Christ und Suderland (2014), aber auch schon in Cobet (1988).

  17. Die Briefe von Everett C. Hughes an Max Horkheimer umfassen den Zeitraum 1952 bis 1971, sie liegen im Archivzentrum der Universitätsbibliothek der Universität in Frankfurt, UBA Ffm Na 1 Nr. 303.

  18. Box 109, folder 4 „Good People and Dirty Work“ der Hughes Papers enthält Entwürfe aus dem Zeitraum 1948 bis 1963.

  19. Bekanntlich erfuhr die von Hughes hier knapp und zutreffend zurückgewiesene These durch Daniel Goldhagen in den späten 1990er Jahren eine Wiederbelebung. Unnötig zu sagen, dass Goldhagen Hughes nicht zitiert.

  20. Die andere Arbeit Hughes’ über Nazi-Deutschland (Hughes 1955) erntete auch nicht mehr Anerkennung.

  21. Im Web of Science wurde der Essay 66-mal zitiert, in Google Scholar 313-mal, Stand: 22. 10. 2014. Eine rhapsodische Inspektion der Zitierungen ergab, dass weniger als eine Handvoll auf Historiker entfiel.

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Die Arbeit an dieser Studie begann vor langem, zuletzt wurde sie im Rahmen des FWF Projektes P 24693 „Die Erfindung und Diffusion sozialwissenschaftlicher Methoden im Kalten Krieg“ vorangetrieben. Ich danke den Diskutanten, die sich beim 18. Weltkongress der Soziologie in Yokohama am 16. Juli 2015 im Anschluss an einen Vortrag von mir über dieses Thema zu Wort meldeten, den freundlichen Lesern einer früheren Version, darunter insbesondere Christian Dayé, Albert Müller und Rafael Schögler, aber auch den beiden anonymGutachtenden.

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Fleck, C. Ein Amerikaner in Frankfurt. Österreich Z Soziol 40, 167–188 (2015). https://doi.org/10.1007/s11614-015-0163-9

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