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Bewältigungs- und Aneignungsmuster staatlich geförderter Beschäftigung bei ehemaligen Langzeitarbeitslosen

Patterns of appropriating and coping with state-supported employment among formerly long-term unemployed

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Österreichische Zeitschrift für Soziologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

In theoretisch-empirischer Perspektive werden Erfahrungen analysiert, die Langzeitarbeitslose in öffentlich geförderter Beschäftigung machen. Aufgrund der Heterogenität dieser Gruppe muss zwischen verschiedenen erwerbsbiographischen Verlaufsformen unterschieden und die Muster der Auseinandersetzung mit der geförderten Beschäftigung in differentieller Perspektive analysiert werden. Es zeigt sich, dass nur eine Teilgruppe der Geförderten die Normalitätsvorstellungen teilt, die der Ausgestaltung der Beschäftigungsförderung zugrunde liegen; dass die Beschäftigungsförderung verschiedene Funktionen im erwerbsbiographischen Verlauf der Geförderten einnehmen kann; dass die Beschäftigungssituationen so problematisch sein können, dass es zu Abbrüchen kommt. Da ein dauerhafter Ausschluss vom Arbeitsmarkt heterogene Personengruppen treffen kann, ist es problematisch, dies mit einer einzigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahme bewältigen zu wollen.

Abstract

The article analyses the experiences made in publicly subsidized employment by long-term-unemployed in theoretical and empirical perspectives. The heterogeneity of the investigated population requires a differentiation between various types of personal employment histories as well as the examination of patterns of coping with subsidized employment from a differential perspective: Only a subgroup of the target-group share the notions of normality on which its construction is based. Furthermore, the wage subsidy can fulfill different functions with regard to the recipient’s personal employment history. Finally, problematic employment situations can result in the termination of a subsidized employment relationship. Since heterogeneous groups of persons can be affected by a permanent exclusion from the labour market, it seems problematic to tackle the problems connected with this situation by applying a single labour market measure.

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Notes

  1. Bei § 16e SGB II liegt eine detaillierte Auseinandersetzung mit Fragen des „sozialen“ oder „dritten Arbeitsmarkts“ nahe. Siehe Buestrich 2008, Hirseland et al. 2012.

  2. Vermittlungshemmnisse können nicht „in der Person liegen“, sondern sind in einer dreigliedrigen Relation zwischen Arbeitsangebot, Arbeitsnachfrage und Vermittlungsinstanz zu verorten. Diese Formulierung dient der psychologistischen Askription der Gründe von Arbeitslosigkeit. Faktisch werden innerhalb der Arbeits- und Sozialverwaltung zu Vermittlungshemmnissen einerseits Merkmale wie fehlende Schul- und Ausbildungsabschlüsse, ein Alter über 50 sowie amtlich festgestellte vermittlungsrelevante gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schwerbehinderungen gezählt, andererseits aber auch Merkmale wie Überschuldung, Suchtkrankheiten und Obdachlosigkeit, die auf eine abweichende Lebensführung abstellen. Je nach Schätzansatz umfasste diese Gruppe 2005 zwischen 130.000 und 500.000 Personen (Koch und Kupka 2007, S. 14).

  3. Dieser Beitrag beruht auf Forschungsarbeiten, die im Rahmen der Implementationsstudie zum § 16e SGB II unter der Leitung von Frank Bauer in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurden. Die Studie wurde mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW und der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB NRW, durchgeführt. Die Forschungs- und Veröffentlichungsfreiheit sowie die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Forschung waren vertraglich zugesichert und sind Bestandteil der Satzung des Forschungsinstituts. Das Forschungsprojekt bestand aus zwei Teilen. Die Ergebnisse zu den Mustern der Aneignung und Umsetzung des Gesetzes in den zuständigen Behörden finden sich in Bauer et al. 2010a und 2010b. Die Ergebnisse zum Arbeitsverständnis der Geförderten werden hier erstmals in einer Fachzeitschrift veröffentlicht.

  4. Mertons (1995) Anomietheorie enthält auch eine oft übersehene strain theory, die den oben bezeichneten Sachverhalt theoretisch fasst: Anomie führt zu strain, aber auch in nicht anomischen Zuständen kommt es zu strain (Marwah und Deflem 2006).

  5. Diese Erwerbsfähigkeitsschwelle ist im internationalen Vergleich besonders niedrig. Aufgrund dieser Definition (SGB II § 8) geraten Personen unter den Druck der Arbeitsmarktintegration, die in anderen modernen Gesellschaften in die „Zone legitimer Nicht-Arbeit“ (Lessenich 1985, 112) der Erwerbsunfähigkeitsrente entlassen werden (Erlinghagen und Zink 2008, Konle-Seidl und Eichhorst 2008), wie empirisch nachgewiesen wurde.

  6. Ein solcher Zugang zur Gruppe der Geförderten mag angesichts der davon implizierten Nähe der Forscher zur Arbeits- und Sozialverwaltung nicht ganz unproblematisch sein. Doch zum einen gibt es aufgrund der Größe und Selektivität der Zielgruppe praktisch keine andere Möglichkeit, als für deren Identifizierung auf eine Kooperation mit den Grundsicherungsträgern zurückzugreifen. Zum anderen deutet die letztlich realisierte Auswahl des Samples nicht darauf hin, dass aufgrund dieses Zugangs eine spezifische Selektivität unter den Fällen vorläge oder die Interviewten sich nicht getraut hätten, offen auf die Fragen der Forscher zu antworten.

  7. Unsere Implementationsanalyse zu § 16e bei den SGB-II-Trägern hat immense Differenzen bei der institutionellen Aneignung und deren Konsequenzen für die Auswahl der Geförderten gezeigt (vgl. Bauer et al. 2010a). Sie zeigte auch, dass der Selektionsprozess von der Suche nach „Defizitträgern“ (Willisch 2008, S. 315) geprägt war, weshalb auch unser Sample wie eine Sammlung multipel Benachteiligter erscheinen mag. Neben den angesprochenen Differenzen wurden von der Arbeits- und Sozialverwaltung u. a. Drogen- und Spielsucht, Überschuldung, Analphabetismus, Depressionen und Kriminalität als die Förderung begründende „Vermittlungshemmnisse“ interpretiert.

  8. Hiermit ist die Absolvierung einer von der Arbeitsverwaltung bereitgestellten und finanzierten Ausbildung gemeint, die außerhalb des für Deutschland charakteristischen dualen Systems stattfindet und daher keinerlei „echte“ Berufspraxis vermittelt, was zur Folge hat, dass die Absolventen einer solchen Benachteiligtenförderung deutlich geringere Arbeitsmarktchancen aufweisen als Absolventen einer dualen Ausbildung.

  9. Vgl. Promberger et al. 2008.

  10. Angesichts der mehrfach betonten Heterogenität der Zielgruppe werden im Folgenden neben der systematischen Darstellung der Strukturmerkmale der identifizierten Deutungsmuster von Arbeit illustrativ Fallvignetten dargestellt, um einen plastischen Eindruck von diesem Sammelbecken der erwerbsorientierten Ausgeschlossenen des Arbeitsmarkts zu vermitteln. Dabei werden nicht alle analysierten Fälle berücksichtigt.

  11. Zwei dieser Geförderten werden sozial betreut, weil sie mit der Bewältigung ihres Alltags überfordert sind.

  12. Es ist ein integraler Widerspruch des Aktivierungsregimes, dass die Nachfrage von Arbeitgebern bei diesen Gründen nicht in Betracht gezogen wird.

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Bauer, F., Fuchs, P. & Jung, M. Bewältigungs- und Aneignungsmuster staatlich geförderter Beschäftigung bei ehemaligen Langzeitarbeitslosen. Österreich Z Soziol 38, 277–294 (2013). https://doi.org/10.1007/s11614-013-0090-6

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