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Gefühlsarbeit im Polizeidienst

Emotion work in the police service

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Österreichische Zeitschrift für Soziologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Das Konzept der Gefühlsarbeit von Arlie Russel Hochschild wurde, trotz ihres bedeutenden Beitrages zum Verständnis von Emotionen in Organisationen, stark kritisiert. Zu stark fokussiere sie auf die negativen Folgen von Gefühlsarbeit. Zudem sei die Einteilung in Oberflächen- und Tiefenhandeln zu vereinfachend. An diese Kritik anknüpfend wird im vorliegenden Beitrag, auf der Grundlage einer Untersuchung zur Gefühlsarbeit im bundesdeutschen Polizeidienst, gezeigt, dass die von Polizeibediensteten geleistete Arbeit an den eigenen Gefühlen ganz wesentlich dazu beiträgt, polizeiliche Aufgaben zu bewältigen und den Belastungen des Berufs langfristig standzuhalten. Dazu werden polizeispezifische emotionale Konfliktfelder und Gefühlsarbeitsformen sowie Ursachen für Unterschiede im Umgang mit Konflikten untersucht. Der Zusammenhang von Funktionen, Techniken und einer zeitlichen Dimension von Gefühlsarbeit liefert konkrete Anknüpfungspunkte für die Weiterentwicklung des Konzepts.

Abstract

The concept of emotional labor by Arlie Russell Hochschild has been, in spite of its significant contribution to the understanding of emotions in organizations, strongly criticized. Her focus on negative consequences of emotional work and the classification of surface and deep acting seem to be too simplistic. This article, which is based on a study of the German police service, will demonstrate that emotion work by police officers is an essential part to manage police duties and to cope with the strain of the profession in the long term. The article analyzes police-specific emotional conflicts and emotional work forms as well as differences in dealing with emotional conflicts. The interplay of functions, techniques and a temporal dimension of emotion work provide new perspectives for the development of the concept.

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Notes

  1. Emotionen werden vor diesem Hintergrund als willentlich beeinflussbar verstanden. Die Emotionsentstehung ist durch Situationsmerkmale und kulturelle Gegebenheiten beeinflusst.

  2. Das Projekt war an der Technischen Universität Chemnitz, Professur für Industrie- und Techniksoziologie, angesiedelt und wurde im Rahmen eines Promotionsstipendiums der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert (vgl. Szymenderski 2012).

  3. Schumann et al. (1982, S. 26) unterscheiden zwischen Arbeitskraftinteressen, mit denen das objektive Interesse der Beschäftigten an günstigen Bedingungen für einen möglichst geringen Verschleiß der Arbeitskraft, an einer ausreichenden Entlohnung sowie an betrieblich nicht kontrollierbaren Handlungsspielräumen gemeint ist, und Subjektinteressen, die sie als Interessen der Beschäftigten an Spielräumen für eigene Interpretationen und Handlungschancen fassen, die das Einbringen eigener beruflicher Fähigkeiten und Fertigkeiten erlauben, sowie das Interesse an sozialer Anerkennung in der Erfüllung der Erwartungen von anderen.

  4. Status- und Rollenähnlichkeiten bestehen beispielsweise, wenn Polizeibedienstete ebenso wie die Betroffenen Kinder haben und sich somit intensiver in die Rolle des Vaters oder der Mutter hinein fühlen können. Die höhere Empathiefähigkeit kann das emotionale Belastungserleben verstärken.

  5. „Other-domain awareness“ meint die Sensibilität und das Bewusstsein der anderen – den „domain members“ in den Lebensbereichen Familie und Erwerbsarbeit – für die Erfordernisse des jeweils anderen Lebensbereichs (Clark 2000, S. 762 f.).

  6. Aufmerksamkeitskonkurrenzen stehen für die Absorption der Person mit Sorgen und Problemen in der Arbeit. Das bedeutet, der bzw. die Polizeibedienstete beschäftigt sich auch noch zu Hause mit Arbeitsthemen, seine/ihre Gedanken kreisen um den Arbeitsplatz.

  7. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Frauen viel stärker als Männer in das emotionale Geben und Nehmen in Familien und damit in die familiale Gefühlsarbeit involviert sind, weshalb sie die Familie weniger als Ort emotionaler Unterstützung und Fürsorge wahrnehmen und nutzen (vgl. Larson et al. 1994, S. 1041 ff.).

  8. Veränderungen in den Formen der Gefühlsbearbeitungen konnten aufgrund des gewählten Erhebungsverfahrens nicht untersucht werden.

  9. Hier kann ein Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbereich (kriminalistische Ermittlungsarbeit) vermutet werden.

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Szymenderski, P. Gefühlsarbeit im Polizeidienst. Österreich Z Soziol 38, 167–183 (2013). https://doi.org/10.1007/s11614-013-0081-7

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