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Ethnic Business in der Leiharbeit – Einblicke in einen wenig bekannten Arbeitsmarkt in Deutschland

Ethnic business in the temporary work business—Insights into a little-known job market

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Zusammenfassung

Die Leiharbeitsbranche in Deutschland verzeichnet seit der Arbeitsmarkt-Deregulierung durch die Agenda 2010 nahezu jährlich neue Rekordzahlen, und es verwundert nicht, dass sich auch in dieser Branche Beispiele ethnischer Ökonomie (ethnic business) finden. Als Ethnische Leiharbeitsfirmen sollen hierbei Firmen verstanden werden, deren Geschäftsführung/Inhaber sowie die internen und externen Mitarbeitenden (LeiharbeitnehmerInnen) (fast) ausschließlich der gleichen Ethnie angehören. Ihre Rekrutierung erfolgt dabei häufig innerhalb ethnischer Netzwerke auf informellem Wege. Besonders MigrantInnen, die aufgrund geringer Deutschkenntnisse, ihres Alters oder etwa aus religiösen Gründen den Kontext ihrer Ethnie nicht verlassen wollen oder können, bieten diese Verleiher eine Arbeitschance. Dabei wirft Ethnic Business in einer Branche, die in Deutschland ohnehin durch einen Mangel an Standards „Guter Arbeit“ gekennzeichnet ist, Fragen auf: Was sind die Motivlagen für MigrantInnen, bei einem ethnischen Verleiher zu arbeiten? Warum ist es für UnternehmerInnen mit Migrationshintergrund attraktiv, ein ethnisches Geschäftsmodell für ihre Leiharbeitsfirma zu wählen? Inwieweit gelingt es ethnischen Verleihern, einer durch strukturellen Unsicherheit gekennzeichneten Branche neue Strukturen und damit Berechenbarkeit entgegenzusetzen?

Abstract

Since the Agenda 2010 temporary work is even economically and politically a success story in Germany. Inside that branch you also find Ethnic Business, id est that the director of the conferrer and the employees are belonging to the same ethnic group. The recruiting strategies are most informal within the ethnic group and working for an “ethnic conferrer” oftentimes means the last chance for migrants who get no other job on the formal job market. But the temporary work-business in Germany has a bad reputation and a lot of questions are going along with Ethnic Business in that particular branch: What are the migrant’s motives for working to an ethnic conferrer? What are the attractive aspects of founding an ethnic model of temporary employment agency? Have ethnic conferrers the ability to create new stability for the migrants inside a highly unstable branch?

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Notes

  1. Diese betrifft insbesondere drei Regelungen: 1) Die Aushebelung des Equal-pay-Gebots (Bezahlung der Leiharbeitsbeschäftigten nach den im Entleihbetrieb gültigen Tarifverträgen: „Gleiche Arbeit Gleiches Geld“) durch die Aushandlung eigener Tarife für Leiharbeit. 2) Die Abschaffung des Synchronisationsverbots und damit die Anstellung eines Beschäftigten im Verleihbetrieb nur für die Dauer eines einzigen akquirierten Auftrags. 3) Die Aufhebung einer zeitlichen Begrenzung der Verleihdauer, d. h. Leiharbeitsbeschäftigte können seit dieser Zeit quasi unbegrenzt in einem Entleihbetrieb eingesetzt werden. Durch ihre billigeren Leiharbeitstarife werden sie damit allerdings zu einer Konkurrenz für die Stammbeschäftigten. Zwar wurde zum 1. 12. 2011 aufgrund der Anpassung an die EU-Zeitarbeitsrichtlinie die Verleihdauer erstmals seit 2003 wieder eingeschränkt, indem in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG das Wort „vorübergehend“ aufgenommen wurde, jedoch ist bis heute umstritten, wie dieser Begriff zu deuten ist; bis zum heutigen Tag liegt dazu kein Urteil vom Bundesarbeitsgericht vor.

  2. Für die diesem Aufsatz zugrunde liegende Studie (Siebenhüter 2011) wurden 116 Personen befragt, darunter u. a. 31 LeiharbeitnehmerInnen mit Migrationshintergrund (vgl. S. 14). Vorliegender Beitrag stützt sich vor allem auf die Aussagen von sieben Befragten im Rahmen der o. a. Studie: Inhaberin einer (nicht-ethnischen) Verleihfirma mit Migrationshintergrund; Geschäftsführer, Personaldisponentin und zwei LeiharbeiterInnen, die bei einem ethnischen Verleiher tätig sind/waren; Betriebsrätin eines Entleihers und ein Integrationsberater, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit mit LeiharbeiterInnen eines ethnischen Verleihers konfrontiert waren.

  3. Seit 1. 11. 2012: EG 1: 7,50 €/8,19 € Ost/West – EG 2: 7,64 €/8,74 € Ost/West.

  4. Darunter fallen erwerbstätige Einkommensbezieher, die ihr geringes Einkommen mit Leistungen aus der Grundsicherung „aufstocken“ (SGB II), um das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern.

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Siebenhüter, S. Ethnic Business in der Leiharbeit – Einblicke in einen wenig bekannten Arbeitsmarkt in Deutschland. Österreich Z Soziol 38, 93–108 (2013). https://doi.org/10.1007/s11614-013-0074-6

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