1 Der Fachkräftemangel beeinträchtigt Organisationen, Personal sowie Kundschaft

Lenka: Mein Papa wird in diesem Jahr 70. Ich habe zwei Geschwister, niemand von uns lebt in der Heimat. Ich mache mir Sorgen. Was machen wir, wenn er Unterstützung im Alltag braucht? Die Zukunft der Altenpflege sieht nicht rosig aus.

Die Bevölkerung altert. In Deutschland könnte der Anteil der über 65-Jährigen an Erwerbstätigen noch vor dem Jahr 2040 über 50 % erreichen (OECD 2024). Die Pflege wird voraussichtlich weiterhin zu den sog. Engpassberufen gezählt (Statistisches Bundesamt 2024). Wieso sollte uns das beunruhigen?

Der Krankenstand in der Pflege ist hoch (Meyer et al. 2023). Pflegekräfte tragen ein hohes Risiko für das Burnout-Syndrom (AOK-Bundesverband 2022). Personen, die „ausgebrannt“ sind, fühlen sich emotional erschöpft, berichten über zynische Einstellungen gegenüber Mitmenschen und sind unzufrieden mit der eigenen Arbeitsleistung (Maslach und Jackson 1981). Studien belegen die unerwünschten Auswirkungen des Syndroms auf die Bindung und die Produktivität der gesamten Belegschaft, die Sicherheit und die Qualität der Pflege sowie die Zufriedenheit der Kundschaft (Jun et al. 2021). Dabei werden häufigere Stürze und Medikationsfehler berichtet. Zudem ziehen die Pflegekräfte in Erwägung, nicht nur ihre Arbeitsstellen, sondern gar ihre Profession zu wechseln (Heinen et al. 2013). Der häufige Personalwechsel beeinträchtigt organisationale Effizienz, Arbeitszufriedenheit sowie Qualität der Pflege (Hayes et al. 2012). Zudem steigen die Fluktuationstendenzen der verbliebenen Belegschaft. Wie können die Organisationen selbst dagegen steuern?

2 Die Pflegebranche steht unter Veränderungsdruck

Auf der Suche nach Handlungsansätzen ist der Blick in die arbeits- und organisationspsychologische Forschung hilfreich. Eine Erklärung der Burnout-Entstehung bietet das Job-Demands-Resources-Model (JDR-Modell) von Bakker und Demerouti (Übersicht in Bakker et al. 2023). Darin wird angenommen, dass Anforderungen auf der Arbeit anhaltende Anstrengungen erfordern, daher mit physischen und/oder psychischen Kosten verbunden sind und Gesundheitsprobleme verursachen können. Die unerwünschten Folgen der Anforderungen könnten aber gemildert werden durch die Zurverfügungstellung von Ressourcen auf der Arbeit: Diese sind diejenigen Aspekte der Arbeit, die funktional für die Zieleerreichung sind, Arbeitsanforderungen sowie die damit verbundenen Kosten verringern und Persönlichkeitsentwicklung fördern (Bakker und Demerouti 2007). Die Arbeitsanforderungen müssen also nicht gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachen. Zudem können Ressourcen nicht nur die negativen Folgen der Anforderungen mildern, sondern motivierend wirken, sodass dadurch das Arbeitsengagement steigt und erwünschte organisationale Folgen zu erwarten sind. Dieser Prozess kann aber wiederum durch die Arbeitsanforderungen beeinträchtigt werden.

Die Anwendung des JDR-Modells sowie seiner breiten empirischen Evidenz ermöglicht ein Verständnis für die Entstehung von organisationalen Problemen. Zu stark ausgeprägte und zu viele Arbeitsanforderungen bei geringeren Arbeitsressourcen wirken beeinträchtigend und demotivierend. Fluktuationstendenzen in der Pflege lassen sich z. B. durch Zeitdruck und soziale Konflikte vorhersagen (Rahnfeld et al. 2016). Um mittel- bis langfristige erwünschte Veränderungseffekte in Organisationen erzeugen zu können, sind zuerst Arbeitsanforderungen zu reduzieren, sodass diese ihre beeinträchtigende Wirkung nicht entfalten und zur Belastung/zum Stressor werden. Zudem sind die Arbeitsressourcen zu erhöhen – ihre Anzahl, Häufigkeit und Intensität.

Die Literatur nennt viele Anforderungen und Ressourcen auf der Arbeit. Die praktische Arbeit verlangt nach Priorisierungshinweisen. Für die Pflege lassen sich diese dem integrativen Überblick von Broetje et al. (2020) entnehmen: Zuerst sollten wir diese Arbeitsanforderungen verringern: die Überlastung durch die Arbeit, die durch hohes Arbeitspensum, Zeitdruck und mangelnde Personalausstattung entsteht, die ungenügenden formalen Belohnungen und die mangelnde Vereinbarkeit der Arbeit mit dem Privatleben – besonders relevant in der Schichtarbeit. Zudem sollten folgende Arbeitsressourcen verstärkt werden: Unterstützung durch Vorgesetzte, faires und authentisches Management, transformationale Führung, gute zwischenmenschliche Beziehungen, Autonomie auf der Arbeit und Möglichkeiten für das Leisten qualitativ wertvoller Pflege.

Qualität kostet Zeit, die bei mangelnder Personalausstattung häufig eingespart wird. Aber der Blick in die Forschung zu der letztgenannten Ressource zeigt das Potenzial für Organisationen, das sich hinter den gezielten Arbeitsgestaltungsmaßnahmen erahnen lässt. Die mit der erzielten Pflegequalität einhergehende geleistete Fürsorge gehört zu den fundamentalen Werten in den Pflegeberufen (Purnell 2009). Weitere Werte und Leitlinien der qualitätsorientierten Pflege sind in der „Charta der Pflege“ von Bundesministerien für Familie, Senioren, Frauen, Jugend und Gesundheit (2019) festgehalten; Beispiele: Unterstützung der Selbstbestimmung, Hilfe zur Selbsthilfe, Berücksichtigung der Individualität der Bedürfnisse, Erfahrungen, Fähigkeiten und Beeinträchtigungen. Ohne die Möglichkeiten, diese Werte auf der Arbeit zu leben, steigt das Risiko für das Burnout-Syndrom und für den Ausstieg aus dem Beruf. Die organisationale Förderung der Pflegequalität kann dagegen die Kündigungsabsichten verringern, die Bindung an den Pflegeberuf verstärken, die Arbeitszufriedenheit verbessern und sowohl die erwartete Arbeitsleistung als auch das sog. freiwillige Arbeitsverhalten – wie Hilfe im Kollegium, zusätzliche Unterstützung der Pflegebedürftigen – erhöhen (Rodwell et al. 2023).

Insgesamt wäre die wirksamste betriebliche Intervention in der Pflege angesichts der aktuellen und künftigen Herausforderungen ein Maßnahmenbündel, das sehr langfristig angesetzt ist und es schafft, die Überlastung der Pflegekräfte zu verhindern bei gleichzeitiger Verstärkung der Arbeitsressourcen. Wie schaffen wir es, zusätzlich zu den Arbeitskräften aus dem Ausland und mehr Auszubildenden weitere Unterstützung herbeizuzaubern?

3 Der Staat bietet erste Hilfe an

Am 1. Januar 2019 ist in Deutschland das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz in Kraft getreten, das die Verbesserung der Personalausstattung sowie der Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege anvisiert (Bundesministerium für Gesundheit 2024). Eine der Maßnahmen zur Personalentlastung sind geförderte Investitionen in Technologien.

Die größte Herausforderung dabei bleibt: Dem Pflegeberuf wird insgesamt ein vergleichsweise eher niedriges Substituierbarkeitspotenzial (ein Indikator, wie stark ein Beruf potenziell durch Technologie ersetzbar ist) zugeschrieben: Im April 2024 werden nur zwei der 12 Kerntätigkeiten in der Altenpflege als automatisierbar angesehen (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2024). Dazu gehören die Raumhygiene und die Pflegedokumentation. Wenn bei der Berechnung des Indikators weitere gesundheitsförderliche Tätigkeiten – wie Freizeitgestaltung – berücksichtigt werden, fällt der Indikator noch niedriger aus.

Welche Technologien könnten dabei helfen, das Arbeitspensum in der Pflege langfristig zu reduzieren bei gleichzeitiger Verbesserung der Pflegequalität? In der Berufspraxis entstand eine konkrete Forderung: Roboter, die mit den Älteren spazieren gehen (s. unten im Kap. 4 das Fallbeispiel von Frank). Dieser gehen wir nach.

4 Die Berufspraxis fordert eine innovative Zukunftsvision

Frank: Ich entwickele und teste autonome Lieferroboter. Diese bewegen sich auf einer Teststrecke zwischen einem Supermarkt und einem Begegnungszentrum der Caritas. Die Idee dahinter ist, die Älteren beim Einkaufen zu entlasten und ihnen ein länger selbstbestimmtes Leben in ihren eigenen Wohnungen zu ermöglichen. Der Prototyp löste bei seiner Vorstellung große Begeisterung aus. Die Mitarbeiterinnen der Caritas gaben jedoch zu bedenken, dass es die Älteren negativ beeinflussen könnte, wenn der Roboter komplett autonom ihre Einkäufe erledigen würde. Daher schlugen sie scherzhaft vor, dass der Roboter bitte mit den Älteren „Gassi gehen könnte“. Dies war eine deutliche Empfehlung, begleitete Einkäufe oder andere Erledigungen mit dem Roboter zu unternehmen, bei denen der Roboter die Älteren unterstützt, jedoch ihnen die Aufgaben nicht komplett abnimmt, um sie weiter mobil zu halten.

Die Idee des „Gassi-Robis“ ließ unser Team nicht mehr los. Was spricht für und gegen seinen Einsatz? Würden wir persönlich unsere hilfsbedürftigen Liebsten mit einem Roboter spazieren gehen lassen? Die erste Diskussion stoßen wir hier an.

4.1 Was spricht für den Einsatz eines begleitenden Roboters in der Altenpflege?

Gerontotechnologie sollte die Pflegequalität sowie die Lebensqualität der Älteren als auch die der Pflegekräfte verbessern können (Huang und Oteng 2023). Bereits der autonome Lieferroboter wäre aus psychologischer Sicht in der Lage, das menschliche Wohlbefinden in der Altenpflege zu verbessern. Die Selbstbestimmung ist nämlich eines der menschlichen Grundbedürfnisse (Deci und Ryan 2000), und in der deutschen Bevölkerung gehört sie zu den wichtigsten Werten – unabhängig vom Alter (Statista 2023). Ein Roboter, der nach Wunsch sowohl Einkäufe transportiert als auch einen bestimmten Hin- und Rückweg im urbanen Gebiet selbstständig findet und dieses bei Berücksichtigung verschiedener Umgebungsbedingungen (wie Verkehr, Bodenbeschaffenheit) gefahrlos befährt, wäre eine Bereicherung für Pflegebedürftige sowie -verantwortliche. Er würde die Selbstbestimmung seiner Nutzenden steigern und dadurch den Pflegekräften das Gefühl vermitteln, zu einer individualisierten Förderung ihrer Kundschaft und somit zur Verbesserung der Pflegequalität beizutragen.

Die Erweiterung des autonomen Lieferroboters um die Begleitfunktion würde den Pflegekräften helfen, ihrer Arbeit so nachzugehen, dass sie den Ansprüchen ihres Berufsstandes besser gerecht werden könnten – und dies trotz der engen Zeitpläne und des herausfordernden Personalschlüssels. Die Pflege-Charta (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Bundesministerium für Gesundheit 2019) nennt unter den grundlegenden Rechten hilfe- und pflegebedürftiger Menschen gleich an der ersten Stelle die Selbstbestimmung und die Hilfe zur Selbsthilfe. Im vierten Artikel wird die sog. aktivierende Pflege aufgeführt: „Sie haben Anspruch darauf, dass pflegerische Angebote Sie dabei unterstützen, ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Hierfür werden Sie angeleitet, Ihre Fähigkeiten zu erhalten oder wiederzuerlangen. Dazu gehört, dass Ihre Bewegungfähigkeit [sic] und Ihr Bedürfnis, sich zu bewegen, unterstützt und gefördert werden, es sei denn, medizinische Gründe sprechen dagegen. Zudem haben Sie Anspruch auf Unterstützung, um an Hilfsmittel zu gelangen, die zu mehr Selbstständigkeit beitragen.“

Das Spazierengehen belegte im Jahr 2021 nach Fernsehen und Radiohören den dritten Platz der beliebtesten Freizeitaktivitäten der deutschen Generation 70plus (VuMA 2021). Somit scheint der Spaziergang ihre beliebteste Bewegungsaktivität zu sein. Ein Roboter, der dazu fähig wäre, Menschen beim Spazierengehen zu begleiten, könnte wesentlich zu der aktivierenden Pflege beitragen und darüber hinaus das Personal kurz, mittel- sowie langfristig entlasten. Der selbstbestimmte Spaziergang würde die Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Bewegungsfähigkeit der Älteren erhalten bzw. zu ihrer Wiedererlangung beitragen sowie die Zufriedenheit mit der Pflege erhöhen. Die Pflegekräfte würden direkt profitieren von dem Zeitgewinn für anderweitige Verpflichtungen sowie die ihrem beruflichen Selbstwert dienliche höhere Pflegezufriedenheit. Die insgesamt erhöhte Pflegequalität dürfte mittel- und langfristig positive Effekte mit sich bringen. So bräuchten die Älteren mit der Zeit dank ihres verbesserten Befindens weniger Unterstützung, und die Pflegekräfte wären bei reduzierten Arbeitsanforderungen (wie Arbeitspensum, Zeitdruck) und vermehrten Arbeitsressourcen (wie Lob) weniger überlastet, gesünder, motivierter und stärker an ihre Einrichtungen gebunden.

4.2 Was sollte der begleitende Roboter können?

Marlene: Ich habe meinen Opa gefragt, was er von der Idee eines Gassi-Robis hält. Er ist kognitiv noch sehr fit, baut aber körperlich ab. Weil meine Oma lange mit Demenz in einem Pflegeheim war, kennt er auch den Alltag in Pflegeheimen ziemlich gut. Viele seiner Anmerkungen basieren darauf und auf Dingen, die meine Oma gerne gemacht hätte, aber nicht oder kaum möglich waren. Insgesamt ist er sehr technologiekritisch, daher fand ich es überraschend, dass er in manchen Punkten ein „invasiveres“ Verhalten für den Robi vorgeschlagen hat als ich. Ein Beharren auf einer bestimmten Route beim Spazieren oder verbale Aufforderungen könnten z. B. dazu führen, dass sich die Oldies gegängelt fühlen und den Robi nicht akzeptieren. Auch mein Opa findet es wichtig, dass die Oldies den Robi akzeptieren, aber er meint, wenn der Robi einmal akzeptiert sei, könne er auch ein invasiveres Verhalten zeigen, ohne die Oldies zu verschrecken. Er hat auch vorgeschlagen, dass der Robi neben den Oldies herfahren sollte und nicht hinterher wie die aktuelle Version des Lieferroboters. Dies könnte psychologische Vorteile haben, weil die Oldies dann wissen, dass Unterstützung da ist, sollten sie diese brauchen, z. B. wenn sie das Gleichgewicht verlieren. Auch sei es wichtig, dass der Robi potenzielle Schwierigkeiten auf den Wegen kennt und etwa auf Ampeln und auf einen unebenen Untergrund aufmerksam macht. Mein Opa hat zudem auf Hindernisse für ältere Menschen im Straßenverkehr hingewiesen, wie etwa zu hohe Bürgersteigkanten. Auch diese sollte der Robi kennen und die leichteste Route für die Oldies auswählen. Im Bereich des Straßenverkehrs sollte der Robi zudem darauf achten, dass die Oldies sich an die Verkehrsregeln halten. Daher sollte er in der Lage sein, ihnen in Gefahrensituationen auch Grenzen zu setzen. Mein Opa hat zwar immer wieder betont, dass z. B. Grenzen gesetzt werden müssen, wo es notwendig ist, aber auch dass in allen anderen Bereichen die Wünsche der Oldies befolgt werden. Zum Beispiel sollte der Robi, wenn er die Oldies beim Einkaufen unterstützt, deren Wünsche bezüglich bestimmter Marken berücksichtigen. Auch wäre es sehr hilfreich, wenn der Robi wissen würde, wo in der Nähe öffentliche Toiletten sind und die Oldies etwas zu trinken oder zu essen bekommen könnten.

Der vorhandene Lieferroboter bewegt sich autonom zwischen dem Begegnungszentrum der Caritas und einem Supermarkt. Dessen Angestellte wurden instruiert, online aufgegebene Bestellungen für den Roboter aufzunehmen und ihn nach seinem Eintreffen mit der bestellten Ware zu beladen. Nun haben wir, das Autorenteam, erste Anwendungsszenarien entwickelt, wie der Roboter nach und nach um diverse Begleitfunktionen erweitert werden könnte. Wie im obigen Fallbeispiel von Marlene, so auch im weiteren Text wird der Roboter mit Begleitfunktion mit „Robi“ und die Zielgruppe der ihn nutzenden Seniorinnen und Senioren liebevoll mit „Oldies“ abgekürzt.

4.2.1 Szenario 1: Oldies gehen einkaufen

Im ersten Schritt bleiben wir so nah wie möglich an der bisher getesteten Verwendung des Roboters: Oldies bestellen Lebensmittel, gehen mit Robi zum Supermarkt, Robi wird dort beladen, Oldie und Robi gehen gemeinsam nach Hause. Alternativ geben Oldies Robi am Eingang ab und erledigen den Einkauf selbstständig. Vorteil für die Oldies: Erhalt von mehr Freiheit, Selbstständigkeit; im ersten Fall (vorige Bestellung) ist das Risiko, etwas zu vergessen, reduziert. Verglichen mit seiner Vorgängerversion wird Robi zusätzlich z. B.

  • konstanten Abstand zu Oldie halten,

  • Rücksicht auf Andere nehmen,

  • Oldie in höher frequentierter Umgebung nicht verlieren (ohne Andere zu stören),

  • seine Geschwindigkeit an die Gehgeschwindigkeit der Oldies anpassen und ggf. Fahrt pausieren,

  • darauf achten, dass sich Oldies an Verkehrsregeln halten, und ggf. warnen,

  • warnen bei Unfallgefahr durch Wegbeschaffenheit und Wetterbedingungen (wie Stolperfallen, Glätte).

Weitere Optionen:

  • Losfahren in Abhängigkeit von Wettervorhersage,

  • Notruffunktion,

  • Anzeige öffentlicher Toiletten,

  • Anzeige Pausenmöglichkeiten (wie Bänke).

4.2.2 Szenario 2: Oldies machen Besuche

In diesem Schritt werden erste Aspekte einer Personalisierung des Robis umgesetzt: Oldies können einem ausgewählten Personenkreis in fußläufiger Nähe Besuche abstatten. Dennoch sind die Oldies nicht die ganze Zeit mit dem Robi allein, sondern zwischendurch bei Freunden und Freundinnen oder Verwandten, die im Zweifelsfall eingreifen können, wenn es den Oldies nicht gut gehen sollte. Verglichen mit seinen Vorgängerversionen wird Robi zusätzlich z. B.

  • mehrere eingespeicherte Wege gefahrlos für alle Beteiligten befahren.

4.2.3 Szenario 3: Oldies gehen spazieren

Robi überlässt es den Oldies, zu gehen, wohin sie wollen, und springt nur im Notfall ein. Hier wird ein Szenario eingeführt, in dem es wichtig ist, dass der Robi den Zustand der Oldies gut einschätzen kann, da es weder ein festes Ziel noch eine geplante Interaktion mit anderen Menschen zwischendurch gibt. Zudem sind die Routen abwechslungsreicher als in den ersten beiden Szenarien, daher wird der Robi mit einer höheren Varianz im Verhalten der Oldies konfrontiert sein. Verglichen mit seinen Vorgängerversionen wird Robi zusätzlich z. B.

  • spontane Wege gefahrlos für alle Beteiligten befahren,

  • verschiedene Untergründe problemlos befahren können,

  • das Wohlbefinden der Oldies erkennen und interpretieren (Unterscheiden zwischen „Stehen bleiben, um etwas anzuschauen“ und „Stehen bleiben aus Erschöpfung“),

  • in Abhängigkeit des Wohlbefindens der Oldies angemessen reagieren (Pause vorschlagen, Notruf einleiten).

4.3 Welche Hindernisse sind bei der Einführung des begleitenden Roboters zu erwarten?

Bei organisationalen Veränderungen gehört der Mensch zu den erfolgskritischen Faktoren (Mathur et al. 2023; Schwarz et al. 2021) – so auch bei der Einführung von neuen Technologien. Darauf wird in diversen Technologieakzeptanzmodellen hingewiesen. Der Entwicklung einer Absicht zur Technologienutzung kommt dabei eine hohe Bedeutung zu, weil sie eine tatsächliche Nutzung vorhersagen lässt (Marikyan et al. 2023).

Der Blick in die Praxis der Technologieeinführung in der Pflege ist ernüchternd. Es werden viele Technologien entwickelt (vgl. die Übersicht zu humanoiden Robotern in Azeta et al. 2018) und eingeführt, aber die Nutzung findet häufig nicht statt oder hält nicht lange an (s. praktische Beispiele in Wright 2023). Eines der größten Hindernisse der Technologieakzeptanz bei Älteren scheinen negative Stereotype zu sein: Roboternutzung wird mit Altersstigmata wie Einsamkeit und Bedürftigkeit assoziiert (Zafrani und Nimrod 2019).

Für die ältere Zielgruppe wurden mittlerweile spezifische Technologieakzeptanzmodelle entwickelt, wie das Senior Technology Acceptance Model (STAM; Chen und Chan 2014). Dabei ist es nicht das biologische Alter an sich, das eine besondere Berücksichtigung bei der Technologieentwicklung erforderlich macht, sondern die damit einhergehenden Unterscheidungsmerkmale zu Jüngeren – wie Arbeitsgedächtniskapazität, Wahrnehmungsfähigkeit, Erfahrungen (Rogers und Fisk 2010). Die Ergebnisse der Metaanalyse zur Technologieakzeptanz bei Älteren von Ma et al. (2021) zeigen, dass die wahrgenommene Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit sowie der Einfluss des sozialen Umfelds ihre Technologieakzeptanz wesentlich bestimmen und insbesondere bei der Einführung von unbekannten Technologien aus dem Gesundheitsbereich zu beachten sein sollen. Dabei steigt der Einfluss des sozialen Umfeldes auf die Nutzungsabsicht mit dem Alter der Nutzenden.

Daraus lässt sich ableiten: Wenn die Pflegekräfte und Angehörigen eine Technologie nicht akzeptieren, werden die Endnutzenden selbst diese nicht nutzen wollen bzw. können. Schließlich sind für die erfolgreiche Technologieeinführung die Anleitung durch die Pflegekräfte sowie die Unterstützung bei Nutzung und Wartung notwendig. In unserem Szenario 2 ist ein Kontakt zwischen den Angehörigen und Robi nicht ausgeschlossen, und deren Akzeptanz wäre dafür erforderlich. Deshalb gehen wir davon aus, dass auch ihre Perspektive die Technologieakzeptanz der Oldies prägen würde.

4.4 Was sind die ersten Schritte zum idealen begleitenden Roboter?

Bei unserer spezifischen Zielgruppe sind evidenzbasierte Handlungsempfehlungen zur Technologieeinführung gewagt. Die Technologieakzeptanz in der Altenpflege wurde bisher wenig untersucht, und die vorhandenen Studien lassen die Übertragbarkeit auf unsere Zielgruppe oft nicht zu. So werden z. B. in der Übersicht zu Gerontotechnologie Personen über 50 Jahre als Ältere behandelt (Huang und Oteng 2023). Trotzdem ist für uns die Studienübersicht wertvoll, da hier sowohl die Perspektive der Endnutzenden als auch die der Pflegenden bedacht werden. Darin wird aufgezeigt, dass die Technologieakzeptanz der Älteren von anderen Faktoren abhängt als die der Pflegenden.

Problematisch für die organisationale Praxis ist ebenfalls, dass die Technologieakzeptanz der Pflegenden noch weniger erforscht ist als die ihrer Klientel. Dies gilt auch für die Zielgruppe der Angehörigen. Wir wissen also nicht, was Robi für seine verschiedenen Zielgruppen (Endnutzende, Angehörige, Pflegekräfte und ihre Führungskräfte) attraktiv macht, sodass sie ihn nutzen, empfehlen und erwerben würden. Die Bedeutung des humanen Faktors für die Technologienutzung ist in der mittlerweile menschenzentrierten Industrie 5.0 angekommen, die das Wohlbefinden von Beschäftigten als eine der Zielvariablen fokussiert und fordert: „Rather than asking what we can do with new technology, we ask what the technology can do for us“ (Breque et al. 2021, S. 14).

Deshalb ist ein Schritt zurück notwendig, bevor an unseren Robi verschiedene Sensoren zur Messung des menschlichen Wohlbefindens (spätestens im Szenario 3) angebracht werden. Um ein valides Modell zu Robi-Akzeptanz erstellen zu können, brauchen wir qualitative und quantitative Daten aller Zielgruppen. Erst durch diesen sog. nutzerzentrierten Ansatz könnten konkrete Anforderungen an den Robi abgeleitet werden: Was muss er und was darf er nicht tun, damit er zu einer Arbeitsressource wird? Dafür ist eine multidisziplinäre wissenschaftliche Zusammenarbeit erforderlich. Ohne die Unterstützung aus der Praxis kommen wir aber nicht weiter.

5 Gemeinsam kommen wir voran

Unsere Zukunftsvision liefert einen langfristigen Ansatz zur potenziellen Milderung des Fachkräftemangels in der Altenpflege durch Zuhilfenahme neuartiger Technologie. Solche Technologie soll dazu fähig sein, langfristig zum menschlichen und dadurch organisationalen Wohlbefinden beizutragen. Dafür ist es notwendig, bereits bei ihrer Entwicklung die Bedürfnisse aller Zielgruppen, die mit der Technik in Kontakt kommen, zu berücksichtigen: die der Entscheidungstragenden in Organisationen, der Pflegekräfte, der Endnutzenden sowie der Angehörigen. Dies erfordert ihre aktive Partizipation bei der Technologieerforschung und -entwicklung. Deshalb fordern wir alle Gruppen auf, sich bei wissenschaftlichen Datenerhebungen (wie Interviews, Experimenten, Umfragen) zu engagieren. Dadurch kann es uns gemeinsam gelingen, dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern.