Siegfried Greif: Was ist Coaching? Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Methoden. Hamburg: Tredition, 2021, 228 S., 29,50 €.

Im Kontext stetiger Veränderungen und Herausforderungen in der Arbeitswelt boomt der Coachingmarkt. Nicht nur die Relevanz und der Bedarf an qualitativ hochwertigem Coaching nimmt zu, sondern dieser Bereich zieht als spannendes und attraktives Berufsfeld auch immer mehr (werdende) Coaches an (ICF 2020). Insbesondere die ungeschützte Verwendung des Coaching-Begriffs und die fehlende formale Standardisierung von Weiterbildungsangeboten kann zur Verwässerung der Coachingprofession führen, wenn hochwertiges Coaching unter dem gleichen Begriff wie Scharlatanerie und Pseudowissenschaften auftritt (Kühl 2008, S. 85 ff.; Schreyögg und Schmidt-Lellek 2015). Daher wird es umso wichtiger, die Qualität von Coaching zu sichern und die Professionalisierung weiter voranzutreiben (Scholl et al. 2018).

Das vorgestellte Buch knüpft an dieser Forderung an und bietet ein wundervolles Beispiel, wie dieser Herausforderung begegnet werden kann. Das Buch schließt sich dem dringendem Aufruf nach einem Wissenschaft-Praxis-Dialog (Greif 2014) an und zeigt vielversprechende Wege auf, wie die oft beschriebenen Gräben zwischen Praxis und Wissenschaft im Coaching (vgl. Kotte et al. 2015; Scholl et al. 2018) überbrückt werden können. Siegfried Greif vereint in diesem Zuge nicht nur seine Expertise als Coach und Wissenschaftler, sondern bringt auch beide Welten eindrucksvoll und fundiert zusammen. Um Praktiker:innen und Forschenden wertvolle Ansätze zur Qualitätssicherung und Professionalisierung von Coaching an die Hand zu geben, erhalten die Leser:innen Antworten auf folgende, relevante Fragen: Können Coachingpraxis und Wissenschaft voneinander profitieren? Wie baut man Brücken, um beide Bereiche zu verbinden und Synergien zu nutzen? Kann dies Coaching als Profession weiterentwickeln?

Das Buch leitet zuerst in die Grundlagen von Coaching ein, indem relevantes Praxiswissen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen präzise und verständlich dargestellt sowie miteinander in Beziehung gesetzt wird. In diesem Rahmen erfolgt eine Begriffsklärung, und Coaching wird von anderen Beratungsformen abgegrenzt. Die Vorteile einer vertieften und an wissenschaftlichen Standards orientierten Begriffsklärung für die eigene Coachingpraxis werden aufgezeigt und Möglichkeiten, das eigene Coachingverständnis zu reflektieren, geboten. Ebenso wird Coaching von pseudowissenschaftlichen Konzepten und Scharlatanerie abgegrenzt. Ferner werden die Vielfalt und Komplexität von Coaching in Bezug auf die verschiedenen Coachingarten (z. B. Gruppencoaching, Gesundheits- und E‑Coaching) und ihren Besonderheiten sowie dem Coaching zugrunde liegende Richtungen und Konzepte (z. B. systemische und kognitiv-behaviorale Coachingkonzepte) abgebildet. Hier sticht das Buch durch eine Verbindung von theoretischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen mit realen Fallbeispielen aus der Coachingpraxis positiv hervor. Durch diese Verzahnung von Praxis und Wissenschaft zeigt das Buch eindrücklich das Potenzial auf, welches für beide Seiten entsteht, wenn Brücken zwischen Coachingpraxis und Forschung geschlagen werden.

Trotz der breitgefächerten Ausführungen wäre an dieser Stelle die Hinzunahme von psychoanalytischen Coachingkonzepten und zielgruppenspezifischen Besonderheiten (z. B. Gründungscoaching) eine gute Ergänzung.

Als weitere Grundlage bietet das Buch einen Überblick über verbreitete (z. B. Fragemethoden) und innovative Coachingmethoden (z. B. Mehrebenen-Coaching) sowie deren praktische Relevanz und wissenschaftliche Fundierung. Die Methoden umfassen eine vielfältige, wenn auch nicht vollständige Auswahl. So wird z. B. die Arbeit mit kreativen Medien (z. B. Schreyögg 2013) nicht näher beleuchtet.

Um ebenfalls forschungstechnische Grundlagen zu vermitteln, werden Forschungsmethoden und relevante Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit von Coaching vorgestellt. Dieses Buch baut damit auf vorheriger Literatur auf (Greif 2016) und gibt durch ein erweitertes Evaluationsmodell zu Coachingergebnissen, -Prozessen und Voraussetzungen einen prägnanten und aktuellen Überblick. Dies ermöglicht eine Einarbeitung in den aktuellen Forschungsstand – auch für Personen ohne wissenschaftliche Expertise auf diesem Gebiet – und kann sowohl für weiterführende Forschung als auch für die kritische Reflexion und evidenzbasierte Ausrichtung der eigenen Coachingpraxis nützlich sein.

Eine weitere Brücke zwischen den Erkenntnissen aus der Coachingpraxis und -forschung wird im Rahmen der Vorstellung des ergebnisorientierten Coachings geschlagen. Dieses integrative Theoriegerüst baut ebenfalls auf vorherigen Werken des Autors auf (Greif 2008, 2018) und wird stetig weiterentwickelt. In diesem Buch wird die aktuelle Fassung vorgestellt und stellt die Annahmen, welche Effekte und Wechselwirkungen allgemeine Erfolgsfaktoren auf den Erfolg des Coachings haben, übersichtlich dar. So erhalten Praktiker:innen und Forschende einen Überblick über Wirkweisen und Erfolgsfaktoren von Coaching. Dies kann als Grundlage dienen, die eigene Praxis kritisch zu reflektieren, blinde Flecke zu identifizieren und den individuellen Werkzeugkoffer durch neue Methoden, Fragestellungen und Impulse zu optimieren.

Zuletzt stellt der Autor drei Entwicklungsperspektiven von Coaching vor: die Entwicklung des Coachingmarktes, die Folgen der Digitalisierung sowie die zukünftige Relevanz wissenschaftlicher Forschung für das Coaching. An dieser Stelle wird noch einmal betont, wie wesentlich es ist, gemeinsame Brücken zwischen Praxis und Forschung zu bauen, um eine nachhaltige und hochwertige Coachingqualität zu sichern. Weitere Entwicklungsperspektiven, die in dem Buch nicht aufgegriffen werden, wären z. B., welche Rolle Coaching bei der gesellschaftlichen Transformation einnehmen kann (z. B. Böning et al. 2021; Möller 2021) und inwiefern der Markteintritt von Digital Coaching Providern die Professionalisierungsdebatte von Coaching beeinflusst (Middendorf und Ritter 2021).

Das Buch kann insgesamt von Praktiker:innen und Forschenden als eine wertvolle und vielseitige Fundgrube genutzt werden. Für Einsteiger:innen, die sich einen ersten Überblick verschaffen und ihre eigene Coachingpraxis entwickeln wollen, bis hin zu „alten Hasen“, die ihre Arbeit reflektieren und um neue Impulse erweitern möchten, bietet das Buch etwas. Trotz des großen thematischen Umfangs folgt das Buch einer übersichtlichen und präzisen Darstellung. Praxisnahe Erläuterungen, Fallbeispiele sowie die konkreten Hinweise zum Vorgehen und zu möglichen Entwicklungspotentialen erleichtern es, theoretische Ausführungen in die Praxis umzusetzen. Gleichzeitig wird ein übersichtlicher Zugang zu breit gefächerten wissenschaftlichen Erkenntnissen ermöglicht. Dies bietet viele Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen und Forschende, sich sowohl der wissenschaftlichen und/oder praktischen Perspektive auf Coaching zu nähern als auch die eigene Arbeit zu reflektieren und zu erweitern. So könnte das Buch zu Bildungszwecken in der Qualifizierung von zukünftigen Coaches oder der Universitätslehre eingesetzt werden. Ebenso könnten Forschende und Praktiker:innen die Inhalte direkt bei ihrer Arbeit anwenden: Auf Forschungsseite werden Forschungslücken aufgezeigt und Impulse für weitere Coachingforschung gesetzt. Auf der Seite der Coachingpraxis können Praktiker:innen ihr Coachingverständnis, ihr Vorgehen und ihren Methodenkoffer anhand wissenschaftlicher und praktischer Erkenntnisse überprüfen und weiterentwickeln. Die eigene Praxis könnte durch eine wissenschaftliche Fundierung legitimiert werden, und Praktiker:innen kommen so der Forderung von Coachingverbänden nach einem wissenschaftlich fundierten Vorgehen näher. Dies könnte folglich zur Qualitätssicherung und zukunftsorientierten Professionalisierung von Coaching beitragen.

Außerdem bildet der breite thematische Umfang in diesem Buch die Komplexität im Coaching nach: Anstatt eine Universallösung vorzustellen, wird das kritische Hinterfragen und die kontinuierliche Weiterentwickelung von Praxis und Forschung gefordert. Dies ermuntert Praktiker:innen, Bescheidenheit gegenüber der Fehlbarkeit des Handelns zu bewahren.

Um auf die anfänglichen Fragen zurückzukommen, zeigt das Buch deutlich auf, dass die Coachingpraxis und Wissenschaft durch Synergien voneinander profitieren können. Ein wesentlicher Beitrag des Buches besteht darin, nicht nur die Notwendigkeit und Vorteile davon zu betonen, Brücken zwischen der Praxis und Forschung zu bauen, sondern mit gutem Beispiel voranzugehen. Das Buch verzahnt beide Bereiche miteinander und setzt diese immer wieder in Beziehung zueinander. Damit bietet das Buch durch einen fundierten Wissenschafts-Praxis-Dialog wichtige Ansatzpunkte zur geforderten Professionalisierung und Qualitätssicherung von Coaching. Orientierungswissen wird mit Erklärungswissen aus der Forschung und Verfügungswissen durch praktische Erfahrungen miteinander verbunden (Buer 2015; Schmidt-Lellek und Fietze 2018). Insgesamt plädiert der Autor überzeugend für einen kooperativen Lernprozess und stellt die Wissenschaft als Denkwerkzeug für praktische Lösungen vor, um die Coachingprofession in Zukunft qualitativ hochwertig gestalten zu können.