Coachingforscher:innen wie auch Expert:innen der Coachingpraxis versichern sich häufig ihrer wechselseitigen Bedeutsamkeit und Relevanz. Doch unter der Wasseroberfläche brodelt es: Nehmen die Praktiker:innen den wachsenden „body of knowledge“ in der Forschung überhaupt zur Kenntnis? Oder ist es aus ihrer Perspektive nicht vielmehr so, dass Forschung und die daraus resultierenden Publikationen weder inspirieren noch informieren noch instruieren? Auf der anderen Seite schütteln Wissenschaftler:innen den Kopf darüber, was in der Praxis ohne empirische Überprüfung verkauft, gekauft und durchgeführt wird, ohne dass es empirische Wirksamkeitsnachweise gibt? Die Bemühungen der Wissenschaft, dem Format Coaching eine evidenzbasierte Basis zu schaffen und den Vorwürfen Paroli zu bieten, Coaching sei nur eine Modeerscheinung, tragen Früchte, sodass Konsens darüber herrscht, dass Coaching wirkt. Dies ist mittlerweile auch metaanalytisch in sieben Studien bestätigt worden. Aber sind Wissenschaftler:innen nicht primär an Praktiker:innen interessiert, um sie als Stichprobe für ihre Fragestellungen und Untersuchungen zu gewinnen, statt sie als wirkliche Dialogpartner:innen zu verstehen?

Gleichwohl bedarf die Skepsis auf Seiten der Praktiker:innen einer tieferen Analyse: Eine Hypothese ist dabei, dass die Skepsis gegenüber der Coachingforschung eine – wenn auch zum Teil unreflektierte – sinnvolle Form des Widerstands ist. Der Widerstand richtet sich dagegen, dass die Coachingforschung, insbesondere eine bestimmte Form meist quantitativer und als Evaluationsforschung konzipiert, vermutlich ungewollt, aber doch wirksam Coaching und Supervision Schritt für Schritt zu einer Sozialtechnologie verkommen lässt. Dadurch wird ihr das kritische und generative Potenzial geraubt.

Der Kongress für psychodynamisches Coaching im Februar 2022, inzwischen als Kooperationsprojekt der Universität Kassel, dem Fortbildungsinstitut inscape Köln, dem Sigmund-Freud-Institut Frankfurt a. M. und der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching bereits zum elften Mal veranstaltet, sollte helfen, die Gräben zwischen Wissenschaft und Praxis, die durch ihre jeweiligen Eigenlogiken begründbar sind, zu überwinden. Vor dem Hintergrund des ambivalenten Verhältnisses zwischen den beiden „Welten“ wurden konkrete Möglichkeiten identifiziert, auf ein tragfähigeres Arbeitsbündnis zwischen Coachingpraxis und -forschung hinzuarbeiten. Forscher:innen stellten ihre Ergebnisse vor und gaben einen Überblick über die wissenschaftliche Publikationslandschaft zum Stand der Coachingforschung. In Workshops wurden sodann die Resultate auf das konkrete Coachinghandeln übertragen. Dieser Praxistransfer wurde im Tandem aus Forschenden und Praktiker:innen erarbeitet und in Transfergruppen einer kritischen Analyse unterzogen. Im Folgenden werden zunächst die Hauptbeiträge dieses Heftes, die auf Vorträgen im Rahmen des Kongresses basieren, kurz vorgestellt und im Anschluss auch die Workshops und Diskussionen auf dem Kongress, um damit das Bild zu vervollständigen.

Dass Forscher:innen auf die Coachingpraxis Bezug nehmen müssen, um zu Erkenntnissen zu gelangen, liegt in der Natur der Sache, aber umgekehrt wird die Bedeutung von Forschung und Theorien für die Beratungspraxis von Coaches und Supervisor:innen häufig bezweifelt oder nicht zur Kenntnis genommen. In Anlehnung an die Behauptung Lewins (1943), dass nichts praktischer sei als eine gute Theorie, beschreiben Eva Jonas, Georg Zerle, Christina Mühlberger und Joachim Hansen in einem Doppelbeitrag für diese Zeitschrift die wichtige Rolle, die Theorien für das praktische Handeln in der Beratung spielen können. Theorien helfen nicht nur, Phänomene und Situationen im Coaching besser zu verstehen, indem sie komplexe Wirklichkeiten auf wenige allgemeine Prinzipen reduzieren, sondern sie bieten den Berater:innen auch Unterstützung in ihren Entscheidungen für spezifische Methoden, Techniken oder konkrete Interventionen. Anhand von drei Theorien, der Mindset-Theorie der Handlungsphasen, der Theorie des regulatorischen Fokus und der PSI-Theorie zur Förderung von Selbststeuerungskompetenzen, illustrieren die Autor:innen exemplarisch bis in die konkrete Handlungssituation hinein den praktischen Wert und die Reichweite solcher Konzepte, ohne dabei die Gefahr einer unzulässigen Vereinfachung und Einschränkung des Denkens aus dem Auge zu verlieren.

Einer der entscheidenden Vorwürfe an die Coachingforschung seitens der praktizierenden Coaches ist die Aussage, dass die Coachingforschung nicht gegenstandsangemessen sei und die Komplexität der Coachingsituation in vielen Studien durch den engen Blick auf die reine Interaktion zwischen Coach und Coachee reduziert. Silja Kotte geht diesem Vorwurf nach und untersucht genauer die Bedeutung des Kontexts für die Coachingsituation. Sie beschreibt Studien und eigene Forschungsansätze, wie z. B. die Interessen verschiedener Stakeholder, konkretisiert durch die üblichen Dreieckskontrakte, aber auch Faktoren wie spezifische Zielgruppen, Felddynamiken, spezifische Rollen wie z. B. Führungsrollen in der Forschung stärker berücksichtigt werden können. Am Beispiel des Gründercoachings wird deutlich, dass dabei nicht nur eine gegenstandsangemessenere Form der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Coaching realisiert werden kann, sondern durch die Forschung auch neue Coachingkonzepte und zielgruppenspezifische Vorgehensweisen zwischen klassischer Prozessberatung und Gründungsberatung entstehen können.

Was aber macht Coaching aus einer Forschungsperspektive wirksam und erfolgreich? Entgegen der Selbstdefinition vieler Berater:innen sind es weniger spezifische Interventionen, Techniken oder bestimmte konzeptionelle Ansätze und Schulen, sondern – ähnlich wie in der Psychotherapie – nachweislich eine gelingende Gestaltung der Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Coachee. Caroline Graßmann untersucht in ihrem Beitrag anhand verschiedener Studien genauer, was diese positive „working alliance“ ausmacht und von welchen Faktoren die Entstehung der guten Zusammenarbeit (nicht) abhängt. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt auch der Frage, ob und wie sich eine derart erfolgreiche Arbeitsbeziehung auch im digitalen Setting bzw. bei Coachings mit Hilfe künstlicher Intelligenz herstellen lässt.

Nicht nur im Hinblick auf die gelingende Arbeitsbeziehung sind in der Coachingforschung noch sehr viele Fragen offen und ungeklärt. Der Coaching-Forschung wird ihre begrenzte theoretische Fundierung, aber auch eine zu geringe Stichprobengröße bzw. der häufige Rückgriff auf Studierende mangels eines Zugangs zu ausgebildeten und erfahrenen Coaches vorgeworfen. Um hier zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen, ist die Beteiligung von erfahrenen Praktiker:innen an Forschungsprojekten unabdingbar. Diese Zielgruppe zeigt jedoch häufig eine deutliche Skepsis gegenüber einer Teilnahme an wissenschaftlichen Untersuchungen. Denise Hinn, Silja Kotte und Heidi Möller haben in einem Forschungsprojekt mit Hilfe einer Online-Befragung untersucht, worin die Widerstände auf Seiten der Praktiker:innen genau begründet liegen. Mit Hilfe einer Faktorenanalyse entwickeln sie zunächst verschiedene Einstellungsfaktoren bezogen auf die geringe Bereitschaft zur Teilnahme an Coaching-Forschung. Diese Faktoren werden dann zu vier Typen der Teilnahmebereitschaft entwickelt, die eine Orientierung bieten, welche Hebel zu einer größeren Beteiligung von Praktiker:innen an Forschungsprojekten zum Coaching bedient werden können.

Lässt sich für die Coachingforschung eine deutlich wachsende Zahl an Studien und Forschungsergebnissen verzeichnen, gilt für die Supervisionsforschung eher das Gegenteil. Die geringe Zahl an vergleichbaren und aufeinander bezogenen Untersuchungen ist dabei auch der Uneinigkeit unter Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen hinsichtlich einer gemeinsamen Definition von Supervision geschuldet. Brigitte Schigl gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über den Stand der internationalen Supervisionsforschung. Sie beschreibt die vorherrschenden Forschungsfragen, Themen und Forschungsanliegen, wobei deutlich wird, dass der Schwerpunkt vorrangig auf der Evaluation von Supervisionen und der Ausbildung von Supervisor:innen liegt. Um in der Supervisionsforschung Fortschritte zu erreichen, verweist die Autorin auf die dringende Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit in diesem Forschungsbereich, um einen common ground der Supervisionsforschung zu entwickeln.

Neben diesen Beiträgen stellen wir nun anhand von kurzen Einblicken in vier WorkshopsFootnote 1, die ebenfalls Teil des Kongresses waren, die Gelingens- und Misslingens-Bedingungen des Praxis-Wissenschaftsdialoges dar. Der oft so mühsame Diskurs von Theorie und Praxis wurde während dieses Kongresses in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Im Folgenden werden exemplarisch Argumentations- und Verständigungsstränge dargestellt.

Der Workshop 1 beschäftigte sich mit unerwünschten Nebenwirkungen von Business-Coaching und der Selbstfürsorge für Coaches. Wie alle anderen wurde auch dieser Workshop von einem Tandem geleitet: einem renommierten Coaching-Forscher, in diesem Fall Carsten Schermuly, und Thomas Giernalczyk als erfahrener Praktiker und Autor. Schermuly gilt als der Begründer der Nebenwirkungsforschung im Coaching, er wagte es, die dunkle Seite des Mondes zu betrachten, was ihm nicht nur Freunde in der Coaching-Szene machte: Er erhob auch Nebenwirkungen für Coaches, die im Coaching Prozess oder als dessen Begleiterscheinung entstehen (Schermuly 2018). Nebenwirkungen werden definiert als nicht intendierte Effekte, die negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Coaches haben. So berichteten Coaches z. B. im Rahmen einer qualitativen Befragung darüber, dass sie keine Möglichkeit hätten, die Langzeitwirkungen des Coachings zu sehen und somit die Ganzheitlichkeit der Tätigkeit fehle. Coaches können außerdem eine ergebnisbezogene Enttäuschung empfinden, wenn die Probleme ihrer Klient:innen durch das Coaching nicht gelöst werden konnten. Darüber hinaus berichten viele Coaches von einer paradoxen Einsamkeit. Dies bedeutet, dass sie den ganzen Tag viel Kontakt zu Menschen haben, jedoch immer nur in der Rolle als Coach fungieren. Es gebe kein Team, mit dem kritische Themen besprochen werden können, Rat eingeholt werden oder Gedanken unzensiert geteilt werden können. Seine Forschung erschien recht anschlussfähig an die Lebenswelt der Teilnehmenden. Sie konnten viele der Ergebnisse mit eigener Erfahrung unterfüttern. Zusätzlich beschrieben einige Teilnehmenden, dass sie nach Tagen mit viel Kontakt zu Menschen längere Zeit bräuchten, um wieder „bei sich selbst anzukommen“, und hätten oft kein Interesse an weiteren Kontakten im privaten Umfeld. In der qualitativen Befragung berichten Coaches von einer Sorge um die eigene wirtschaftliche Situation, verbunden mit der Angst, durch unzureichende Leistung aus Coachingpools ausgeschlossen zu werden. Auch hier findet sich ein eindeutiger Konsens mit der Praxis. Coaches leiden unter wirtschaftlicher Besorgtheit und verspüren Angst, den Erwartungen der Firmen nicht gerecht zu werden und daraufhin Sanktionen wie den Ausschluss aus einem Coachingpool zu erleiden. Ein Coach sprach von „Rating Shocks“, die er im Rahmen von regelmäßigen Beurteilungen seiner Leistungen erfahre, besonders dann, wenn diese Ratings weniger gut ausfielen. Ein weiterer Coach berichtete, dass bei ihm eine Art Kopfkino entstehe, wenn nicht so viele Aufträge eingingen wie gewöhnlich.

Studien bestätigen die genannten negativen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden von Coaches wie die Angst, der Rolle des Coachs nicht gerecht zu werden. Damit einher gehen unangenehme Gefühle wie Schuldgefühle, Ärger über ausbleibende Veränderung oder gar Langeweile den Klient:innen gegenüber. Manche Coaches verspüren eine zu hohe Involviertheit durch persönliche Betroffenheit. In der Tat verlaufen Studien zufolge fast alle Coachings mit Nebenwirkungen aufseiten der Coaches. Besonders auffällig sind diese Nebenwirkungen in der Stichprobe studentisch ausgebildeter Coaches, woraufhin im Workshop die Hypothese entsteht, dass besonders junge Coaches, die möglicherweise noch nicht über ausreichend Erfahrung und emotionale Stabilität verfügen, anfällig für solche Nebenwirkungen sind. Dieser Befund konnte durch die Coaches allerdings nicht durchgängig bestätigt werden. Einige erleben sich mit zunehmender Berufserfahrung im Laufe der Jahre eher als „dünnhäutiger“ und weniger abgrenzungsfähig. Für alle scheint es schwierig, wenn das Problem der Klient:innen nicht gelöst wird. Damit verbundene Gefühle wie Unzufriedenheit, Enttäuschung, Wut oder Ohnmacht haben sich bei manchen mit der Zeit verstärkt. Allerdings sei es wichtig, dies angemessen zu reflektieren, um besser mit negativen Auswirkungen umgehen zu können. Des Weiteren konnten einige Coaches von zu hohen Erwartungshaltungen seitens der Klient:innen berichten. Besonders bei kürzer angesetzten Coachings seien die Ansprüche der Klient:innen höher als die in der vorgegebenen Zeitspanne erreichbaren Ergebnisse. Das Erleben der Workshopteilnehmenden wurde zu einer weiterführenden Forschungsidee: Der Zeitrahmen eines Coachings in Kombination mit den Erwartungen der Klient:innen könnte als Prädiktor für erwartete Nebenwirkungen auf Seiten der Coaches untersucht werden.

Um sich vor den vielseitig ausgeprägten Nebenwirkungen zu schützen bzw. zu lernen, mit ihnen konstruktiv umzugehen, empfiehlt Carsten Schermuly eine begleitende Supervision. Dies solle insbesondere jungen Coaches dabei helfen, Nebenwirkungen zu reduzieren. Zusätzlich zur Supervision erwähnten praktisch tätige Coaches Intervision und den Austausch mit vertrauten Kolleg:innen in einem informellen Netzwerk als Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Nebenwirkungen im Coaching. Zudem wäre es wichtig, einen theoretisch fundierten Rahmen zur Einordnung dieser Phänomene zu haben, um Probleme frühzeitig zu erkennen und zum richtigen Zeitpunkt gegensteuern oder abbrechen zu können.

Thomas Giernalczyk bestätigte aus seiner langjährigen Praxis die von Schermuly beschriebenen Nebenwirkungen und beschrieb diese als primäres Risiko der Coachingarbeit. Sie lassen sich nicht immer vermeiden, wenn man sich auf intime und intensive Interaktion mit anderen Menschen einlässt. Es ist interessant festzustellen, dass Giernalczyk als Mann der Praxis im Gegensatz zu Schermuly, dem Forscher, von Kund:innen statt von Klient:innen spricht. Auch er kenne aus der Praxis den Eindruck, Erwartungen von Kund:innen nicht erfüllen zu können. Durch die häufig kurzen Kontakte kann sich manchmal gar kein Gespür für Kund:innen entwickeln. Er regte dazu an, im Coachingprozess auftretende negative Emotionen und Beziehungs-Irritationen immer zu hinterfragen. Es könnte sich in diesen Fällen um Gegenübertragungsphänomene handeln; Teile der negativen Emotionen, die Kund:innen in ihrem Arbeits- und Privatleben verspüren, werden im Sinne der Reinszenierung im Coaching erlebbar. Coaches täten gut daran, empfundene Nebenwirkungen in einen positiven Interpretationsrahmen zu stellen und sie als Möglichkeit zum besseren Verständnis der Gesamtsituation zu sehen. Zudem bestätigte er die wichtige Rolle von Supervision als Schutz vor Überlastung durch entstehende Nebenwirkungen. Grundsätzlich sei die Theorie hilfreich, um Problemen einen Namen geben zu können und sie dadurch bewältigbar zu machen.

Im Workshop 2, geleitet von Carolin Graßmann und Heidi Möller, stand die Verbesserung der Arbeitsbeziehung im Coaching im Fokus. Diese speist sich aus den Komponenten Einigkeit über die Zieldefinition, gute Bindung und Aufgabenorientierung (Graßmann und Schermuly 2020). Die Arbeitsbeziehung wird von der Forschung als Schlüssel für Veränderungsprozesse angesehen. Graßmanns Metaanalyse zeigt einen starken, signifikanten, wenn auch heterogenen Zusammenhang zwischen der Arbeitsbeziehung und allen betrachteten Coachingergebnissen wie Zufriedenheit mit dem Prozess, wahrgenommene Effektivität, Steigerung des Selbstwirksamkeitserlebens, Zielerreichung etc. Als entscheidend für eine gute Arbeitsbeziehung gilt die wahrgenommene Kompetenz des Coachs und die Ähnlichkeit im Verhalten; Persönlichkeit spiele keine Rolle. Die Teilnehmenden schilderten, wie stark sich die Arbeitsbeziehung zu einzelnen Coachees unterscheidet und wie sie versuchen, diese im Coaching aktiv zu gestalten. Hierbei ließen die Praktiker:innen ein sehr homogenes Bild erkennen, das sich mit dem Forschungsstand deckte. Coaching-Prozesse unterscheiden sich im Hinblick darauf, ob es einen exzellenten Start gibt, der über den Verlauf hinweg stabil gehalten werden kann, oder ob es einen guten Anfang nimmt, der aktiv zu einer noch besseren Entwicklung geführt werden muss. Die Coaches warnten jedoch vor zu viel Technik und plädierten für Ruhe und Gelassenheit, genügend Raum zum Nachdenken. Sie wehrten sich gegen die (vermeintliche) Empfehlung, aktiv Techniken anzuwenden, sondern setzten auf ihre Kontaktfähigkeit.

Schwere Belastungen der Arbeitsbeziehung, wie wir sie aus der Psychotherapieforschung kennen, zeigen sich im Coaching sehr selten, sodass die Forschung zu rupture and repair im Coaching (Ehrenthal et al. 2020) eher von heuristischem und präventivem Wert ist. Die Expert:innen der Praxis legten einen Finger in die Wunde: Die Dimension Interkulturalität wird von der Forschung noch sträflich vernachlässigt. Die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden galt über weite Teile der Diskussion vor allem den Herausforderungen, denen sie sich gegenübersehen: dem wachsenden Angebot an Coachingplattformen und der vermehrten Anwendung digitaler Formate.

Der momentane Stand der Forschung zeigt keinen Unterschied in der Wirksamkeit zwischen digital vermitteltem Coaching und der Begegnung in leiblicher Präsenz. Wahrscheinlich gibt es auch wenig Schwierigkeiten bei der Nutzung künstlicher Intelligenz von Chatbots und Apps, bei denen Beziehungsaufbau besser funktioniert, als die Praktiker:innen vermutet hätten. Die hohe affektive Beteiligung zeigt das Kränkungspotenzial solcher Forschungsergebnisse und die existenziellen Ängste, die die Coaching-Community umtreiben. Vor diesem Hintergrund fiel mein (H. M.) konstruktiver Tröstungsversuch, mit kreativen Lösungen bei der Gestaltung von Blended Formaten mitzuarbeiten, auf fruchtbaren Boden. So könnten Apps und Chatbots gut dazu geeignet sein, analoge Sitzungen vor- oder nachzubereiten, und Umsetzungsunterstützung anbieten, wobei die Wichtigkeit des angemessenen Framings solcher Angebote hervorgehoben wurde. Ein gutes Framing verhindere Enttäuschung bei den Coachees.

Workshop 3 unter der Leitung von Silja Kotte und Ullrich Beumer wandte sich der Diagnostik im Coaching zu – einem kontrovers diskutierten Thema. Beide Dialogpartner:innen starteten von einem Ausgangspunkt: Diagnostik ist wichtig! Aber während vor allem Berufsanfänger:innen an Fragebögen und statistische Auswertung dachten, hatten erfahrene Coaches offene Fragen, Gespräche über Hintergründe und eine Vielzahl an Methoden im Sinn. Bei der Diagnostik geht es um das Sammeln und Aufarbeiten von Informationen mit dem Ziel, Entscheidungen zu treffen und zu begründen, etwa eine Intervention zu rechtfertigen oder zu optimieren, so Kotte. Dabei sehen die Forschung und die Coaches die Diagnostik zugleich als Intervention.

Sehr schnell einig waren sich die Praktiker:innen und Forscher:innen über die Gefahren von Diagnostik: „Schubladendenken“, vorschnelle Engführung und falsche Sicherheiten. Die Frage stand im Raum: Lohnt sich der Aufwand? Darauf hat die Forschung eine Antwort: Wenn Diagnostik gelingt, zahlt es sich aus, weil Ziele genauer fokussiert werden können. Klient:innen fühlen sich oft professioneller beraten, und der „Hypothesen-Trott“ von Praktiker:innen kann durchbrochen werden. Coaches sehen vor allem den Nutzen von Fragebogen-Diagnostik, um ihre Hypothesen zu verifizieren. Für Praktiker:innen stand im Zentrum der Diagnostik, die Einbettung der Klient:innen in die Organisation und ihr Sozialleben zu verstehen. Diese Gewichtung haben die Forscher:innen noch nicht nachvollzogen, und wir dürfen noch gespannt bleiben, was sie dazu finden.

Die Forschung hat recht stark auf die drei Dimensionen der Inhalte von Diagnostik, dem methodischen Vorgehen und den Leitlinien Bezug genommen. Für Coaches war es schwer, diese Dimensionen zu trennen und bei sich wieder zu finden. Hier verschwimmen Grenzen noch stärker, als die Forschung es zeigt. Praktiker:innen gefallen Begriffe wie Exploration besser, weil sie mehr Offenheit in der Vielfalt der Ergebnisse zulassen, sie selbst länger neugierig halten. In der Praxis wird stark differenziert, wann Diagnostik in welcher Form sinnvoll ist. So werden z. B. besonders Führungskräfte-Coachings gerne mit Diagnostik belegt. Die Forschung liefert dazu Fakten: Bei starken Hierarchieebenen und Dreieckskontrakten wird der berufliche Kontext vermehrt exploriert. Allerdings erleben die Praktiker:innen die Ausführungen der Forscher:innen als „fast schon klinisch anmutend“, während sie selbst weniger den Expertenstatus haben wollen. Diagnostik wird hier als gemeinsamer Prozess von Verstehen und Erklären wahrgenommen.

Diagnostik wird in vielen Bereich positiv konnotiert, wie in der klassischen Schulmedizin. Im psychodynamischen Coaching stellt sich bei standardisierten Verfahren jedoch die Frage der Gegenstandsangemessenheit, wie Ulrich Beumer erläutert. Hier spielen Selbst- und Fremdbeobachtung und Gegenübertragungen eine Rolle. Zahlen und Fakten sind weniger relevant als Interpretationen. Das sehen die meisten Praktikerinnen genauso. Für Coaches ist es sehr präsent, dass Diagnostik sowohl in die Tiefe als auch in die Breite gehen kann. Diesen Anstoß konnten sie in die Forschung geben. Es stellte sich die Frage, ob es Faustregeln gibt, wann welche Art der Diagnostik die Kernthemen besser hervorholt. Konsens ist, dass Coaching und Diagnostik vom Unverfügbaren leben. Es gibt kein Prozessmodell, trotzdem kann Diagnostik systematisieren und mit Begriffen das Unbewusste aufdecken. Diagnostik kann eine Landkarte sein, die immer mal wieder auf dem Weg zwischendurch herausgeholt wird, um neue Anhaltspunkte zu schenken.

Die Forschung hat einige Coaches wachgerüttelt und Augen geöffnet, was Diagnostik alles beinhaltet und wann sie auch explizit sinnvoll sein kann. Sie hat Worte an die Hand gegeben, um die eigene Praxis besser zu verstehen, sich neuen Methoden zu öffnen und vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle professioneller zu handeln. Von einem weniger subjektiven Standpunkt aus haben die Forscher:innen oft das Bauchgefühl der Coaches widergespiegelt. Praktiker:innen fiel es oft schwer, diesen sehr individuell wahrgenommenen Vorgang des gemeinsamen Verstehens in Formen zu pressen. Eventuell schaffen es die Forscher:innen, das Bild über Diagnostik aufzubrechen, Individualität und Interpretation nahbar zu machen und Fragen der Breite und Tiefe zu beantworten. Praktiker:innen schaffen es möglicherweise, sich von der Diagnostik nicht einengen zu lassen, können ihrem bisherigen Vorgehen Wörter schenken und das Individuelle im Standardisierten sehen.

Als ein Beispiel gelungenen Transfers wissenschaftlicher Erkenntnisse hinein in die Praxis kann der Workshop „Zwischen Sicherheits- und Wachstumsorientierung – Coaching: Erfolg durch regulatorische Passung“ gelten. Eva Jonas (Universität Salzburg) und Isabell Braumandl (Regensburg) vertieften durch Selbstreflexion der Teilnehmenden und einem Rollenspiel den theoretischen Input des vorausgegangenen Vortrags, der die unterschiedlichen motivationalen Systeme von Coachees zum Thema hatte. Böhm et al. (2018) unterscheiden zwei Formen: Die Motive von Personen mit Promoter-Fokus sind von einem Wachstumsmotiv geprägt und werden durch den Fokus auf das Erreichen positiver Ergebnisse angetrieben (Maximalziele). Andererseits gibt es Personen, die negative Ergebnisse und Risiko vermeiden wollen und einen Preventer-Fokus haben und eher Vermeidungs- oder Minimalziele ansteuern, um Angst zu vermeiden. Die Kenntnis der „Antreiber“ hilft, Coaching-Kund:innen bestmöglich bei ihrer Zielerreichung unterstützen zu können. Erkennt die Coach, welche Selbstregulierungsstrategie der Coachee präferiert, kann sie den Coaching-Prozess wachstums- oder sicherheitsorientiert gestalten und auf diese Weise ein Setting schaffen, das von regulatorischer Passung geprägtes ist. Gelingt dies dem Coach, wird der Coaching-Prozess von der Erhöhung Selbstwirksamkeitserwartung der Coachees profitieren.

Didaktisch bewährte sich der Einstieg anhand einer kurzen Selbstreflexion, in der die Teilnehmenden sich eine aktuelle eigene Herausforderung vor ihr inneres Auge holten. Positive als auch die negativen Konsequenzen der unterschiedlichen Zielerreichung wurden aufgelistet, konkretisiert und ggf. modifiziert. Anschließend wurde die Zuversicht bezogen auf die Zielerreichung und der Grad eigener Einflussnahme auf die Zielerreichung auf einer Skala bewertet. Mit dieser Übung wurde die Grundlage für ein Coaching-Rollenspiel geschaffen, in welchem zwei Freiwillige eine Coaching-Session vor den restlichen Teilnehmenden durchspielten. Die Coachee besprach mit dem Coach das Ziel zu promovieren und die sie begleitenden Unsicherheiten.

In der Analyse des Rollenspiels in Kleingruppen zeigte sich viel Konsens der Praktiker:innen: Eine klare Zuordnung der Coachee auf nur einen der beiden motivationalen Antriebe war nicht möglich. In der Beschreibung ihrer Situation ließen sich Hinweise auf beide feststellen. So deutete der Wunsch der Coachee nach Vertiefung bisheriger Forschung auf einen Promoter-Fokus hin, wohingegen ihre Sorge um die unsichere Zukunft in der Forschung für einen Preventer-Fokus spricht. Beide Antriebssysteme, das Sicherheits- und das Wachstumsbedürfnis, können gleichzeitig in einer Person aktiviert sein. Unterschiedliche Teilaspekte eines Coaching-Anlasses müssen also auch methodisch differenziert bearbeitet werden. Die Teilnehmenden nahmen eine zweite Erweiterung vor, die notwendige Selbstreflexion der Coaches, die selbst auch unterschiedlich motiviert sind und von eben diesen eigenen Motivsystemen Abstand nehmen müssen, um die Klient:innen adäquat zu begleiten, also Personen mit einem Preventer-Fokus mit viel Umsetzungsunterstützung auszustatten, wohingegen Personen mit Promotion-Fokus bei ihrem Entscheidungsprozess eine Perspektiverweiterung benötigen, um angemessen auf eine Situation zu reagieren.

Der Diskurs über die Nutzung von Theorien und Forschungsergebnissen im praktischen Coaching zeigte recht selbstbewusste Praktiker:innen: theoretisch fundiertes Wissen sei für die Praxis zwar wichtig, es wird aber nur akzeptiert, wenn es die eigene Coachingpraxis nicht einschränke. Zugespitzt können diese Statements als ein klares Nein zur (empfundenen?) Unterordnung praktischen Tuns unter ein wissenschaftliches Diktum gelesen werden. Theoretisches Wissen sollte – so wurde gesagt – die Praxis unterstützen. Interpretieren ließe sich dies als: „Solange die Forschung mich und mein Tun bestätigt, bin ich recht zufrieden“. Wenn neues Wissen aber eine Veränderung gängiger Praxis zur Folge haben müsste, wird es schwierig im Dialog zwischen Forschung und Praxis. Baecker (1998) legt dar, dass neues Wissen auch immer eine Zumutung darstellt und es leichter ist, Wissen abzulehnen als Wissen zu verarbeiten. Im Zweifelsfall ist praktisches Erfahrungswissen für die Teilnehmenden von größerer Relevanz als empirisch basierte Erkenntnisse. Diese offen vorgetragene Haltung steht unseres Erachtens exemplarisch für die community of practitioners.

Unter der Leitung von Silke Facilides, Edeltrud Freitag-Becker, Denise Hinn, Gerd Meyer-Schlee und Dr. Michael Scherf wurden im Rahmen des Coachingkongresses im Anschluss an die Vorträge und Workshops in Transfergruppen, gemischt zusammengesetzt aus Forscher:innen und Coachingpraktiker:innen, die durch die Vorträge und Workshops angeregten Themen verarbeitet und intensiv diskutiert. Auf der einen Seite ist es dabei einhellige Meinung, dass die Forschung bzw. der Bezug auf Forschungsergebnisse einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung von Coaching und Supervision leisten können. Die Bedeutung der Coachingforschung wird vor allem in zwei Aspekten gesehen: Zum einen hilft Forschung den Berater:innen dabei, ihre eigene Praxis sich und den Klienten gegenüber zu bestätigen und zu unterfüttern. Forschungsergebnisse wie etwa das von Eva Jonas referierte Preventer/Promoter-Modell stellen Strukturierungshilfen für das Verstehen und die Gestaltung der Beratungsbeziehung dar, wie Silke Facilides zusammenfassend konstatierte.

Der in der Tagungsvorbereitung so hoffnungsvoll erwartete konstruktive und inspirierte Dialog zwischen Coachingforschung und Coachingpraxis stellte sich in der Diskussion in den Transfer-Guppen allerdings durchaus schwierig und von Ambivalenz durchzogen dar. Neben positiven Erfahrungen: „Es war eine offene, lebendige und persönliche Diskussion. Der Vortrag von Eva Jonas wirkte nach, und da sie in der Gruppe war, konnten fachliche und persönliche Sichtweisen zum Thema ‚Wissenschaft und Forschung‘ in den direkten Austausch gebracht werden“ (Freitag-Becker) spiegelte sich die Fremdheit in Startschwierigkeiten der gemeinsamen Diskussion: „Nach einer Vorstellungsrunde, die lebendig und von Neugier geprägt ist, kommt das Gespräch in der Gruppe eher mühsam und schleppend in Gang“ (Karin Herrmann).

Worin liegen diese Schwierigkeiten begründet, was macht den Dialog zwischen Forscher:innen und Coaches so schwierig? Auf Seiten der Praktiker:innen erscheint Forschung in vielen Fällen weniger als willkommene Unterstützung und Legitimierung ihrer Praxis, sondern als eine Art von potenzieller Bedrohung ihres autonomen und geschützten Handlungsspielraums, in den oft nicht einmal Kolleg:innen genauere Einblicke erhalten. Praktiker:innen fühlen sich eingeengt in ihren Handlungen, da Forschungsergebnisse wie Handlungsanweisungen interpretiert werden. Forschung stellt aber nicht nur eine Einengung dar: „Demonstrierte (und als solche erlebte) Wissens-Macht, gepaart mit abwertendem Verhalten (zerstörerische Haltung) führt zu Abwehrverhalten, konfrontiert alte Selbstwertfragen der Coaches und Ängste (‚Prüfungsschranke‘)“, konstatiert Edeltrud Freitag-Becker als Zusammenfassung. Die Konfrontation mit der Forschung weckt also tiefsitzende Ängste bei den Praktiker:innen, die bis zur Sorge reichen, sich gedemütigt zu fühlen oder schämen zu müssen für ihre als unzureichend empfundene Beratungspraxis.

Neben dieser auf die Person der Berater:innen bezogenen Sorge wurde eine grundlegende Skepsis gegenüber der bisher dominanten Forschung deutlich: „Angelegt an die soziologische These Hartmut Rosas zur ‚Unverfügbarkeit‘ (Rosa 2018) steckt in dem schwierigen Dialog vielleicht auch die Skepsis, dass das vorherrschende wissenschaftliche Arbeiten, das Coaching berechenbar, beherrschbar, vorhersagbar und verfügbar machen will und muss. Psychodynamisch orientierte Coaches und Berater:innen arbeiten aber gerade mit dem schwer Greifbaren, dem schwer Benennbaren. Forschungsergebnisse beruhigen durchaus, denn sie belegen empirisch, dass das eigene Tun wirksam ist. Aber Coaching muss das Unverfügbare zulassen, das in keinem Studiendesign vorab mitkonzipiert sein kann“ (Facilides).

Einhellige Ablehnung besteht bei den Coaches gegenüber der Forderung von Carsten Schermuly, eine Anerkennung von Coachings als präventive Krankenkassenleistung voranzutreiben. Darin wird eine unzulässige und gefährliche Pathologisierung der Coachinganliegen befürchtet, die der komplexen Dynamik zwischen Person und Organisation in der beruflichen Rolle nicht gerecht wird. Auch die Idee einer forcierten Akademisierung der Coaching- und Supervisionsausbildungen wird klar abgelehnt. Standardisierung anstelle von Akademisierung lautete hier die Devise in der Diskussion (Hinn).

Aber auch auf Seiten der Forscher:innen besteht eine Sorge im Kontakt mit Praktiker:innen: „Für Forscher:innen scheint es beinahe ein Tabu zu sein, aus eigenen Ergebnissen mögliche praktische Ableitungen zu ziehen (Banalisierungsangst und zugleich Angst vor Bedeutungsüberhöhung; Unterschiede zwischen Korrelation und Kausalität)“, konstatiert Michael Scherf.

Die eher skeptische Haltung auf Seiten der Praktiker:innen resultiert dabei auch aus einer Kritik am Forschungsdesign, an der Forschungsmethodik und am Sampling der dargestellten Untersuchungen. Grundsätzlich wird die Tatsache, dass eine größere Zahl der Untersuchungen vorrangig mit Studierenden als Coachees, aber auch als Coaches durchgeführt wird, kritisch gesehen. Es ist zu fragen, ob diese Zielgruppe die Realität der professionellen Coachingpraxis abbildet, die doch eher von erfahrenen Coaches mit Coachees in professionellen (Führungs‑)Rollen praktiziert wird. Auch ist auf Seiten der Forschung „mit Blick auf Relevanz und Anwendbarkeit der eigenen Ergebnisse einer möglichen Skepsis zu begegnen, ob sich die Komplexität der Praxis überhaupt adäquat in einem kotrollierten Forschungsdesign abbilden lässt“ (Herrmann). Wird die Forschung ihrem Gegenstand also gerecht? – lautete die wiederkehrende Frage. Die Forschung ist zur Sicherstellung qualitativ hochwertiger und gleichzeitig kontrollierbarer Ergebnisse in starkem Maße auf Prozessforschung, also die Aufzeichnung und Transkription von Coachingsitzungen angewiesen. „Es bestand Einigkeit unter den Praktiker:innen darüber, dass die Aufzeichnung und Einreichung von Coachingprozessen mit viel Scham, Druck und der Angst, nicht zu genügen, verbunden ist“ (Hinn).

Was aber könnte nun helfen, den schwierigen Dialog zwischen Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen in Coaching und Supervision voranzubringen? Es sind vor allem drei Forderungen, die in den Diskussionen immer wieder auftauchten:

  1. 1.

    Für Praktiker:innen ist es für die Teilnahme an (qualitativen) wissenschaftlichen Studien häufig sehr entscheidend, dass die Art der Anonymisierung des Materials ihren Vorstellungen entspricht. Hier wäre wichtig, dass zukünftig nicht Wissenschaftler:innen allein über die Art der Anonymisierung entscheiden, sondern dies jeweils zwischen Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen kooperativ vollzogen wird (Scherf).

  2. 2.

    Darüber hinaus braucht es öffentlicher Orte, an denen sich die Praktiker:innen konzentriert mit Forschungsergebnissen auseinandersetzen können und diese angemessen präsentiert bekommen. Dies bedeutet vor allem die Sicherstellung von wissenschaftlich geprägten Tagungen und Konferenzen sowie Publikationen, in denen Forschungsergebnisse regelmäßig strukturiert aufbereitet und diskutierbar gemacht werden.

  3. 3.

    Für Coaches und Supervisor:innen fehlt aber oft die Zeit und die Kompetenz, die Fülle an zum Teil widersprüchlichen Forschungsarbeiten zu sortieren. Es bedürfte einer ‚Landkarte‘ im Sinne einer Übersicht, die dabei hilft, die einzelnen Studien bzw. Forschungsvorhaben einzuordnen und mit Blick auf Fragestellung, Gegenstand, Methode beteiligte Disziplinen etc. einzuordnen (Herrmann).

Eine interessante Idee tauchte in diesem Zusammenhang auf, ob und in welcher Form auch eine Art Belohnung für Berater:innen denkbar ist, die sich an Forschungsprojekten beteiligen.

Ergänzt werden die Beiträge, Diskussionen und Überlegungen im Rahmen des Kongresses in diesem Heft um weitere wichtige Einzelbeiträge zu Fragen, die das Coaching berühren: Für die arbeitsweltliche Beratung ist es nicht unbedeutend, wie in Organisationen über die Formate, die wir anbieten, gesprochen wird. Was sind die Vorstellungen über Supervision und Coaching? Auf welche Vorerfahrungen treffen wir in für uns neuen Feldern? Mit welchen Fantasien ist das Angebot u. U. überlagert? Das Image von Coaching in der Kommunalverwaltung NRW wurde von Sebastian Stiewe in einer quantitativen Studie untersucht. Die Coachingkultur wird als recht positiv beschrieben, was zu einer Verbesserung des Lern- und Erfahrungstransfers in den beruflichen Alltag führen kann.

Kathrin Reinke und Birte Düvel geben im Praxisbericht einen Überblick zum Stand der Forschung zu einem Thema, das uns allen besonders zu Homeoffice-Zeiten unter den Nägeln brennt: „Always Online: Abschalten in einer mobilen Arbeitswelt“. Wie begrenze ich die Arbeit? Wann steht das Privatleben an? Die bewusste Gestaltung der Übergänge hat Einfluss auf unsere psychische und physische Gesundheit. Die Autorinnen zeigen unterschiedliche Interventionen, die sich zur aktiven Einflussnahme bewähren und die Frage zu beantworten helfen: Wie tun – Separieren oder integrieren?

Im Diskurs fragen Jannik Zimmermann und Juliane Friedrichs „Mein Klient, der Narzisst?“ Sie nehmen Anstoß an der inflationären Verwendung des Begriffs Narzisst: Der Mann, der mich nicht erhört, ist sicher narzisstisch gestört und daher nicht bindungsfähig; die Chefin, die mich zu mehr Leistung mahnt, sicher auch. Der Narzissmus Begriff verkommt zum Schimpfwort und dient vor allem der eigenen Entlastung bei interaktionalen Schwierigkeiten. Die Autor:innen gehen der Geschichte der Pathologisierung nach und machen darauf aufmerksam, dass die externale Attribuierung der Gründe belasteter Coach-Coachee-Beziehungen sicher nicht weiterführt.