1 Mediation in Organisationen

1.1 Potenzial, Dynamik und Voraussetzungen von Mediation in Organisationen

Lassen sich Konflikte nicht zur ausreichenden Zufriedenheit aller durch die Konfliktbeteiligten selbst klären und regeln, kann es sinnvoll und nützlich sein, eine dritte Person hinzuzuziehen, die dafür ausgebildet und darin erfahren ist – etwa eine Mediatorin, die unabhängig, inhaltlich neutral und allen Parteien gleichermaßen verpflichtet den Vorgang der interessenorientierten und einvernehmlichen Klärung und Regelung des Konfliktes gezielt strukturiert, die Beteiligten dabei systematisch unterstützt und in ihrer Eigenverantwortung stärkt (vgl. Freitag und Richter 2019, S. 41). Mediation kann in diversen Lebensbereichen eingesetzt werden: in der Familie (mit einem breiten Repertoire an typischen Konfliktfeldern wie Trennung/Scheidung über Konflikte rund um die Versorgung älterer Familienangehöriger bis hin zu Konflikten ums Erbe), in Bildungskontexten, im öffentlichen Raum, im Gesundheitswesen, bei Streitigkeiten zwischen Verbraucher/innen und Unternehmen, bei Konflikten zwischen Unternehmen sowie – dies wird im Weiteren von besonderem Interesse sein – innerhalb von Organisationen.

Für den Einsatz von Mediation in Organisationen werden gewichtige Argumente ins Feld geführt: Mediation spare Konfliktkosten (vgl. die Konfliktkostenstudie von KPMG 2009), schöpfe das Entwicklungs- und Innovationspotenzial von Konflikten aus (exemplarisch Kerntke 2018), präge die Kultur einer Organisation im Sinne von Eigenverantwortung und Fairness (exemplarisch Berning 2017), sei ein wichtiges Element einer gesunden Organisation (siehe etwa Pilartz 2017), fördere organisationales Lernen (siehe die diversen Fallbeispiele in Ferz und Salicites 2016) und stelle ein wichtiges Element im Konfliktmanagement dar (Europa-Universität Viadrina und PwC 2013).

Der Bereich des Konfliktmanagements in Organisationen gilt als sich rasch entwickelndes Feld. Das zeigt sich in einer wachsenden Anzahl von Organisationen, die den Umgang mit Konflikten aktiv gestalten, etwa durch gezielte Qualifizierungen für ihre Mitarbeiter/innen, durch Aufbau von organisationsinternen Ressourcen (Etablierung von Konfliktlots/innen, Konfliktnavigator/innen, Aufbau interner Pools von Mediator/innen; vgl. Schroeter et al. 2012) und die Etablierung organisationaler Standards (wie etwa Betriebsvereinbarungen) zur Förderung informeller wie formeller Konfliktbearbeitungsverfahren. Einige dieser Organisationen schließen sich zum Erfahrungsaustausch zusammen, so seit 2008 im Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM) und seit 2015 im Round Table Mediation und Konfliktmanagement in öffentlichen Unternehmen (RTMKÖ). Darüber hinaus bieten Industrie- und Handelskammern entsprechende Dienstleistungen für kleine und mittlere Unternehmen an.

Zugleich gibt es wenig belastbare Zahlen über die in Deutschland real durchgeführten Mediationen. Nur punktuell liegen systematische Erhebungen von Fallzahlen von einzelnen Unternehmen vor, insbesondere aus dem RTMKM. Regelmäßig wird nach der Bekanntheit von Mediation und der Nutzungsneigung in der Allgemeinbevölkerung gefragt (zuletzt vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Roland Rechtsschutzversicherung AG 2021) – zugleich ein eher indirekter und ungenauer Zugang mit Blick auf die tatsächliche Relevanz von Mediation im konkreten (Arbeits‑)Alltag von Menschen.

1.2 Mediationsgesetz und Ausbildungsverordnung als rechtlicher Rahmen

Im Folgenden beleuchte ich in aller Kürze maßgebliche Rahmenbedingungen für die im Werden befindliche Profession Mediation (inwiefern hier von Tätigkeit, Beruf oder Profession gesprochen werden kann und sollte, siehe insbesondere von Schlieffen 2010). Das Unterstützen der Konfliktbearbeitung durch Dritte durch spezifische Strategien und Methoden des Verhandelns und Vermittelns ist menschheitsgeschichtlich früh belegt; spezifisch für Europa gibt ein vierbändiges Handbuch detaillierte und faszinierende Einblicke in die Geschichte der Konfliktlösung (von Mayenburg 2021). Die lange Geschichte insbesondere der Mediation beleuchtet Duss-von Werdt (2005).

In der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland lässt sich eine nennenswerte Entwicklung der Mediation im heutigen Sinne in den 1980er-Jahren verzeichnen, maßgeblich mit befördert durch die Ausbildungstätigkeit US-amerikanischer Mediator/innen. Ab 1992 gründeten sich die ersten mediationsbezogenen Verbände; exemplarisch seien die beiden ersten, die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM) e. V. sowie der Bundesverband Mediation (BM) e. V., genannt – letzterer heute mit über 2500 Mitgliedern der größte der mittlerweile zahlreichen Mediationsverbände. Die erste spezifisch auf Konfliktbearbeitung in Organisationen bezogene Gründung fand 1996 mit dem Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt (BMWA) e. V. statt, der heute rund 350 Mitglieder umfasst.

Regelungen zum Verfahren der Mediation und zur Ausbildung als Mediator/in bestanden zunächst ausschließlich auf der Ebene der teils sehr kleinen Verbände, die über die Jahre immer differenziertere Standards zur Qualitätssicherung und darauf basierende eigene verbandliche Anerkennungen für das Führen bestimmter Titel (etwa Mediator/in BAFM oder BM) entwickelten. Die Bezeichnung ‚Mediator/in‘ als solche war jedoch nicht geschützt – sie ist es bis heute nicht, auch wenn es mittlerweile gesetzliche Regelungen zur Mediationstätigkeit und zur Ausbildung als sogenannte/r zertifizierte/r Mediator/in gibt.

In Folge der auf Ebene der Europäischen Union 2008 erlassenen Mediationsrichtlinie (Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen) war die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert, die Vorgaben dieser Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der wechselvolle und teils kontroverse Gesetzgebungsprozess, der daraufhin folgte, kann hier nicht ausführlich dargestellt werden (Hintergrundinformationen in den diversen Kommentaren zum Gesetz; siehe etwa Klowait und Gläßer 2018). Hier interessiert vor allem die heutige Regelungssituation.

Im Ergebnis gibt es seit 2012 ein Mediationsgesetz (kurz: MediationsG), das das Verfahren der Mediation, seine Rahmenbedingungen sowie die Aufgaben und Pflichten der Mediatorin näher bestimmt. Es definiert Mediation als „ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben“ und beschreibt die Mediatorin als „eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt“ (MediationsG § 1, Satz 1 und 2).

Zudem wurde im MediationsG der Begriff „zertifizierte/r Mediator/in“ eingeführt, den nur führen darf, wer die aus- und fortbildungsbezogenen Anforderungen einer noch zu erlassenden Verordnung erfüllt. Diese Verordnung ließ in der Folge – auch das ist eine wechselvolle Geschichte – lange auf sich warten. Seit 2016 legt die Verordnung über die Aus- und Fortbildung für zertifizierte Mediatoren (kurz: ZMediatAusbV) fest, dass für das Führen dieses Titels eine mindestens 120-stündige Ausbildung nach bestimmten inhaltlichen und methodischen Kriterien zu absolvieren ist und zudem supervidierte Fallpraxis nachgewiesen werden muss (zu den Festlegungen zur Supervision genauer unter 3.1). Anders als es die Formulierung „zertifiziert“ im Alltagsverständnis nahelegt, wird das Erfüllen dieser Anforderungen jedoch nicht durch eine unabhängige Stelle geprüft, sondern ausschließlich durch die titelführende Person selbst – quasi als Selbstzertifizierung. Auch dieses Element der gesetzlichen Regelung hat zu starken Kontroversen geführt (vgl. Röthemeyer (2014, 2020), der zutreffend den Begriff der „Zertifizierungsfiktion“ prägte).

Eine Nutzerin von Mediation hat also die Wahl zwischen einer Mediatorin ohne jeglichen Titelzusatz, einer verbandlich anerkannten Mediatorin (durch entsprechende verbandliche Zusätze zum Titel kenntlich gemacht) oder einer zertifizierten Mediatorin im Sinne der oben genannten Verordnung. Eine potenziell verwirrende Ausgangslage, die auch in und für Organisationen den Weg in das Format Mediation nicht erleichtert. Zugleich verdeutlicht dieser Abriss aus jüngerer Zeit, dass es für Mediator/innen, Ausbilder/innen in Mediation sowie Forschende in diesem Feld reichlich Anlass gab, sich primär und ausführlich mit der eigenen Profession und weniger mit benachbarten Formaten bzw. Professionen im Werden zu befassen.

2 Aktuelle Debatten in der Praxis der Mediation in Organisationen

Trotz der Tatsache, dass Mediation in Organisationen als sich dynamisch entwickelndes Feld eingeschätzt wird, sehen die meisten Fachleute einen noch deutlich ausbaubaren Einsatz des Formats. Die Analyse von Nutzungshürden und die Untersuchung möglicher Veränderungshebel erfolgen dabei in der Regel mit professionsinternem Blick: Was an Mediation erschwert die Nutzung? Was könnten Mediator/innen (in der Selbstdarstellung, im Marketing, in der Auftragsklärung etc.) verändern? In dem vorliegenden Beitrag wird dagegen ein formatübergreifender Blick eingenommen.

2.1 Verfahrenswahl im Spektrum möglicher Konfliktbearbeitungsformate

Es gibt diverse Herangehensweisen, um die Klärung von Konflikten in Organisationen zielgerichtet zu gestalten. Das Spektrum reicht jenseits der Mediation von Coaching von einzelnen oder mehreren Beteiligten über Fortbildung bis hin zu (Fach‑)Beratung, Moderation, Supervision, Team- oder Organisationsentwicklung. All diese Formate können dabei sowohl von internen wie von externen Akteur/innen wahrgenommen werden; organisationsintern ist darin die Unterstützung durch den Betriebsrat, durch spezifische Beauftragte (etwa für Gleichstellung) oder durch spezifische Beratungseinrichtungen (etwa Sozialberatung, aber auch Konfliktlots/innen oder Ombudspersonen) eingeschlossen. Je nach Struktur einer Organisation können festgelegte (Beschwerde‑)Verfahren in Gang gebracht werden. Schließlich gehören auch Schlichtung, Schieds- und Gerichtsverfahren ins Spektrum der Formate für die organisationale Konfliktbearbeitung. Da in ihnen jedoch das Recht eine deutlich zwingendere Rolle einnimmt und in der Regel eine juristische Qualifikation der Durchführenden vorausgesetzt wird, bleiben sie hier außen vor (weiterführend zur Verbindung mit und Abgrenzung von Mediation siehe u. a. Klowait und Gläßer 2018, S. 42 ff.). Ich fokussiere im Folgenden vor allem auf das Format der Mediation in Verbindung zu und Abgrenzung von Supervision und – kursorischer – auch Coaching.

Die im Titel dieses Beitrags enthaltene Unklarheit eines Auftraggebers – „Wir suchen eine Mediatorin, die uns coacht …“ – ist im Wortlaut einer bei mir eingegangenen Anfrage aus dem aktuellen Jahr entlehnt und verdeutlicht auf prägnante Weise, dass auf der Seite von Auftraggeber/innen oft Unklarheit herrscht, (1) welches Format das geeignete sei und/oder (2) inwiefern die Formate sich mit Blick auf die Bearbeitung von Konflikten unterscheiden.

Nicht immer sind solche Unschärfen derart pointiert – und selbstverständlich gibt es zahlreiche Auftraggeber/innen, die spezifisch anfragen und genau wissen, was sie möchten. Ist hier (1) jemand schlicht unsicher, ob das beste Format eine Mediation, ein Coaching oder eine Supervision (oder etwas noch unbekanntes oder unbenanntes Viertes) sei, möchte und sollte er dies nun mit einer potenziellen Auftragnehmerin beraten, um treffsicher zu entscheiden. Ist hier jemand (2) unklar darüber, inwiefern die Formate sich unterscheiden, braucht es dazu Information und Orientierung. Beide Ebenen von Unklarheit erfordern seitens vieler Berater/innen (Mediator/innen, Supervisor/innen, Coaches und Teamentwickler/innen) eine gute Verständigung und Informiertheit über das Spektrum an Formaten. Und sie erfordern zudem die Bereitschaft, die Navigation im Spektrum dieser Formate kompetent zu beraten – was im Zweifel heißt, ggf. unentgeltlich eine anspruchsvolle formatübergreifende Verfahrensberatung vorzunehmen (wie sie in der Sphäre der bei Gericht eingehenden Konflikte im Sinne eines multi-door-courthouses schon lange gefordert, aber kaum realisiert wird; exemplarisch Odrig 2019).

Beides – formatübergreifende Kenntnis sowie Bereitschaft und Kompetenz zur formatübergreifenden Verfahrensberatung im Kontext von organisationaler Konfliktbearbeitung –, so meine These, ist derzeit auch auf Seiten der Berater/innen noch nicht ausreichend gegeben. Innerhalb eines jeden Formats gibt es einen Diskurs über Eignungskriterien (für die Mediation exemplarisch Bielecke 2018); formatübergreifend gibt es kaum Verständigungen (siehe jedoch Hofstetter-Rogger 2005). So können Berater/innen durchaus kompetent beraten, ob sich z. B. Mediation eignet oder nicht, aber wenig bis gar nicht in Richtung anderer Formate verweisen, sondern allenfalls innerhalb der eigenen Professionssphäre differenzierend abwägen. Im Fall von Mediation kann das beinhalten, hinsichtlich verschiedener Spielarten von Mediation (transformative vs. verhandlungsorientierte Mediation gemäß des Harvard-Konzepts oder Mediation im Stil der Klärungshilfe o. ä.; überblicksartig zu Varianten der Mediation in Europa Redlich und Schroeter 2015; global Alexander 2015) oder hinsichtlich des bestmöglichen Profils bei der Person der Mediatorin (Grundberuf, Mediationsausbildung, weitere Qualifikationen, Erfahrungshorizont, Feldkenntnis o. ä.) zu beraten.

Schließlich möchte ich noch einen dritten Anlass für Unschärfe in Anfragen von potenziellen Auftraggeber/innen benennen, den ich als „Etikettierungsproblem“ verstehe. So rührt diese – bei genauerem Hinhören vermeintliche – Form der Unschärfe daher, dass es der anfragenden Person nötig erscheint, zwischen der Frage, was genau beauftragt wird und wie dies benannt wird, zu unterscheiden. Nicht selten liegt dies daran, dass mit einem spezifischen Format schlechte Erfahrungen gemacht wurden, an die nun nicht einmal begrifflich erinnert werden soll, oder daran, dass bestimmten Formaten ein gewisser Ruf anhaftet. So wird mancherorts das Bekenntnis zur Konflikthaftigkeit durch die Beauftragung einer Mediation gescheut, da dies eine erhebliche Eskalation und möglicherweise geringe Erfolgsaussichten suggeriere. Nicht zuletzt stehen administrativ nur spezifisch gewidmete Budgets für die Finanzierung externer Auftragnehmer/innen zur Verfügung.

So geringfügig der Anlass für ein Auseinanderfallen von Bezeichnung und Prozess sein mag, so gründlich sollte dies jede Anbieterin auf mögliche erwünschte und hinderliche Effekte hin abwägen – für Mediation als gesetzlich beschriebenes Verfahren wird die Möglichkeit der (strategischen) Umetikettierung kontrovers diskutiert. Das Mediationsgesetz legt Mediator/innen z. B. diverse Pflichten auf (etwa Offenlegungspflichten zur eigenen Unabhängigkeit, Informationspflichten zum Ablauf des Verfahrens; ausführlich zum Pflichtenkatalog Dendorfer-Ditges 2013). Greifen diese Pflichten auch, wenn das Verfahren zwar „Workshop zur Teamklärung“ heißt, aber auf Prozessebene „Mediation“ drin ist? Kann dann überhaupt noch von einer informierten Entscheidung der Beteiligten gesprochen werden, ein wesentliches Element der für Mediation geforderten Freiwilligkeit der Teilnahme?

2.2 Ausgewählte Entscheidungskriterien in der Auftragsklärung

Bei der Weichenstellung im Spektrum der Formate Mediation, Supervision und Coaching liegen einige Entscheidungskriterien auf der Hand – und konkretisieren zugleich das Potenzial für einen formatübergreifenden Diskurs. Eine Auswahl dieser Kriterien sei im Folgenden anhand zweier verdichteter (und so notwendig sicherlich verkürzter) Fallvignetten illustriert. Im Einzelnen geht es um den Beteiligtenkreis, den Stellenwert der Orientierung am Konflikt, die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Bereitschaft zur aktiven inhaltlichen Verantwortungsübernahme aller Beteiligten sowie die Rückkopplung von Erkenntnissen aus dem Format in die Organisation.

Szenario 1

Über die Personalabteilung eines international tätigen Mittelständlers, in den vergangenen Jahren durch Zukauf etlicher Firmen stark gewachsen, erfolgt die Anfrage nach einer „Klärung“. Eine Führungskraft leitet – relativ neu – zwei Teams. In beiden Teams gibt es diverse Konflikte, möglicherweise auch in Bezug auf den Führungsstil. Die Führungskraft hat in einem anderen Bereich des Unternehmens bereits erste Führungserfahrung gesammelt. Der Übergang war auch deswegen holprig, weil der Nachfolger für die Führungskraft in diesem anderen Bereich unvorhergesehen krankheitsbedingt länger fehlte, sodass sie zeitweise für drei Teams verantwortlich war.

Szenario 2

In einer kleinen NGO häufen sich schwierige Situationen im hauptamtlichen Team – auch in der Teamsupervision. Besonders strittig sind die Ausgestaltung des Home-Office oder die (sehr transparente und in regelmäßigen Abständen gemeinschaftlich besprochene, wenngleich nicht gemeinsam entschiedene) Vergütungsstruktur. Aus der Organisation selbst stammt die Beobachtung, dass regelmäßig Fragen der Gerechtigkeit und das Verhältnis von Grundsatzentscheidungen (die durch entsprechende Vereinbarungen eines ehrenamtlichen Beiratsgremiums getroffen werden) und Ausnahmeregelungen zu verhärteten Diskussionen führen. Die Geschäftsführerin und der Geschäftsführer, beide hauptamtlich und zugleich Mitglieder des ehrenamtlichen Beiratsgremiums, erleben ihre einst gute Zusammenarbeit als belastet und sehen sich zunehmend kritisch. Angefragt wird eine Mediation für das hauptamtliche Team samt Geschäftsführer/innen.

Ein offenkundiges (formales) Kriterium zur Weichenstellung ist der Beteiligtenkreis: Fragt eine Auftraggeberin ausschließlich für eine Einzelperson an, kommen Einzelcoaching oder -supervision sowie Fortbildung, (Fach‑)Beratung, Beschwerdeprozesse o. ä. in Frage – in Szenario 1 besonders naheliegend für die Führungskraft mit zwei Teams. Geht es von vornherein, wie in Szenario 2, um einen sozialen Aushandlungsprozess, sind sowohl Teamcoaching, Teamsupervision als auch Mediation sowie Moderation, Teamentwicklung, Organisationsentwicklung oder gemeinschaftliche Fortbildung möglich. Mediation braucht die Teilnahme von mindestens zwei Personen, einmal abgesehen von der sogenannten Stellvertreter-Mediation, bei der eine Konfliktpartei mit zwei Mediator/innen arbeitet, von denen eine/r stellvertretend die abwesende Konfliktpartei vertritt (insofern ein Coaching-Format; zu den Details vgl. Stoldt 2009). Ist die andere Konfliktpartei bzw. sind die anderen Konfliktparteien zu Mediation nicht bereit, bleibt der Person mit Unterstützungsbedarf ausschließlich die Arbeit an der eigenen Position, Haltung und Vorgehensweise und/oder die Involvierung anderer (interner oder externer) Konfliktanlaufstellen.

Inhaltlich lässt sich zur Weichenstellung fragen, welchen Stellenwert die Arbeit am Konfliktgeschehen im jeweiligen Format einnimmt und welches Verständnis von Konflikt dem zugrunde liegt. Während Mediation als explizit auf Konfliktklärung und -regelung ausgerichtetes Verfahren mit einer spezifischen Verfahrenslogik verstanden wird und eine Entscheidung für dieses Format daher auch ein (symbolisches) Bekenntnis zur Konflikthaftigkeit der Ausgangslage beinhaltet, sind der Grad der Konfliktorientierung sowie Konfliktklärungspotenzial und -methodik von Coaching (jenseits von dezidiertem Konflikt-Coaching, wie es etwa Schreyögg (2011) beschreibt) und Supervision weniger klar konturiert. Wer Mediation wählt, darf davon ausgehen, dass Mediator/innen sich ausführlich mit Konfliktbegriff und -verhalten, Konfliktdynamik sowie (im hier interessierenden Feld) mit Konfliktanalyse in Organisationen befasst haben; entsprechend adressiert das Format vor allem die Unterstützung einer einvernehmlichen Klärung spezifischer Konfliktpunkte, die auch auf das interessen- und bedürfnisorientierte Verhandeln und Vereinbaren konkreter Regelungen zielt. Prozesse der Selbstklärung sind dafür notwendig, werden allerdings eher als Weg zum (dialogischen) Ziel von gemeinsamer Klärung und Entscheidung betrachtet. Selbstklärung kann – je nach Spielart von Teamcoaching und -supervision – dort ausführlicher und vertiefter geschehen. Teamcoaching und -supervision „brauchen“ in diesem Sinne keinen Konflikt.

In Szenario 1 wäre mit Blick auf dieses Kriterium daher zu klären: Ist ein eher enger Konflikt- und Klärungsfokus gewünscht, sodass die von den Beteiligten benannten brisanten Klärungsthemen in den jeweiligen Teams sowie deren Hintergründe und konsensfähige Veränderungen direkt (und je nach Mediationsspielart gemäß einer Phasenlogik) adressiert werden? Oder steht eher ein breiterer Blick auf die Gestaltung einer (besseren) Zusammenarbeit und die Verständigung über Erwartungen an Führung im Vordergrund, woran dann methodisch variabel und durchaus auch durch thematische Impulse seitens der Berater/in gearbeitet werden könnte? Konfliktpunkte bilden dann quasi Sprungbretter für offene Reflexions- und Verständigungsprozesse; Aushandeln und Ableitung konkreter Regelungen sind nicht zwingend Schwerpunkt des Formats. In Szenario 2 ergibt sich vor diesem Hintergrund für die Mediatorin rasch die Frage, ob die von der Organisation selbst identifizierten Konfliktthemen überhaupt mit dem angedachten Beteiligtenkreis zusammenpassen, da diese zu diesen Themen nicht entscheidungsbefugt sind. Ein vertiefter Austausch darüber hat dessen ungeachtet einen (klärenden) Wert und wäre in Coaching und Supervision möglich.

Zudem stellt sich die Frage nach der Bereitschaft zur Mitwirkung aller Beteiligten. Die Formate Teamcoaching, Supervision und Mediation haben unterschiedliche Anforderungen an den Grad der Freiwilligkeit. Während für die Mediation (mit dem MediationsG und entsprechenden gerichtlichen Entscheidungen) klar ist, dass allenfalls die Teilnahme an einem Informationsgespräch über Mediation, nicht aber die aktive Mitwirkung an einer Mediation arbeitgeberseitig angeordnet werden kann, ist das bei anderen Formaten nicht gesetzlich geregelt. Doch auch innerhalb der Mediation gibt es divergierende Einschätzungen zu Verständnis und Stellenwert von Freiwilligkeit und deren (auch methodischer) Gewährleistung bei Klärungen in Organisationen. So wird etwa zwischen der Entscheidungsfreiheit der Beteiligten in Bezug auf den Streitgegenstand – letztlich die Freiheit, sich nicht einigen zu müssen (auch als „innere Freiwilligkeit“ bezeichnet), die für die Mediation konstitutiv ist (vgl. Trenczek 2017, S. 26) – und der Freiwilligkeit des Zugangs zur Mediation (entsprechend als „äußere Freiwilligkeit“ bezeichnet) unterschieden. Hier wird argumentiert, dass eine Mediation durchaus durch Dritte initiiert werden könne, solange gewährleistet sei, dass eine Partei eine Mediation jederzeit sanktionslos abbrechen könne (ebd., S. 27). Insbesondere Vertreter der Klärungshilfe formulieren, dass eine innerbetriebliche Klärung einer normalen Arbeitsbesprechung entspräche und daher „im Interesse der Mitarbeiter und der Effizienz verpflichtend“ sei (vgl. Prior und Thomann 2015, S. 297).

In Szenario 1 kam der Impuls zur Klärung parallel aus beiden Teams, offenkundig untereinander abgestimmt, möglicherweise unter Kontaktaufnahme zur nächsthöheren Führungskraft; die in der Kritik stehende Führungskraft zögerte angesichts dessen, ob und unter welchen Bedingungen sie überhaupt zu einer Klärung bereit wäre – Freiwilligkeit war hier bereits früh Thema und machte eine Mediation zumindest fraglich. In Szenario 2 kam der Impuls, sich extern Unterstützung zu organisieren, zwar aus dem ehrenamtlichen Beratungsgremium, alle Beteiligten waren jedoch offen für Unterstützung.

Jenseits von Freiwilligkeit geht es um die Bereitschaft der Beteiligten (und der Organisation als System), sich aktiv und inhaltlich verantwortlich zu engagieren. Dies hat zunächst eine zeitliche Komponente. Nicht selten zeigt sich in der Praxis, dass Auftraggeber/innen intuitive Grundannahmen über die unterschiedliche Dauer verschiedener Formate haben: Mediation wird in der Regel als eher kurz und begrenzt eingeschätzt, Supervision eher als längerfristig und kontinuierlich, die Einschätzungen zu Coaching scheinen am stärksten zu schwanken; ein auch kostenmäßiger Faktor bei der Entscheidung für (oder gegen) ein Format.

Dies berührt außerdem die Frage der Eigenverantwortung in der Sache. Mediation basiert in ihrer engen Konfliktorientierung darauf, dass schon die Themenwahl durch die Parteien jeweils einvernehmlich (mit aktiv geäußerter oder aktiv eingeholter Zustimmung) vereinbart wird, während in Teamcoaching und -supervision typischerweise ein offener Raum besteht, in dem Anliegen Einzelner gleichwertig aufgenommen und thematisiert werden und allenfalls bei einem aktiven Einspruch anderer Beteiligter (neu) verhandelt wird, wo Themengrenzen liegen. Die meisten Mediator/innen werden relativ frühzeitig ein Augenmerk auf das direkte und individuelle Äußern dieser Bereitschaft legen. In Szenario 1 wurde auf dieser Ebene länger verhandelt, ob das Setting der Klärung teamspezifisch oder teamübergreifend sein sollte. In Szenario 1 war mit Blick auf eine eventuelle Mediation mit der Führungskraft und in Szenario 2 mit dem ehrenamtlichen Entscheidungsgremium zu klären, welcher Verhandlungs- und Entscheidungsspielraum und welches Maß an inhaltlicher Mitbestimmung in der Sache überhaupt möglich seien.

Beide Szenarien verdeutlichen schließlich das Kriterium des organisationalen Lernens im Zuge von Konfliktklärungen. Selbst die kurzen Beschreibungen lassen es möglich erscheinen, dass das Konfliktgeschehen nicht ausschließlich dadurch bestimmt ist, dass hier bestimmte Menschen, die miteinander zu schaffen haben, einander zu schaffen machen (vgl. Schulz von Thun 2013, S. 137), sondern auch organisationale Facetten enthält. In Szenario 1 ließe sich z. B. interessiert fragen, warum organisationsseitig auf offenkundige Überforderung nicht reagiert wird oder wie es in dieser Organisation generell um die offene Kommunikation bei Schwierigkeiten steht; in Szenario 2 fällt ins Auge, dass bestimmte Personen möglicherweise problematische Doppelfunktionen innehaben (Geschäftsführung) und der (hoch besetzte) Wert von Beteiligung möglicherweise widersprüchlich gelebt wird.

Mediation mit einer vom Gesetz her sehr strengen Verpflichtung der Mediatorin zu (umfassender) Verschwiegenheit ist ein Format, in dem Formen von Rückmeldungen und Feedback, wenn sie nicht durch die Beteiligten selbst erfolgen (diese sind frei, den Grad der (Nicht‑)Verschwiegenheit frei miteinander zu vereinbaren), stets sauber mit allen Beteiligten abgestimmt werden müssen. Das kann bei Teamcoaching und -supervision im Rahmen der Auftragsklärung freier vereinbart werden; bei Team- und insbesondere Organisationsentwicklung ist es den Formaten inhärent. Mediator/innen haben jedes (auch freigegebene) Feedback mit Blick auf ihre Verpflichtung zur Neutralität und Allparteilichkeit abzuwägen. Zugleich steckt – wie eingangs dargelegt – in den meisten organisationalen Konflikten Stoff für organisationales Lernen, und Mediator/innen suchen nach Formen der Einrahmung von Mediation, die diesem Potenzial bei Wahrung der Prinzipien dieses Formats gerecht wird.

Dies ist lediglich eine begrenzte Auswahl relevanter Kriterien. Weitere Kriterien für die differenzierte Wahl von Mediation, Teamcoaching oder -supervision wären aus der Warte einer Mediatorin und Supervisorin die Frage nach dem jeweiligen Umgang mit Ungleichgewichten (für die Frage nach dem Schutz der schwächeren Partei in der Mediation vgl. Wendenburg 2013), die Frage nach der (emotionalen) Belastung der Beteiligten durch verschiedene Formate, die Frage nach der Passung von Prinzipien eines Formats mit den Rahmenbedingungen selbstorganisierter Organisationen im Sinne von New Work (zu den Herausforderungen für die Mediationsprinzipien vgl. Ben Larbi 2020) sowie nach bestmöglichen Bedingungen, wenn diese Formate online erfolgen (für Online-Mediation und Online-Konfliktbearbeitung siehe Adrian 2021).

2.3 Varianten der Kombination von Formaten und Rollenklarheit

Suggerierten die oben aufgeführten Überlegungen zur Auswahl des Formats noch ein „Entweder-Oder“, kommt es in der Praxis regelmäßig zu einer Kombination von Formaten – sei es als sequentielle Abfolge, sei es als parallele oder überlappende Prozesse. Die Vielfalt sei unter Rückgriff auf die reale Formatwahl in den Fallvignetten angedeutet.

In Szenario 1 ergab sich in der Auftragsklärung, dass die Führungskraft ein Konflikt-Coaching wünschte, in dem sie sich mit dem schwierigen Einstieg in die neue Position, dem eigenen Anspruch an Klärung sowie eigenen Schwächen in der Konfliktkompetenz auseinandersetzte. Im Zuge des Coachings entwickelte die Führungskraft ihre Haltung gegenüber den Klärungsanliegen der Teams und handelte in der Auftragsklärung für eine Mediation aus, dass diese Vermittlung zunächst teamspezifisch und erst in einem zweiten Schritt teamübergreifend und unter punktueller Einbindung der nächsthöheren Führungskraft erfolgte. Konflikt-Coaching und Mediationsverfahren überlappten zeitlich und wurden durch zwei verschiedene Auftragnehmerinnen erbracht – hier griff aus Sicht der Mediatorin die gesetzliche Anforderung, nicht „in derselben Sache“ für eine Seite tätig zu sein (dazu unten).

Die Auftragsklärung in Szenario 2 führte in Abkehr zur ursprünglichen Anfrage zu einem moderierten Klärungsprozess innerhalb des ehrenamtlichen Beratungsgremiums. Daran schloss sich eine Mediation zwischen Geschäftsführerin und Geschäftsführer zu strittigen Fragen in der Zusammenarbeit und im Führungsverhalten in konflikthaften Teamsituationen an. Schließlich startete für die Organisation ein Organisationsentwicklungsprozess, in dem insbesondere Beteiligung und Entscheidungsprozesse neu verhandelt wurden. Die ersten beiden Schritte erfolgten durch dieselbe Person als Moderatorin und Mediatorin; der OE-Prozess lag (auch mangels Kompetenzen der Mediatorin) in anderen Händen – mit der expliziten Bitte aller Beteiligten, dass der Organisationsentwickler die Perspektive der Moderatorin und Mediatorin einbeziehen möge. Im Verlauf der OE wurde die Mediatorin zu zwei Konfliktthemen im Team (samt Geschäftsführung) für eine Mediation beauftragt, die parallel stattfand – Erkenntnisse und Ergebnisse daraus meldeten die Beteiligten eigenständig an den Organisationsentwickler zurück.

Für Mediator/innen bestehen klare Beschränkungen für vorausgehende, parallele oder nachfolgende angrenzende Tätigkeiten. Das MediationsG legt fest, dass als Mediator/in nicht tätig werden darf, „wer vor der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig gewesen ist. Der Mediator darf auch nicht während oder nach der Mediation für eine Partei in derselben Sache tätig werden“ (Mediationsgesetz § 3, (2)). Der Gesetzgeber unterstreicht mit dieser Regelung den Stellenwert der Prinzipien der Allparteilichkeit und Neutralität. Zugleich bildet das Merkmal „in derselben Sache“ durchaus Raum für Interpretation und Abwägung. Bezogen auf Szenario 1 könnte ein Mediator argumentieren, dass ein Konflikt-Coaching mit der Führungskraft zur Entwicklung der eigenen Konfliktkompetenz eine andere Sache sei als die Mediation zwischen dieser Führungskraft und ihrem Team zur Klärung einer besseren Zusammenarbeit oder – fiktiv – über das Thema einer anderen Aufgabenverteilung. Ein bereits zur Führungskraft aufgebautes Vertrauensverhältnis sei ebenso wie die erworbene Kenntnis der Organisation potenziell fruchtbar für den späteren Einsatz auch als Mediatorin.

Gleichwohl kollidieren dann etwa Verschwiegenheitsanforderungen miteinander. Ein Coachee (hier: die Führungskraft) darf erwarten, dass die Tatsache des Coachings gegenüber Mitarbeiter/innen vertraulich bleibt. Zugleich kann es unter dem Gesichtspunkt der Offenbarungspflichten als Mediatorin problematisch sein, wenn Mediationsparteien vorab nicht darum wissen, dass die Mediatorin – wenn auch in anderer Sache – mit einer Seite nicht nur bekannt ist, sondern bereits gearbeitet hat. Es stellen sich Fragen der Unbefangenheit und Allparteilichkeit, die nicht nur die Beraterin selbst zu bewerten hat, sondern die stets auch aus der Perspektive möglicher Parteien abzuwägen sind.

Vergleichsweise unkomplizierter sind Situationen, in denen nach einer Mediation ein Supervisionsanliegen an die Beraterin herangetragen wird – jedenfalls, wenn der Kreis der Beteiligten übereinstimmt. Dann gilt es, eine saubere Auftragsklärung über geänderten Rahmen, Zielstellung und Rolle(n) sicherzustellen und sich selbst kritisch zu prüfen, ob ich diese auch wirklich erfüllen kann und nicht möglicherweise aus der Mediation noch spezifische Eindrücke von Einzelnen habe, die mir im Weg stehen könnten. Nicht zuletzt kann insbesondere bei rundum erfolgreichen Mediationen ein Risiko bestehen, sich selbst (oder die Beteiligten) aus der Euphorie des Klärungsmoments heraus verführen zu lassen, bestimmte Stolpersteine für den weiteren Auftrag zu übersehen oder zu unterschätzen.

Auch hierzu lohnt der formatübergreifende Diskurs. Dass dieser deutlich ausbaufähig ist, mag auf der Ebene der Professionalisierung mitbegründet sein, die abschließend noch einmal im Fokus steht.

3 Zum Verhältnis von Mediation und Supervision

3.1 Stellenwert von und formale Anforderungen an Supervision für Mediator/innen

Das Mediationsgesetz legt fest, dass die Ausbildung zur Mediatorin durch „praktische Übungen, Rollenspiele und Supervision“ erfolgen solle (MediationsG, § 5 (1)). Dass die Reflexion eigener Mediationsfälle im Rahmen einer Supervision ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil einer guten Mediationsausbildung sein sollte, ist unstrittig. Auch für ausgebildete Mediator/innen bleibt es für die Weiterentwicklung der eigenen Professionalität zentral, herausfordernde Situationen aus der eigenen Praxis supervisorisch zu bearbeiten. In den Qualitätsstandards der Mediationsverbände fanden sich diese Selbstverständlichkeiten von Anfang an wieder. Und so war es fachlich nur folgerichtig, dass Supervision im MediationsG Eingang fand.

Die Ausgestaltung von Supervision wurde in der ZMediatAusbV genauer bestimmt – und hielt in punkto Setting eine Überraschung bereit: In der Verordnung wurde durchgängig und ausschließlich von Einzelsupervision gesprochen. Mediator/innen und insbesondere Mediationsausbilder/innen waren verunsichert: War hier Einzelsupervision – im Sinne eines Einzelsettings von Supervisand/in und Supervisor/in – gemeint? Oder wollte der Gesetzgeber lediglich sicherstellen, dass als Supervision nur zählen sollte, wenn jemand den je eigenen Mediationsfall – im Sinne einer Einzelfall-Supervision – bearbeitete, unabhängig vom Setting (für die Auslegung als Einzelsetting von Oertzen 2019; für die Auslegung im Sinne einer Einzelfall-Supervision auch in Gruppen Fritz und Pielsticker 2020)? Mittlerweile ist diese Grauzone anlässlich einer Kleinen Anfrage der FDP zu „Transparenz und Qualitätssicherung in der Mediation“ (im Herbst 2019) geklärt. Der deutlichen Antwort der Bundesregierung ist zu entnehmen, dass im Sinne der Verordnung Einzelsupervision im Einzelsetting gemeint ist; andere Formen der Supervision bleiben selbstverständlich zusätzlich möglich.Footnote 1

Hinsichtlich Stellenwert, Inhalt und Umfang von Supervision besteht nunmehr eine deutliche Differenz zwischen den Standards der Verbände und den gesetzlichen Anforderungen. Dies illustriert die Gegenüberstellung in Tab. 1, die als Beispiel für verbandliche Qualitätsstandards die Anforderungen des Bundesverbandes für Mediation (BM) zeigt.

Tab. 1 Formale Festlegungen für Supervision von zertifizierten und verbandlich lizenzierten Mediator/innen

Während die Verordnung ausschließlich Fallsupervision in den Mittelpunkt rückt, ist Supervision in den Anforderungen der Verbände im Sinne einer Ausbildungssupervision viel breiter angelegt: Es gilt, das eigene Profil als Mediator/in zu entwickeln, den eigenen Stil zu schärfen, den Weg in die Praxis zu finden, mediative Rolle und Haltung zu festigen, Rollenklarheit, ggf. in Abgrenzung zu anderen professionellen Rollen, zu entwickeln u. v. m. Nur die verbandlichen Standards präzisieren den zeitlichen Anteil von Supervision in der Mediationsausbildung. Und sowohl für das erstmalige wie das weitere Führen des jeweiligen Titels sind die gesetzlichen Anforderungen an den Umfang weiterer Supervisionen wiederum deutlich geringer. Supervisionsmethodisch gibt es weder über die Verordnung noch über die Verbände Vorgaben; viel beschrieben und mutmaßlich oft angewendet wird die sogenannte mediationsanaloge Supervision (für eine aktuelle Darstellung vgl. Krabbe 2021); zugleich verlangt die Breite möglicher Anliegen nach einem sehr viel breiteren methodischen Repertoire.

Auch hinsichtlich der Frage, wer als Supervisor/in für Mediator/innen in Ausbildung und für praktizierende Mediator/innen fungieren kann und darf, sind die Anforderungen aus gesetzlicher Verordnung und verbandlichen Standards verschieden. Unter dem Gesichtspunkt der (ausbaufähigen) Wertschätzung für die benachbarte Profession Supervision möchte ich dabei zwei Punkte kritisch hervorheben: Es erscheint mir bedauerlich, wenn nicht gar ignorant, dass sowohl ZMediatAusbV als auch die meisten Standards der Mediationsverbände etablierte Anerkennungen für Supervisor/innen – etwa der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSv) oder der Systemischen Gesellschaft (SG) – als eine mögliche Orientierung für Mediator/innen auf der Suche nach Supervision nicht einmal benennen. Dass verbandlich lizenzierte Ausbilder/innen als Supervisor/innen lediglich eine Supervisionsfortbildung von 30 h nachweisen müssen, wirkt angesichts der üblichen Umfänge von Supervisionsausbildungen schließlich arg diskrepant.

3.2 Konfliktbezogen voneinander lernen

Neben diesem formalen Rahmen, der in seinem Stückwerk-Charakter auch als Ausdruck des (eher distanzierten) Nebeneinanders der Professionen Mediation und Supervision gelesen werden kann, gäbe es voneinander mit Blick auf organisationale Konfliktbearbeitung fachlich zu lernen: Es lohnt ein Austausch über den jeweiligen Sinn und Nutzen von Konflikt in Organisationen zwischen einer Profession, die – vereinfacht formuliert – einen organisationalen Konflikt vor allem als Klärungsstoff und -gelegenheit versteht und diesen offensiv, gezielt und strukturiert gestaltet (Mediation), und einer Profession, die Konflikt sehr viel breiter als Reflexions- und Lernanlass sieht (Supervision).

Es lohnt, die jeweilige Perspektive auf die (Un‑)Möglichkeiten einer konstruktiven Bearbeitung von Konflikten in diversen Settings und Strukturen in Organisationen zu teilen. Das beinhaltet einen formatübergreifenden Diskurs über strittige Fragen in der je eigenen Profession (wie etwa die oben erwähnte Debatte zur Freiwilligkeit der Konfliktbearbeitung oder den Umgang mit nicht nur hierarchisch bedingten Ungleichgewichten zwischen Beteiligten); und es verlangt, das formatübergreifende Arbeiten auch methodisch auszuloten: das punktuell mediatorische Arbeiten in der Supervision, das punktuell supervisorische Arbeiten in einer Mediation (das nach meinem Verständnis jeweils mindestens eine Vereinbarung über den sich ändernden Rahmen und die sich ändernde Rolle der Beraterin erfordern) und das Entwickeln einer guten kommunikativen Schnittstelle, wenn Supervisorin und Mediatorin parallel oder aufeinander folgend in einer Organisation arbeiten.

4 Fazit

Konfliktbearbeitung und Konfliktmanagement in Organisationen bilden ein sich dynamisch entwickelndes Feld; Mediation in Organisationen hat daran einen klaren Anteil. Zugleich wird übereinstimmend eingeschätzt, dass das Potenzial für zielgerichtete und methodisch fundierte Unterstützung bei der Konfliktbearbeitung in Organisationen durch Dritte bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist.

Neben bereits umfänglich diskutierten Stellschrauben für bessere Kenntnis und stärkere Nutzung von Mediation und anderen Formaten im Spektrum organisationaler Konfliktbearbeitung könnte ein stärkerer fachlicher Diskurs über vergleichbare konzeptuelle, methodische, rollen- und professionsbezogene Herausforderungen und Praxiserfahrungen insbesondere zwischen den Formaten Mediation, Supervision und Coaching einen wichtigen Beitrag zum Ausschöpfen dieses Potenzials leisten. Fundament dafür ist eine entsprechende Klarheit auf Seiten der Anbietenden und der Ausbildenden in den Formaten und ein (innerer wie äußerer) Raum für die Reflexion und Beantwortung von Fragen wie: „Was kann eine Mediatorin von einer Supervisorin lernen – und umgekehrt?“ oder „Was kann ein Konflikt-Coach von einem Mediator lernen?“ (ten Hoedt 2021, S. 85).

Die Niederländerin Francine ten Hoedt beschreibt als Konflikt-Coach und Mediatorin bemerkenswert erfrischend, worin aus ihrer Sicht die konfliktbezogenen Qualitäten der Mediatorin liegen: Sie sei (inhaltlich) untätig und setze damit kontinuierlich auf die Eigenverantwortung der Beteiligten; sie sei (inhaltlich) unwissend, um alles zur Diskussion stellen zu können; sie sei obdachlos, da sie bei keiner Partei Unterschlupf suche, und schließlich könne sie – wenn nötig – auf zugewandte Weise schroff sein, um im Konfliktklärungsprozess Regie zu führen (ebd., S. 86 ff.). Als Konflikt-Coach sei all das ebenfalls hilfreich, zugleich fokussiere sie in sehr viel stärkerer Weise als in der Mediation auf die Entwicklung der (individuellen und gemeinsamen) Konfliktfähigkeit und weniger auf das (unmittelbare) Bearbeiten und Lösen des Konflikts (ebd., S. 37). Auftraggeber/innen würden von derartiger Klarheit über den spezifischen Konfliktfokus, den Nutzen und die spezifische Herangehensweise der Formate in der organisationalen Konfliktbearbeitung profitieren.