1 Einleitung

Fast täglich stehen wir vor der Herausforderung, zahlreiche Entscheidungen in verschiedensten Lebensbereichen zu treffen. Hierbei handelt es sich zum einen um eher banale, fast schon unwichtige Entscheidungen, zum anderen aber auch um solche, die das eigene Leben sowie das anderer Menschen nachhaltig beeinflussen können. In der Regel gehen wir davon aus, dass wichtige und facettenreiche Entscheidungen, getreu der Volksweisheit „erst wägen, dann wagen“ oder „erst denken, dann handeln“ vollzogen werden sollten.

Im Kontrast zu dieser Annahme haben jedoch verschiedene experimentelle Befunde der Psychologie aufgezeigt, dass bewusstes Nachdenken und Analysieren der Entscheidung nicht immer zugutekommt und zu Entschlüssen führt, die den eigenen Präferenzen widersprechen (u. a. Gladwell 2005; Gigerenzer 2008; Kast 2011; Wilson et al. 1993). Immer mehr Bücher mit verheißungsvollen Titeln wie „Das kluge Unbewusste“ (Dijksterhuis 2010) oder „Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“ (Gigerenzer 2008) haben zudem dazu beigetragen, dass unbewusste Verarbeitungs- und Denkprozesse wieder zunehmend zu einem Gegenstand wissenschaftlicher Entscheidungsforschung avancierten.

Einer der Beiträge, der in wissenschaftlichen Kreisen Aufsehen eregte und bis heute noch kontroverse Diskussionen auslöst, stammt von dem niederländischen Forscher Ap Dijksterhuis. Er hatte 2006 im Rahmen der von ihm und Loran Nordgren aufgestellten „Unconscious Thought Theory“ (UTT) auf eine spezifische Entscheidungsstrategie verwiesen, die seinen Forschungsresultaten zufolge zu besseren Entscheidungen führt als das bewusste Nachdenken. Diese Strategie lässt sich am einfachsten mit dem häufig gehörten Ratschlag von Freunden oder Familienmitgliedern erklären: „Schlaf eine Nacht über die Entscheidung oder lenk dich etwas ab, und dann siehst du schon viel klarer“. Dieser Ratschlag basiert nach Ansicht der Forscher darauf, dass es in der Regel sinnvoller ist, das Unbewusste an der anstehenden Entscheidung „arbeiten“ zu lassen und sich dann intuitiv für diejenige Alternative zu entscheiden, mit der man ein gutes Gefühl verbindet (Dijksterhuis und Nordgren 2006).

Obgleich die von der UTT postulierte Strategie des unbewussten Denkens zunächst enormen Anklang in den forschenden Wissenschaften gefunden hat, vermag sie dennoch nicht alle relevanten Fragen zu dem Thema „Entscheidungen“ zu beantworten. Verschiedene Forscher, darunter der Wirtschafts-Nobelpreisträger Daniel Kahneman, machen z. B. darauf aufmerksam, dass die Qualität einer unbewusst „durchdachten“ bzw. intuitiven Entscheidung in einem hohen Maße von dem hinreichend reflektierten Expertenwissen eines Entscheiders abhängig ist. Ein intuitives Gefühl, das aus einer unbewussten Informationsverarbeitung eines Novizen stammt, stellt ihm zufolge keine valide Basis für qualitativ hochwertige Entscheidungen dar (Kahneman 2011). Ebenso ist bisher noch weitestgehend unklar, inwieweit sich die von der UTT erzielten Forschungsergebnisse (überwiegend aus dem Bereich privater Konsumentscheidungen) auf andere Entscheidungsbereiche wie z. B. der Personalauswahl, der Beratung oder dem Coaching übertragen lassen.

In diesem Beitrag sollen daher die UTT erörtert sowie die Bedeutung von Expertise für unbewusst-intuitive Entscheidungen herausgearbeitet werden. Hierzu werden auf theoretischer Ebene sowie anhand einer empirischen Untersuchung zur Personalauswahl die Relevanz der Expertise für intuitive Entscheidungen dargestellt und Implikationen für unbewusst-intuitive Entscheidungen in der Beratung abgeleitet.

2 Unconscious Thought Theory

Die von Dijksterhuis und Nordgren (2006) veröffentliche UTT (z. Dt. Theorie des unbewussten Denkens) kann im Wesentlichen mit Hilfe von drei Prinzipien beschrieben werden.

Das Kernprinzip der UTT, das Prinzip des unbewussten Denkens, beschreibt, dass Menschen grundsätzlich über zwei verschiedene Arten des Denkens verfügen: das bewusste und das unbewusste Denken. Während bewusstes Denken den Autoren zufolge einen kognitiven oder affektiven Prozess charakterisiert, der dann zum Tragen kommt, wenn die bewusste Aufmerksamkeit eines Individuums auf relevante Objekte oder Aufgaben gerichtet ist, beschreibt unbewusstes Denken „object-relevant or task-relevant cognitive or affective thought processes that occur while conscious attention is directed elsewere“ (Dijksterhuis und Nordgren 2006, S. 96).

Diesem Verständnis folgend, können dem bewussten und unbewussten Denken zwei unterschiedliche Entscheidungsstrategien zugeordnet werden: Entscheidungen auf Basis des bewussten Denkens sind dadurch charakterisiert, dass eine Person alle Entscheidungsobjekte bewusst analysiert, indem sie ihre Aufmerksamkeit ungeteilt auf diese lenkt und nach Abwägen aller Vor- und Nachteile zu einer Entscheidung gelangt. Im Gegensatz dazu impliziert unbewusstes Denken, dass die Aufmerksamkeit eine gewisse Zeit nicht mehr auf das Entscheidungsproblem gerichtet ist, ein Entscheider zu einem bestimmten Zeitpunkt aber dennoch weiß, wie er sich zwischen den Alternativen zu entscheiden hat, auch ohne dass ihm der dahinterliegende Verarbeitungsprozess bewusst ist. Das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen den Denkprozessen ist folglich die Aufmerksamkeit, die den entscheidungsrelevanten Inhalten entweder zu- oder abgewendet wird. Aber ist Entscheiden auf Basis des unbewussten Denkens auch eine kluge Strategie? Dijksterhuis (2010) zufolge liefert die Forschung eine Reihe von Belegen dafür, dass sich das unbewusste Denken nicht nur als geeignet, sondern dem bewussten Denken gegenüber oft sogar als überlegen erweist.

So verweisen Dijksterhuis und Nordgren (2006) über das in ihrer Theorie aufgestellte Kapazitätsprinzip auf den kognitionspsychologisch fundierten Umstand, dass unsere bewusste Gedächtnisleistung und damit verbunden unsere Aufmerksamkeit nur über eine begrenzte Verarbeitungskapazität verfügt (Dijksterhuis 2010; Roth 2010; Miller 1956). Während das Unbewusste jede Sekunde zahlreiche Informationen aufnehmen und verarbeiten kann, sind bewusste Denkprozesse eingeschränkt, was letztlich dazu führt, dass nur wenige (eben die mit Aufmerksamkeit versehenen) und nicht alle relevanten Informationen bei einer Entscheidung in Betracht gezogen werden können. Beim bewussten Denken muss folglich aus der Gesamtmenge der auf uns einwirkenden Informationen diejenige relevante Menge selektiert werden, die uns ein störungsfreies und effizientes Handeln und Denken ermöglicht (Deutsch und Deutsch 1963; Posner und Snyder 1975; Treisman 1964). Dieser Umstand spielt Dijksterhuis (2010) zufolge für Entscheidungen auf Basis des unbewussten Denkens keine oder wenn überhaupt nur eine untergordnete Rolle.

Die Qualität einer Entscheidung wird jedoch nicht nur dadurch begünstigt, dass ein Entscheider möglichst alle relevanten Informationen vollständig in Betracht ziehen kann. Ein ebenfalls zentraler Aspekt ist, dass eine Person eine konkrete Vorstellung von ihren eigenen Präferenzen hat, damit sie eindeutig festlegen kann, welche subjektive Relevanz bestimmte Eigenschaften von Alternativen für sie haben (Dijksterhuis und Nordgren 2006). In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang auch vom Gewichtungsprinzip bei Entscheidungen, da den Vor- und Nachteilen von Alternativen ein spezifisches und subjektives Gewicht zugewiesen werden muss, damit zwischen diesen sinnvoll und den eigenen Vorstellungen entsprechend abgewogen werden kann (Dijksterhuis 2010). Auch im Kontext des Gewichtens bzw. Abwägens von Eigenschaften stellt sich daher die Frage, ob lieber bewusst oder unbewusst nachgedacht werden sollte. Klassische Entscheidungstheorien der Ökonomie erwecken zunächst den Eindruck, dass Abwägungsprozesse primär eine Leistung des bewussten Verstands darstellen (Dijksterhuis und Nordgren 2006; Dijksterhuis et al. 2006; Newell et al. 2009). Interessanterweise verweisen zahlreiche psychologische Befunde jedoch darauf, dass Menschen sich in der Regel schwer damit tun, Eigenschaften miteinander zu vergleichen und diese hinsichtlich ihrer Relevanz bewusst und analytisch zu beleuchten (Dijksterhuis 2010; Levine et al. 1996; Tordesillas und Chaiken 1999; Wilson et al. 1993; Wilson und Schooler 1991; Wilson und Dunn 1986; Wilson et al. 1995). Zu viel Analyse durch bewusstes Abwägen scheint das Urteil eher zu trüben und zu einer zu hohen Gewichtung von Eigenschaften und Argumenten zu führen, die zwar leicht argumentierbar, aber den eigenen sprachlich eher schwerer zu fassenden Präferenzen sogar widersprechen (Dijksterhuis und Van Olden 2006; Halberstadt und Levine 1999; Simonson und Nowlis 2000; Wilson et al. 1993).

Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass der bewusste Verstand gerade bei komplexen Entscheidungen, die den Einbezug mehrerer Aspekte erfordern, schnell an seine Grenzen stößt, wohingegen das unbewusste Denken mit seiner enormen „Rechenleistung“ Personen in die Lage versetzt, alle Aspekte einer Entscheidung in Betracht zu ziehen und auf natürliche Weise zu gewichten. Dijksterhuis und Nordgren (2006, S. 104) resümieren: „The more complex a problem is, the more people consciously think before they act. This is intuitively logical, but the deliberation-without-attention effect shows that people should do the reverse.“

3 Der Einfluss von Expertise auf unbewusstes und bewusstes Denken

Einleitend wurde angeführt, dass Entscheidungen auf Basis des unbewussten Denkens häufig in einer Art Gefühl enden, das uns plötzlich sagt, wie wir uns zu entscheiden haben (Dijksterhuis 2010). Dieses Gefühl – auch Intuition genannt – ist nach Dijksterhuis und Nordgren (2006) das zusammengefasste Urteil des Unbewussten, das bei seiner Verarbeitung auf implizit abgespeichertes und über Erfahrung erworbenes Wissen zurückgreift. Es äußert sich dadurch, dass es schnell im Bewusstsein auftritt, ohne dass einem die Gründe hierfür bewusst sind (vgl. Plessner et al. 2008; Gigerenzer 2008).

Nach Dijksterhuis und Nordgren (2006) ist auf ein intuitives Gefühl bei Entscheidungen vor allem unter zwei Bedingungen Verlass: (1) dass die unbewussten Denkprozesse, auf denen das Gefühl basiert, ausreichend waren, (2) dass während des unbewussten Denkens auf entscheidungsrelevante Informationen des Gedächtnisses zurückgegriffen wird bzw. der Entscheider über eine hinreichende Expertise verfügt (vgl. Strick und Dijksterhuis 2011). Dijksterhuis und Nordgren (2006) beziehen sich vor allem mit der zweiten Aussage auf die Erkenntnisse der klassischen Intuitionsforschung (u. a. Kahneman und Klein 2009). John Haynes vom Bernstein Centre of Computational Neuroscience in Berlin warnt z. B. davor, sich vorschnell auf eine Intuition zu verlassen: „Eingebungen können uns nur dann helfen, wenn wir uns vorher intensiv mit einem Problem beschäftigt haben. Das Bauchgefühl ist keine Erkenntnis, die sich aus dem Übersinnlichen speist“ (zit. n. Schultz 2011). Auch Kast (2011, S. 84) weist in eine ähnliche Richtung: „Selbst das Unbewusste kann keine guten Entscheidungen treffen, wenn es nicht vorher mit relevanten Informationen gefüttert wird. An dieser Stelle kommt der Verstand ins Spiel. Dieser dient dazu, sich zum Experten zu machen.“

Wenn die Aufnahme relevanter Informationen aber dazu dient, sich zu einem Experten zu machen, welchen Einfluss nimmt Expertise dann generell auf die Qualität einer unbewusst oder bewusst getroffenen Entscheidung? Oder anders formuliert: Ist die Expertise eine Voraussetzung dafür, dass der Effekt des überlegenen Unbewussten in komplexen Entscheidungssituationen auftritt? Und treffen Experten bessere Entscheidungen, wenn sie intuitiv-unbewusst entscheiden?

Ein Blick auf die Erkenntnisse der klassischen Intuitionsforschung liefert zunächst einige Anhaltspunkte dafür, dass obige Fragestellungen bejaht werden können. So legen z. B. die Experimente der Psychologen Johnson und Raab (2003) den Schluss nahe, dass Experten besser beraten sind, wenn sie weniger bewusst nachdenken und stattdessen auf ihr erstes intuitives Gefühl hören. Sie zeigten Handballexperten und -laien Videosequenzen eines Handballspiels und baten sie anzugeben, welchen Spielzug ein im Video benannter Spieler am besten anwenden sollte. Wie sich herausstellte, generierten die Experten nicht nur bessere Spielzüge als die Laien, ihre ersten intuitiv aufkommenden Ideen waren meistens die besten. Dachten sie länger über mögliche Spielzüge nach, verschlechterten sich die von ihnen geäußerten Ideen. Eine Studie von Beilock et al. (2004) kommt zu ähnlichen Resultaten: Sie verglichen die spielerische Kompetenz von erfahrenen und unerfahrenen Golfspielern unter hohem und niedrigem bzw. keinem Zeitdruck. Die unerfahrenen Golfspieler waren besser, wenn sie keinem Zeitdruck unterlagen und über mögliche Spieloptionen nachdenken konnten. Für Golfprofis zeigte sich genau das Gegenteil. Sie trafen wesentlich häufiger das anvisierte Ziel, wenn sie für einen Abschlag weniger als drei Sekunden Zeit hatten. Bewusstes Nachdenken wirkte sich also negativ aus (vgl. Gigerenzer und Gaissmaier 2012; Halberstadt und Levine 1999; Kibele 2001).

Die angeführten Ergebnisse erinnern an die Darstellungen zum Gewichtungsprinzip der UTT. Während unbewusste Denkprozesse dazu beitragen, dass auf eine sehr „natürliche“ Weise abgewogen wird, führt bewusstes Nachdenken in der Regel dazu, dass weniger relevanten, jedoch gut verbalisierbaren Optionen ein zu hohes Gewicht verliehen wird (Dijksterhuis 2010). Auch Experten scheinen diesem verzerrenden Abwägungsprozess des bewussten Denkens zu unterliegen (u. a. Halberstadt und Levine 1999).

Gerd Gigerenzer, einer der bekanntesten deutschen Intuitionsforscher, zieht hieraus den vorsichtigen Schluss, dass Experten auf ihre intuitiven Impulse aus dem Unbewussten hören sollten. Ihm zufolge ordnet das Unbewusste Handlungsoptionen nämlich danach, wie erfolgreich sie in der Vergangenheit waren, sodass besonders häufig angewandte oder gewinnbringende Optionen im Gedächtnis „chronisch aktiviert“ und leichter auffindbar sind. Experten, die sich jahrelang mit einer Thematik auseinandergesetzt haben, haben in der Regel viele solcher chronisch aktivierten Handlungsoptionen im Gedächtnis gespeichert, sodass ihnen die „guten“ Ideen in der Regel schnell und intuitiv in den Sinn kommen, während Novizen länger über etwas nachdenken müssen (Gigerenzer 2008; Gigerenzer und Gaissmaier 2012). Oder anders formuliert: „Wer nach […] intensiver Auseinandersetzung mit einem Thema vor einer Entscheidungssituation in seinem Fachgebiet steht, führt unbewusst einen Mustervergleich durch: Die augenblickliche Situation wird unbewusst in parallelen Informationsverarbeitungen […] mit früheren Situationen verglichen. Der Experte weiß dann häufig intuitiv, was zu tun ist“ (Zeuch 2013, S. 1). Für den Wirtschafts-Nobelpreisträger Kahneman (2011) reduziert sich die scheinbare Magie der Expertenintuition auf die Alltagserfahrungen und die Wissensbestände des Experten, die durch unbewusst-automatische Prozesse abgerufen und durch Hinweisreize aktiviert werden. Expertenintuitionen, so Kahneman (2011, S. 293), „sind nicht mehr und nicht weniger als [das] Wiedererkennen“ der aktuellen Entscheidungssituation mit bereits erfahrenen Situationen (vgl. Dreyfus und Dreyfus 1986; Gobet und Charness 2006; Starkes und Ericsson 2003).

Zugegebenermaßen können jedoch aus den Ergebnissen der Intuitionsforschung immer nur indirekte Schlüsse für die UTT gezogen werden. Die Erkenntnis, dass Experten binnen weniger Sekunden eine sinnvolle Entscheidung treffen können, scheint auf den ersten Blick mit der UTT in Konflikt zu geraten. Ein Aspekt der unbewussten Entscheidungsstrategie nach der UTT besteht gerade darin, dem Unbewussten ausreichend Zeit zum Denken zu geben, indem man sich eine Zeit lang ablenkt oder das Problem überschläft (Dijksterhuis und Nordgren 2006). Schnelle, intuitive Entscheidungen vermitteln jedoch häufig den Eindruck, man hätte überhaupt nicht nachgedacht, weder bewusst noch unbewusst.

In einem Experiment zur Vorhersage von Spielausgängen der niederländischen Fußballnationlaliga gingen Dijksterhuis et al. (2009) daher der konkreteren Frage nach, ob Experten überhaupt von einer etwas längeren Phase des unbewussten Denkens gegenüber einer typischen „Sofortentscheiderbedingung“ der klassischen Intuitionsforschung profitieren würden. Wie von den Forschern erwartet, stützen die Ergebnisse die UTT: Die am Experiment teilnehmenden Fußball-Experten trafen die besten Spielvorhersagen, wenn sie erst nach einer 2‑minütigen Ablenkungsphase (unbewusstes Denken) und nicht sofort um eine intuitive Vorhersage der Spielausgänge gebeten wurden. Für Fußball-Laien spielte es wiederum keine Rolle, ob sie zwei Minuten bewusst oder unbewusst nachdenken oder wiederum sofort entscheiden mussten, sie sagten ohnehin nur selten den richtigen Spielausgang voraus (Dijksterhuis 2010; Bos und Dijksterhuis 2012; Strick und Dijksterhuis 2011). Die Ergebnisse der angeführten Experimente stützen folglich die bisherigen Vermutungen und lassen sich mit den Worten der Forscher Strick und Dijksterhuis (2011) zusammenfassen: „[…] the best way to find an appropriate solution to a complex problem is often to first gain expert knowledge by absorbing all possible information about the problem, then distract oneself from the problem for a period of time (unconscious thought), and finally make the decision according to one’s ‚gut feeling‘“ (S. 28 f.).

Offen blieb bisher jedoch, ob sich diese fast auschließlich im Sport oder in der Konsumentenforschung durchgeführten Experimente auch auf andere, arbeitsrelevante Bereiche, wie z. B. die Entscheidungsarbeit von Recruitern, Therapeuten, Beratern oder Coaches übertragen lässt. Die von ihnen getroffenen Entscheidungen sind insofern besonders relevant, als dass sie das Leben anderer Personenkreise (wie Bewerber, Beratende oder Coachees) maßgeblich beeinflussen können (De Vries et al. 2010). Im Folgenden soll die Darstellung einer eigenen Erhebung im Bereich der Personalauswahl erste Anhaltspunkte für die Bedeutung unbewusst-initiver Denkprozesse in genau diesen Bereichen aufzeigen.

4 Empirische Untersuchung: Bewusstes und unbewusstes Denken bei der Personalauswahl

4.1 Hypothesen

Der Personalauswahl liegen hochkomplexe Entscheidungsprozesse zugrunde, die nicht selten in einer verfälschten Gewichtung von Bewerbereigenschaften und schließlich in einer suboptimalen Auswahl münden (Messner et al. 2011). Für den späteren beruflichen Erfolg eines eingestellten Bewerbers ist es aber von zentraler Bedeutung, dass mit Hilfe der Personalauswahl vor allem jene Bewerbereigenschaften erkannt, beurteilt und hoch gewichtet werden, die zur Ausübung der angestrebten Tätigkeit „notwendig oder zumindest förderlich sind“ (Schuler 2008, S. 5). Wie die bisherigen Ausführungen vermuten lassen, könnte dieser durch Komplexität entstehenden Problematik der Personalauswahl mit Hilfe unbewusster Denkprozesse begegnet werden, sofern – und auch das lässt sich aus den bisherigen Argumentationen schließen – die Person über eine hinreichende Expertise verfügt, auf die sie bei der (unbewussten) Entscheidungsfindung zurückgreifen kann.

So kann z. B. angenommen werden, dass sehr erfahrene Recruiter durch zahlreiche Bewerbungsgespräche bereits Ähnlichkeiten und Muster zwischen den Bewerbern erkannt und diese in ihrem Gedächtnis in Form von Erfahrungswissen gespeichert haben (vgl. Koppers 2013). Durch Erfahrung erworbene Wirkketten wie z.B. „Kandidaten mit geringer Teamkompetenz erweisen sich als unqualifiziert, die Stelle X zu besetzen“ werden folglich durch Hinweisreize, z. B. die vorhandene Teamerfahrung eines neuen Bewerbers, automatisch und unbewusst aktiviert. Was sich dann äußert, ist in der Regel ein gutes oder ungutes Gefühl, das der Recruiter mit den jeweiligen Bewerbern assoziiert und das durch eine Phase des unbewussten Denkens begünstig wurde. Eine Person hingegen, die keine Kenntnisse über die Personalauswahl bzw. über die zu besetzende Stelle aufweist, wird auch nach einer längeren Phase des unbewussten Denkens zu keiner vernünftigen Entscheidung gelangen. Unerfahrene Recruiter sollten sich daher zunächst bewusst mit der Personalauswahlthematik auseinandersetzen und und erst dann zwischen den Bewerbern entscheiden.

Im Folgenden wurde der von Dijksterhuis und Nordgren (2006) postulierte Effekt des unbewussten Denkens daher um den Faktor „Expertise-Level“ erweitert. Es wurde erwartet, dass Experten der Personalauswahl von unbewussten und Novizen der Personalauswahl von bewussten Denkprozessen profitieren, wenn ihnen eine komplexe Entscheidungssituation der Personalauswahl vorgelegt wird. Unbewusst denkende Experten sollten daher bessere Entscheidungen treffen als unbewusst denkende Novizen der Personalauswahl.

4.2 Methode

Stichprobe: Am Experiment nahmen 43 Auszubildende der Altenpflege (Novizen) sowie 42 an der Personalauswahl beteiligte Pflegefachkräfte eines Altenpflegeverbunds (Experten) teil. Das Durchschnittsalter der Altenpflegeauszubildenden lag bei 25,05 Jahren (SD = 6,32), und ihre Berufserfahrung beschränkte sich auf ihr jeweiliges Lehrjahr (M = 2,01; SD = 1,02). Die Pflegefachkräfte waren im Durchschnitt 38,50 Jahre (SD = 11,63) alt, und ihre Berufserfahrung (inkl. unterstützende Teilnahme an der Personalauswahl) lag zwischen 6 und 21 Jahren (M = 12,40; SD = 5,11). Die Versuchsteilnehmer waren überwiegend weiblichen Geschlechtes (85 %).

Versuchsaufbau: Die Versuchsteilnehmer wurden zunächst in ihre Rolle als Personalauswahlverantwortliche für examinierte Pflegekräfte eingewiesen. Den Teilnehmern wurde mitgeteilt, dass sie Informationen über vier hypothetische Bewerber erhalten würden, mit deren Hilfe sie sich einen Eindruck von den Bewerbern machen und zu einem späteren Zeitpunkt ein Urteil darüber fällen sollten, welcher der präsentierten Bewerber am geeignetsten ist, eine Stelle als Pflegefachkraft zu besetzen. Nach der Einweisung wurden den Versuchsteilnehmern die vier hypothetischen Bewerber A, B, C und D präsentiertFootnote 1. Jeder der vier Bewerber wurde über dieselben 12 Eigenschaften beschrieben, die geblockt je Bewerber über Power-Point Folien nacheinander präsentiert wurden. Bewerber C wies 8 positive und 4 negative Eigenschaften auf, während Bewerber B über 8 negative und lediglich 4 positive Eigenschaften charakterisiert war. Die 8 Eigenschaften, welche bei Bewerber C positiv formuliert waren, waren bei Bewerber B negativ formuliert, sodass beide Kandidaten genau gegenteilige Eigenschaften aufwiesen. Die verbleibenden zwei Bewerber (A und D) waren neutral und hatten jeweils gleich viele positive und negative Eigenschaften und dienten lediglich dazu, die Entscheidungsaufgabe komplex werden zu lassen (s. a. Strick et al. 2011).

Nachdem die Versuchsteilnehmer die Informationen der Bewerber gelesen hatten, sollten sie, je nachdem welcher experimentellen Bedingung sie vor dem Experiment (randomisiert) zugeordnet wurden, bewusst oder unbewusst denken. In der Bedingung des „bewussten Denkens“ erhielten die Teilnehmer die Anweisung, drei Minuten lang genau über die eben präsentierten Bewerber nachzudenken. Nach Verstreichen der drei Minuten sollten die Teilnehmer die stellenspezifische Qualifikation jedes Bewerbers über eine 9‑Punkte-Skala von 1 „völlig ungeeignet“ bis hin zu 9 „sehr geeignet“ beurteilen und zusätzlich einen der vier Bewerber für die Pflegefachkraft-Stelle auswählen. Analog zu den klassischen UTT Experimenten beschäftigten sich die Teilnehmer in der Bedingung des unbewussten Denkens hingegen drei Minuten lang mit einem Wörtersuchrätsel. Erst im Anschluss sollte auch diese Versuchsgruppe ihre Einschätzung über die Qualifikation jedes Bewerbers auf der 9‑Punkte-Skala abgeben und sich intuitiv für einen der Bewerber entscheiden.

Um den objektiv geeignesten Bewerber zu ermitteln, beurteilten alle Versuchsteilnehmer anschließend die dargestellten Bewerbereigenschaften auf einer 5‑Punkte-Skala von 1 „völlig unwichtig“ hin zu 5 „sehr wichtig“. Hierdurch sollte geprüft werden, ob nicht nur die Anzahl der positiven und negativen Bewerbereigenschaften einen Einfluss auf die Bewertung der Versuchsteilnehmer genommen hatte, sondern auch deren subjektive Gewichtung. Das Experiment schloss mit Angaben zur Person ab.

4.3 Ergebnisse

Als erster Indikator der Entscheidungsqualität wurde zunächst die Wahl des geeignetsten Bewerbers herangezogen. Als objektiv geeignetester Bewerber wurde derjenige deklariert, der nicht nur die meisten positiven, sondern ebenfalls von den Versuchspersonen als besonders wichtig deklarierte Eigenschaften aufwies.

Bereits der despriptive Mittelwertvergleich zeigte auf, dass sich 76 % der unbewusst denkenden und nur 62 % der bewusst denkenden Experten für den geeignetsten Bewerber entschieden. Dieses Ergebnis deutet wie angenommen darauf hin, dass Experten bessere Entscheidungen treffen, wenn sie unbewusst und nicht bewusst nachdenken. Die ermittelten Prozentzahlen für bewusst (48 %) und unbewusst denkende (45 %) Novizen machten hingegen deutlich, dass die Manipulation des Denkmodus kaum einen Einfluss auf die Entscheidungsqualität der Novizen ausgeübt hatte. Sie wählten im Vergleich zu den Experten (69 %) über alle Denkbedingungen hinweg seltener den geeignetsten Bewerber (46 %). Darüber hinaus zeichnete sich auf deskriptiver Ebene der vermutete Zusammenhang zwischen Expertise und Entscheidungsqualität in der Bedingung des unbewussten Denkens ab: 76 % der unbewusst denkenden Experten und nur 45 % der unbewusst denkenden Novizen wählten den objektiv geeignetsten Bewerber.

Zur inferenzstatistischen Prüfung wurde eine Loglineare Analyse durchgeführt. Diese lieferte eine signifikante Interaktion zwischen Expertise-Level und Bewerberwahl (χ2 (1) = 4,415; p = 0,036) und zeigte auf, dass die Chance, den geeignetsten Bewerber zu identifizieren, für Experten 2,58 Mal so groß war wie für Novizen. Ein Chi Quadrat Test wies in der Bedingung des unbewussten Denkens ferner einen signifikanten Zusammenhang zwischen Expertise-Level und der korrekten Bewerberwahl aus, χ2 (1) = 4,188; p = 0,042; Φ = 0,32. Die Annahme, dass ein Zusammenhang von Expertise-Level und korrekter Bewerberwahl bei unbewusst Denkenden vorliegt, konnte damit bestätigt werden: Die Chance, nach einer Phase des unbewussten Denkens den geeignetsten Bewerber zu wählen, war für Experten 3,90 Mal größer als für Novizen. Ein übergeordneter Vorteil unbewusst gegenüber bewusst denkenden Experten konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.

Analog zu den Untersuchungen von Dijskterhuis und Nordgren (2006) wurde neben der korrekten Wahl des geeignetsten Bewerbers die Beurteilungsdifferenz zwischen dem geeignetsten und ungeeignetsten Bewerber als zweiter Indikator der Entscheidungsqualität herangezogen. Diese gibt Aufschluss darüber, wie gut eine Versuchsperson stellenbezogene Qualifikationsunterschiede zwischen dem geeignetsten und dem ungeeignetsten Bewerber erkennen und so zwischen beiden differenzieren konnte. Höhere Beurteilungsdifferenzen spiegeln demnach eine stärkere Präferenz für den geeignetsten im Vergleich zum ungeeignetsten Bewerber wider.

Analog zu den obigen Ergebnissen verdeutlichten die deskriptiven Mittelwerte der Beurteilungsdifferenz, dass die Experten eher von unbewussten (M = 2,76; SD = 2,07) als von bewussten (M = 1,48; SD = 1,91) Denkprozessen profitieren. Die Mittelwerte in der Bedingung des unbewussten Denkens verdeutlichen darüber hinaus, dass die Experten besser darin waren, qualifikationsbezogene Unterschiede zwischen den Bewerbern (M = 2,76; SD = 2,07) zu erkennen, als ihre nicht fachkundigen Kollegen (Novizen) (M = 1,90; SD = 2,59). Die deskriptiven Ergebnisse entsprechen also weitestgehend der aufgestellten Annahme, dass sich unbewusstes Denken vor allem für diejenigen Entscheidungsträger auszahlt, die bereits eine hinreichende Personalauswahl-Expertise erworben haben.

Um die deskriptiv analysierten Mittelwerte statistisch zu prüfen, wurde die Beurteilungsdifferenz einer Varianzanalyse unterzogen. Hierbei wurde aufgrund der gerichteten Hypothesen und mit dem Ziel, spezifische Einzelvergleiche zwischen ausgewählten Faktorstufen durchzuführen, eine orthogonale a priori Kontrastanalyse durchgeführt (Bortz 2005). Ein Haupteffekt des Expertiselevels (F(1,79) = 0,003; p = 0,958; η2 = 0,00) sowie des Denkmodus (F(1,79) = 0,811; p = 0,371; η2 = 0,01) auf die Entscheidungsqualität konnte zunächst nicht ermittelt werden. Die Kontrastanalyse lieferte jedoch für den festgelegten Einzelvergleich von bewusst und unbewusst denkenden Experten ein signifikantes Ergebnis (t(79) = 1,831, p = 0,035, einseitig): Unbewusst denkende Experten konnten signifikant besser zwischen dem geeignetsten und dem ungeeignetsten Bewerber differenzieren als ihre bewusst denkenden Kollegen. Für Novizen konnte hingegen abermals kein statistisch bedeutsamer Unterschied in den Denkbedingungen ausgemacht werden (t(79) = 0,542; p > 0,05), sodass auch an dieser Stelle der vorläufige Schluss gezogen werden kann, dass sich unbewusstes Denken scheinbar nur für erfahrene Recruiter auszahlt.

5 Zusammenfassung und Implikationen für die Beratung

Die Ergebnisse des Beitrags zeigen, dass dem Expertenwissen eine bedeutendere Rolle bei unbewusst-intuitiv getroffenen Entscheidungen zukommt, als bislang im Rahmen der UTT angenommen. So konnte im Hinblick auf Personalauswahlentscheidungen gezeigt werden, dass Experten insgesamt – und insbesondere in der Bedingung des unbewussten Denkens – häufiger den geeignetsten Bewerber wählten als Novizen. Personen, die viel Erfahrung mit der Auswahl geeigneter Mitarbeiter haben, profitieren also stärker von unbewussten Denkprozessen als solche, die diesen Erfahrungsschatz nicht aufweisen. Die Analyse der Beurteilungsdifferenz zeigte darüber hinaus, dass die Entscheidungsperformance der Experten höher ist, wenn diese unbewusst und nicht bewusst nachdenken. Für Novizen erwies sich hingegen keiner der beiden Denkmodi als der überlegenere. Die eingangs aufgeworfene Frage, ob sich der Effekt des überlegenen Unbewussten sowohl für Experten als auch für Novizen gleichermaßen zeigt, kann entsprechend den Ergebnissen für die Personalauswahl verneint werden. Vielmehr machen die Ergebnisse darauf aufmerksam, dass sich eine Ablenkungsphase (unbewusstes Denken) nur dann gegenüber bewusstem Nachdenken als überlegenere Strategie erweist, wenn der Recruiter bereits über eine hinreichende Expertise verfügt. Reale Personalauswahlentscheidungen halten zudem weitaus komplexere Informationsmengen bereit als die hier im Versuchsaufbau explizit, sprachlich verbalisierten. So führen Gestik, Mimik und weitere paralinguistische Aspekte des Bewerbers nicht selten zu einer hoch verdichteten Personalauswahlsituation, die die hier ermittelten Grundaussagen auf theoretischer Ebene zusätzlich bestärken.

Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun für die Beratung ziehen? Ähnlich der Personalauswahl sind Beratungsprozesse von Entscheidungen geprägt, die nicht nur den Berater selbst, sondern vor allem seine Klienten betreffen. Gerade für diese Bereiche scheint es daher unerlässlich zu sein, dass Entscheidungen auf Basis von Strategien getroffen werden, die eine hinreichende Güte aufweisen. Folgt man den Ausführungen dieses Beitrags, müsste die Schlussfolgerung für Beratungsprozesse folglich lauten: Hat sich ein Berater im Laufe seiner Tätigkeit ein Expertenwissen angeeignet und sieht sich mit einer Situation konfrontiert, die es erfordert, dass zahlreiche sprachliche und nicht-sprachliche Aspekte während der Beratung beleuchtet und gewichtet werden, so sollte dieser eine Ablenkungsphase einlegen, sein Unbewusstes „arbeiten“ lassen und dann intuitiv nach Gefühl beraten bzw. entscheiden. Die für das unbewusste Denken notwendigen Ablenkungsphasen ließen sich im Beratungsgespräch nicht nur mittels der ohnehin entstehenden Gedankenpausen des Beratenden einbinden. So finden sich in vielen Beratungsgesprächen Phasen mäandernder Gesprächsführung, in denen mehrere unterschiedliche Themenbereiche angesprochen sind. Diese könnten dazu dienen, eine Ablenkung im Tun herzustellen, d. h. der Coach könnte das Gespräch gezielt auf andere, ebenfalls im Raum stehende Themenbereiche lenken und zu einem späteren Zeitpunkt dann zu dem Ausgangsthema zurückkommen, nachdem er sein Unbewusstes hat arbeiten lassen.

Mit einer solchen Vorstellung von guter Beratung tun sich viele Menschen jedoch schwer, da mit unbewusst-intuitiven Entscheidungen nicht selten eine gewisse Kontroverse über ihre Tauglichkeit einhergeht. Gleichwohl scheint ein gewisser Konsens darüber zu herrschen, dass es für gute Beratung nicht nur auf das Fachwissen des Beraters ankommt, sondern ebenso auf einen meist nur schwer zu beschreibenden Teil, der häufig mit einem „guten Bauchgefühl“ für die Anliegen seiner Klienten umschrieben wird (Weinhardt 2013; Schiffer 2003).

In Anlehnung an die obigen Ausführungen über unbewusst-intuitive Entscheidungen sind zwei Fälle zu unterscheiden, die die vermeintliche Kontroverse auflösen und gleichzeitig die Bedingungen aufzeigen können, unter denen sich unbewusst-intuitive Entscheidungen tatsächlich als gewinnbringend für die Beratung erweisen:

Der erste Fall beschreibt Intuition lediglich als plötzlichen Einfall, Geistesblitz, imaginative Eingebung oder auch als sechsten Sinn, bei dem nicht nachvollzogen werden kann, woher das intuitive Gefühl kommt oder woraus er resultiert (Adam 2003, S. 211).

Beim zweiten Fall, nämlich nach der hier vertretenen Lesart, wird unter intuitiven Entscheidungen ein hochverdichtetes, meist nicht mehr vollständig zu rekonstruierendes Expertenhandeln verstanden, das sich dem „Können und Wissen“ eines Beraters nicht entzieht, sondern im Gegenteil stark mit diesem verbunden ist. Beratende sollten ihr Wissen und Können also stetig den neusten Erkenntnissen anpassen, indem sie gezielt neue Informationen für einen wirksamen Beratungsprozess einholen und so ihr Beziehungs- und Erfahrungswissen fortlaufend überprüfen und ausbauen (Mescheder und Sallach 2012). Eine ausreichende Selbsterfahrung ist hierbei (z. B. während der Beraterausbildung) ebenso zentral wie ein die fortlaufende Reflexion des eigenen Beratungshandelns z. B. im Rahmen von Supervision (Laireiter 2005). Die hieraus resultierenden unbewusst-intuitiven Entscheidungen sind also nie losgelöst von der Beratungskompetenz (z. B. Fach‑, Prozess‑, Feldkompetenz) des Beraters zu sehen, sondern unweigerlich mit dieser verbunden und spiegeln folglich denjenigen Fall der Intuition wider, auf den der Berater den evidenzbasierten Ausführungen nach vertrauen darf. „Schlaf eine Nacht drüber“ oder „Lenk dich ein wenig ab“ kann sich also auch als eine wirksame Strategie des Beraters entpuppen – zumindest dann, wenn der Berater über ausreichend beraterische Expertise verfügt und sein beraterisches Handeln (und damit auch seinen Umgang mit Intuition und seinen Bezug zu Theorien und Konzepten, die sein Handeln leiten) kontinuierlich reflektiert.