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Selbstreflexivität – Annäherungen an eine zentrale Haltung in Coaching- und Beratungsprozessen

Self-reflexivity—Approaches to a core concept in processes of coaching and counselling

  • Praxisberichte
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Organisationsberatung, Supervision, Coaching Aims and scope Submit manuscript

Manchmal ist man von sich selbst ebenso verschieden wie von den anderen. (La Rochefoucauld)

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird die für alle Coaching- und Beratungsprozesse zentrale Haltung der Selbstreflexivität genauer ausgeleuchtet und ausgelotet. Dies geschieht anhand der Perspektivenfolge: Begriffszugang, Begriffsumfang und Begriffsumgang. Dadurch stehen Etymologie, Verwendungsweisen und Handeln im professionellen Beratungskontext im Vordergrund der Betrachtung. Ein Hinweis auf die Beziehung zu einer entwickelten Selbstsorge beschließt die Ausführungen.

Abstract

This article explores “self-reflexivity” as a key competence and general attitude in all contexts of coaching and supervision. Three main perspectives are used approaching self-reflexivity: the “where from”, “what for” and “how-to”. Thus starting from etymology the importance of the subject in the practice of coaches and counselors is explored. Based on two models it is shown what kind of interaction between client and coach is beneficial when wanting to activate self-reflexivity. The article is rounded up by a note on self-care—one important aspect of self-reflexivity.

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Abb. 1
Abb. 2

Notes

  1. Zu den Aspekten „zweite Ordnung“ sowie „Selbstreferenz“ und „Beobachterproblem“ vgl. die Ausführungen des Biokybernetikers und Epistemologen Heinz v. Foerster (1993, S. 60–108; 1994, S. 25–76).

  2. Vgl. außerdem die verschiedenen „Formen des Selbst“, die Paul Valéry in seinen Bewusstseins-Erkundungen beschreibt (Stölzel 2011, S. 134).

  3. Eine pointierte Beschreibung dieses besonderen Verhältnisses nimmt Valéry vor, wenn er sagt: „Das Ich erlaubt, sich das System Selbst als ein Punkt-Selbst vorzustellen“ (Stölzel 2011, S. 139).

  4. Innerhalb der verschiedenen psychologischen Theorien und Therapien werden diese beiden zentralen Begriffe durchaus unterschiedlich beschrieben, verwendet und verstanden (vgl. die divergenten Konzeptionen u. a. von Freud, Jung, Adler, Reich, Klein, Kohut, Assagioli, Erikson, Perls, Rogers und Gendlin).

  5. Dies gilt für die umgangssprachliche Verwendung, vor allem bei psychologisch ausgerichteten Autoren, wie La Rochefoucauld und seinen Réflexions, ou Sentences et Maximes morales (oder den später darauf bezugnehmenden Goethe in Maximen und Reflexionen) wie auch für die Verwendung als grundlegender Fachterminus bei Locke und Leibniz.

  6. Eine nicht-förderliche gedankliche Beschäftigung mit sich selbst bezeichnet man hingegen als Rumination oder auch Grübeln. Es zeichnet sich dadurch aus, dass man negative Aspekte oder Probleme gedanklich bewegt, ohne jedoch zu einer befriedigenden Lösung zu kommen, was zu einer sich verstärkenden Tendenz weiteren Grübelns führt.

  7. Die festschreibenden Wirkungen des Verbums „sein“ kommen bei Beschreibungen (auch innerhalb von Coaching- und Beratungsprozessen) häufig nicht eigens zu Bewusstsein (wie zahlreiche Beobachtungen zeigen). Das erzeugt und erhält viele Kommunikationsprobleme, bei der Fremd- wie bei der Selbstbeschreibung, lässt sich jedoch durch bewusstseinsbildende Übungen verändern (vgl. Stölzel 2015, S. 152 ff).

  8. Valéry gibt zu bedenken: „Zum höchsten Punkt seiner selbst gelangt man nur auf dem Umweg über die anderen und mit ihrer Hilfe.“ (Stölzel 2011, S. 140).

  9. Anders als andere Theoretiker der Persönlichkeitsforschung konzeptioniert Kuhl Persönlichkeit nach Funktionsweisen, die von niederen zu höheren Funktionen auf sieben Ebenen beschrieben werden können. Für eine Darstellung seines gesamten Ansatzes verweisen wir auf die Literatur. Kuhl wurde 2012 von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGP) für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

  10. Die Modi heißen bei Belschner „algorithmisch“, „empathisch“ und „non-dual“. Belschner selbst regt an, die Begriffe je nach Kontext anzupassen, solange die Aussage der drei Modi gewährleistet bleibt. Eine genaue Beschreibung der Modi und ihrer Charakteristika findet sich bei Belschner (2010) und Wagner (2013b).

  11. Die drei Modi beziehen sich auf das ungetrübte, gesunde Bewusstsein eines Menschen. Im Gegensatz dazu stehen psychopathologische Bewusstseinstrübungen oder Veränderungen, mit denen man eine Desorientierung in der Wahrnehmung von Ich-Raum- und Zeitkonstanten beschreibt.

  12. Zum Einsatz von kreativen Methoden im Coaching siehe auch Schreyöggs (1995) Ausführungen.

  13. Die erweiterte Präsenz ist bei Belschner eine hohe Form von Bewusstsein, die den rationalen Verstand übersteigt, ähnlich wie bei Kuhl das Selbst eine höhere Integrationsstufe ist als der Verstand. Diese Konzeption ist mit dem Freudschen Begriff des Unbewussten nicht abgdeckt.

  14. In Studien zum Modell der Bewusstseinsweite konnte belegt werden, dass es klar unterscheidbare Gruppen von Praktizierenden gibt, je nach Ausbildung und Zughörigkeit zu bestimmten „Schulen“ in Psychotherapie und Beratung. Dies lässt sich auch für Führungskräfte belegen (zusammengefasst in Wagner 2013a).

  15. Vgl. Rösing (2006) zum Begriff der Weisheit als Integration von Paradoxien sowie „Eingrenzung“ und „Entgrenzung“ (zusammengefasst in Wagner 2013a). Vgl. hierzu auch das Begriffsverständnis von Philosophie „als die Bereitschaft: sich um die eigenen Weisheitsmöglichkeiten zu kümmern“ und diese als individuelles Potential zu entwickeln (Stölzel 2012, S. 64 ff).

  16. Bedeutsam in dem Kontext von Bewusstseinsqualitäten, Ambiguitätstoleranz und „weisheitlichem“ Denken ist generell auch die Perspektive der Ebenen der Ich-Entwicklung. Eine Zusammenfassung der Modelle und der Bedeutung für Beratung findet sich bei Binder (2016).

  17. Man kann schlussfolgern, dass im aktiven Selbst-System auch der Modus der intuitiv erweiterten Präsenz aktiv ist.

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Stölzel, T., Wagner, U. Selbstreflexivität – Annäherungen an eine zentrale Haltung in Coaching- und Beratungsprozessen. Organisationsberat Superv Coach 25, 501–514 (2018). https://doi.org/10.1007/s11613-018-0581-1

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